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Opferschuld

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
Deutsch
Rowohlt Verlag GmbHerschienen am01.02.20111. Auflage
Emma Bennett sieht sich mit dem schlimmsten Trauma ihrer Kindheit konfrontiert: Zehn Jahre zuvor entdeckte sie an einem frostigen Wintertag in einem Graben die Leiche ihrer besten Freundin. Eine Frau wurde verhaftet, doch nun taucht ein Zeuge auf, der ihr umstrittenes Alibi nach all den Jahren bestätigt. Kommissarin Vera Stanhope würde den Mordfall gerne lösen, doch das gestaltet sich unerwartet schwierig: In dem Dörfchen Elvet findet sich kaum ein Einwohner, der kein Motiv gehabt hätte, die hübsche, verzogene und sehr gerissene Abigail zu töten. Binnen kürzester Zeit ist die Atmosphäre vergiftet. Und Vera fragt sich: Haben die Dorfbewohner Angst vor dem Mörder oder vor ihrer eigenen, schuldbeladenen Vergangenheit? «Mit Vera Stanhope hat die britische Autorin Ann Cleeves eine Kommissarin erfunden, die man mögen muss: ein wenig derb, übergewichtig, beziehungsgestört - aber schlauer als ihr gesamtes Team!» Freundin

 Ann Cleeves lebt mit ihrer Familie in West Yorkshire und ist Mitglied des «Murder Squad», eines illustren Krimi-Zirkels. Für ihren Kriminalroman «Die Nacht der Raben» erhielt sie den «Duncan Lawrie Dagger Award», die weltweit wichtigste Auszeichnung der Kriminalliteratur. 2017 wurde sie für ihr exzellentes Lebenswerk mit dem «Diamond Dagger» ausgezeichnet. Sowohl die «Vera Stanhope»-Reihe, als auch Cleeves zweite Serie um das Shetland-Quartett, sind verfilmt worden.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR19,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextEmma Bennett sieht sich mit dem schlimmsten Trauma ihrer Kindheit konfrontiert: Zehn Jahre zuvor entdeckte sie an einem frostigen Wintertag in einem Graben die Leiche ihrer besten Freundin. Eine Frau wurde verhaftet, doch nun taucht ein Zeuge auf, der ihr umstrittenes Alibi nach all den Jahren bestätigt. Kommissarin Vera Stanhope würde den Mordfall gerne lösen, doch das gestaltet sich unerwartet schwierig: In dem Dörfchen Elvet findet sich kaum ein Einwohner, der kein Motiv gehabt hätte, die hübsche, verzogene und sehr gerissene Abigail zu töten. Binnen kürzester Zeit ist die Atmosphäre vergiftet. Und Vera fragt sich: Haben die Dorfbewohner Angst vor dem Mörder oder vor ihrer eigenen, schuldbeladenen Vergangenheit? «Mit Vera Stanhope hat die britische Autorin Ann Cleeves eine Kommissarin erfunden, die man mögen muss: ein wenig derb, übergewichtig, beziehungsgestört - aber schlauer als ihr gesamtes Team!» Freundin

 Ann Cleeves lebt mit ihrer Familie in West Yorkshire und ist Mitglied des «Murder Squad», eines illustren Krimi-Zirkels. Für ihren Kriminalroman «Die Nacht der Raben» erhielt sie den «Duncan Lawrie Dagger Award», die weltweit wichtigste Auszeichnung der Kriminalliteratur. 2017 wurde sie für ihr exzellentes Lebenswerk mit dem «Diamond Dagger» ausgezeichnet. Sowohl die «Vera Stanhope»-Reihe, als auch Cleeves zweite Serie um das Shetland-Quartett, sind verfilmt worden.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783644436312
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2011
Erscheinungsdatum01.02.2011
Auflage1. Auflage
SpracheDeutsch
Dateigrösse2471 Kbytes
Artikel-Nr.1014480
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Teil eins

Kapitel eins

Emma sitzt am Schlafzimmerfenster und sieht auf den nächtlichen Platz hinaus. Im Wind, der scharf vom Friedhof her fegt, treibt eine Coladose über die Straße, ein Dachziegel klappert. An jenem Nachmittag, an dem Abigail Mantel ums Leben kam, hatte ein Sturm getobt, und es ist, als habe sich der Wind seither nicht gelegt, als dauere der Sturm seit zehn Jahren an, mit Hagelkörnern, die wie Gewehrkugeln gegen die Fenster prasseln, und entwurzelten Bäumen. Zumindest seit das Baby auf der Welt ist, ist es so. Wann immer sie seither nachts aufwacht, um den Kleinen zu stillen, oder wenn James spät von der Arbeit kommt, hört sie den Wind, ein Tosen um ihren Kopf, wie das Rauschen einer Muschel, die man sich ans Ohr hält.

James, ihr Mann, ist noch nicht zu Hause, aber seinetwegen ist sie nicht wach geblieben. Unverwandt blickt sie zur Alten Schmiede hinüber, in der Dan Greenwood seine Töpferei hat. Licht schimmert durch das Fenster, und hin und wieder bildet sie sich ein, einen Schatten zu sehen. Sie stellt sich vor, dass Dan noch arbeitet, in seinem blauen Kittel aus Segeltuch, die Augen zusammengekniffen, während er mit seinen kräftigen braunen Händen den Ton formt. Dann stellt sie sich vor, dass sie das schlafende Baby gut eingepackt in seinem Bettchen liegen lässt. Sie sieht sich auf den Platz hinausschlüpfen und zur Schmiede hinübergehen, wobei sie sich stets im Schatten hält. Sie stößt eine der beiden großen Türen auf, die einen Torbogen bilden, wie bei einem Kirchenportal. Der Raum ist hoch, und durch das verwinkelte Gebälk kann sie bis zu den Dachziegeln sehen. In ihrer Vorstellung fühlt sie die Hitze des Brennofens und sieht die staubigen Regale, auf denen unglasierte Tontöpfe stehen.

Dan Greenwood blickt auf. Sein Gesicht ist ganz dunkel, und in den Falten seiner Stirn klebt roter Staub. Er ist nicht überrascht, sie zu sehen, verlässt die Werkbank, an der er gearbeitet hat, und steht schon vor ihr. Sie spürt, wie ihr Atem schneller geht. Er küsst sie auf die Stirn und knöpft dann langsam ihre Bluse auf. Er berührt ihre Brüste, streichelt sie und hinterlässt dabei Streifen von rotem Ton, wie eine Kriegsbemalung. Sie fühlt, wie der Ton auf der Haut trocknet und ihre Brüste zu kribbeln beginnen.

Dann verblasst das Bild, und sie ist wieder in ihrem ehelichen Schlafzimmer. Sie weiß, dass ihre Brüste schwer von der Milch sind, nicht fest von trocknendem Ton. Das Baby fängt an zu weinen und greift mit den Händen ins Leere. Emma hebt es aus dem Bettchen, um es zu stillen. Dan Greenwood hat sie nie berührt und wird es wahrscheinlich auch nie tun, ganz gleich, wie oft sie davon träumt. Die Kirchturmuhr schlägt Mitternacht. Mittlerweile sollte James sein Schiff sicher in den Hafen gebracht haben.

 

Das also malte Emma sich aus, als sie in Elvet an ihrem Schlafzimmerfenster saß. Es war, als würde sie beständig ihr Befinden kommentieren, sich von außen selbst betrachten. So war es schon immer gewesen - ihr Leben als eine Abfolge erfundener Geschichten. Bevor Matthew auf die Welt kam, hatte sie sich gefragt, ob seine Geburt sie aus ihren Träumen herausreißen würde, schließlich gab es doch nichts Wirklicheres als die Wehen. Doch während sie jetzt mit dem kleinen Finger seinen Mund von ihrer Brustwarze löste, dachte sie, dass das nicht stimmte. Sie fühlte sich Matthew nicht enger verbunden als James. War sie eine andere gewesen, bevor sie Abigail Mantels Leiche gefunden hatte? Wahrscheinlich nicht. Sie legte sich ihren Sohn an die Schulter und rieb ihm über den Rücken. Er streckte eine Hand aus und umklammerte eine Strähne ihres Haars.

Das Zimmer lag unterm Dach eines gepflegten Hauses im georgianischen Stil. Es hatte eine symmetrische Fassade aus rotem Backstein und roten Ziegeln, die Tür war in der Mitte. Ein Seefahrer, der Handel mit Holland trieb, hatte es gebaut, und das hatte James gefallen. «Wir führen eine Tradition fort», sagte er, als er ihr alles zeigte. «Es ist, als würde man es im Familienbesitz halten.» Emma fand, dass es zu nah an zu Hause lag, an den Erinnerungen an Abigail Mantel und Jeanie Long, und schlug Hull vor, wo es auch günstiger für seine Arbeit sei. Oder Beverly. Beverly war eine hübsche kleine Stadt. Aber er sagte, Elvet gefalle ihm genauso gut.

«Für dich wird es nett sein, so nah bei deinen Eltern zu wohnen», sagte er, und sie lächelte und sagte ja, denn so lief es nun einmal zwischen ihr und James. Sie machte es ihm gern recht. In Wirklichkeit war ihr nicht allzu viel an der Gesellschaft von Robert und Mary gelegen. Da mochten die beiden noch so viel Hilfe anbieten, sie fühlte sich in ihrer Nähe unbehaglich und irgendwie schuldig.

In das Heulen des Windes mischte sich ein neues Geräusch - der Motor eines Wagens. Scheinwerferlicht ergoss sich über den Platz und erhellte kurz die Kirchenpforte, vor der sich aus herumwirbelnden Blättern ein Haufen gebildet hatte. James parkte auf dem Kopfsteinpflaster, stieg aus und warf die Tür mit einem kräftigen Schlag zu. In dem Moment kam Dan Greenwood aus der Alten Schmiede. Er war genau so angezogen, wie Emma es sich vorgestellt hatte, trug Jeans und den blauen Kittel. Sie erwartete, dass er die großen Türflügel zuziehen und mit einem Schlüssel zusperren würde, den er an einer Kette an seinem Gürtel trug. Dann würde er ein schweres Vorhängeschloss aus Messing durch die Eisenringe schieben, die sich an beiden Türen befanden, und das Schloss zurechtrücken. Dieses Ritual hatte sie schon oft vom Fenster aus beobachtet. Doch jetzt ging er über den Platz auf James zu. Er trug schwere Arbeitsstiefel, die laut auf den Pflastersteinen hallten, sodass James sich umdrehte.

Als sie die beiden zusammen sah, fiel ihr auf, wie verschieden sie doch waren. Dan war so dunkel, dass man ihn für einen Ausländer halten konnte. In einem Horrorfilm hätte er gut den Mörder spielen können. Und James war ein blasser, höflicher Engländer. Plötzlich beunruhigte es sie, dass die beiden Männer sich einfach so begegneten. Auf keinen Fall konnte Dan etwas von ihren Phantasien ahnen. Sie hatte nichts getan, was sie verraten könnte. Vorsichtig schob sie das Fenster nach oben, um zu hören, was die beiden sprachen. Die Vorhänge blähten sich im Wind. Eine Brise, die leicht nach Salz schmeckte, wehte herein. Sie kam sich vor wie ein Kind, das heimlich der Unterhaltung von Erwachsenen lauscht, einem Elternteil und dem Lehrer vielleicht, die über seine schulischen Leistungen sprachen. Keiner der beiden Männer hatte sie bemerkt.

«Hast du Nachrichten gesehen?», fragte Dan.

James schüttelte den Kopf. «Ich komme gerade von einem lettischen Containerschiff. Hab mich in Hull nur kurz abgemeldet und bin direkt nach Hause gefahren.»

«Dann hat Emma dir auch nichts gesagt?»

«Sie interessiert sich nicht sonderlich für die Nachrichten.»

«Jeanie Long hat Selbstmord begangen. Ihr Antrag auf Bewährung wurde erneut abgelehnt. Das war vor ein paar Tagen. Sie haben die Meldung ein paar Tage zurückgehalten.»

James stand da, den Autoschlüssel in der Hand. Er hatte immer noch seine Uniform an und sah auf eine altmodische Weise flott aus, als gehörte er der Zeit an, in der das Haus erbaut worden war. Die Messingknöpfe an seiner Jacke schimmerten matt im Licht der Laternen. Seine Mütze trug er unter dem Arm. Emma erinnerte sich an die Zeit, als sie noch Phantasien über ihn gehabt hatte.

«Ich glaube nicht, dass sich für Em dadurch viel ändert. Nicht nach all der Zeit. Sie hat Jeanie doch nicht gekannt, höchstens mal gesehen. Und sie war noch sehr jung, als das alles passiert ist.»

«Sie wollen den Fall Abigail Mantel wiederaufnehmen», sagte Dan Greenwood.

Einen Augenblick lang herrschte Schweigen. Emma fragte sich, woher Dan das alles wusste. Hatten die beiden Männer schon zu anderen Gelegenheiten über sie gesprochen, ohne dass sie es beobachtet hatte?

«Weil Jeanie Long sich umgebracht hat?», fragte James.

«Weil sich ein neuer Zeuge bei der Polizei gemeldet hat. Scheint ganz so, als hätte Jeanie Long die Kleine gar nicht umbringen können.» Er hielt inne. Emma sah, wie er sich mit seinen kräftigen Fingern die Stirn rieb, als versuchte er, die Erschöpfung wegzureiben. Sie fragte sich, weshalb er einen zehn Jahre alten Mordfall so wichtig nahm. Dass er ihn wichtig nahm, dass er darüber nachgegrübelt hatte, spürte sie. Dabei hatte er damals noch nicht einmal hier im Dorf gewohnt. Er ließ die Hände vom Gesicht sinken. Auf seiner Haut waren keine Spuren vom Ton zurückgeblieben. Er musste sich die Hände gewaschen haben, bevor er aus der Schmiede gekommen war. «Eine Schande, dass niemand sich die Mühe gemacht hat, es Jeanie zu erzählen, was?», sagte er. «Sonst wäre sie vielleicht noch am Leben.»

Ein plötzlicher Windstoß schien die beiden Männer auseinanderzuwehen. Dan lief eilig zurück zur Alten Schmiede, um die Türen zu versperren. Der Volvo verriegelte sich mit einem Klicken, das Standlicht leuchtete auf, und James stieg die Treppenstufen zur Eingangstür hoch. Emma trat vom Fenster weg und setzte sich auf den Stuhl neben dem Bett. Sie hielt den Kleinen sanft im Arm und legte ihn an die andere Brust.

So saß sie noch da, als James hereinkam. Sie hatte eine kleine Lampe eingeschaltet, der Rest des großen Dachzimmers war in Schatten getaucht. Das Baby hatte aufgehört zu trinken, und die Augen waren ihm zugefallen, doch sie hielt es noch an der Brust, und ab und zu nuckelte es im Schlaf. Ein Tropfen Milch lief ihm über die Wange. Sie hatte gehört, wie James unten vorsichtig hin und her ging, dann hatten die Treppenstufen geknarzt. Ruhig und beherrscht...

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Autor

Ann Cleeves lebt mit ihrer Familie in West Yorkshire und ist Mitglied des «Murder Squad», eines illustren Krimi-Zirkels. Für ihren Kriminalroman «Die Nacht der Raben» erhielt sie den «Duncan Lawrie Dagger Award», die weltweit wichtigste Auszeichnung der Kriminalliteratur. 2017 wurde sie für ihr exzellentes Lebenswerk mit dem «Diamond Dagger» ausgezeichnet. Sowohl die «Vera Stanhope»-Reihe, als auch Cleeves zweite Serie um das Shetland-Quartett, sind verfilmt worden.Stefanie Kremer, geb. 1966 in Düsseldorf, arbeitet freiberuflich als Übersetzerin für Sachbücher und Belletristik aus dem Englischen und Französischen. Sie lebt südlich von München.