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E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
Deutsch
Berlin Verlagerschienen am06.12.2010Auflage
Eine zeitlose Liebesgeschichte: Oskar Marwig, angesehener Architekt, verliebt sich in die Studentin Ida. Doch er läuft davon, aus Angst vor Zurückweisung. Als sie sich nach seiner Rückkehr aus Philadelphia, wo er ein Opernhaus baut, wiedersehen, erleben sie unbeschwerte Tage. Seine Reife und Souveränität ziehen Ida an, aber zugleich weiß sie, dass sie ihn genau aus diesem Grund eines Tages verlassen muss. Dies spürt auch Oskar, was seine Besitzansprüche nur verstärkt. Ihre Beziehung überfordert beide, macht sie schwach und krank. Ida bleibt nur, einen radikalen Schnitt zu machen. Mit großer Eleganz erzählt Elisabeth Plessen von den siebziger Jahren und dem Ende der Politisierung, sie entdeckt für uns eine Sprache, die nüchtern und reich zugleich erscheint. Ida ist eine Emanzipationsgeschichte, die sich den Irrationalitäten von Beziehung stellt, und es ist ein Roman über Architektur, der Elisabeth Plessen Raum gibt und in Literatur verwandelt.

Elisabeth Plessen, 1944 in Neustadt in Holstein geboren, studierte Geschichte, Philosophie und Germanistik in Paris und Berlin und promovierte bei Walter Höllerer zur »zeitgenössischen Epik im Grenzgebiet von fiction und nonfiction«. Sie debütierte 1976 mit dem Roman »Mitteilung an den Adel« und veröffentlichte seitdem fünf weitere Romane, drei Erzählbände, einen Gedichtband sowie die Memoiren ihres langjährigen Lebens- und Arbeitsgefährten Peter Zadek. Bekannt wurde sie auch als Übersetzerin von Theaterstücken von William Shakespeare, Henrik Ibsen und Sarah Kane. Für ihr Werk wurde sie u.a. mit dem Deutschen Kritikerpreis und dem Droste-Preis der Stadt Meersburg ausgezeichnet. Sie lebt wechselnd in der Toskana und in Berlin. Im Berlin Verlag sind bisher der Roman »Ida« (2010), eine Neuauflage von »Kohlhaas« (2011), der Gedichtband »An den fernen Geliebten« (2014) sowie zuletzt der breit rezipierte Roman »Die Unerwünschte« (2019) erschienen.
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Produkt

KlappentextEine zeitlose Liebesgeschichte: Oskar Marwig, angesehener Architekt, verliebt sich in die Studentin Ida. Doch er läuft davon, aus Angst vor Zurückweisung. Als sie sich nach seiner Rückkehr aus Philadelphia, wo er ein Opernhaus baut, wiedersehen, erleben sie unbeschwerte Tage. Seine Reife und Souveränität ziehen Ida an, aber zugleich weiß sie, dass sie ihn genau aus diesem Grund eines Tages verlassen muss. Dies spürt auch Oskar, was seine Besitzansprüche nur verstärkt. Ihre Beziehung überfordert beide, macht sie schwach und krank. Ida bleibt nur, einen radikalen Schnitt zu machen. Mit großer Eleganz erzählt Elisabeth Plessen von den siebziger Jahren und dem Ende der Politisierung, sie entdeckt für uns eine Sprache, die nüchtern und reich zugleich erscheint. Ida ist eine Emanzipationsgeschichte, die sich den Irrationalitäten von Beziehung stellt, und es ist ein Roman über Architektur, der Elisabeth Plessen Raum gibt und in Literatur verwandelt.

Elisabeth Plessen, 1944 in Neustadt in Holstein geboren, studierte Geschichte, Philosophie und Germanistik in Paris und Berlin und promovierte bei Walter Höllerer zur »zeitgenössischen Epik im Grenzgebiet von fiction und nonfiction«. Sie debütierte 1976 mit dem Roman »Mitteilung an den Adel« und veröffentlichte seitdem fünf weitere Romane, drei Erzählbände, einen Gedichtband sowie die Memoiren ihres langjährigen Lebens- und Arbeitsgefährten Peter Zadek. Bekannt wurde sie auch als Übersetzerin von Theaterstücken von William Shakespeare, Henrik Ibsen und Sarah Kane. Für ihr Werk wurde sie u.a. mit dem Deutschen Kritikerpreis und dem Droste-Preis der Stadt Meersburg ausgezeichnet. Sie lebt wechselnd in der Toskana und in Berlin. Im Berlin Verlag sind bisher der Roman »Ida« (2010), eine Neuauflage von »Kohlhaas« (2011), der Gedichtband »An den fernen Geliebten« (2014) sowie zuletzt der breit rezipierte Roman »Die Unerwünschte« (2019) erschienen.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783827071934
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2010
Erscheinungsdatum06.12.2010
AuflageAuflage
SpracheDeutsch
Dateigrösse2204 Kbytes
Artikel-Nr.1012444
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe
I

Warum bin ich Architekt geworden? Den Ausschlag, denke ich, gab mein Onkel Arthur, er hatte in Dessau gelernt. Er beschrieb mir das Konzept des fließenden Raumes, und ich bewunderte ihn. Mein Vater riet mir ab. Er sagte: Du bist nicht begabt dazu, wie du dich auch hineinknien magst. Es hapert bei dir an räumlicher Phantasie. Woher wollte er das wissen? Das Gegenteil konnte ich ihm nicht mehr beweisen. Seine Holzhandlung, die ich übernehmen sollte, hatte der Krieg zerstört.

Onkel Arthur zeigte mir schon früh, wie und was ich zeichnen sollte, er korrigierte mich. Nischt! Nischt! Rien! Lass die Türme! Lass die rechtwinkligen Wände! Kopier erst mal die klassische Form! Das Akanthusblatt! Den Architrav! Ich wollte Türme.

Als meinem Vater die Holzhandlung ausbrannte, fing er wieder von vorn an. Angst hatte er nie, behauptete er. Zumindest eine lange Zeit habe ich das auch von mir behauptet.

Interessiert sie das? Die jungen Leute? Heute? Es liegt so weit zurück. Denke ich an die Hässlichkeit unserer Städte, was ersetzt deren Öde? Deren Anonymität? Wir haben die Bewohner unserer Räume aus den Augen verloren. Ich kann ihnen mit solchen Gemeinplätzen nicht kommen ...

Dabei hatte Oskar Marwig sein Vorlesungsthema längst ausgearbeitet. Er wiederholte es nur, eine letzte Probe noch einmal für sich. Er hatte Nora nicht erreicht, und Nora hatte wieder nicht zurückgerufen. Ihr Mann? Der wusste ja alles. Und trotzdem. Das Haus, das Oskar für sie beide suchte ... Vielleicht erschreckte es sie.

Oskar Marwig stand im Schlafzimmer vor der geöffneten Schranktür, in die ein Spiegel eingelassen war, und knöpfte sich das weiß-blau gestreifte Hemd zu. Er ließ den obersten Knopf offen. Der Knopf hätte ihm auf den Kehlkopf gedrückt, außerdem fand er, er sähe mit dem offenen Hemd sportlicher, jünger und attraktiver aus. Ich habe zugenommen, sagte er zu seinem Spiegelbild in der Schranktür, hier am Hals bin ich dicker geworden. Er griff mit der Rechten nach der Haut und schüttelte sie. Willst du dich beschweren beim Leben? Er sah auf die Uhr. Während er in sein lindgrünes Jackett fuhr, dachte er: Warum habe ich mir das bloß eingebrockt? Ein jäher Schmerz zog ihm die Backe hinauf. Ein Zahnarzttermin stand an. Aber wann? Ich muss Ordnung in mich bringen, dachte Oskar, Ordnung in meinen Kopf, wieder Ordnung in mein Leben. Nein, nur einen Halt. Die Hand an die rechte Backe gepresst, schritt Marwig auf die Haustür zu. Hoffentlich hatte er das Haus bald gefunden. Er und sein Partner Georg Maulwieser suchten schon seit einiger Zeit. Die Wohnung hier, das Wochenendprovisorium für ihn und Nora, falls sie kam, ging ihm auf die Nerven. Was nützte es ihm, dass die Wohnung Nora gefiel, wenn sie nicht zu ihm kam? Er wollte ein Haus. Er schlug die Tür hinter sich zu und merkte erst jetzt, dass es regnete.

Oskar beeilte sich, zum Wagen zu kommen - er hatte den Schirm in der Wohnung gelassen. Es blieben ihm nur noch zwanzig Minuten, bis er in der Hochschule sein musste. Oskar fuhr die Hüninger Straße entlang, der Asphalt nahm das Wasser nicht mehr auf, es sammelte sich dort, wo die Fahrbahn uneben oder von Frost aufgebrochen war, zu langen Pfützen. Auf der Clayallee folgte er eine Weile einem gelben Bus. Marwig war zu nervös, um das doppelstöckige Fahrzeug zu überholen. Dass es ihn so aufregte, immer noch, in seinem Alter, dass sich diese Scheu, wenn es denn Scheu war, nicht legte. Du bist eitel, so unsäglich eitel, Oskar, hatte er plötzlich Noras Stimme im Ohr. Was immer es war, Scheu oder nicht Scheu, Eitelkeit, dieses flaue Gefühl im Magen, nichts als Gedankenflucht im Kopf - vor ihnen zu stehen, den Jungen, und zu ihnen, wie viele es sein mochten, spielte keine Rolle, aber zu ihnen zu reden, das bedrängte Marwig. Oder hatte er auf einmal Angst vor den Jüngeren? Komm, rief er sich selbst zu. Schluss jetzt.

 

Stufe für Stufe erklomm Oskar Marwig die breite Treppe zum Hörsaal. Rothaarig. Sommersprossig. Die braunen Augen mit einem grünen Einschluss darin. Die Lippen geschwungen, aber ein wenig zusammengepresst. Er zwang sich zur Ruhe. Er schritt zum Pult. Genoss es, dass er sich zwang ...

»Ein Glas Wasser, bitte«, und blickte zu seinem Assistenten.

Die Unruhe schwand, als Oskar Marwig sich hinter dem Stehpult aufrichtete, das Glas Wasser neben dem Brillenetui. Es war noch jedes Mal dasselbe gewesen: Marwig wurde selbstbewusst, alle Nervosität legte sich. Auch wenn er seine eigene Angst so viele Jahre kannte, verließ er sich nicht auf das Wissen, dass sie bald, schon kurz nach Betreten des Raumes verfliegen würde. Marwig gewöhnte sich nicht an sich selbst. Aus Erfahrung weiß ich, dass es so sein wird, sagte er sich, aber ich kann mich nicht vorausberechnen. Nur eines kann ich: für meine Irrtümer zahlen.

Er wartete, bis es im Saal ruhig wurde. Er überflog die Köpfe. Waren es siebzig, waren es achtzig Studentinnen und Studenten?

Er sah sich um. Er hatte die Hochschule lange nicht betreten. Ein Leben, das hinter ihm lag. So hatte er es zumindest für sich beschlossen. Nun hatte man ihn zu Vorlesungen aufgefordert.

Der Saal stieg an. Die Fensterfront zeigte in den Innenhof. Oskar sah zur gegenüberliegenden Schmal- und Längsseite des Hauptgebäudes hinüber. Ein Baum stand nicht im Hof, und die Fassade wirkte grau, behörden-, senatsgrau. Wäre es nach Oskars Geschmack gegangen, so hätte er die Fassade rot angemalt, und er hätte zugesehen, dass mehr Licht in den Hof fiele. Er trat ans Fenster und sah hinunter, zählte die Stockwerke.

»Nach dem achtzehnten Jahrhundert hat es keine Architektur mehr gegeben.« Marwig sprach den Satz ruhig aus und fügte den nächsten an: »Ein unglaubliches Gemisch der verschiedensten Stilelemente, mit denen man das Skelett des modernen Hauses verkleidet, wird moderne Architektur genannt.« Er hörte ein Auflachen, ein Ja! »Die neue Schönheit des Zements und des Eisens wird durch das Vorblenden karnevalesker Schmuckinkrustationen entweiht, die weder durch bauliche Notwendigkeit noch durch unseren Geschmack zu rechtfertigen sind und die ihren Ursprung im ägyptischen, indischen oder byzantinischen Altertum haben und in jener verblüffenden Blüte von Idiotie und Impotenz, die den Namen Neoklassizismus trägt.«

Er merkte, das Gesagte gefiel den Studenten. Konzentriert lauschten sie. Er hörte vereinzelt ein Giecksen, kurzes Auflachen, eine Art Einverständnis. »Manifest der Moderne« hieß der Vortrag. Wie weihevoll das klang! Was Oskar vortrug, hatte ein Sechsundzwanzigjähriger geschrieben.

Max, Oskars Assistent, saß in der vordersten Reihe. Er schaute zu Oskar auf. Die runden Augen in dem von Nachtarbeit blassen Gesicht.

Oskar trank einen Schluck Wasser.

Er gab Max ein Zeichen, und Max schaltete das Licht aus.

Auf der Leinwand hinter Oskars Pult erschien das Foto eines jungen Mannes in Felduniform: Alpinistenmütze, Breeches, Wickelbandagen, Schnürstiefel. Hinter dem Mann stand ein Zelt auf dem Waldboden, die Plane war über drei aufeinanderliegende Baumstämme gespannt.

Oskar las weiter: »Die ungeheuerliche Antithese zwischen der modernen und der antiken Welt wird durch all das bestimmt, was früher nicht war. In unser Leben sind Elemente eingedrungen, deren Existenz die Alten nicht geahnt haben ...«

Der junge Mann stemmte die Linke (Faust), die Rechte (Handfläche) in die Hüften, vorn über dem Bauch war die Uniformjacke aufgesprungen.

»Materielle Bedingungen haben sich ergeben und Geisteshaltungen sind zutage getreten, die sich in vielfältiger Weise auswirken. Zuerst hat sich ein neues Schönheitsideal gebildet, das zwar noch unklar und nicht voll entwickelt ist, dessen Zauber aber die Menge schon spürt. Wir haben den Sinn für das Monumentale, das Schwere, das Statische verloren, und wir haben unsere Sensibilität um den Geschmack am Leichten, Praktischen, Kurzlebigen und Geschwinden bereichert. Wir fühlen, dass wir nicht mehr die Menschen der Kathedralen, der Paläste und der Versammlungssäle sind ...«

Ein langes Gesicht, die Augen im Schatten des Schirms, alles an dem Mann wirkte lang, lang und feingliedrig, schmal, Arme, Handgelenke, Kopf, Nase, Beine ...

»... sondern wir sind die Menschen der großen Hotels, der Bahnhöfe, der breiten Straßen, der riesigen Tore, der überdachten Märkte, der erleuchteten Tunnel, der schnurgeraden Autobahnen, der heilsamen Stadtsanierungen ...«

Der Schatten des Mannes auf dem Waldboden ...

»Wir müssen die futuristische Stadt wie einen riesigen, lärmenden Bauplatz planen und erbauen, beweglich und dynamisch in allen ihren Teilen, und das futuristische Haus wie eine gigantische Maschine. Die Aufzüge dürfen sich nicht wie einsame Würmer in die Treppenhäuser verkriechen, sondern die Treppen, die überflüssig geworden sind, müssen abgeschafft werden, und die Aufzüge ...«

Der Krieg in den Bergen ... Tirol ...

»... müssen sich wie Schlangen aus Eisen und Glas an den Fassaden hinaufwinden. Dieses Haus aus Beton, Glas und Eisen, ohne Malerei und ohne Skulpturen, das nur die angeborene Schönheit seiner Linien...
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Autor

Elisabeth Plessen, 1944 in Neustadt in Holstein geboren, studierte Geschichte, Philosophie und Germanistik in Paris und Berlin und promovierte bei Walter Höllerer zur »zeitgenössischen Epik im Grenzgebiet von fiction und nonfiction«. Sie debütierte 1976 mit dem Roman »Mitteilung an den Adel« und veröffentlichte seitdem fünf weitere Romane, drei Erzählbände, einen Gedichtband sowie die Memoiren ihres langjährigen Lebens- und Arbeitsgefährten Peter Zadek. Bekannt wurde sie auch als Übersetzerin von Theaterstücken von William Shakespeare, Henrik Ibsen und Sarah Kane. Für ihr Werk wurde sie u.a. mit dem Deutschen Kritikerpreis und dem Droste-Preis der Stadt Meersburg ausgezeichnet. Sie lebt wechselnd in der Toskana und in Berlin. Im Berlin Verlag sind bisher der Roman »Ida« (2010), eine Neuauflage von »Kohlhaas« (2011), der Gedichtband »An den fernen Geliebten« (2014) sowie zuletzt der breit rezipierte Roman »Die Unerwünschte« (2019) erschienen.