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Die geheimen Jahre

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
Deutsch
Piper Verlag GmbHerschienen am31.03.2011Auflage
Judith Lennox erzählt die Geschichte der temperamentvollen Thomasine - eingebettet in die Natur der ostenglischen Fenlands und in das Paris und das London der Zwanzigerjahre. Seit ihrer Kindheit in den rauhen Fens kennen sich Thomasine, die früh ihre Eltern verloren hat, Daniel, der Sohn des Dorfschmieds, und Nicholas, dessen wohlhabende Familie ein privilegiertes Leben führt. Doch als Nicholas aus dem Krieg heimkehrt und Thomasine seinem überstürzten Heiratsantrag zustimmt, ahnen sie noch nicht, wie stark die Gegensätze zwischen ihren beiden Welten tatsächlich sind ...

Judith Lennox, geboren 1953 in Salisbury, wuchs in Hampshire auf. Sie ist eine der erfolgreichsten Autorinnen des modernen englischen Gesellschaftsromans und gelangt mit jedem neuen Buch auf die deutschen Bestsellerlisten. Judith Lennox liebt Gärtnern, ausgedehnte Wanderungen, alte Häuser und historische Stätten. Sie lebt mit ihrem Mann in Cambridge. Die beiden sind Eltern dreier erwachsener Söhne.
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Produkt

KlappentextJudith Lennox erzählt die Geschichte der temperamentvollen Thomasine - eingebettet in die Natur der ostenglischen Fenlands und in das Paris und das London der Zwanzigerjahre. Seit ihrer Kindheit in den rauhen Fens kennen sich Thomasine, die früh ihre Eltern verloren hat, Daniel, der Sohn des Dorfschmieds, und Nicholas, dessen wohlhabende Familie ein privilegiertes Leben führt. Doch als Nicholas aus dem Krieg heimkehrt und Thomasine seinem überstürzten Heiratsantrag zustimmt, ahnen sie noch nicht, wie stark die Gegensätze zwischen ihren beiden Welten tatsächlich sind ...

Judith Lennox, geboren 1953 in Salisbury, wuchs in Hampshire auf. Sie ist eine der erfolgreichsten Autorinnen des modernen englischen Gesellschaftsromans und gelangt mit jedem neuen Buch auf die deutschen Bestsellerlisten. Judith Lennox liebt Gärtnern, ausgedehnte Wanderungen, alte Häuser und historische Stätten. Sie lebt mit ihrem Mann in Cambridge. Die beiden sind Eltern dreier erwachsener Söhne.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783492953436
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2011
Erscheinungsdatum31.03.2011
AuflageAuflage
SpracheDeutsch
Dateigrösse2965 Kbytes
Artikel-Nr.1019143
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

2

ZWISCHEN AUGUST 1914 und November 1918 brach die Welt in Stücke. Im Frühling 1915, mit der Versenkung der Lusitania und dem ersten Abwurf von Bomben auf London, wußten alle, daß dies eine andere Art von Krieg war. Niemand war sicher.

Auch an der Front hatte der Krieg sich gewandelt. Panzer und Flugzeuge traten an die Stelle der rotberockten Kavallerie. Senfgas zerfraß die Lungen der Soldaten, so daß sie auf trockenem Land gleichsam ertranken. Außerhalb der Schlachtfelder versuchte man durch Propaganda die wahre Situation des Krieges vor der Bevölkerung in der Heimat zu vertuschen und antideutsche Stimmung zu schüren. 1916, mit der Einführung der Zwangsverpflichtung, wurden Frauen auf Farmen und in Fabriken geschickt, um die an der Front befindlichen Männer zu ersetzen. In den Schlachten von Ypres, Arras, an der Somme und Passchendaele starben Hunderttausende junger Männer bei dem Versuch, ein paar Meter schlammigen Bodens zu erobern. Die Verluste an jungen, vor allem an den gehobenen Privatschulen rekrutierten Offizieren waren besonders hoch. Der Weltkrieg trennte Männer von Frauen, Soldaten von Zivilisten. Inmitten von Blutgemetzeln und Schmerzensschreien wurde das zwanzigste Jahrhundert geboren.

Sie waren gerade in einer Gemeindehalle in Brompton und probten für eine Revue namens Sunny Days, als sie die Nachricht hörten. Es klopfte an der Tür, und die Schwester des Pianisten trat ein. Sie flüsterte dem Pianisten etwas zu, er unterbrach sein Spiel und flüsterte wiederum dem Choreographen etwas zu.

»Der Krieg ist vorbei. Der Waffenstillstand ist unterzeichnet worden.«

Jubel und Pfeifen brachen aus. Thomasine ging zum Fenster und sah auf das graue London hinaus. Der dichte Regen war durch den Nebel fast nicht wahrzunehmen. Wasser tropfte von den schwarzen Blättern der Bäume und sammelte sich in den Rinnsteinen entlang der Straße. Auf den Gehsteigen drängten sich Menschen, die meisten in Uniform, die in alle Richtungen hasteten. Die Plakate (so viele Plakate) an den Bäumen, den Briefkästen, den Wänden von Läden und Häusern waren eingerissen, und ihre Ränder kräuselten sich im Regen.

Thomasine schmerzte der Kopf. Der Krieg ist vorbei, der Waffenstillstand ist unterzeichnet worden. Doch man wollte nicht glauben, daß die Schrecken, die das Leben während der vergangenen vier Jahre so grundlegend erschüttert hatten, vorbei sein sollten. Ihr war es inzwischen vorgekommen, als nähme der Krieg nie ein Ende, als gäbe es keine Hoffnung. Als würden der Nahrungsmangel, die Trübseligkeit der unbeleuchteten Straßen, das schreckliche Durchforsten der Gefallenenlisten nach Namen von Bekannten auf ewig so weitergehen.

»Ein paar von den Mädchen gehen ins West End hinunter. Kommst du mit, Thomasine?«

Sie drehte sich vom Fenster weg, wandte sich ab von dem Anblick der Straßen und der Erinnerung an die vergangenen vier Jahre und lächelte ihre Freundin Alice an. »Natürlich. Sobald ich mich umgezogen habe.«

Der Pianist packte seine Noten ein, der Choreograph hatte den Raum bereits verlassen. Die Tänzerinnen zogen sich in der Damentoilette um und drängten sich in dem engen, ungeheizten Ort zusammen, in dem es nach Schweiß und billigem Parfüm roch. Der Nebel und der Regen draußen rochen nach Rauch, Staub, Abgasen von Autos und Taxis und nach den Pferdewagen, die sich durch die Straßen zwängten und alle ins West End wollten.

Alice hatte sich bei Thomasine eingehängt. Die Menge auf den Gehsteigen drängte auf die Fahrbahnen, ein buntes und zunehmend fröhlicheres Gemisch aus Männern und Frauen in den verschiedensten Uniformen. Jeder schien eine Flagge zu tragen: englische, amerikanische, belgische, französische und koloniale Flaggen flatterten in der nebeligen Luft. Bald mußten die Autos Hupkonzerte veranstalten, um durch das Gedränge zu kommen, bald hingen an jedem Fahrzeug Menschentrauben oder saßen auf Kühlerhauben und Dächern.

Thomasines Hals war trocken und rauh. »Ich bin total ausgedörrt«, sagte sie. »Ich hatte heute morgen keine Lust zu frühstücken. Sollen wir …?«

Sie standen vor einem Teesalon. Alice nickte. Drinnen war zu ihrem Erstaunen ein kleiner Ecktisch frei. Die Tür des Teesalons schloß sich hinter ihnen und sperrte einen Teil des Lärms aus.

»Ich könnte auch eine Tasse vertragen.« Alice setzte sich und überflog die Speisekarte. »Und ein Hörnchen.«

Sie gaben ihre Bestellung bei der Bedienung auf. Thomasine lehnte kopfschüttelnd die Zigarette ab, die Alice ihr anbot.

»Ich weiß«, sagte Alice grinsend. »Mutter wäre sicher schockiert. Anständige Mädchen rauchen in der Öffentlichkeit nicht. Aber - Mutter ist nicht hier, und ich bin kein so anständiges Mädchen.« Sie kicherte und zündete die Zigarette an. Der Rauch brachte Thomasine zum Husten.

Sie brauchten den ganzen Nachmittag, um zum Trafalgar Square zu kommen. Den größten Teil des Weges gingen sie zu Fuß, mitgerissen von der Menge aus Tommys, Matrosen, Yankees, Belgiern, Frauenkorps, Marinehelferinnen und Arbeiterinnen von Munitionsfabriken. Einmal sprangen sie auf einen Bus auf und standen dicht zusammengedrängt auf dessen Trittbrett. Doch der Bus fuhr nicht seine planmäßige Strecke, sondern blieb am Piccadilly stehen, wo ihn die dichte Menschenmenge am Weiterfahren hinderte.

Der Regen hielt an, der Nebel lichtete sich nicht. Thomasines Stiefel und der Saum ihres Rocks waren bald durchweicht und schmutzig, und die Seidenrose auf ihrem Hutrand hing welk herunter. Jeder Muskel ihres Körpers schien zu schmerzen. Zu viele Proben für zu viele Aufführungen, zu viele Stunden in zugigen Hallen, wo sie Binden aufrollte und fürs Rote Kreuz Verbandsmaterial einpackte. Die überschäumende Freude der Menge über das Kriegsende sprang nicht auf sie über.

Aber sie konnte nicht nach Teddington zurück: Sie konnte nur in der Richtung weitergehen, die die Menge gerade einschlug. Thomasine drückte ihre Tasche an sich und klammerte sich fest an Alices Arm. Jauchzend und jubelnd stimmte Alice in den Gesang der anderen Londoner ein. Am Piccadilly hätte Thomasine im Gewühl der Menge nur von einer Seite des Platzes auf die andere gehen können. Ihre Füße berührten kaum den Boden, Ellbogen bohrten sich in ihre Rippen, hoben sie hoch und rissen sie im Strom der schwankenden Menschenmenge mit.

Als sie Tafalgar Square erreichten, war es fast dunkel. Die Spitze von der Nelson-Säule verbarg sich in Regen und Nebel. Um die Grundpfeiler der Säule hatte man erbeutete Kanonen und Lafetten aufgereiht. Leute rissen Schilder von Läden und Bussen und warfen sie in ein schnell aufgetürmtes Freudenfeuer. Jemand schleuderte ein Streichholz aufs Holz, und Flammen loderten auf, die am Podest der Säule hochzüngelten und die Gesichter der Menschen in ein gespenstisches Licht tauchten. Die Menge wich vor dem Feuer zurück, und Thomasine wurde zwischen einer Fabrikarbeiterin und einem großen Matrosen eingeklemmt. Als das Gedränge endlich nachließ, konnte sie nicht mehr aufhören zu husten.

»Alles in Ordnung, Süße?« fragte der Matrose.

Sie schaffte es, zu nicken. Alice sang mit der Menge »Tipperary«. Die Lautstärke ihres Gesangs war überwältigend, das Lied eines Kolosses, das alles andere übertönte. Der Matrose hinter ihr sagte etwas, aber sie verstand ihn nicht. Er schien tonlos die Lippen zu bewegen, wie ein Filmstar. Gesichter mit geöffneten Lippen, Worte formend, umdrängten sie. »It's a long way to Tipperary, it's a long way from home.« Es roch nach Bier, nach Zigaretten und dem Rauch des Freudenfeuers.

Es war kaum zu glauben, doch alle begannen zu tanzen. Tausende von Menschen schlossen sich zu einer einzigen langen Schlange zusammen und kreisten um den Platz. Als sich Thomasine umdrehte, war Alice nicht mehr neben ihr. Der große Matrose streckte die Hand aus, und eine blasse Munitionsarbeiterin ebenfalls. Einmal sah sie kurz Alices blonden Kopf über der Menge auftauchen, dann war sie verschwunden. In Rauch, Regen und zunehmender Dunkelheit nur undeutlich erkennbare Gesichter zogen an Thomasine vorbei: Soldaten, einige von ihnen mit entstellenden Narben, andere mit Verbänden um den Kopf oder den Arm in der Schlinge. Mädchen vom Land und Hilfsschwestern, von der Hitze gerötete Gesichter, die Haare vom Regen durchnäßt. Munitionsarbeiter mit bläulich verätzter Haut. Das Feuer warf schwarze Schatten auf ihre Gesichter, ließ sie alt und grotesk, kaum noch wie menschliche Wesen erscheinen.

Die Menge zog Thomasine in diese und jene Richtung. Als sie nach unten blickte, bemerkte sie plötzlich, daß ihre Handtasche verschwunden war. Die seidenen Henkel baumelten noch an ihrem Handgelenk, aber die Tasche war weg. Sie sah sich verzweifelt um, spähte zwischen die Unmenge tanzender Beine, konnte aber nichts entdecken. Ihr Geldbeutel, ihre Tanzschuhe, ihr Tanzkleid und ihre Hausschlüssel - alles war in der Tasche gewesen. Panik schnürte ihr den Hals zu. Jemand rempelte sie von hinten so heftig an, daß sie fast hinfiel. Den Blick noch immer suchend zu Boden gerichtet, versuchte sie, sich zum Rand des Platzes durchzukämpfen.

Es schien Stunden zu dauern. Einige Leute beschimpften sie, andere versuchten, sie zu küssen. Sie ließ sich jedoch nicht beirren, war wild entschlossen, dem Platz zu entkommen und nicht wieder in den Siegestaumel der tanzenden Menge zu geraten. Immer wieder wurde sie von der Menschenmasse so heftig eingezwängt, daß sie plötzlich Sternchen an dem schwarzverhangenen Himmel sah. Es war, als kämpfte sie gegen die Fluten eines reißenden Stroms an.

Als sie schließlich St. Martin's erreichte, hatte sie nicht nur ihre Tasche, sondern auch ihren Hut verloren. Sie lehnte sich gegen die Wand eines Ladens und konnte nicht...
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Autor

Judith Lennox, geboren 1953 in Salisbury, wuchs in Hampshire auf. Sie ist eine der erfolgreichsten Autorinnen des modernen englischen Gesellschaftsromans und gelangt mit jedem neuen Buch auf die deutschen Bestsellerlisten. Judith Lennox liebt Gärtnern, ausgedehnte Wanderungen, alte Häuser und historische Stätten. Sie lebt mit ihrem Mann in Cambridge. Die beiden sind Eltern dreier erwachsener Söhne.