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E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
368 Seiten
Deutsch
Droemer Knaurerschienen am14.03.20111. Auflage
Tabor Süden wollte eigentlich niemanden mehr suchen. Vor Jahren hatte er München mit der Absicht verlassen, die Stadt nie mehr zu betreten. Vollkommen unerwartet erhält er einen Anruf von seinem Vater, der seit fünfunddreißig Jahren verschwunden ist. Er sei in München, lässt er Süden wissen. Doch bevor dieser weitere Fragen stellen kann, wird das Gespräch unterbrochen. Süden kehrt zurück, in »die verhunzte Stadt«, und läuft tagelang durch die Straßen auf der Suche nach einem hinkenden Mann in alter Kleidung. Erneut bleibt der Vater unauffindbar. Süden heuert als Detektiv an und wird sofort mit dem schwierigsten Fall der erfolgreichen Detektei beauftragt: Raimund »Mundl« Zacherl, ein Wirt aus Sendling, ist vor zwei Jahren spurlos verschwunden. Seine Ehefrau will endlich Klarheit darüber, warum er von heute auf morgen sein bisheriges Leben aufgab und sich zuvor, scheinbar ohne Grund, vollkommen verändert hatte. Aus dem leutseligen Wirt war ein verschlossener Grübler geworden. Die Detektei hält den erneuten Auftrag der Ehefrau für eine aussichtslose Sache. Für Süden jedoch ist der Fall Zacherl genau das Richtige: Dank seiner eigenwilligen Methoden entdeckt er Hinweise, die andere nicht wahrnehmen würden. Und so führt ihn die Spur schließlich an die Nordsee, auf die Insel Sylt, wo Zacherl offenbar ein neues Leben beginnen wollte. Süden von Friedrich Ani: Spannung pur im eBook!

Friedrich Ani wurde 1959 in Kochel am See geboren. Er schreibt Romane, Kinderbücher, Gedichte, Hörspiele, Drehbücher und Kurzgeschichten. Seine Bücher wurden in mehrere Sprachen übersetzt und vielfach ausgezeichnet: Als bisher einziger Autor erhielt Ani den Deutschen Krimipreis in einem Jahr für drei Süden-Titel gleichzeitig. 2010 folgte der Adolf-Grimme-Preis für das Drehbuch nach seinem Roman 'Süden und der Luftgitarrist'. 2011 wurde der Roman 'Süden' mit dem Deutschen Krimipreis ausgezeichnet, ebenso wie 2014 sein Roman 'M', der wochenlang auf der KrimiZEIT-Bestenliste stand. Friedrich Ani ist Mitglied des Internationalen PEN-Clubs und lebt in München.
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Produkt

KlappentextTabor Süden wollte eigentlich niemanden mehr suchen. Vor Jahren hatte er München mit der Absicht verlassen, die Stadt nie mehr zu betreten. Vollkommen unerwartet erhält er einen Anruf von seinem Vater, der seit fünfunddreißig Jahren verschwunden ist. Er sei in München, lässt er Süden wissen. Doch bevor dieser weitere Fragen stellen kann, wird das Gespräch unterbrochen. Süden kehrt zurück, in »die verhunzte Stadt«, und läuft tagelang durch die Straßen auf der Suche nach einem hinkenden Mann in alter Kleidung. Erneut bleibt der Vater unauffindbar. Süden heuert als Detektiv an und wird sofort mit dem schwierigsten Fall der erfolgreichen Detektei beauftragt: Raimund »Mundl« Zacherl, ein Wirt aus Sendling, ist vor zwei Jahren spurlos verschwunden. Seine Ehefrau will endlich Klarheit darüber, warum er von heute auf morgen sein bisheriges Leben aufgab und sich zuvor, scheinbar ohne Grund, vollkommen verändert hatte. Aus dem leutseligen Wirt war ein verschlossener Grübler geworden. Die Detektei hält den erneuten Auftrag der Ehefrau für eine aussichtslose Sache. Für Süden jedoch ist der Fall Zacherl genau das Richtige: Dank seiner eigenwilligen Methoden entdeckt er Hinweise, die andere nicht wahrnehmen würden. Und so führt ihn die Spur schließlich an die Nordsee, auf die Insel Sylt, wo Zacherl offenbar ein neues Leben beginnen wollte. Süden von Friedrich Ani: Spannung pur im eBook!

Friedrich Ani wurde 1959 in Kochel am See geboren. Er schreibt Romane, Kinderbücher, Gedichte, Hörspiele, Drehbücher und Kurzgeschichten. Seine Bücher wurden in mehrere Sprachen übersetzt und vielfach ausgezeichnet: Als bisher einziger Autor erhielt Ani den Deutschen Krimipreis in einem Jahr für drei Süden-Titel gleichzeitig. 2010 folgte der Adolf-Grimme-Preis für das Drehbuch nach seinem Roman 'Süden und der Luftgitarrist'. 2011 wurde der Roman 'Süden' mit dem Deutschen Krimipreis ausgezeichnet, ebenso wie 2014 sein Roman 'M', der wochenlang auf der KrimiZEIT-Bestenliste stand. Friedrich Ani ist Mitglied des Internationalen PEN-Clubs und lebt in München.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783426410226
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2011
Erscheinungsdatum14.03.2011
Auflage1. Auflage
Reihen-Nr.16
Seiten368 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse834 Kbytes
Artikel-Nr.1019271
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


Erster Teil

Kuhflucht



1


»Ich bin Tabor Süden und kein Japaner«, sagte er unvermittelt, nachdem er zehn Minuten lang von der Tür aus stumm zugehört hatte. Und er unterbrach die Frau am Schreibtisch auch nur, weil sie sich eine Zigarette anzündete und mehrere Züge machte, ohne ihn anzusehen. Der Satz brachte sie zum Lachen. Rauch hüpfte aus ihrem Mund. Süden warf einen Blick zum Fenster, vor dem es dunkel wurde, und als er den Kopf abwandte, hörte Edith Liebergesell auf zu lachen.

»Entschuldigen Sie«, sagte sie. »Ich wollte Ihnen keine Kamellen erzählen.«

Süden dachte an den Karneval am Kölner Eigelstein, wo er die vergangenen sieben Jahre verbracht hatte, und sagte: »Ich war lange auf der Vermisstenstelle, ich weiß, wie es Leuten geht, die verschwinden.«

»Ich finde es interessant, dass die Japaner ein eigenes Wort dafür haben.«

»Ich habe es schon wieder vergessen.«

»Hikikomori«, sagte Edith Liebergesell. »Menschen hinter Wänden.«

Süden hielt sich die Hand vor den Bauch. Die Frau stippte die Asche in den weißen Aschenbecher. Vom Sendlinger-Tor-Platz drang das Rauschen des Verkehrs herauf.

»Dann sind wir uns einig?«, fragte sie.

Er wusste es nicht. Er war in das Büro der Detektivin gekommen, weil er sich an ihren Namen erinnert hatte.

Kurz nach seinem Ausscheiden aus dem Polizeidienst hatte sie ihn angerufen und gefragt, ob er bei ihr als Vermisstenfahnder anheuern wolle. Aber er wollte nur weg aus der Stadt und sonst nichts. Er wollte niemanden mehr suchen, er wollte für sich sein, fern seiner Vergangenheit.

Und vor fünf Tagen war er nach München zurückgekehrt. Nicht um alte Pfade wiederzufinden, sondern um ein Telefongespräch fortzuführen, das so abrupt abgebrochen war, wie es begonnen hatte, und ihn seither mehr aufwühlte als jedes andere Gespräch in jüngster Zeit.

Wahrscheinlich war er nur aus Versehen zum Sendlinger-Tor-Platz gegangen. Als wollte er ein Spiel mit sich selbst spielen, als gäbe er einer Laune nach, die seiner Ratlosigkeit und Verlorenheit entsprach, seinen strauchelnden Gedanken.

»Sie wären für die Straße und die Zimmer zuständig«, sagte Edith Liebergesell. »Keine Bürohockerei. Würde Ihnen das passen?«

Er wusste es nicht. Nach einem Schweigen sagte er: »Ich habe einen Job in einer anderen Stadt, eine Wohnung, ich bin einverstanden mit dem, was ich mache.«

»Warum sind Sie dann hier?« Weil er nichts erwiderte, sagte sie: »Sie kriegen rund zweitausend Euro netto im Monat. Um Ihre Sozialversicherung kümmere ich mich, für Ihre Rente müssen Sie selber sorgen. In Sonderfällen sind Bonuszahlungen möglich. Unsere Klienten zahlen fünfundsechzig Euro die Stunde plus einen Euro Kilometerpauschale. Damit sind wir nicht die teuerste Detektei in der Stadt. Von meinen Mitarbeitern habe ich Ihnen schon erzählt, mein Büro kennen Sie jetzt auch, Sie brauchen nur noch ja zu sagen.«

 

Leicht nach vorn gebeugt stand er seit einer Stunde an der Tür, die Hände entweder vor dem Bauch oder hinter dem Rücken verschränkt, in schwarzer Jeans, einem weißen Hemd, einer schwarzen Lederjacke und schwarzen, englischen Halbschuhen. Bei knapp einem Meter achtzig wog er, so schätzte die Detektivin, mindestens fünfundneunzig Kilo, deren deutliche Schwerpunkte im Hüft- und Bauchbereich lagen. Seine Haare waren kürzer, als sie sie in Erinnerung hatte. Sein Gesicht war genauso unrasiert wie früher, und an seinem Hals baumelte die Kette mit dem blauen Stein, die sie von alten Fotos kannte. Wie er so dastand, schweigend, fremd und doch absolut anwesend, seit er diesen Raum betreten hatte, wäre sie am liebsten zu ihm hingegangen und hätte sich neben ihn gestellt, ins sinkende Licht dieses nachösterlichen Tages.

»Früher haben Sie doch Hosen mit Schnüren an der Seite getragen«, sagte Edith Liebergesell.

»Die sind meinem Körper nicht mehr gewachsen.«

Das Telefon klingelte, und sie nahm den Hörer ab. »Detektei Liebergesell.« Sie hörte eine Weile zu, während Süden endlich näher kam.

»Selbstverständlich erinnere ich mich.« Sie zündete sich eine weitere Zigarette an, legte den Kopf schief, schloss die Augen und nickte. »Jederzeit, wenn Sie das möchten ... Nein, der Preis hat sich nicht erhöht ...«

Süden stellte seine leere Bierflasche an den Rand des von Schreibblöcken, Büchern, Schatullen voller Heftklammern, Briefmarken, Muscheln und Kastanien, Aktenmappen und sonstigen Büroartikeln überfüllten Schreibtischs. Und als wäre der aus hellem Holz gefertigte Tisch nicht schon überladen genug, stand an der Ecke ein hölzerner Globus, der zusammen mit der antiken grünen Lampe die Aura eines altehrwürdigen Studierzimmers vermitteln sollte. Zumindest stellte sich Süden, der nie eine Universität besucht hatte, ein Studierzimmer so vor.

Nach seiner rabiaten Aushäusigkeit während der vergangenen Tage genoss er die behagliche Wärme des Büros. Er sog den Geruch nach Parfüm und Rauch ein. Seine gedämpften Schritte auf dem blaugrauen Teppich kamen ihm beinah lässig vor. Vom Fenster aus sah er hinunter auf das Rondell, wo die Straßenbahnen kreuzten und wendeten wie von jeher. Ihm gefiel die Vorstellung, dass er, wenn er die Detektei verließ, in das Lokal im Erdgeschoss gehen konnte, wie früher in das türkische Café, das sich im selben Haus wie die Vermisstenstelle befand. Auch von dort hatte er die Straßenbahnen und das Fließen der Menschenströme beobachtet.

»Ich werde mit meinen Mitarbeitern darüber sprechen«, sagte Edith Liebergesell ins Telefon. »Aber wir sollten behutsam mit unserer Hoffnung sein, Frau Zacherl ... Auf Wiedersehen.«

Sie legte auf, drückte die Zigarette aus, fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und schrieb Wörter auf einen linierten Block.

»Das ist eine eigenartige Geschichte«, sagte sie, an Süden gewandt. »Vor zwei Jahren ist ein Wirt verschwunden, von einem Tag auf den anderen, dreiundfünfzig Jahre alt. Sein Lokal ist in Sendling, unweit der Garmischer Autobahn, der Lindenhof, er hatte ihn schon vor Jahren seiner Frau überschrieben. Offensichtlich hatte er sein Weggehen geplant. Allerdings behauptet die Ehefrau, er habe das Geschäft an sie übergeben, weil er keine Lust mehr gehabt habe, Wirt zu sein. Er habe sich verändert, habe sich zurückgezogen und seine Gäste mehr und mehr vernachlässigt.

Die Frau war ratlos, sie versuchte, mit ihrem Mann zu reden, sie bat seine Freunde, auf ihn einzuwirken, ohne Erfolg. Er trank nicht, er nahm keine Drogen, körperlich schien es ihm gutzugehen, jedenfalls nicht schlechter als früher. Nur sein Verhalten hatte sich völlig geändert. Früher war er leutselig, ein heiterer Geselle, wie seine Frau sagt.

Er spielte Karten, schaute mit seinen Gästen Fußball im Fernsehen, kochte leidenschaftlich, seine Spezialiäten waren Tafelspitz und Eisbein, eher ungewöhnliche Gerichte für ein kleines Lokal. Er war ein gestandener, allseits beliebter Wirt.

Und plötzlich: ein neuer Mensch. Als hätte er über Nacht mutiert, wie seine Frau sich ausdrückte. Dann, am Karsamstag vor zwei Jahren, kehrte er von einem Besuch in der Innenstadt nicht zurück. Er wollte in einem Elektrogeschäft im Tal Kabel und Glühbirnen besorgen, anschließend in ein Lampengeschäft in der Nähe, angeblich wegen einer neuen Stehlampe fürs Wohnzimmer. In beiden Läden ist er nie angekommen. Er war definitiv nicht dort. Die Polizei hat die üblichen Maßnahmen ergriffen, die Zeitungen haben sein Foto gebracht, aber eine konkrete Spur kam nicht dabei heraus. Raimund Zacherl blieb wie vom Erdboden verschluckt. Aber, das wissen wir, niemand wird vom Erdboden verschluckt, außer er wird Opfer eines Erdbebens.«

Edith Liebergesell griff nach der Zigarettenschachtel und legte sie wieder hin. »Nach einem Jahr wurde die offizielle Suche eingestellt. Der Mann hat jetzt seinen festen Platz im Computer, für den Fall, dass seine Leiche gefunden wird. Seine Frau glaubt nicht, dass er tot ist. Was soll sie sonst glauben?

Über Ostern hatte sie das Lokal geschlossen, unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten ein Irrsinn, das hat sie gerade am Telefon zugegeben. Sie sagt, sie konnte einfach keine Leute sehen. Karsamstag war der zweite Jahrestag seines Verschwindens. Frau Zacherl möchte, dass wir die Suche wiederaufnehmen. Ein halbes Jahr nach seinem Verschwinden bat sie uns schon einmal um Hilfe, und wir waren einen Monat lang nur mit ihrem Auftrag beschäftigt. Wir haben sogar zwei Bekannte von Zacherl ausfindig gemacht, Wirtskollegen aus der Bahnhofsgegend. Zwischendurch sah es so aus, als würde Zacherl für sie Geld waschen, aber die Spur blieb zu vage, Unterlagen existieren natürlich nicht, und unsere Observierungen ergaben keine brauchbaren Hinweise.

Seit ich meine Detektei eröffnet habe, vor neun Jahren, hatten wir nur einen einzigen unaufgeklärten Vermisstenfall, das war ein irakisches Mädchen, das von seinem Vater in dessen Heimat entführt wurde. Niemand hat je wieder von ihr gehört, auch nicht ihre deutsche Mutter. Bei allen anderen Aufträgen gelang es uns, die gesuchte Person tatsächlich zu finden, mit Ausnahme von Raimund Zacherl. Wir sind bekannt für unsere Erfolgsquote, deswegen wenden sich viele Eltern, aber auch andere Angehörige an uns. Sogar für die Kripo waren wir schon tätig. Ich weiß nicht, warum wir bei Raimund Zacherl versagt haben.«

Nach einem Blick auf ihre Armbanduhr, die sie am rechten Handgelenk trug, stand Edith Liebergesell auf. Sie war mindestens einen Kopf größer als Süden. Der schwarze, weit geschnittene Hosenanzug machte erst recht keine Gazelle aus ihr. Süden gefiel der Anblick ihres uneckigen Körpers. Ihr Gehen war eine Art...

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Autor

Friedrich Ani wurde 1959 in Kochel am See geboren. Er schreibt Romane, Kinderbücher, Gedichte, Hörspiele, Drehbücher und Kurzgeschichten. Seine Bücher wurden in mehrere Sprachen übersetzt und vielfach ausgezeichnet: Als bisher einziger Autor erhielt Ani den Deutschen Krimipreis in einem Jahr für drei Süden-Titel gleichzeitig. 2010 folgte der Adolf-Grimme-Preis für das Drehbuch nach seinem Roman "Süden und der Luftgitarrist". 2011 wurde der Roman "Süden" mit dem Deutschen Krimipreis ausgezeichnet, ebenso wie 2014 sein Roman "M", der wochenlang auf der KrimiZEIT-Bestenliste stand. Friedrich Ani ist Mitglied des Internationalen PEN-Clubs und lebt in München.