Hugendubel.info - Die B2B Online-Buchhandlung 

Merkliste
Die Merkliste ist leer.
Bitte warten - die Druckansicht der Seite wird vorbereitet.
Der Druckdialog öffnet sich, sobald die Seite vollständig geladen wurde.
Sollte die Druckvorschau unvollständig sein, bitte schliessen und "Erneut drucken" wählen.

Die zwei Monde

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
512 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am13.08.2012
Bei Vollmond ist deine Zeit abgelaufen!
Als die siebzehnjährige Veronica Meis am Morgen nach einer Party mit dröhnenden Kopfschmerzen und Übelkeit erwacht, kann das nur eines bedeuten: Sie hat einen Kater! Doch als die Symptome auch nach ein paar Tagen noch nicht verschwunden sind, beginnt Veronica sich Sorgen zu machen. Warum ist sie plötzlich so geräusch- und geruchsempfindlich? Wieso sieht sie plötzlich die fantastischsten Gestalten auf den Straßen Mailands? Woher hat sie diese seltsame Wunde am Bein? Und was hat der ebenso geheimnisvolle wie attraktive Ivan mit alldem zu tun? Als Veronica schließlich die Wahrheit herausfindet, ist es fast schon zu spät ...

Luca Tarenzi wurde 1976 in Somma Lombardo geboren, studierte Religionsgeschichte in Mailand und war nach seinem Abschluss zunächst als Journalist und Redakteur tätig. Heute lebt und arbeitet Luca Tarenzi als freier Übersetzer und Autor in Arona.
mehr

Produkt

KlappentextBei Vollmond ist deine Zeit abgelaufen!
Als die siebzehnjährige Veronica Meis am Morgen nach einer Party mit dröhnenden Kopfschmerzen und Übelkeit erwacht, kann das nur eines bedeuten: Sie hat einen Kater! Doch als die Symptome auch nach ein paar Tagen noch nicht verschwunden sind, beginnt Veronica sich Sorgen zu machen. Warum ist sie plötzlich so geräusch- und geruchsempfindlich? Wieso sieht sie plötzlich die fantastischsten Gestalten auf den Straßen Mailands? Woher hat sie diese seltsame Wunde am Bein? Und was hat der ebenso geheimnisvolle wie attraktive Ivan mit alldem zu tun? Als Veronica schließlich die Wahrheit herausfindet, ist es fast schon zu spät ...

Luca Tarenzi wurde 1976 in Somma Lombardo geboren, studierte Religionsgeschichte in Mailand und war nach seinem Abschluss zunächst als Journalist und Redakteur tätig. Heute lebt und arbeitet Luca Tarenzi als freier Übersetzer und Autor in Arona.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641076580
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2012
Erscheinungsdatum13.08.2012
Seiten512 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1522 Kbytes
Artikel-Nr.1197381
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe



Kapitel 1

Montag 9. Februar

Vollmond

Mein Name ist Veronica Meis, und als mein düsteres Märchen seinen Anfang nahm, fehlten weniger als fünf Wochen bis zu meinem achtzehnten Geburtstag. Ich wachte morgens auf und erkannte das Geräusch, das mich geweckt hatte, noch bevor ich es wirklich hörte. Ich fühlte mich scheußlich.

Das Geräusch kam vom Vibrieren meines Fensters, verursacht von einem zu niedrig und zu nah vorbeifliegenden Flugzeug. Die ersten drei Dinge, die mir anschließend zu Bewusstsein kamen, waren ein bestialisches Hämmern in meinem Kopf, eine rumorende Übelkeit in meinem Magen und ein dumpfer Schmerz, der in meinem Knöchel pulsierte.

Ich blinzelte ins Dunkel. Wie spät mochte es sein? Durch die geschlossenen Fensterläden drang kein Lichtschimmer, es musste also die Sechs-Uhr-fünfzig-Maschine nach Budapest gewesen sein oder vielleicht auch die von halb sechs nach Frankfurt ...

Ich drehte mich auf die Seite und suchte nach dem Radiowecker. Er war nicht da.

Mit ausgestreckter Hand tastete ich blind auf meinem Nachtschrank herum und warf verschiedene Gegenstände herunter, die mit gedämpftem Aufprall auf meinem Bettvorleger landeten.

Nichts. Der Wecker war nicht an seinem Platz.

Was nur eines bedeuten konnte: Meine Mutter hatte gestern Abend meine Abwesenheit ausgenutzt, um in mein Zimmer zu gehen und »aufzuräumen«.

Gestern Abend ...

Wo bin ich nur gewesen? Die Erkenntnis, dass gestern irgendein besonderes Datum war, blitzte kurz in meinem Kopf auf, aber alles andere blieb völlig im Dunkeln. Ich war aus gewesen, das war schon allein deshalb klar, weil meine Mutter sich an meinen Sachen vergriffen hatte; dass ich getrunken hatte, sagte mir der unsichtbare Schraubstock, der mir die Schläfen zusammenpresste; dass es spät geworden war, sagte mir die entsetzliche Müdigkeit, die mich bleischwer niederdrückte.

Ich schwang die Beine aus dem Bett und stand auf. Oder besser gesagt, ich versuchte es, denn sobald ich den rechten Fuß auf den Boden setzte, durchzuckte meinen Knöchel ein stechender Schmerz, der mich fast zu Boden gehen ließ. Mir stiegen die Tränen in die Augen, und ich zog das Bein gleich wieder zurück ins Bett.

Hatte ich mir den Fuß verstaucht? Nein, das wäre eine andere Art von Schmerz gewesen ... Ich tastete vorsichtig mein Bein ab: Da war etwas Hartes und Raues, an mehreren Stellen, und es tat weh, wenn ich draufdrückte.

Trockenes Blut. Wunden.

Ich streckte mich zur anderen Bettseite und machte das Licht an. Es war wie ein Hammerschlag auf den Kopf.

Die Luft füllte sich mit grellbunten Formen, das visuelle Äquivalent eines schrecklichen Kreischkonzertes. Ich verschränkte schnell die Arme vorm Gesicht.

Ich zählte bis zehn und versuchte dann, langsam die Augen wieder zu öffnen: Die »sichtbare Lautstärke« der Welt war zu einer einigermaßen akzeptablen Intensität zurückgekehrt, und doch war da etwas verdammt falsch um mich herum.

Ich ließ den Blick in jeden Winkel meines Zimmers wandern: das Bett, in dem ich saß, die mit allen möglichen Gegenständen vollgestopften Regale, das Fenster, die Wände, die so dicht mit Manga-Postern behangen waren, dass man den weißen Putz fast nicht mehr sah.

Diese Umgebung kannte ich besser als jede andere. Ich selbst hatte sie erschaffen, im Lauf der Jahre, in dem Haus in Ravenna, in dem ich vorher gelebt hatte. Und als meine Familie vor sechs Monaten hierhergezogen war und ich dieses Zimmer bekommen hatte, das im Grunde nicht viel anders (wenn auch kleiner) war als mein altes, wollte ich es genauso einrichten, einfach um mein Heimweh leichter ertragen zu können. Trotzdem war mir nie aufgefallen, wie bunt es war.

Ach, da stand ja mein Wecker, auf der Kommode neben der Tür, eingezwängt zwischen einem Plüschwolf und einem gerahmten Foto von mir als Sechsjähriger; die perfekte Position, um die perversen Anwandlungen meiner Mutter zu befriedigen, denn sicher hatte sie mich damit zwingen wollen, aufzustehen und das ganze Zimmer zu durchqueren. Das Display zeigte 6.54 Uhr. Linienflug nach Budapest.

Wozu brauchte man überhaupt einen Radiowecker, wenn man neben einem internationalen Flughafen lebte?

Ich schaute auf meinen Knöchel hinunter, der aus meiner türkisfarbenen Schlafanzughose hervorlugte. Blutkrusten. Und zwar viele.

Mich schwindelte. Ich musste die Augen schließen und einige Sekunden lange tief durchatmen. Dann sah ich von Neuem hin: Ich habe sehr helle Haut - in etwa vergleichbar mit dem, was ein Dichter einen »milchigen Teint« nennen würde, was meine Mutter aber schlichtweg als »Leichenblässe« bezeichnete -, daher leuchteten die Höfe um jede der Wunden wie mit einem Lippenstift gemalt. Das Blut hingegen hatte die Farbe von Teer.

Vorsichtig drehte ich den Fuß zur Seite: Es handelte sich um Löcher, deutlich unterscheidbar, in zwei parallel laufenden Reihen auf beiden Seiten des Knöchels. Ich starrte ziemlich lange darauf, bevor mir bewusst wurde, was ich da vor mir hatte. Eigentlich hatte ich noch nie eine solche Wunde gesehen, aber von der Form her war es offensichtlich: ein Biss. Der Biss eines großen Hundes.

Unmöglich. Ich war von einem Hund angefallen und blutig gebissen worden, und ich konnte mich nicht daran erinnern?

Ich ging den ganzen gestrigen Tag noch mal durch. Es war ein Sonntag, deshalb hatte ich guten Gewissens bis nach zwölf geschlafen und allein zu Mittag gegessen: Meine Mutter war mit ihren Freundinnen unterwegs, mein Vater keine Ahnung wo. Dienstliche Verpflichtungen bestimmt, auch am Sonntag. Danach hatte ich eine Zeit lang was für die Schule gemacht, und später war ich ausgegangen: Ich war ins Zentrum gefahren, um ein Geschenk für Elena zu besorgen ...

Elenas Geburtstag! Das war es, da war ich gestern Abend. Schlagartig tauchten in meinem Kopf eine Reihe von bruchstückhaften Erinnerungen auf, wie ein Haufen unscharfer Fotos, die nun in einem völligen Durcheinander auf dem Tisch lagen: funkelnde Gläser, die hellen Lichter des Lokals, Elena und Angela, die lachten ...

Sonst nichts. Ich konnte mich nicht mal mehr erinnern, wie ich nach Hause gekommen war.

Offensichtlich hatte ich mir den unglaublichsten Rausch meines Lebens eingehandelt. Wenn meine Mutter das mitbekommen hätte, hätte sie mich schon mit einem Satz Ohrfeigen aus dem Bett geholt ... Aber damit würde es bald vorbei sein. Trotz meiner verfahrenen Lage entlockte mir der Gedanke ein Lächeln: Fünf Wochen noch, dann wäre ich volljährig und würde endlich all das tun und lassen können, was ich wollte, ohne irgendwelche Konsequenzen befürchten zu müssen.

Im Moment aber hatte ich dringendere Probleme. Ich versuchte klar zu denken. Erstens: Meine Mutter durfte absolut nichts merken. Abgesehen von all den Fragen, auf die ich keine Antwort hatte - Was ist denn nur passiert? Ja, wo denn? Warst du alleine? Und wie bist du wieder nach Hause gekommen? -, wäre sicherlich ihre erste Reaktion, mir ihre üblichen »alternativen« Heilmethoden aufzuschwatzen: eine Pendeldiagnose, ein Umschlag mit magnetisiertem Wasser oder vielleicht eine Heilstein-Behandlung ...

Was mich unweigerlich zum zweiten Punkt brachte: Ich musste das Bein einem Arzt zeigen. Ich zwang mich, Worte wie Tollwut und Wundstarrkrampf aus meinen Gedanken zu verbannen (ohne viel Erfolg); zu unserem Hausarzt konnte ich nicht gehen, und auch nicht zu einer Notaufnahme: In meinem Ausweis stand noch immer, dass ich erst siebzehn war, also hätten sie todsicher bei mir zu Hause angerufen.

Die Schule hatte eine Krankenstation. Ich war noch nie da gewesen, aber Irene, meine Banknachbarin, die an Anämie, niedrigem Blutdruck und ich weiß nicht was sonst noch für seltsamen Krankheiten litt, landete regelmäßig einmal die Woche dort. Wenn ich dahin gehen würde, ließe es sich dann irgendwie verhindern, dass meine Eltern davon erfuhren? Nachher in der Schule würde ich Irene gleich fragen, ob ...

Der Radiowecker explodierte in eines dieser das Trommelfell terrorisierenden Trällerliedchen, wie sie nur am frühen Morgen gespielt werden. Ich schnellte so abrupt hoch, dass ich fast aus dem Bett gefallen wäre. Offensichtlich hatte meine Mutter den Wecker auch noch lauter gestellt.

Auf einem Bein hüpfend stürzte ich mich auf ihn und sorgte für Ruhe. Das Display zeigte sieben Uhr am Montagmorgen, und seltsamerweise war die Lautstärke so eingestellt wie immer. Und doch war es mir so unglaublich laut vorgekommen ...

»Nica, bist du wach?«, kam die Stimme meiner Mutter durch die geschlossene Tür.

Sie war natürlich schon seit einer halben Stunde auf den Beinen. Jeden einzelnen Tag des Jahres stand sie um Punkt halb sieben auf und ging immer um dieselbe Uhrzeit ins Bett, getreu dem Prinzip, dass man »den energetischen Zirkadianzyklus des menschlichen Körpers dauerhaft konstant halten müsse«.

»Ja!«, antwortete ich und hüpfte zum Fenster.

Ich öffnete es und klappte die Fensterläden nach außen: Eine Woge feuchter,...


mehr