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Die Schwebebahn

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
169 Seiten
Deutsch
Insel Verlag GmbHerschienen am16.04.20121. Auflage
Nach dem grandiosen Erfolg seines Bestsellers »Der Turm« führt Uwe Tellkamp uns erneut in seine Heimatstadt Dresden. Auf den Stationen dieser Reise wartet eine Fülle von Geschichten, die sich zu einer einzigartigen Erzählung der Stadt zusammenfügen: Wir begegnen der Klavierlehrerin Adolzaide und dem Vorsitzenden der Quittengesellschaft, hören Gesprächen über die Frauenkirche, Dresdner Maler und Architektur zu. Wir lernen Q. kennen, die in der Bunten Republik Neustadt lebt, Brombeeren und die Zahl 19 liebt. Dresden ist ein Stück Italien, und eine Laufmaschenreparatur ist in Wahrheit eine Filiale des Amts zur Wiederherstellung der Schönheit ... Die Schwebebahn wird zum Bild des Lebens in seiner sinnlichen Vielfalt, poetisch und humorbegabt. Mit den »Aufzeichnungen eines Rüsselkäfers«.

Uwe Tellkamp, geboren 1968 in Dresden, Romancier, Erzähler und Essayist, legte 2008 nach Erscheinen seines zweiten Romans, Der Eisvogel (2005), mit dem Roman Der Turm sein bislang umfangreichstes Prosawerk vor, in dem er die Vorwende- und Wende-Zeit der DDR zum Thema macht. Mit einem Ausschnitt aus dem Roman Der Schlaf in den Uhren gewann er 2004 den Ingeborg-Bachmann-Preis. Neben anderen Auszeichnungen wurde ihm 2008 der Uwe-Johnson-Preis, im selben Jahr der Deutsche Buchpreis und 2009 der Deutsche Nationalpreis zuerkannt. Eine Verfilmung des Turms erfolgte 2012.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR19,90
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR15,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR14,99

Produkt

KlappentextNach dem grandiosen Erfolg seines Bestsellers »Der Turm« führt Uwe Tellkamp uns erneut in seine Heimatstadt Dresden. Auf den Stationen dieser Reise wartet eine Fülle von Geschichten, die sich zu einer einzigartigen Erzählung der Stadt zusammenfügen: Wir begegnen der Klavierlehrerin Adolzaide und dem Vorsitzenden der Quittengesellschaft, hören Gesprächen über die Frauenkirche, Dresdner Maler und Architektur zu. Wir lernen Q. kennen, die in der Bunten Republik Neustadt lebt, Brombeeren und die Zahl 19 liebt. Dresden ist ein Stück Italien, und eine Laufmaschenreparatur ist in Wahrheit eine Filiale des Amts zur Wiederherstellung der Schönheit ... Die Schwebebahn wird zum Bild des Lebens in seiner sinnlichen Vielfalt, poetisch und humorbegabt. Mit den »Aufzeichnungen eines Rüsselkäfers«.

Uwe Tellkamp, geboren 1968 in Dresden, Romancier, Erzähler und Essayist, legte 2008 nach Erscheinen seines zweiten Romans, Der Eisvogel (2005), mit dem Roman Der Turm sein bislang umfangreichstes Prosawerk vor, in dem er die Vorwende- und Wende-Zeit der DDR zum Thema macht. Mit einem Ausschnitt aus dem Roman Der Schlaf in den Uhren gewann er 2004 den Ingeborg-Bachmann-Preis. Neben anderen Auszeichnungen wurde ihm 2008 der Uwe-Johnson-Preis, im selben Jahr der Deutsche Buchpreis und 2009 der Deutsche Nationalpreis zuerkannt. Eine Verfilmung des Turms erfolgte 2012.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783458774204
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2012
Erscheinungsdatum16.04.2012
Auflage1. Auflage
Seiten169 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.1099067
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Inhaltsverzeichnis
1;Cover;1
2;Informationen zum Buch/Inhalt;2
3;Impressum;6
4;Die Schwebebahn. Dresdner Erkundungen;7
4.1;1;9
4.2;2;14
4.3;3;20
4.4;4;23
4.5;5;28
4.6;6;29
4.7;7;31
4.8;8;35
4.9;9;37
4.10;10;44
4.11;11;48
4.12;12;58
4.13;13;62
4.14;14;66
4.15;15;67
4.16;16;68
4.17;17;70
4.18;18;74
4.19;19;81
4.20;20;82
4.21;21;95
4.22;22;104
4.23;23;110
4.24;24;120
4.25;25;122
4.26;26;138
4.27;27;142
4.28;28;147
4.29;29;148
4.30;30;154
4.31;31;159
4.32;32;164
4.33;33;166
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Leseprobe

Chopinstraße: Ich weiß nicht, weshalb dieser Name an das Seitentürchen klopft, das abseits von der Hauptbahn der Eindrücke und Erfahrungen, die durch das Orbit des Auges zieht, seinen von Einsprüchen vermauerten Platz behauptet; liegt es am Buchstaben C, mit dem der Name dieser Straße am Weißen Adler beginnt (ein Mittelmeer-Buchstabe, seine Farbe hat den Elfenbeinton einer mit Können genährten, nie von den Grausamkeiten dilettierender Finger beleidigten Bechsteinflügel-Tastatur), oder liegt es nicht doch daran, daß in der Chopinstraße meine erste Liebe wohnte. Obwohl ich die Schwarmgeister zur Besinnung mahne und im Flachflug über der Realität zu halten versuche, indem ich mich an das Kinderheim in der Chopinstraße erinnere, bricht der Schock, wenn sie, die ich Quichotte nannte, inmitten ihrer Freundinnen den Schulhof betrat und sich ringsum, als wären sie Magnetwesen mit dem abstoßenden Pol hin zu ihren Mitlebenden, sofort Platz bildete, eine Zone des Verstummens im Schülergequassel, eine Aura der Unerreichbarkeit, bricht dieser Moment, der immense und abrupte Bann, den die Frauen (sie waren keine »Mädchen«) erzeugten, mit der Kraft einer Staudammsprengung wieder auf, jenes Bersten einer bis dahin unbekannt gebliebenen Verkrustung, die nur der Schulsport oder eine der üblichen Mutproben ahnungsweise bedrängt hatte; und plötzlich verlor man die Fassung, hatte mit der sprudelnden Freiheit umzugehen, in der man erst nach einigen betäubten Sekunden ebenso panisch wie nutzlos um irgendeinen Halt kämpfte, während die Phalanx aus schimmernder Weiblichkeit, darin »sie« mit unbeteiligtem Blick, in sogenannten Essengeldturnschuhen (sie kosteten den Betrag einer Schulspeisung) und Jeans aus dem Westen, hinter sich eine Schleppe von wiederaufzweigenden Gesprächen, lässig und nicht einmal für einen schnippischen roten Heller schuldbewußt, wie mir schien, in die 59. Polytechnische Oberschule einzogen.

Straßen. Gehe ich den Rißweg, die so einladende konkave Krümmung seines Rückens, hinab, nehme ich wie vor den Jahrzehnten des Wagnisses, das Erwachsensein heißt, die fluiden Bilder aus dem Eckhaus Rißweg / Steglichstraße mit, dessen Bug rund geschwungen ist wie das Maul eines Welses und in dem vor der Dekorationswerkstatt Leuter mit ihrem anziehungskräftig in silbergrau-wetterfesten Stoff gekleideten VW Käfer ein Orthopädieschuhmachermeister residierte (ich erinnere mich genau an diesen Begriff, weil ich seine 28 Buchstaben auf dem Schaufenster immer wieder zählte): Schusterleim, Brodem aus den nassen Mänteln der Schlangestehenden, der gummibeschlagene Holztresen, an dem die Meistersgattin die Papierabschnitte für die Abholung ausfüllte und das Pendant auf die Schuhsohlen klebte, eine brüsk rangierte Klapplade, hinter der die Treter von uns Kindern, die Halbschuhe der Väter, die »Salamander« der Honoratioren, die schiefgelaufenen Pumps der unentwegt nach Einkäufen hastenden Mütter des Viertels einträchtig, wie sonst nicht im Leben, auf den Regalen einer wissenden, an Kostüm- und Beinhäusern interessierten Macht beieinanderstanden. Auf der Oskar-Pletsch-Straße, die mit der brauchbaren, elefantischen Biegung einer Schwimmbadrutsche abfällt, habe ich den Eindruck, daß sich zwei Reiche an ihrer nachlässig bewachten Grenze treffen: das eine wird vom Lächeln des Mädchens mit dem Perlenohrring bewohnt, das Vermeer gemalt hat, vom Schmelz ihrer halbgeöffneten Lippen und der feenhaften Musik, die das Perlenweiß und Blau mit dem Zitronengelb eines Turbans befacht; das andere säumen rostige, von den dunklen Lungen der Blutbuchen abgeatmete Boten  vor dem »Fuchsbau« an der Berglehne, gegenüber im Garten an der Sonnenleite, Hietzigstraße 4 und 1, am Eingang der Collenbuschstraße 2 und, als Bronzeriesen, im Park der Schillerstraße 12 stehen diese wie aus der Romanik auf glimmenden Zeitachsen herbeigebannten Bäume. Während ich über die Collenbuschstraße mit ihrer von den Sonnabendpantoffeln neugieriger Kulturbürger geschmirgelten, fedrigen Heimatkunde gehe, sehe ich, die Perspektive begütert von der aus Vatikan-Sommersitzen abgesplitterten Villa Thorwald, bereits die Schevenstraße vor mir, die auf mich auch heute, wenn Schlaglöcher unverblümter und Fassadenrisse anrührender werden, wie eine über die Elbe bugsierte Kanzel wirkt, von der, mit bestem Blick und lässig in die Hosentaschen gesteckten Händen, der Adel der Stadt unverändert wie vor 89 auf sein Werk und seinen Besitz blickt.

eine leere Wohnung, Umzugskisten (damals noch aus Holz), Möbel unter Tüchern, kerzenweiß, skulpturhaft; Tapeten schälen sich in Placken ab, riechen nach feuchtem Gips. An den Fenstern ranken Eishecken. Draußen, in den Loschwitzer Gärten, zögern die Bäume wie Korallen. Ein Klavier spielt irgendwo ein erkältetes Nocturne. Ich konnte atmen, ich begann zu schwimmen mit erkundungsmunteren Lebensschlägen, einem noch ungläubigen Körper in einem Aquarium ankerlichtender Dinge. Immerhin war 1978 der erste deutsche Kosmonaut (Astronaut sagte niemand im Osten) ins Weltall gestartet, Sigmund Jähn aus Morgenröthe-Rautenkranz; er hatte der fähnchenschwingenden Menge entlang der Ernst-Thälmann-Straße zugewinkt. Mein stilles Atlantis ich wurde Luftgänger, sah die Wanderschaft des Eises, die Haut aus Täuschungen, die im Frost aufplatzte. Ich schwebe. In den Zimmern des Winters 78 / 79 wölkt Rauch vor den Mündern, die Behausungen gleichen den Tuberkulosekavernen auf den Durchleuchtungsschirmen in den Wagen mit der Aufschrift »Volksröntgen«, Dresden ist ausgehöhlt, der Fluß lagert Schicht um Schicht seines Totenwachses um die Stuben. Ein Witz riet: Fotonegative zum Entwickeln einfach in die Elbe tauchen, da ist genug Chemie drin! Fische trieben bauchoben, wenn das Arzneimittelwerk oder die Zellstoffabrik Heidenau Abwässer »einleitete«. An der Schneekugel, deren gläsernes Gewölbe nachklang, wenn ein Diskus im Heinz-Steyer-Stadion übers Ziel flog, rüttelten die Winde, im Gestöber blieben Straßenbahnen liegen und mußten mit Pflügen freigebrochen werden. Die roten Sterne auf den Betrieben leuchteten, wenn der Plan erfüllt war. Das Wachtangow-Theater spielte, die Donkosaken stimmten »Wetschernij swon« an; die Apfelsinenschlangen vor den Geschäften des Kombinats OGS (Obst, Gemüse, Speisekartoffeln) wuchsen noch immer und wie je. Im Fernsehen lief »Gewußt wie spart Energie«. Das Radio war ein lauschendes Tier. Driftete es durch dunkelblaue Zonen, ein submariner Offizier des Ohrs? Ein Bathyscaph, der »Fidelio« hieß, Tasten besaß, die »Hörspiel«, »Orchester«, »Jazz« versprachen; das Signal des Kremls flackerte über die schlafende Stadt, Aufforderung zum Wachstum der Rosen. Grün phosphoreszierten die Skalen der Rundfunkstationen, Hilversum, die geheimnisvolle Abkürzung Sottens., Ziele unserer Traumreisen durch das Eis, die Nacht. Die Lampen der Kronleuchter brannten, beleuchteten das Unwichtige, damit das Wichtige im Schatten und der notwendigen Ruhe blieb.
3

14. März 2010, ein Tag mit bedecktem, weichem Licht, wie es in geerbten Löffeln vorkommt; es gibt Tagesauskunft, zugleich verbirgt es etwas, wovon ich nichts weiß. Wenige Menschen sind auf den Straßen. Das Viertel schläft, den beklommenen, gliedermüden Schlaf verregneter Sonntagnachmittage. Hin und wieder meldet eine Elster ihr Mißvergnügen, am Ende der Stechgrundstraße zerstreuen sich Waldläufer. Die Sächsische Wach- und Schließgesellschaft begeht das Areal des ehemaligen Sanatoriums; auf der Grundstücksstraße, die von Baumkronen überwölbt ist und sich im Gestrüpp verliert, steht ein Wohnwagen, ein blauer Schneeschieber davor, ein Besen, eine gelbe Plastente. Dahinter ein massiges Gebäude mit augenhaft geschwungenem Fenster, das frühere Herrenbad, geduckt von einem Ziegelturm (das Wasserreservoir), kyrillische Buchstaben auf den Putzresten: Krasnodar, Sotschi, 88-90; die unsichtbaren, ungehörten Geschichten, die einen Treibköder hinterlassen haben: Vorübergehender, sieh! Zaungast, lausche! Und ich bewege mich nicht; es ist die Stadt, die leise bebt und sich davonzustehlen versucht, die plötzlich Umrisse bekommt und Fäden kappt, die von ihrem Körper in einen anderen Körper liefen Verletzungs-Rand, angefrischt vom Schnittwerkzeug der Erinnerung, das unsere Welt erst sichtbar (und zu einer Insel) macht. Die Zweite Sonne scheint, die der Landschaften, in denen wir unsere Doppelgänger sehen, die das vergessene Taschenmesser am Beckenrand des Bachmannbades in Bühlau beleuchtet, wo heute Eichelhäher fliegen und ein Waldseilpark auf Kinder wartet. Zweite Sonne, die den Alberthafen mit den Geräuschen der Kohlenträger füllt, jener Männer mit schwarzweißen, glänzenden Oberkörpern, die die hitzeknisternden Rupfensäcke von den Prähmen wuchten und mit einer Schulterdrehung auf die unter den Zentnern schwankenden Framo-Lastwagen loswerden; Zweite Sonne, die mir den Weg dieser Kohlensäcke (Auspuffgekrächz und Motorenasthma den Mordgrund hinan) ins Lazarett zeigt, wo die Kalte Klawdia den Fahrern das Tor ins Innere von Dresden öffnet. Auf Meinholds Landkarten, aus dem Antiquariat P. Dienemann Nachf. oder Adler in Blasewitz gefischt, gab es unvermessene Zonen, in die wir die Sonden unserer Neugier bohrten, dankbar für jeden Hinweis, der geeignet war, eine Kapillare Wissen in das Weiß hineinzutreiben, um seine Kompaktheit aufzubrechen, es in begehbarere Stücke zu zerlegen, der Härte seiner Fremd- einige Grade Vertrautheit abzuschmeicheln.

Evana Mieder: Die Teufelsbrüderbande war den »Mosaik«-Heften von Hannes Hegen entstiegen, deren Weltraumserie noch in so manchen Gemälden der Leipziger Baumwollspinnerei spukt, und drückte sich, neugegründet auf dem Dachboden der Stadtteil-Kohlenhandlung über einer Versammlung schimmernder...
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Kritik
»Ein Dresden-Mosaik, dicht erzählt, aus lauter oft ulkigen, kuriosen Nebensächlichkeiten zusammengesetzt, ein sprachliches Meisterwerk.«mehr

Autor

Uwe Tellkamp, geboren 1968 in Dresden, Romancier, Erzähler und Essayist, legte 2008 nach Erscheinen seines zweiten Romans, Der Eisvogel (2005), mit dem Roman Der Turm sein bislang umfangreichstes Prosawerk vor, in dem er die Vorwende- und Wende-Zeit der DDR zum Thema macht. Mit einem Ausschnitt aus dem Roman Der Schlaf in den Uhren gewann er 2004 den Ingeborg-Bachmann-Preis. Neben anderen Auszeichnungen wurde ihm 2008 der Uwe-Johnson-Preis, im selben Jahr der Deutsche Buchpreis und 2009 der Deutsche Nationalpreis zuerkannt. Eine Verfilmung des Turms erfolgte 2012.