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Das Foucaultsche Pendel

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
768 Seiten
Deutsch
Carl Hanser Verlagerschienen am08.10.20111. Auflage
Drei Mailänder Verlagslektoren geraten zufällig an eine Geheimbotschaft des legendenumwitterten Templerordens. Sie machen sich an die Entzifferung, bauen aus zahllosen Elementen ein gigantisches Puzzle, erfinden selbst einen Plan, der zu nichts Geringerem führen soll als zur Beherrschung der Welt. Nicht nur die Templer - so scheint es - haben sich mit dem Plan beschäftigt, sondern sämtliche Geheimgesellschaften der Welt, von den Rosenkreuzern bis hin zu den Freimaurern. Die Weltgeschichte wird von den drei Zauberlehrlingen umgeschrieben. Doch dann wird aus dem intellektuellen Spiel blutiger Ernst: Menschen, die mit dem Plan zu tun haben, verschwinden oder werden ermordet, der Plan verselbständigt sich, wird unheimliche Realität ...

Umberto Eco wurde am 5. Januar 1932 in Alessandria (Piemont) geboren und starb am 19. Februar 2016 in Mailand. Er zählte zu den bedeutendsten Schriftstellern und Wissenschaftlern der Gegenwart. Sein Werk erscheint bei Hanser, zuletzt u.a. der Roman Nullnummer (2015), Pape Satàn (Chroniken einer flüssigen Gesellschaft oder Die Kunst, die Welt zu verstehen, 2017), Auf den Schultern von Riesen. Das Schöne, die Lüge und das Geheimnis (2019), Der ewige Faschismus (2020) und Der Name der Rose (Jubiläumsausgabe, 2022).
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Verfügbare Formate
BuchGebunden (Leinen)
EUR25,90
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR18,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR17,99

Produkt

KlappentextDrei Mailänder Verlagslektoren geraten zufällig an eine Geheimbotschaft des legendenumwitterten Templerordens. Sie machen sich an die Entzifferung, bauen aus zahllosen Elementen ein gigantisches Puzzle, erfinden selbst einen Plan, der zu nichts Geringerem führen soll als zur Beherrschung der Welt. Nicht nur die Templer - so scheint es - haben sich mit dem Plan beschäftigt, sondern sämtliche Geheimgesellschaften der Welt, von den Rosenkreuzern bis hin zu den Freimaurern. Die Weltgeschichte wird von den drei Zauberlehrlingen umgeschrieben. Doch dann wird aus dem intellektuellen Spiel blutiger Ernst: Menschen, die mit dem Plan zu tun haben, verschwinden oder werden ermordet, der Plan verselbständigt sich, wird unheimliche Realität ...

Umberto Eco wurde am 5. Januar 1932 in Alessandria (Piemont) geboren und starb am 19. Februar 2016 in Mailand. Er zählte zu den bedeutendsten Schriftstellern und Wissenschaftlern der Gegenwart. Sein Werk erscheint bei Hanser, zuletzt u.a. der Roman Nullnummer (2015), Pape Satàn (Chroniken einer flüssigen Gesellschaft oder Die Kunst, die Welt zu verstehen, 2017), Auf den Schultern von Riesen. Das Schöne, die Lüge und das Geheimnis (2019), Der ewige Faschismus (2020) und Der Name der Rose (Jubiläumsausgabe, 2022).
Details
Weitere ISBN/GTIN9783446239104
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2011
Erscheinungsdatum08.10.2011
Auflage1. Auflage
Seiten768 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2647 Kbytes
Artikel-Nr.1034254
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


 

1

 

 

Da endlich sah ich das Pendel.

Die Kugel, frei schwebend am Ende eines langen metallischen Fadens, der hoch in der Wölbung des Chores befestigt war, beschrieb ihre weiten konstanten Schwingungen mit majestätischer Isochronie.

Ich wusste - doch jeder hätte es spüren müssen im Zauber dieses ruhigen Atems -, dass die Periode geregelt wurde durch das Verhältnis der Quadratwurzel aus der Länge des Fadens zu jener Zahl Ï, die, irrational für die irdischen Geister, in göttlicher Ratio unweigerlich den Umfang mit dem Durchmesser eines jeden möglichen Kreises verbindet, dergestalt, dass die Zeit dieses Schweifens einer Kugel von einem Pol zum andern das Ergebnis einer geheimen Verschwörung der zeitlosesten aller Maße war - der Einheit des Aufhängepunktes, der Zweiheit einer abstrakten Dimension, der Dreizahl von Ï, des geheimen Vierecks der Wurzel und der Perfektion des Kreises.

Auch wusste ich, dass in der Falllinie des Aufhängepunktes, unter dem Boden, eine Magnetvorrichtung, die ihre Anziehungskraft auf einen verborgenen Zylinder im Innern der Kugel übertrug, das Gleichmaß der Bewegung garantierte, ein Mechanismus zur Überwindung des Widerstands der Materie, der aber nicht dem Gesetz des Pendels entgegentrat, sondern ihm vielmehr erlaubte, sich zu manifestieren - denn im Vakuum würde jedes Gewicht am Ende eines unelastischen und gewichtlosen Fadens, der keinem Luftwiderstand und keinerlei Reibung mit seinem Angelpunkt ausgesetzt wäre, gleichmäßig in alle Ewigkeit pendeln.

 

Die kupferne Kugel emanierte schwach schimmernde Reflexe im Schein der letzten Sonnenstrahlen, die durch die Kirchenfenster eindrangen. Hätte sie, wie einst, mit ihrer Spitze eine Schicht feuchten Sandes auf dem Boden des Chores gestreift, so hätte sie bei jeder Schwingung eine dünne Furche in den Boden gegraben, und die Furche hätte, jedes Mal um ein winziges Stück ihre Richtung ändernd, sich immer mehr in Form einer Bresche, eines Tales erweitert, um eine strahlenförmige Symmetrie erraten zu lassen - wie das Skelett eines Mandala, die unsichtbare Struktur eines Drudenfußes, ein Stern, eine mystische Rose. Nein, eher wie ein Spurengewirr, verzeichnet im Sand einer weiten Wüste, von unzähligen umherirrenden Karawanen. Eine Geschichte langsamer, tausendjähriger Wanderungen - so mochten die Atlantiden des Kontinents Mu sich bewegt haben, in beharrlichen und besitzergreifenden Streifzügen, von Tasmanien nach Grönland, vom Steinbock zum Krebs, von der Prince-Edward-Insel bis nach Spitzbergen. Die Spitze der Kugel wiederholte, erzählte von neuem in einer sehr knappen Kurzfassung, was sie getan hatten von der einen zur andern Eiszeit, und was sie vielleicht noch immer taten, nun als Kuriere der Herren - ja, vielleicht berührte sie gar auf dem Wege zwischen Samoa und Nowaja Semlja, in ihrer Gleichgewichtsposition, das Land Agarttha, die Mitte der Welt. Und ich fühlte: ein einziger Plan verband das hyperboreische Avalon mit der australischen Wüste, die das Rätsel von Ayers Rock birgt.

 

In diesem Augenblick, um vier Uhr nachmittags am 23. Juni, dämpfte das Pendel seine Geschwindigkeit am äußersten Ende des Schwingungsbogens, bis es zum Stillstand kam, um gleichmütig wieder ins Zentrum zurückzufallen, zur Mitte der Bahn an Geschwindigkeit zu gewinnen und zuversichtlich in das okkulte Quadrat der Kräfte zu säbeln, das sein Schicksal bestimmte.

 

Wäre ich länger geblieben, resistent gegen das Verstreichen der Stunden, um jenen Vogelkopf zu fixieren, jene Lanzenspitze, jenen umgekehrten Helmschmuck, während er seine Diagonalen ins Leere zeichnete, hin- und herschwingend zwischen den jeweils entgegengesetzten Punkten seiner astigmatischen Kreislinie, so wäre ich einer bestrickenden Sinnestäuschung erlegen, denn das Pendel hätte mich glauben gemacht, seine Schwingungsebene habe eine komplette Rotation vollzogen, um nach zweiunddreißig Stunden an ihren Ausgangspunkt zurückzukehren, eine abgeflachte Ellipse beschreibend, die um ihren Drehpunkt mit einer gleichförmigen Winkelgeschwindigkeit proportional zum Sinus des Breitengrades rotierte. Wie hätte sie wohl rotiert, wenn das Pendel am Schlussstein der Kuppel des Salomonischen Tempels aufgehängt worden wäre? Vielleicht hatten es die Ritter auch dort versucht. Vielleicht hätte sich die Berechnung, die letzte Bedeutung nicht geändert. Vielleicht war die Abteikirche von Saint-Martin-des-Champs der wahre Tempel. Perfekt wäre das Experiment ohnehin nur am Pol gewesen, dem einzigen Ort, an dem der Aufhängepunkt in der ideellen Verlängerung der Erdrotationsachse läge und das Pendel seinen scheinbaren Zyklus in vierundzwanzig Stunden zurücklegen würde.

Doch es war nicht diese Abweichung vom Gesetz, die das Gesetz im übrigen vorsah, es war nicht diese Verletzung eines goldenen Maßes, die das Wunder weniger wunderbar machte. Ich wusste, dass die Erde rotierte, und ich mit ihr und Saint-Martin-des-Champs und ganz Paris mit mir; wir alle rotierten gemeinsam unter dem Pendel, das in Wirklichkeit nie seine Schwingungsebene änderte, denn dort oben, von wo es herabhing, und längs der ideellen Verlängerung des Fadens, endlos hinauf bis zu den fernsten Galaxien, dort oben stand, reglos in alle Ewigkeit, der Feste Punkt.

Die Erde rotierte, doch der Ort, wo das Pendel verankert war, war der einzige Fixpunkt im Universum.

 

Daher war mein Blick nicht so sehr auf die Erde gerichtet als vielmehr dort oben hinauf, wo sich das Mysterium der absoluten Unbeweglichkeit vollzog. Das Pendel sagte mir, dass - während alles bewegt war, die Erde, das Sonnensystem, die Sternennebel, die schwarzen Löcher und alle Kinder der großen kosmischen Emanation, von den ersten Äonen bis zur zähflüssigsten Materie - dass dort oben ein einziger Punkt in Ruhe verharrte, als Zapfen, Bolzen, ideeller Aufhänger, um den sich das ganze Weltall drehte. Und ich hatte teil an dieser höchsten Erfahrung, ich, der sich zwar mit allem und mit dem All bewegte, aber Ihn sehen konnte, Ihn, den Nicht-Bewegten, den Felsen, die Garantie, den leuchtenden Dunst, der kein Körper ist, keine Form, Gestalt, Schwere, Quantität oder Qualität hat, der nicht sieht, nicht hört, nicht gefühlt werden kann, sich an keinem Ort befindet, in keiner Zeit und in keinem Raum, der nicht Seele ist, nicht Intelligenz, Phantasie, Meinung, Zahl, Ordnung, Maß, Substanz oder Ewigkeit, der weder Dunkel noch Licht ist, der nicht Irrtum ist und nicht Wahrheit.

 

Ein Dialog schreckte mich auf, ein sachliches und teilnahmsloses Gespräch zwischen einem Jüngling mit Brille und einem Mädchen, das leider keine trug.

»Das Foucaultsche Pendel«, sagte er. »Erstes Experiment im Labor 1851, dann im Observatoire und dann unter der Kuppel des Panthéon, mit einem siebenundsechzig Meter langen Faden und einer Kugel von achtundzwanzig Kilo. Schließlich in kleinerem Maßstab 1855 hier aufgebaut, und seitdem hängt es nun da aus dem Loch im vorderen Teil des Kreuzgewölbes.«

»Und was macht es da? Pendelt bloß so?«

»Es demonstriert die Rotation der Erde. Weil der Aufhängepunkt, der bleibt stehen ... «

»Und wieso bleibt er stehen?«

»Weil ein Punkt ... wie soll ich sagen ... in seinem Mittelpunkt ... also pass auf, jeder Punkt, der genau in der Mitte der Punkte ist, die du siehst, ich meine, diesen zentralen Punkt - den geometrischen Punkt -, den kannst du nicht sehen, er hat keine Dimensionen, und was keine Dimensionen hat, kann weder rechtsrum noch linksrum gehen, weder rauf noch runter. Deswegen rotiert er nicht. Verstehst du? Wenn der Punkt keine Dimensionen hat, kann er sich auch nicht um sich selbst drehen. Er hat nicht mal ein Selbst ... «

»Auch nicht, wenn die Erde sich dreht?«

»Die Erde dreht sich, aber der Punkt dreht sich nicht. Ob's dir passt oder nicht, so ist das nun mal. Okay?«

»Seine Sache.«

 

Erbärmlich. Da hatte sie nun über sich den einzigen festen Punkt im Kosmos, den einzigen rettenden Anker in der Verdammnis des panta rhei, und meinte, es wäre Seine Sache, nicht ihre! Tatsächlich ging das Pärchen gleich darauf weiter - er belehrt von einem Schulwissen, das ihm die Fähigkeit zum Staunen vernebelt hatte, sie träge, unerreichbar für den Schauder des Unendlichen, beide unberührt von der Schreckenserfahrung dieser ihrer Begegnung - der ersten und letzten - mit dem Einen, dem En-Sof, dem Unsagbaren. Wie war es möglich, nicht auf die Knie zu fallen vor dem Altar der Gewissheit?

 

Ich schaute ehrfürchtig und beklommen. In diesem Moment war ich überzeugt, dass Jacopo Belbo recht gehabt hatte. Als er mir von dem Pendel erzählte, hatte ich seine Erregung einer ästhetischen Schwärmerei zugeschrieben, jenem Krebsgeschwür, das langsam, unförmig, in seiner Seele Gestalt anzunehmen begann, indem es Schritt für Schritt, ohne dass er es merkte, sein Spiel in Realität verwandelte. Doch wenn er mit dem Pendel recht gehabt hatte, dann war ja vielleicht auch alles andere wahr, der Große Plan, das Universale Komplott, und es war richtig gewesen, dass ich hergekommen war, am Abend vor der Sommersonnwende. Jacopo Belbo war nicht verrückt, er hatte einfach beim Spielen, durch das Spiel, die Wahrheit entdeckt.

Und die Erfahrung des Numinosen hält man nicht lange aus, ohne den Verstand zu verlieren.

Ich versuchte den Blick vom Pendel zu lösen, indem ich der Kurve folgte, die von den Kapitellen der im Halbkreis angeordneten Säulen längs der Gewölberippen zum Schlussstein verlief, womit sie das Wunder des Spitzbogens wiederholte, der sich auf einer Abwesenheit errichtet, höchste statische Hypokrisie, und der die Säulen glauben macht, sie stemmten die...

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Autor

Umberto Eco wurde am 5. Januar 1932 in Alessandria (Piemont) geboren und starb am 19. Februar 2016 in Mailand. Er zählte zu den bedeutendsten Schriftstellern und Wissenschaftlern der Gegenwart. Sein Werk erscheint bei Hanser, zuletzt u.a. der Roman Nullnummer (2015), Pape Satàn (Chroniken einer flüssigen Gesellschaft oder Die Kunst, die Welt zu verstehen, 2017), Auf den Schultern von Riesen. Das Schöne, die Lüge und das Geheimnis (2019), Der ewige Faschismus (2020) und Der Name der Rose (Jubiläumsausgabe, 2022).