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Der Sünde Sold

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
432 Seiten
Deutsch
Ullstein Taschenbuchvlg.erschienen am08.09.2010Auflage
Mariaseeon, im Süden Münchens: Nach tagelanger Suche findet man den fünfjährigen Jakob nackt, gefesselt und verstört auf einem Holzstoß im Wald. Wenig später wird seine Erzieherin zu Tode gemartert. Eine biblische Opferszene, ein Mord nach Art der Inquisition - unter den Dorfbewohnern geht die Angst um. Einer von ihnen ist ein sadistischer Mörder und Kommissar Konstantin Dühnfort muss ihn finden, bevor er wieder zuschlägt.

Schon als Kind verfügte Inge Löhnig über so viel Fantasie, dass ihre Geschichten noch heute in der Familie legendär sind. Neben dem Beruf als Grafik-Designerin war Schreiben lange ein Hobby. Erst mit dem Erscheinen der Reihe um den Münchner Kommissar Konstantin Dühnfort wurde daraus die neue Profession. Die Kriminal-Romane von Inge Löhnig sind ebenso regelmäßig auf der Bestsellerliste zu finden, wie die spannenden Familien-Romane, die sie unter dem Pseudonym Ellen Sandberg veröffentlicht. Die Autorin lebt mit ihrer Familie in der Nähe von München.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR9,99
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR8,99

Produkt

KlappentextMariaseeon, im Süden Münchens: Nach tagelanger Suche findet man den fünfjährigen Jakob nackt, gefesselt und verstört auf einem Holzstoß im Wald. Wenig später wird seine Erzieherin zu Tode gemartert. Eine biblische Opferszene, ein Mord nach Art der Inquisition - unter den Dorfbewohnern geht die Angst um. Einer von ihnen ist ein sadistischer Mörder und Kommissar Konstantin Dühnfort muss ihn finden, bevor er wieder zuschlägt.

Schon als Kind verfügte Inge Löhnig über so viel Fantasie, dass ihre Geschichten noch heute in der Familie legendär sind. Neben dem Beruf als Grafik-Designerin war Schreiben lange ein Hobby. Erst mit dem Erscheinen der Reihe um den Münchner Kommissar Konstantin Dühnfort wurde daraus die neue Profession. Die Kriminal-Romane von Inge Löhnig sind ebenso regelmäßig auf der Bestsellerliste zu finden, wie die spannenden Familien-Romane, die sie unter dem Pseudonym Ellen Sandberg veröffentlicht. Die Autorin lebt mit ihrer Familie in der Nähe von München.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783548921020
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2010
Erscheinungsdatum08.09.2010
AuflageAuflage
Seiten432 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse5604 Kbytes
Artikel-Nr.1009414
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe
DONNERSTAG, 8. MAI

Lautlos schob er die Blende beiseite und spähte durch den schmalen Spalt ins Innere des Gewölbes. Eine Petroleumlampe verbreitete spärlich Licht. Die Flamme flackerte im Luftzug, ließ die Schatten tanzen und Bewegung vermuten, wo keine war. Trotzdem zog er die Mütze mit den Sehschlitzen über den Kopf. Sicher war sicher. Die Tür quietschte leise, als er sie öffnete. Er griff nach dem Tablett und betrat das Verlies, aus dem ihm modriger Geruch und klamme Kühle entgegenschlugen.

Einen Moment verharrte er, um sich zu vergewissern, dass der Junge auf dem Feldbett wirklich schlief. Erst dann zog er mit einem Fuß eine Kiste heran, stellte den Teller mit Banane und Butterbrot darauf ab und lockerte den Deckel der Thermoskanne, damit der Junge ihn aufbekam, wenn er hungrig und durstig erwachen würde. Das linke Handgelenk des Kleinen war mit einer Handschelle an eine Kette gefesselt. Die zarte Haut war dort bereits aufgescheuert.

Gebannt starrte er darauf; die rot entzündeten Wundränder ließen ihn erschauern. Ohne die Augen abzuwenden, zog er den Schlüsselbund aus der Hosentasche und stellte die Fessel enger. Der Anblick des schlafenden Kindes weckte Erinnerungen, die vage aus einem Nebel traten. Bilder, die ihn quälten, die er vergessen wollte, die ihn nun umringten, seinen Herzschlag zum Stolpern brachten und stinkenden Schweiß aus seinen Poren trieben. Nicht jetzt! Er musste sie abschütteln.

Für einen Moment schloss er die Augen, besann sich auf seinen Auftrag und spürte eine Kraft in sich fließen wie einen nie versiegenden Strom. Die Schemen wichen, gaben ihn frei. Und er wusste, alles, was er tat, würde gelingen. Sie würden das Zeichen verstehen. Und selbst wenn nicht ... Unwillkürlich griff er sich an die Kehle; dann sollte ihr Wille geschehen. Letztlich lag es nicht in seinen Händen. Er atmete auf und konnte nicht widerstehen: Mit den Fingerspitzen strich er dem Jungen durch das blonde Haar, über die vom Schlaf geröteten Wangen und die Schrammen am Kinn. Die Kratzer waren schon verschorft. Doch an einer nässenden Stelle hatte sich eitriger Belag gebildet, der nun an den Fingern kleben blieb. Der Mann zuckte zurück. Würgen setzte sich in seine Kehle. Rasch wischte er die Hand mit einem Papiertaschentuch ab.

Die Augäpfel des Jungen begannen unruhig hinter den Lidern zu rollen, seufzend drehte er sich auf den Rücken. Bald würde er aufwachen. Das Schlafmittel im Kaba war bitter, aber er würde ihn schon trinken, wenn er durstig war. Er sollte schlafen. Nicht um zu verhindern, dass er schrie. Das würde er, ganz sicher, aber niemand konnte ihn hören. Er sollte schlafen, damit er nicht mitbekam, was mit ihm geschah. Damit ihn die quälenden Bilder nicht ein Leben lang begleiteten.

Noch einmal strich er über das blonde Haar, berührte es kaum. Er hoffte, dass es ein langes Leben werden würde. Aber es lag nicht in seiner Macht.

***

Agnes stand auf der Haustreppe und umarmte ihren Bruder Michael. »Danke für deine Hilfe.«

»Was man in der ersten Nacht im neuen Heim träumt, geht in Erfüllung. Also träum was Schönes. Ja?« Er zwinkerte ihr zu und versuchte, mit einem Lächeln seine Besorgnis zu kaschieren. »Wenn ich aus London zurück bin, besuche ich dich.«

»Mach dir keine Sorgen. Mir geht es gut.« Sie wünschte ihm einen guten Flug und viel Erfolg bei dem Workshop, den er leiten würde, dann schob sie ihn sanft die Treppe hinunter.

»Du kommst wirklich alleine klar?«

Sie nickte. »Michael, ich bin fünfunddreißig. Die Zeiten, in denen ich mich im Dunkeln gefürchtet habe, sind vorbei.«

»Also gut. Dann überlasse ich dich diesem alten Gemäuer.« Er warf einen kritischen Blick auf das Haus, als befürchtete er, Geister könnten darin spuken. Sollte ich tatsächlich von Gespenstern heimgesucht werden, dachte Agnes, dann sind sie heute mit mir eingezogen.

Michael drückte sie an sich, dann stieg er in den Umzugswagen und winkte ihr im Anfahren zu. Als der Wagen oben am Weg hupend hinter der Kurve verschwand, ging Agnes ins Haus. Die Tür fiel ins Schloss. Sie blieb im Flur stehen. »So«, sagte sie laut und lauschte dem nachhallenden Klang ihrer Stimme. »Und nun?« Nun gab es nicht mehr viel zu tun. Alle Möbelstücke standen an ihrem Platz. Die letzte Umzugskiste war ausgepackt und ihre wenigen Habseligkeiten waren verstaut.

Sie ging in die neu eingebaute Küche und freute sich erneut über die Farbkombination aus maigrün gestrichenen Wänden und vanillegelben Möbelfronten. Frühlingsatmosphäre, Aufbruchsstimmung. Sie füllte den Wasserkocher und holte aus dem Schrank ein Päckchen Seelenharmonie, das sie im Teeladen neben der Kirche gekauft hatte. Der Name war zu verlockend gewesen. Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. Sie war nicht so naiv, zu glauben, dass ein Ortswechsel und eine Tasse Tee ihrem Leben wieder Sinn geben konnten. Aber irgendwie musste sie beginnen; und mit dem Umzug hatte sie den längst überfälligen Schlussstrich gezogen.

Sie fühlte sich erleichtert und befreit und trotzdem schämte sie sich ein wenig. Ihre Eltern hatten es nur gut gemeint. Aber die Fürsorge ihrer Mutter hätte sie nicht einen Tag länger ertragen und die stumme Anteilnahme ihres Vaters hatte sie zunehmend zornig gemacht. Er behandelte sie wie eine Kranke. Sie wusste, dass er nicht anders konnte, und hatte ihm keinen Vorwurf gemacht, aber sein Verhalten hatte ihren Entschluss bestärkt, ihr Leben endlich wieder selbst in die Hand zu nehmen.

Das Wasser kochte, sie brühte den Tee auf und trug Thermoskanne und Tasse ins Wohnzimmer. Nachdem sie beides auf dem Couchtisch abgestellt hatte, ging sie ans Fenster. Ihr Blick glitt durch den verwilderten Garten hinüber zum See. Das luftige Blau des Himmels hatte mittlerweile in ein schimmerndes Lichtgrau gewechselt. Die Wasseroberfläche lag wie in Silber gegossen. Sie fühlte sich ruhig, als habe der Sturm sich für immer gelegt, der seit über einem Jahr mal mehr, mal weniger heftig in ihr wütete. Doch, dachte sie, es war richtig gewesen, das Haus zu kaufen.

Eigentlich hatte sie das Geld nicht anrühren wollen. Von Rainers Tod zu profitieren war ihr ebenso unvorstellbar erschienen, wie noch länger bei ihren Eltern zu wohnen. In diesem Dilemma hatte sie gesteckt, als sie das Haus entdeckt hatte. Eine kleine dreigiebelige Jugendstilvilla direkt am Kirchsee gelegen. Sie hatte gespürt, wenn überhaupt ein Neuanfang möglich war, dann hier, in diesem hundert Jahre alten Haus mit seinen knarrenden Böden, ausgetretenen Stufen und hohen Räumen. Ihre Mutter hatte sie gescholten. Sie sei unvernünftig, da die finanziellen Reserven mit diesem Kauf beinahe erschöpft waren. »Kind, du wirst wieder arbeiten müssen«, hatte sie gesagt, als sei das eine schreckliche Vorstellung. Genau wie für Rainer.

Agnes spürte ein leichtes Unbehagen. Ein Gefühl, als nähere sich der Sturm wieder. Eilig ging sie zum Sofa zurück und schenkte sich eine Tasse Tee ein. Während sie ihn trank, wanderte ihr Blick durchs Zimmer. Ihr Mobiliar bestand aus einer Mischung alter und neuer Möbel. Teils neu gekauft, teils von Michael und ihren Eltern ausrangiert. Aber Vorhänge und Teppiche fehlten noch. Im Regal standen nur einige CDs und ein paar Bücher. Auf einmal konnte sie die Leere der Räume, die sie umgaben, körperlich fühlen. Vielleicht gehörte sie doch nicht hierher. Agnes versuchte, eine aufsteigende Erinnerung zurückzudrängen: zwei winzige leere Zimmer, ein Sprossenfenster stand offen, gab den Blick in einen öden Hinterhof frei, eine handtuchbreite Küche, ein verbeulter Gasherd. Hastig fasste Agnes die langen Haare zusammen, schlang sie zu einem Knoten, stopfte sie in den Ausschnitt des Sweatshirts. Sie hatte sich eben für ein Leben auf dem Land entschieden.

Ihr Blick fiel auf den Biedermeiersekretär, das Geschenk ihrer Eltern zum Einzug. Ein Gläschen mit Fensterlack, das sie nach dem Ausbessern einer abgestoßenen Stelle nicht aufgeräumt hatte, stand noch dort. Auf dem Sekretär würde sich das Foto gut machen. Sie ging nach oben und holte den Silberrahmen aus dem Schlafzimmer. Das Bild, das er enthielt und das sie wie einen Schatz hütete, war vor zwei Jahren am Atlantik entstanden. Für einen Moment konnte Agnes die salzige Luft schmecken, das Kreischen der Möwen und Yvonnes Lachen hören, konnte Rainer sehen, wie er ihr half, den knallroten Lenkdrachen im auflandigen Wind zu steuern. Sie versuchte, diesen Eindruck festzuhalten, aber durch diese Bemühung brachte sie ihn zum Verschwinden.

Im vergangenen Jahr, wenn sie nachts in ihrem ehemaligen Kinderzimmer wachgelegen und ihre Gedanken ein gespenstisches Eigenleben entwickelt hatten, wurde sie manchmal von der Frage gequält, ob alles nur ein Traum gewesen war. Vielleicht hatte sie ihr Elternhaus nie verlassen, hatte nie geheiratet, war nie Mutter gewesen. Dann hatte sie das Licht anmachen und sich mit einem Blick auf das Bild vergewissern müssen.

Agnes atmete durch und verscheuchte so den Druck, der sich auf ihre Brust legen wollte. Sie stellte das Bild...
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