Im April 2020 ist Tony Allen verstorben, eine der wichtigsten Figuren der Afrobeat-Szene. Jetzt ist posthum ein neues Album des nigerianischen Drummers erschienen. Mit futuristischen Grooves und einer Armada an erstklassigen MCs.
"Mit einem Bein kann man nicht Fahrradfahren", hat Tony Allen mal gesagt, denn wenn er an den Drums sitzt, dann wirbeln alle seine Gliedmaßen. Mit seinen Schlagzeugspiel brachte er Ende der 60er an der Seite des legendären Fela Kuti den "Beat" in den Afrobeat. Später startete er eine erfolgreiche Solokarriere und spielte mit unterschiedlichen Musikern wie den Gorillaz, dem Techno-Pionier Jeff Mills oder dem südafrikanischen Trompeter Hugh Masekela. Am 30. April 2020 ist Tony Allen überraschend im Alter von 79 Jahren in seiner Wahlheimat Paris verstorben. Dort hatte er eigentlich gerade mit dem französischen Produzenten Vincent Taeger an einem neuen Projekt gearbeitet: "There is no End".
Anders als auf seinem vorherigen Alben, sollten hier nicht Musiker*innen aus verschiedenen Genres zusammenkommen, sondern der Fokus lag ganz klar auf der globalen Rap-Bewegung. Als Gäste hört man etablierte Acts wie den Rap-Weirdo Danny Brown oder die australische Rapperin Sampa The Great. Der Großteil der MCs sind aber junge Talente wie Nah Eeto aus Nairobi, oder Zelooperz aus Detroit. Das einzige Stück, dass noch komplett zu Tony Allens Lebzeiten fertiggestellt wurde ist das mystische "Cosmosis". Darin verschmilzt düsterer Funk mit den Reimen von UK-Rapstar Skepta und der Poesie von Ben Okri. Für die anderen Stücke standen nur die grundlegenden Drum-Grooves und ein paar Basslines, Vincent Taeger stellte das Projekt mithilfe dieser Grundideen fertig.
Das Ergebnis klingt wie eine moderne Rap Compilation, mit Tony Allen an den Drums. Man hört allerdings keinen hippen Autotune-Trap, sondern organischen Boom-Bap oder Leftfield Rap, mal mit schrägen Samples, mal ziemlich groovy - mit live gespielten Instrumenten. Ein Highlight ist die Zusammenarbeit mit der Britin Lava La Rue. "One Inna Million" beginnt ziemlich minimal mit einem vertrackten Drum-Groove und einer funky Bassline, auf der Lava Reimkaskaden herunterrattert und dem Meister huldigt: "Tony created the beat". Im Chorus funkeln dann sphärische Melodien auf und Lava singt mit einer engelsgleichen Stimme.
"There is No End" ist nicht die große Geste der Verabschiedung, mit alten Weggefährten, wie es manche vielleicht erwartet haben. Es ist ein modernes Rap-Album, auf dem das Erbe von Tony Allen weiterentwickelt wird - mit jungen Leuten und neuen Einflüssen. Und das ist vielleicht auch in seinem Sinne. Denn Tony Allen wollte sein musikalisches Wissen immer erweitern und etwas erschaffen, das noch nicht da war. Der Albumtitel ist ein Zitat von ihm, das man auch auf dem Album hört: "I don't know when to stop. I am just exploring. There is no end to it."
Dieses Zitat bezieht sich ursprünglich auf seine unstillbare Neugier und auf seine Drumpatterns, die so komplex sind, dass man schwer raushören kann, wo der Anfang oder das Ende ist. Über ein Jahr nach seinem Tod hat "There is no End" aber auch eine dritte Bedeutung: Die Musik von Tony Allen lebt weiter.
(Adrian Nowak ; wdr.de)
mehr