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Ein sturer Hund

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
Deutsch
Piper Verlag GmbHerschienen am13.08.2012Auflage
Wer ist die Mörderin, die ihre Opfer porträtiert und anschließend mit ritueller Präzision köpft? Und was hat sie mit dem Wiener Privatdetektiv Cheng zu tun? Denn als er sich selbst porträtiert findet, startet sein Wettlauf gegen die Zeit, und er muss feststellen, dass nicht nur sein Mischlingsrüde Lauscher ein sturer Hund ist ... Der zweite Roman um den einzelgängerischen, sympathischen Detektiv Cheng. Ausgezeichnet mit dem 3. Preis des Deutschen Krimi Preises 2004.

Heinrich Steinfest wurde 1961 geboren. Albury, Wien, Stuttgart - das sind die Lebensstationen des erklärten Nesthockers und preisgekrönten Autors, welcher den einarmigen Detektiv Cheng erfand. Er wurde mehrfach mit dem Deutschen Krimipreis ausgezeichnet, erhielt 2009 den Stuttgarter Krimipreis und den Heimito-von-Doderer-Literaturpreis. Bereits zweimal wurde Heinrich Steinfest für den Deutschen Buchpreis nominiert: 2006 mit »Ein dickes Fell«; 2014 stand er mit »Der Allesforscher« auf der Shortlist. 2016 erhielt er den Bayerischen Buchpreis für »Das Leben und Sterben der Flugzeuge«, 2018 wurde »Die Büglerin« für den Österreichischen Buchpreis nominiert.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR12,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextWer ist die Mörderin, die ihre Opfer porträtiert und anschließend mit ritueller Präzision köpft? Und was hat sie mit dem Wiener Privatdetektiv Cheng zu tun? Denn als er sich selbst porträtiert findet, startet sein Wettlauf gegen die Zeit, und er muss feststellen, dass nicht nur sein Mischlingsrüde Lauscher ein sturer Hund ist ... Der zweite Roman um den einzelgängerischen, sympathischen Detektiv Cheng. Ausgezeichnet mit dem 3. Preis des Deutschen Krimi Preises 2004.

Heinrich Steinfest wurde 1961 geboren. Albury, Wien, Stuttgart - das sind die Lebensstationen des erklärten Nesthockers und preisgekrönten Autors, welcher den einarmigen Detektiv Cheng erfand. Er wurde mehrfach mit dem Deutschen Krimipreis ausgezeichnet, erhielt 2009 den Stuttgarter Krimipreis und den Heimito-von-Doderer-Literaturpreis. Bereits zweimal wurde Heinrich Steinfest für den Deutschen Buchpreis nominiert: 2006 mit »Ein dickes Fell«; 2014 stand er mit »Der Allesforscher« auf der Shortlist. 2016 erhielt er den Bayerischen Buchpreis für »Das Leben und Sterben der Flugzeuge«, 2018 wurde »Die Büglerin« für den Österreichischen Buchpreis nominiert.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783492958097
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2012
Erscheinungsdatum13.08.2012
AuflageAuflage
Reihen-Nr.02
SpracheDeutsch
Dateigrösse1744 Kbytes
Artikel-Nr.1197157
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Bruchlandung und andere Niederlagen

Dieser Platz war sein Platz.
Natürlich konnte man das so nicht sagen. Zumindest nicht laut. Immerhin befand sich Moritz Mortensen in einer öffentlichen Bücherei, also an einem ausgesprochen demokratischen Ort, an dem eine Sitzplatzreservierung unmöglich war. Was nichts daran änderte, daß gewisse Stammgäste ganz bestimmte Plätze bevorzugten. Weshalb auch die meisten dieser Leser, war ihr durch Jahre und Jahrzehnte territorialisierter Platz einmal besetzt, sich mit einem bösen Blick und einer im Vorbeigehen hingemurmelten Bemerkung begnügten. Nur einige wenige drehten durch, wurden ausfällig oder gar gewalttätig. Bedauernswerte Figuren, für die mit dem Verlust ihres gewohnten Platzes praktisch ein Verlust an Identität und Sicherheit einherging, ja, die in einem solchen Moment meinten, die ganze Welt sei ihnen abhanden gekommen. Kein Wunder also, wenn sie zu toben begannen oder damit drohten, jemandem die Zähne auszuschlagen.

Mortensen gehörte nicht zu jenen nervenschwachen Personen, welche Fäuste oder scharfe Worte bereithielten. Dennoch war seine Wut beträchtlich, als er jetzt in der Ferne erkannte, daß an dem kleinen Tisch am Ende der gläsernen Brüstung jemand saß.

Nach Mortensens Einschätzung war es der entlegenste Ort dieser Bibliothek: geographisch wie thematisch. Einerseits lag er im äußersten Winkel des obersten Stockwerks, andererseits handelte es sich bei den dort untergebrachten Büchern um Schriften zum Leben und Werk der Dichter dieser Welt. Mortensen war dankbar für eine solche Umgebung. Er schätzte das Spröde und Kühle, welches von der Sekundärliteratur ausging.

Seinen Stammplatz empfand Mortensen auch deshalb so ideal, weil er zwar abgeschieden lag, jedoch gleichzeitig die Möglichkeit bot, über die Brüstung auf das darunterliegende Stockwerk zu sehen. Denn Mortensen zählte zu den Menschen, die süchtig danach waren, das Leben und die darin eingesponnenen Personen zu beobachten. Er selbst fühlte sich dabei ausschließlich als Chronist, als leibhaftig gewordener Feldstecher. Und der Tisch in dieser Bücherei war nun mal einer seiner bevorzugten Aussichtsplätze.

Während sich Mortensen über die schmale Längsseite der Galerie bewegte, blickte er schräg hinüber zu dem Mann, der auf seinem Platz saß, vor sich zwei Bücher auf dem Tisch, während er in einem dritten las. Er mochte Mitte Zwanzig sein, wirkte schlank unter dem dunklen Anzug und dem weißen Hemd, hatte schwarzes, glattes Haar, eine schwarze Brille, war durchaus attraktiv zu nennen, ließ aber jegliche Auffälligkeit vermissen. Ein Mann zum Heiraten, wenn man so will. Gepflegt. Aber auch nicht wieder so gepflegt, daß man hätte Angst bekommen müssen. Für Mortensen jedoch war dieser Kerl einfach nur ein »Stuhldieb«.

Im Grunde hätte Mortensen sich damit begnügen können, von einem verdorbenen Nachmittag zu sprechen und an anderer Stelle nach einem freien Platz zu suchen. Oder gleich die Bibliothek zu verlassen. Das wäre - in bezug auf das, was nun kommen sollte - fraglos das beste gewesen. Hinsichtlich der Zukunft ist »Verzicht« ohnehin die einzig vernünftige Medizin.

Mortensen aber bewegte sich trotzig auf die fatale Version seiner Zukunft hin.

Als er sich auf wenige Meter besagtem Stuhldieb genähert hatte, bemerkte er den Buchdeckel des obenauf liegenden Bandes. Freudiger Schrecken ist eine milde Bezeichnung für das Gefühl, das ihn schlagartig in Erregung versetzte. Es handelte sich nicht um irgendein Buch, nicht um irgendeinen Thomas Mann oder irgendeinen Frisch oder Grisham, sondern um sein Buch. Es konnte kein Zweifel bestehen. Es besaß einen zitronengelben Einband, auf dessen Vorderseite eine aufrecht stehende, geöffnete Kokosnuß abgebildet war. Wobei die Öffnung sich aus dem Umstand ergab, daß die obere Polkappe gleich einem Frühstücksei abgetrennt worden war. Auf der Schnittkante waren Buchstaben aufgereiht, welche den Titel dieser zweihundertsechzig Seiten ergaben: Bruchlandung.

Bruchlandung war das erste von den drei Büchern, welche Mortensen bei einem kleinen Verlag publiziert hatte. Doch bei aller zitronengelben Heftigkeit war diesem Roman nicht der geringste Erfolg beschieden gewesen. So wenig wie den beiden anderen Bänden, grasgrün und weichselrot. Im Wust der Neuveröffentlichungen besaßen Mortensens Bücher den Charakter von Elementarteilchen, deren Existenz bloß von ein paar schrägen Vögeln behauptet wurde. Nicht eine einzige Rezension war erschienen. Mortensen hielt sich zunächst für einen Boykottierten, mußte aber bald einsehen, daß es noch viel schlechter um ihn bestellt war. Zumindest, wenn man unter einem Boykott eine bewußte Handlung verstand. Denn nichts wies darauf hin, daß Mortensen und sein Werk mit Absicht übersehen wurden. Wenn er bei den Kulturredaktionen anrief, um eine Stellungnahme einzufordern, spürte er geradezu das hilflose Achselzucken. Keine dieser Personen machte ihm die Freude zu erklären, nie und nimmer einen solchen Unfug wie Bruchlandung besprechen zu wollen. Nein, es war einfach so, daß absolut niemand seine Bücher je wahrgenommen hatte, niemand sich auch nur an einen einzigen Titel erinnern konnte. Oder auch nur daran, einen dieser von giftiger Farbe bestimmten Einbände in Händen gehalten zu haben.

Auch der Leiter des Kleinverlages, der die drei Bücher herausgegeben hatte, konnte sich das Fehlen jeglicher Reaktion nicht erklären. Andere Werke aus seinem Programm fanden immerhin die Aufmerksamkeit einiger Fachzeitschriften und stießen auf ein kleines, engagiertes Publikum. Mortensens Bücher jedoch gingen nicht bloß auf dem Weg in die Stuben der Kritiker verloren, sondern tauchten in so gut wie keinem Buchladen auf. Es war wie verhext. Und daß der Verleger nicht gleich nach dem Flop von Bruchlandung aufgegeben hatte, sondern auch noch Die Lust, ein Hemd zu bügeln sowie Unglück eines Lottospielers hatte drucken lassen, war einer Dickköpfigkeit zu verdanken, die dem Herausgeber selbst nicht ganz geheuer gewesen war. So, als habe er sich höchstpersönlich mit jenem Fluch anlegen wollen, welcher wie der Geruch alten Bratöls über dem Schriftsteller Moritz Mortensen zu liegen schien.

»So schlecht sind Ihre Bücher doch wirklich nicht«, hatte der Verleger nach dem unbemerkten Erscheinen der weichselroten Biographie eines Lottospielers gesagt. Eine Äußerung, die für Mortensen nicht wirklich ein Trost gewesen war und in der bereits das Ende gesteckt hatte, wie einer von diesen häßlichen Apfelflecken, die ja den meisten noch zu verspeisenden Äpfeln innewohnen. Ein viertes Buch würde es kaum geben. Nicht bei diesem Verleger, der ohnehin über Gebühr das Schicksal herausgefordert hatte. Unglück eines Lottospielers war der geeignete Abschluß dieser dreifüßigen Katastrophe gewesen.

Alles ging so überaus schnell. Anstatt seinen Schritt zu verlangsamen, trieb die Aufregung Mortensen gegen seinen Willen an. Es gelang ihm nur schwer, den lesenden Mann näher zu betrachten. Vor allem aber war er nicht in der Lage zu erkennen, in welchem Buch der Stuhldieb gerade las, da er es gegen die Kante des Tisches stützte, so daß bloß das obere Drittel des Umschlags schräg über die Tischfläche stand. Allerdings meinte Mortensen in der minimalen Spiegelung, die sich auf dem Tisch ergab, einen weichselroten Schimmer zu erkennen. Aber ganz sicher konnte er nicht sein. Zudem hielt er es für unwahrscheinlich, daß dieser Mann nicht bloß eines, sondern gleich zwei oder gar alle drei Mortensen-Bücher aus dem Regal gezogen hatte. Warum auch? Bei nur einem Buch, eben jenem zitronengelben, konnte ein Zufall angenommen werden. Schließlich gab es auch Bibliotheksbesucher, die recht planlos in die Bücherreihen griffen. Aber warum sollte jemand gleich alle drei Erscheinungen dieses einen Autors auswählen? Das wäre dann kaum noch als planlos zu bezeichnen gewesen.

Nachdem Mortensen an ihm vorbeigegangen war, bog er nach rechts ab, vollzog eine Kurve von hundertachtzig Grad und geriet hinter ein im Raum stehendes Regal. Durch den in Kopfhöhe befindlichen Spalt, der sich zwischen einem Fach und der darunter liegenden Buchreihe ergab (Ringelnatz bis Rosegger), konnte Mortensen nun den Stuhldieb beobachten, allerdings nur von schräg hinten. Mit der Seite seines Oberkörpers verdeckte der Mann das Exemplar, in dem er las. Er wirkte steif und verbissen. Und er wirkte leicht verzweifelt. Zumindest kam es Mortensen so vor, obwohl er den Gesichtsausdruck des Mannes gar nicht sehen konnte. Gut zu erkennen war hingegen auch von hier der zitronengelbe Einband von Bruchlandung. Und endlich besaß Mortensen die Ruhe, sich auf den darunterliegenden Band zu konzentrieren. Allerdings war dieser so plaziert, daß allein der Block der Seiten zu sehen war, nicht aber der Rücken. Und Mortensen somit nur etwas über die Dicke dieses Buches erfahren konnte. Eine grasgrüne Spiegelung ergab sich nicht.

Während Mortensen mit zusammengekniffenen Augen den Lesenden betrachtete, erinnerte er sich der Anstrengungen, die es gekostet hatte, bis man schließlich bereit gewesen war, seine drei Bücher in den Bestand dieser Bibliothek aufzunehmen. Denn natürlich waren die zuständigen Einkäufer nicht von selbst auf sein Werk gestoßen. Vielmehr war es notwendig gewesen, die Bibliothekare mit Telefonaten und Briefen zu traktieren. Mortensen hatte diese Leute geradezu weichgeklopft. So lange, bis sie wohl keinen anderen Ausweg mehr gesehen hatten, als die drei Bücher anzukaufen und in der Belletristik einzuquartieren. In etwa, wie man faule Früchte unter die frische Ware schmuggelt. Bloß um einen Dämon zu bannen.

Jedenfalls hatte sich endlich einmal...
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Autor

Heinrich Steinfest wurde 1961 geboren. Albury, Wien, Stuttgart - das sind die Lebensstationen des erklärten Nesthockers und preisgekrönten Autors, welcher den einarmigen Detektiv Cheng erfand. Er wurde mehrfach mit dem Deutschen Krimi Preis ausgezeichnet, erhielt 2009 den Stuttgarter Krimipreis und den Heimito-von-Doderer-Literaturpreis. Bereits zweimal wurde Heinrich Steinfest für den Deutschen Buchpreis nominiert: 2006 mit "Ein dickes Fell"; 2014 stand er mit "Der Allesforscher" auf der Shortlist. 2016 erhielt er den Bayerischen Buchpreis für "Das Leben und Sterben der Flugzeuge", 2018 wurde "Die Büglerin" für den Österreichischen Buchpreis nominiert, zuletzt erschien von ihm bei Piper "Der schlaflose Cheng".