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Der Eisvogel

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
318 Seiten
Deutsch
Suhrkamp Verlag AGerschienen am16.11.20101. Auflage
Wiggo Ritter hat die denkbar besten Voraussetzungen für eine Traumkarriere. Doch dem Vater, einem erfolgreichen Bankier, will er nicht nacheifern, und seine akademische Laufbahn als Philosoph ist gescheitert. Sein scheinbar aussichtsloses Leben gerät in neue Bahnen, als Wiggo den charismatischen Geschwistern Mauritz und Manuela begegnet: zwei perfekt getarnten Terroristen, Mitgliedern einer konservativen Organisation, die eine neue Elite an die Macht bringen will. Ihnen scheint Wiggo, der nichts mehr zu verlieren hat, der ideale Verbündete zu sein. Doch dann verliebt der sich ausgerechnet in Manuela ? und gefährdet damit nicht allein die gesamte Organisation, sondern vor allem sich selbst.


Uwe Tellkamp, geboren 1968 in Dresden, Romancier, Erzähler und Essayist, legte 2008 nach Erscheinen seines zweiten Romans, Der Eisvogel (2005), mit dem Roman Der Turm sein bislang umfangreichstes Prosawerk vor, in dem er die Vorwende- und Wende-Zeit der DDR zum Thema macht. Mit einem Ausschnitt aus dem Roman Der Schlaf in den Uhren gewann er 2004 den Ingeborg-Bachmann-Preis. Neben anderen Auszeichnungen wurde ihm 2008 der Uwe-Johnson-Preis, im selben Jahr der Deutsche Buchpreis und 2009 der Deutsche Nationalpreis zuerkannt. Eine Verfilmung des Turms erfolgte 2012.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR12,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR11,99

Produkt

KlappentextWiggo Ritter hat die denkbar besten Voraussetzungen für eine Traumkarriere. Doch dem Vater, einem erfolgreichen Bankier, will er nicht nacheifern, und seine akademische Laufbahn als Philosoph ist gescheitert. Sein scheinbar aussichtsloses Leben gerät in neue Bahnen, als Wiggo den charismatischen Geschwistern Mauritz und Manuela begegnet: zwei perfekt getarnten Terroristen, Mitgliedern einer konservativen Organisation, die eine neue Elite an die Macht bringen will. Ihnen scheint Wiggo, der nichts mehr zu verlieren hat, der ideale Verbündete zu sein. Doch dann verliebt der sich ausgerechnet in Manuela ? und gefährdet damit nicht allein die gesamte Organisation, sondern vor allem sich selbst.


Uwe Tellkamp, geboren 1968 in Dresden, Romancier, Erzähler und Essayist, legte 2008 nach Erscheinen seines zweiten Romans, Der Eisvogel (2005), mit dem Roman Der Turm sein bislang umfangreichstes Prosawerk vor, in dem er die Vorwende- und Wende-Zeit der DDR zum Thema macht. Mit einem Ausschnitt aus dem Roman Der Schlaf in den Uhren gewann er 2004 den Ingeborg-Bachmann-Preis. Neben anderen Auszeichnungen wurde ihm 2008 der Uwe-Johnson-Preis, im selben Jahr der Deutsche Buchpreis und 2009 der Deutsche Nationalpreis zuerkannt. Eine Verfilmung des Turms erfolgte 2012.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783518740507
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2010
Erscheinungsdatum16.11.2010
Auflage1. Auflage
Seiten318 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.1003559
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

[PATRICK G. {...}] Wiggo, der hundertsechsundsiebzig Gedichte auswendig konnte. The lonely wolf. My heart is bleeding. Oh, this weltschmertz. Fünfzehn auf französisch, vier auf japanisch. Wiggo, der das Fenster öffnete, wenn er im Zimmer eine Biene sah. Er schob sie mit der Zeitung so lange vor sich her, bis sie den Weg nach draußen fand. Wenn es ihm schlechtging, legte er My Generation auf, Vinyl, The Who 1965, und spielte sie ab, bis die Gitarren staubig klangen. Hat er schon jemals aus vollem Herzen gelacht - lach mal, sagte Patrick zu mir, dieser Fernsehkomiker, an dem du einen Narren gefressen hast, Schwesterherz, vielleicht, weil er die Dinge nicht so bierernst nimmt wie du, wie du einmal zu mir sagtest, gereizt, wie ich dich sonst nicht kenne, doch, ich konnte lachen, auch als Patrick das macht Sinn sagte, - Das hat! Das hat Sinn! zischte ich und ballte die Fäuste, daß die Knöchel weiß wurden und er einen Schritt zurücktrat, ich konnte lachen, sogar über mich selbst, auch wenn es mich erboste; es waren die lichteren Momente, in denen ich mich von außen sah: ein arbeitsloser, nicht sonderlich gutaussehender Philosoph auf Stellen- und Partnerjagd, um den, glaubte er, alles in Bewegung geraten war, ein wohl befremdend wirkender Geselle, ich haßte Ironie, konnte sie nicht ausstehen, die Ironiker glauben an nichts, haben nichts, bezweifeln alles, tunken alles in die saure Soße ihrer scheinbar mit einem Lächeln versüßten Skepsis, geben alles der Lächerlichkeit preis, sind aber im Grund nur zynisch, Zyniker, lieber Patrick, brüllte ich, bauen keine Kathedralen, ich weiß, daß du Heine liebst, ich kann ihn nicht ausstehen, sowenig wie deinen Brecht, was ist das, Leitartikel mit Zeilenbruch, Binsenweisheiten zum Abnicken, kennst du Walcott, Ashbery, Pound, that's lyric, das sind Kap-Hoorn-Fahrer, die sich ins Dunkle wagen, angetreten, dem Teufel ein Ohr abzusegeln, die ins Niebetretene, Ungesicherte fahren, die Welt in den Griff ihrer Sprache zu bringen versuchen, keine deiner netten Binnenschiffer, Bachpaddler und Rohrkrepierer, angepaßtes, aber ironisches Mittelmaß, Parlando, entsaftet in fünfter Auslutschung, erschütternd nie, durchdacht immer, kaum geboren und schon tot, ich kann es nicht ausstehen, und dein Heine, säuselt von Liebe und zieht am Schluß alles durch den Kakao, nichts ist ihm heilig, ja, du Blödmann, heilig, will aber eigentlich doch geliebt werden, drückt sich vor dem bloßen, blanken Gefühl, zu kopfig, unfähig zur Empfindung, wie alle diese superintellektuellen, in Dekonstruktivismus-Seminaren eisgekühlten Kaltschnauzen, die heute den Ton angeben und alles ironisch gebrochen sehen wollen, ohne Pathos vor allem, sie hassen Pathos, weil sie es fürchten, sie hassen Pathos, weil sie die Gefühle dahinter fürchten, ihre Brennkraft, die sie außerstande sind zu ertragen, sie hassen Pathos, weil sie glauben, daß alle Pathetiker Faschisten sind, mindestens aber werden, Idioten, alles muß gebrochen sein, ironisch gebrochen sein, dabei: Wo wären sie, wenn die Liebe im entscheidenden Moment ironisch gebrochen werden würde, Koitus interruptus, mein lieber Patrick, dennoch konnte ich lachen, sogar, auch wenn du es nicht glaubst, über mich selbst, manchmal überrumpelte sie mich einfach, die Selbstironie, das war das Schlimmste, denn es war wie Besiegtwerden, du und deine Prinzipien, sagtest du immer, ja, ich und meine Prinzipien, habt ihr wohl nicht in eurer Fernsehwelt, ist euch wohl unbekannt, was; das war das Zweitschlimmste: die Prinzipien zu verraten, Prinzipien sind Prinzipien, wozu hat man sie sonst, - Und was machst du, Wiggo, wenn dir die ultimativ knackige Superfrau begegnet, Frau deiner Träume und deines Schniedelwutzes, oder hast du keinen, mit der du einfach nur sofort ins Bett willst, auch wenn sie auf deine Prinzipien pfeift und dich nur groß anschaut, wenn du eine Hymne aus der Hanfszene auflegst oder ihr deine Pläne zur Welterrettung entwickelst, anstatt ihr endlich die geile Krokoledertasche zu kaufen oder mit ihr in einen der schmalzigen, ganz und gar prinzipienlosen Hollywoodschinken zu gehen, wo zum Schluß der Taschentuchverkäufer durchgeht, und auf die dieses Wesen mit den makroskopischen Brüsten und dem mikroskopischen Welterlösungswillen leider steht, was machst du, Wiggo, beißt du die Zähne zusammen in heldischem Verzicht, holst dir einen runter für die Revolution, hackst eine Extrafuhre Holz zur Triebabfuhr oder schleifst die blaue heilige Klinge, das Schwert deines Propheten, mit dem du den Knoten des Übels durchschlagen wirst?

- neue Kassette, neues Diktiergerät. Sprechprobe. Eins, zwei, drei. Und was man des Humbugs mehr sagt, wenn man wissen will, ob ein Mikrophon funktioniert oder dieses Dings hier, das Diktaphon. Merkwürdig, seine eigene Stimme von außen zu hören, ungewohnt, unvertraut, sogar schockierend; sie klingt für andere Menschen nicht so wie für mich. Meine Stimme könnte die eines Schlächters sein, so rauh klingt sie, auch höre ich immer einen Unterton von Roheit, Verachtung, ja Fühllosigkeit heraus, etwas kurz Angebundenes; gewissermaßen wie die Geste, die Stammtischlers flache Hand vollführt, wenn er Schwachsinn! oder Kanaken! oder Alles korrupte Schweine, die da oben! grunzt; ich empfinde sie als unangenehm, meine Stimme, und wenn sie versucht, sich etwas Einschmeichelndes, Herzwarmes beizumischen, wird sie für mich am unangenehmsten. Man hat es eben nicht leicht. Nicht, daß Sie all das wirklich interessieren könnte, Herr Verteidiger; es ist, wie gesagt, eine Sprechprobe, ich wollte wissen, ob das neue Diktiergerät, das Sie mir gegeben haben, nachdem ich das alte auf den Fußboden, Sie wissen schon, waren wir gerade bei meinen Lyrik-Vorlieben beziehungsweise -Abneigungen? beim Pathos? ob es also funktioniert und für das taugt, was wir vereinbart haben, ein gutes Gerät übrigens, wahrscheinlich sogar ein Spitzenerzeugnis, wie alles, was mein Vater heraussucht, von Wühltischmentalität hat er noch nie etwas gehalten; oder irre ich mich da, hat er es gar nicht besorgen lassen von einem seiner Trainees oder Assistenten; ist es Ihr eigenes, und können Sie es von der Steuer absetzen, falls ich noch einmal auf Vorlieben und Abneigungen zu sprechen komme?

- ich ging regelmäßig zur Bank und zählte mein Geld: Das Erbe an Ängstlichkeit, das man mit sich herumschleppt, - Glaubst du wirklich? Dein Vater ist ein Schlachtenlenker, behauptete Ines; aber die meisten Schlachten werden aus Angst geschlagen, behaupte ich, Soll: Miete, Telefon, Rundfunk- und Fernsehgebühren, Strom; Haben: Arbeitslosenhilfe, Wohngeld, es reichte noch, ich sah eine Galaxie, in der alles, was nachließ, unerbittlich an den Rand der Bewegungen gespült wurde, interessiert es dich nicht, was um uns herum vorgeht, was hier passiert, mit uns, mit euch, treibt euch nichts um, Dorothea, Patrick, ist euch alles egal, interessiert ihr euch nicht für Politik, - Hör mir auf mit deiner blöden Politik! - Typisch, so denken die meisten Deutschen heutzutage: Politik ist ein Scheißgeschäft, braucht man sich nicht drum zu kümmern, tunlichst fernhalten davon, lieber Fun und Action und abends zum Italiener oder Griechen, das kotzt mich an, - Du kotzt mich an mit deinen Zwangsbeglückungsphantasien, Wiggo, entschuldige; aber das muß ich jetzt mal sagen! Es hat nicht jeder soviel Zeit wie du, sich mit Politik zu beschäftigen, wozu eigentlich, wozu gibt's dann überhaupt Politiker, wozu braucht man sie, wenn jeder sich mit Politik beschäftigen und ihnen die Arbeit abnehmen soll, nein, ich muß überhaupt nichts, ich hab keinen Bock drauf, schon recht, ich bin Ärztin, laß mich damit in Ruhe, hörst du, Wiggo? Du bist mir immer willkommen, du bist mein Bruder; aber wenn deine Besuche nur darin bestehen ... - Ja? Komm, sag's, - Uns anzugreifen, uns zu beleidigen, dann möchte ich nicht, daß du mich besuchst, hörst du, - Schon verstanden, Dorothea, mach's gut

- ich beobachtete, ging durch die Straßen, interessierte es jemanden, was ich sah, außer mir selbst, die Menschen wollten offenbar kein Gedächtnis mehr, News, Nachrichten von Tod, Verderben, Untergang, Zusammenbrüchen, Verzweiflungstaten, Gewalttaten, Entlassungen, Streitereien, Feuersbrünsten, Umweltverschmutzung, Waldsterben, Treibhauseffekt, schädlichen Geschmacksverstärkern, Forstschädlingen, Miniermotten, Rinderwahn, Teppichludern, Boxenludern, abgestürzten Urlauberbussen, abgestürzten Computern, steigenden Benzinpreisen, steigenden Rentenbeiträgen, Krankenkassenbeiträgen, Müllgebühren, Übergriffen von Deutschen gegen Ausländer, Ausländern gegen Deutsche, Männern gegen Frauen, Frauen gegen Schwiegermütter, Eltern gegen Kinder, Kindern gegen Alte, Kranke und Versehrte, Ölpest, schwarzen Kassen, Pleiten, Haushaltslöchern, demographischen Schrumpftannen, Cellulitis, demographischen Bienenkörben, Elend, Hungerkatastrophen, Dürrekatastrophen, Flüchtlingskinderaugen sehen dich an, die Sahelzone sieht dich an, Minenopfer sehen dich an, Abschlachtungen, Schlüsselkinder sehen dich an, Alzheimer sieht dich an, Salmonellen im Altersheim, Diebstählen, Einbrüchen, Unterschlagungen, Raubüberfällen, Mord und Totschlag, Penislängen, Busengrößen, Fettabsaugung, Analphabetismus, Russen- und Albanermafia, Rumänenbanden, polnischen Autoklauern, Drogenkartellen, Handelsdefiziten, Überschuldung, Konkursen, Schlammlawinen, Fusionen, feindlichen Übernahmen, vom Bankrott des Gesundheitswesens, danke für das Novalgin, Schwester, Flugzeugabstürzen, Massencrashs, Steuererhöhungen, Tariferhöhungen, Einzelhändlerjammer, Umsatzeinbrüchen, Pharmaskandalen, Grundwasserverseuchung, Güllepegeln, Weinpanschern, nein, Ohren zuhalten, weg...
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Uwe Tellkamp, geboren 1968 in Dresden, Romancier, Erzähler und Essayist, legte 2008 nach Erscheinen seines zweiten Romans, Der Eisvogel (2005), mit dem Roman Der Turm sein bislang umfangreichstes Prosawerk vor, in dem er die Vorwende- und Wende-Zeit der DDR zum Thema macht. Mit einem Ausschnitt aus dem Roman Der Schlaf in den Uhren gewann er 2004 den Ingeborg-Bachmann-Preis. Neben anderen Auszeichnungen wurde ihm 2008 der Uwe-Johnson-Preis, im selben Jahr der Deutsche Buchpreis und 2009 der Deutsche Nationalpreis zuerkannt. Eine Verfilmung des Turms erfolgte 2012.