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Goethe zum Genießen

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
195 Seiten
Deutsch
FISCHER E-Bookserschienen am10.01.20111. Auflage
Mit dem Autorenporträt aus dem Metzler Lexikon Weltliteratur. Mit Daten zu Leben und Werk, exklusiv verfasst von der Redaktion der Zeitschrift für Literatur TEXT + KRITIK. »Ach, man sparte viel, / Seltner wäre verruckt das Ziel, / Wär' weniger Dumpfheit, / vergebenes Sehnen, / Ich könnte viel glücklicher sein - / Gäb's nur keinen Wein / Und keine Weibertränen!« (Johann Wolfgang Goethe) - Ein genussvoller, origineller Streifzug durch Goethes Gesamtwerk!mehr

Produkt

KlappentextMit dem Autorenporträt aus dem Metzler Lexikon Weltliteratur. Mit Daten zu Leben und Werk, exklusiv verfasst von der Redaktion der Zeitschrift für Literatur TEXT + KRITIK. »Ach, man sparte viel, / Seltner wäre verruckt das Ziel, / Wär' weniger Dumpfheit, / vergebenes Sehnen, / Ich könnte viel glücklicher sein - / Gäb's nur keinen Wein / Und keine Weibertränen!« (Johann Wolfgang Goethe) - Ein genussvoller, origineller Streifzug durch Goethes Gesamtwerk!
Details
Weitere ISBN/GTIN9783104012292
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2011
Erscheinungsdatum10.01.2011
Auflage1. Auflage
Seiten195 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse786 Kbytes
Artikel-Nr.1012877
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


»Ich könnte viel glücklicher sein«

Einige Bemerkungen zu Mann und Frau


Gefährliche Studien

Soll ich, oder soll ich nicht? Ist es gut dir etwas zu verschweigen, dem ich so viel, dem ich alles sage? Soll ich dir etwas Bedeutendes verschweigen, indessen ich dich mit so vielen Kleinigkeiten unterhalte, die gewiß niemand lesen möchte, als du, der du eine so große und wunderbare Vorliebe für mich gefaßt hast; oder soll ich etwas verschweigen, weil es dir einen falschen, einen üblen Begriff von mir geben könnte? Nein! du kennst mich besser als ich mich selbst kenne, du wirst auch das, was du mir nicht zutraust, zurecht legen wenn ichs tun konnte, du wirst mich, wenn ich tadelnswert bin, nicht verschonen, mich leiten und führen, wenn meine Sonderbarkeiten mich vom rechten Wege abführen sollten.

Meine Freude, mein Entzücken an Kunstwerken, wenn sie wahr, wenn sie unmittelbar geistreiche Aussprüche der Natur sind, macht jedem Besitzer, jedem Liebhaber die größte Freude. Diejenigen, die sich Kenner nennen, sind nicht immer meiner Meinung; nun geht mich doch ihre Kennerschaft nichts an, wenn ich glücklich bin. Drückt sich nicht die lebendige Natur lebhaft dem Sinne des Auges ein, bleiben die Bilder nicht fest vor meiner Stirn, verschönern sie sich nicht und freuen sie sich nicht, den durch Menschengeist verschönerten Bildern der Kunst zu begegnen? Ich gestehe dir, darauf beruht bisher meine Liebe zur Natur, meine Liebhaberei zur Kunst, daß ich jene so schön, so schön, so glänzend und so entzückend sah, daß mich das Nachstreben des Künstlers, das unvollkommene Nachstreben, fast wie ein vollkommenes Vorbild hinriß. Geistreiche gefühlte Kunstwerke sind es, die mich entzücken. Das kalte Wesen, das sich in einen beschränkten Zirkel einer gewissen dürftigen Manier, eines kümmerlichen Fleißes einschränkt, ist mir ganz unerträglich. Du siehst daher, daß meine Freude, meine Neigung bis jetzt nur solche Kunstwerke gelten konnte, deren natürliche Gegenstände mir bekannt waren, die ich mit meinen Erfahrungen vergleichen konnte. Ländliche Gegenden, mit dem was in ihnen lebt und webt, Blumen und Fruchtstücke, Gotische Kirchen, ein der Natur unmittelbar abgewonnenes Portrait, das konnt´ ich erkennen, fühlen und, wenn du willst, gewissermaßen beurteilen. Der wackre M*** hatte seine Freude an meinem Wesen und trieb, ohne daß ich es übel nehmen konnte, seinen Scherz mit mir. Er übersieht mich so weit in diesem Fache und ich mag lieber leiden, daß man lehrreich spottet, als daß man unfruchtbar lobt. Er hatte sich abgemerkt, was mir zunächst auffiel, und verbarg mir nach einiger Bekanntschaft nicht, daß in den Dingen, die mich entzückten, noch manches schätzenswerte sein möchte, das mir erst die Zeit entdecken würde. Ich lasse das dahin gestellt sein und muß denn doch, meine Feder mag auch noch so viele Umschweife nehmen, zur Sache kommen, die ich dir, obwohl mit einigem Widerwillen, vertraue. Ich sehe dich in deiner Stube, in deinem Hausgärtchen, wo du bei einer Pfeife Tabak den Brief erbrechen und lesen wirst. Können mir deine Gedanken in die freie und bunte Welt folgen? werden deiner Einbildungskraft die Verhältnisse und die Umstände so deutlich sein? und wirst du gegen einen abwesenden Freund so nachsichtig bleiben als ich dich in der Gegenwart oft gefunden habe.

Nachdem mein Kunstfreund mich näher kennen gelernt, nachdem er mich wert hielt stufenweis bessere Stücke zu sehen; brachte er, nicht ohne geheimnisvolle Miene, einen Kasten herbei, der eröffnet mir eine Danae in Lebensgröße zeigte, die den goldnen Regen in ihrem Schoße empfängt. Ich erstaunte über die Pracht der Glieder, über die Herrlichkeit der Lage und Stellung, über das Große der Zärtlichkeit und über das Geistreiche des sinnlichsten Gegenstandes; und doch stand ich nur in Betrachtung davor, es erregte nicht jenes Entzücken, jene Freude, jene unaussprechliche Lust in mir. Mein Freund, der mir vieles von den Verdiensten dieses Bildes vorsagte, bemerkte über sein eignes Entzücken meine Kälte nicht und war erfreut, mir an diesem trefflichen Bilde die Vorzüge der italiänischen Schule deutlich zu machen. Der Anblick dieses Bildes hatte mich nicht glücklich, er hatte mich unruhig gemacht. Wie! sagte ich zu mir selbst, in welchem besondren Falle finden wir uns, wir bürgerlich eingeschränkten Menschen? ein bemooster Fels, ein Wasserfall hält meinen Blick so lange gefesselt, ich kann ihn auswendig; seine Höhen und Tiefen, seine Lichter und Schatten, seine Farben, Halbfarben und Wiederscheine, alles stellt sich mir im Geiste dar, so oft ich nur will, alles kommt mir aus einer glücklichen Nachbildung eben so lebhaft wieder entgegen; und vom Meisterstücke der Natur, vom menschlichen Körper, von dem Zusammenhang, der Zusammenstimmung seines Gliederbaues habe ich nur einen allgemeinen Begriff, der eigentlich gar kein Begriff ist. Meine Einbildungskraft stellt mir diesen herrlichen Bau nicht lebhaft vor, und wenn mir ihn die Kunst darbietet, bin ich nicht im Stande weder etwas dabei zu fühlen, noch das Bild zu beurteilen. Nein! ich will nicht länger in dem stumpfen Zustande bleiben, ich will mir die Gestalt des Menschen eindrücken wie die Gestalt der Trauben und Pfirschen.

Ich veranlaßte Ferdinanden zu baden im See; wie herrlich ist mein junger Freund gebildet! welch ein Ebenmaß aller Teile! welch eine Fülle der Form, welch ein Glanz der Jugend, welch ein Gewinn für mich, meine Einbildungskraft mit diesem vollkommenen Muster der menschlichen Natur bereichert zu haben! Nun bevölkre ich Wälder, Wiesen und Höhen mit so schönen Gestalten; ihn seh ich als Adonis dem Eber folgen, ihn als Narciß sich in der Quelle bespiegeln!

Noch aber fehlt mir leider Venus die ihn zurückhält, Venus, die seinen Tod betrauert, die schöne Echo, die noch einen Blick auf den kalten Jüngling wirft ehe sie verschwindet. Ich nahm mir fest vor, es koste was es wolle, ein Mädchen in dem Naturzustande zu sehen wie ich meinen Freund gesehen hatte. Wir kamen nach Genf. Sollten in dieser großen Stadt, dachte ich, nicht Mädchen sein, die sich für einen gewissen Preis dem Mann überlassen? und sollte nicht eine darunter schön und willig genug sein meinen Augen ein Fest zu geben? Ich horchte an dem Lohnbedienten, der sich mir, jedoch nur langsam und auf eine kluge Weise, näherte. Natürlich sagte ich ihm nichts von meiner Absicht; er mochte von mir denken was er wollte, denn man will lieber jemanden lasterhaft als lächerlich erscheinen. Er führte mich Abends zu einem alten Weibe; sie empfing mich mit viel Vorsicht und Bedenklichkeiten: es sei, meinte sie, überall und besonders in Genf gefährlich der Jugend zu dienen. Ich erklärte mich sogleich, was ich für einen Dienst von ihr verlange. Mein Märchen glückte mir und die Lüge ging mir geläufig vom Munde. Ich war ein Maler, hatte Landschaften gezeichnet, die ich nun durch die Gestalten schöner Nymphen zu heroischen Landschaften erheben wolle. Ich sagte die wunderlichsten Dinge, die sie ihr Lebtag nicht gehört haben mochte. Sie schüttelte dagegen den Kopf und versicherte mir: es sei schwer meinen Wunsch zu befriedigen. Ein ehrbares Mädchen werde sich nicht leicht dazu entschließen, es werde mich was kosten, sie wolle sehen. Was? rief ich aus, ein ehrbares Mädchen ergibt sich für einen leidlichen Preis einem fremden Mann - Allerdings - und sie will nicht nackend vor seinen Augen erscheinen? - keinesweges; dazu gehört viel Entschließung - selbst wenn sie schön ist - auch dann. Genug ich will sehen, was ich für Sie tun kann, Sie sind ein junger artiger hübscher Mann, für den man sich schon Mühe geben muß. Sie klopfte mir auf die Schultern und auf die Wangen: ja! rief sie aus, ein Maler, das muß es wohl sein, denn Sie sind weder alt noch vornehm genug um dergleichen Szenen zu bedürfen. Sie bestellte mich auf den folgenden Tag und so schieden wir aus einander.

 

Ich kann heute nicht vermeiden mit Ferdinand in eine große Gesellschaft zu gehen und auf den Abend steht mir das Abenteuer bevor. Es wird einen schönen Gegensatz geben. Schon kenne ich diese verwünschte Gesellschaft, wo die alten Weiber verlangen, daß man mit ihnen spielen, die jungen, daß man mit ihnen liebäugeln soll, wo man dann dem Gelehrten zuhören, den Geistlichen verehren, dem Edelmann Platz machen muß, wo die vielen Lichter kaum eine leidliche Gestalt beleuchten, die noch dazu hinter einen barbarischen Putz versteckt ist. Soll ich französisch reden, eine fremde Sprache in der man immer albern erscheint, man mag sich stellen wie man will, weil man immer nur das Gemeine, nur die groben Züge und noch dazu stockend und stotternd ausdrucken kann. Denn was unterscheidet den Dummkopf vom geistreichen Menschen, als daß dieser das Zarte Gehörige der Gegenwart schnell lebhaft und eigentümlich ergreift und mit Leichtigkeit ausdrückt, als daß jene, gerade wie wir es in einer fremden Sprache tun, sich mit schon gestempelten hergebrachten Phrasen bei jeder Gelegenheit behelfen müssen. Heute will ich mit Ruhe ein paar Stunden die schlechten Späße ertragen in der Aussicht auf die sonderbare Szene, die meiner wartet.

 

Mein Abenteuer ist bestanden, vollkommen nach meinen Wünschen, über meine Wünsche, und doch weiß ich nicht ob ich mich darüber freuen oder ob ich mich tadeln soll. Sind wir denn nicht gemacht das Schöne rein zu beschauen, ohne Eigennutz das Gute hervor zu bringen? Fürchte nichts und höre mich: ich habe mir nichts vorzuwerfen, der Anblick hat mich nicht aus meiner Fassung gebracht, aber meine Einbildungskraft ist entzündet, mein Blut erhitzt. O! stünd ich nur schon den großen Eismassen gegenüber um mich wieder abzukühlen! Ich schlich mich aus der Gesellschaft...

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