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Das Licht des Nordens

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
Deutsch
Piper Verlag GmbHerschienen am20.08.20121. Auflage
Der 12. Juli 1906 ist ein schöner, sonniger Tag. Bis man die ertrunkene Grace Brown auf die Veranda des vornehmen Glenmore Hotel legt. Für die junge Mattie, die die Briefe der Toten an ihren Geliebten aufbewahrt, ändert sich mit diesem tragischen Ereignis das ganze Leben ... Jennifer Donnelly, die sich von einem wahren Mordfall zu diesem Roman inspirieren ließ, erzählt die ergreifende Geschichte eines jungen Mädchens, das der ländlichen Enge ihrer Heimat zu entfliehen versucht - fesselnder Entwicklungsroman, Kriminalgeschichte und tragischer Liebesroman zugleich.

Jennifer Donnelly wuchs im Staat New York auf. Mit ihrer »Rosentrilogie« begeisterte sie in Deutschland unzählige Leserinnen. Auch ihre anderen Romane »Das Licht des Nordens«, »Das Blut der Lilie« und »Straße der Schatten« wurden preisgekrönt und ernteten bei Presse und Lesern großen Beifall. Jennifer Donnelly, deren Familie aus Schottland stammt, lebt mit ihrem Mann und Sohn in Brooklyn.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR11,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextDer 12. Juli 1906 ist ein schöner, sonniger Tag. Bis man die ertrunkene Grace Brown auf die Veranda des vornehmen Glenmore Hotel legt. Für die junge Mattie, die die Briefe der Toten an ihren Geliebten aufbewahrt, ändert sich mit diesem tragischen Ereignis das ganze Leben ... Jennifer Donnelly, die sich von einem wahren Mordfall zu diesem Roman inspirieren ließ, erzählt die ergreifende Geschichte eines jungen Mädchens, das der ländlichen Enge ihrer Heimat zu entfliehen versucht - fesselnder Entwicklungsroman, Kriminalgeschichte und tragischer Liebesroman zugleich.

Jennifer Donnelly wuchs im Staat New York auf. Mit ihrer »Rosentrilogie« begeisterte sie in Deutschland unzählige Leserinnen. Auch ihre anderen Romane »Das Licht des Nordens«, »Das Blut der Lilie« und »Straße der Schatten« wurden preisgekrönt und ernteten bei Presse und Lesern großen Beifall. Jennifer Donnelly, deren Familie aus Schottland stammt, lebt mit ihrem Mann und Sohn in Brooklyn.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783492960380
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2012
Erscheinungsdatum20.08.2012
Auflage1. Auflage
SpracheDeutsch
Dateigrösse1856 Kbytes
Artikel-Nr.1197934
Rubriken
Genre9201
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Inhalt/Kritik

Leseprobe



Reiz bar

Meine jüngste Schwester, Beth, ist fünf und wird sicher eines Tages am Fluß arbeiten flußaufwärts oben auf dem Damm stehen und die Männer unten lauthals warnen, daß Stämme runterkommen. Die Lunge dafür hat sie.

Es war ein Frühlingsmorgen Ende März, noch keine vier Monate her, obwohl es schon viel länger zurückzuliegen scheint. Wir waren zu spät dran für die Schule, und es gab noch einiges im Haushalt zu tun. bevor wir uns auf den Weg machten, was Beth aber nicht weiter kümmerte. Sie saß einfach da, ignorierte den Maisbrei, den ich ihr gemacht hatte, und sang aus voller Kehle wie eine der Opernsängerinnen aus Utica. die in den Hotels auftreten. Bloß daß keine Opernsängerin je »Los, Harry« zum besten gab. Jedenfalls meines Wissens nicht.

Los, Harry und Tom oder Dick oder Joe

Geht mir Wasser holen!

Sie nehmen den Eimer und trödeln herum

Und tun nicht wie befohlen.

Mitten in der Wasserschlacht ruft die Köchin

»Essen«!

Und schon geht das Gerenne los,

Aus Angst man wird vergessen.

»Beth, jetzt sei still und iß deinen Brei«, schimpfte ich und flocht ihr das Haar. Aber sie hörte nicht, denn sie sang ihr Lied nicht für mich oder jemand anderen von uns. Sie sang es für den leblosen Schaukelstuhl am Ofen und für den verbeulten Fischkorb an der Schuppentür. Sie sang es, um all die leeren Plätze in unserem Haus zu füllen, um die Stille zu vertreiben. Meistens machte mir ihre Krakeelerei am Morgen nichts aus, aber an diesem Morgen hatte ich mit Pa etwas zu besprechen, etwas sehr Wichtiges, und war furchtbar genervt. Wenigstens einmal wollte ich Ruhe haben. Ich wollte, daß alles in Ordnung war und alle sich gut benahmen, wenn Pa hereinkam, damit auch er in guter Stimmung wäre und sich wohlwollend anhörte, was ich zu sagen hatte.

Es gibt schwarzen Sirup und Hörnchen wie Stein,

Der Tee stinkt nach Socken, doch wir hauen rein.

Die Bohnen sind sauer, das Porridge eiskalt,

Es schmeckt wieder prima, ab geht's in den Wald.

Die Küchentür flog auf, und Lou mit ihren elf Jahren ging mit einem Eimer Milch am Tisch vorbei. Sie hatte vergessen, ihre Stiefel auszuziehen, und hinterließ eine Spur aus Mist auf dem Boden.

»Wir ziehen unsre Träger hoch und binden unsre Schuh!«

»Beth, bitte!« sagte ich und band ihr eine Schleife um den Zopf. »Lou, deine Stiefel! Du hast noch deine Stiefel an!«

»Und nehmen unsre Äxte «

»Was? Ich kann dich nicht verstehen, Matt«, sagte Lou. »Mann, jetzt halt doch mal die Klappe«, schrie sie und schlug Beth auf den Mund.

Beth kreischte auf, wand sich und warf sich gegen die Stuhllehne. Der Stuhl kippte um und prallte gegen Lous Eimer. Die Milch schwappte über, und Beth stürzte zu Boden. Sie begann zu brüllen, Lou schrie. und ich wünschte, meine Mutter wäre hier, wie ich es mir jeden Tag wünsche. Mindestens hundertmal am Tag.

Als Mama noch lebte, konnte sie für sieben Leute Frühstück machen, unsere Hausaufgaben abhören. Pas Hosen flicken, unsere Henkelmänner füllen, die Milch zum Sauerwerden ansetzen und Pastetenteig ausrollen. Alles gleichzeitig und ohne die Stimme zu heben. Ich kann von Glück reden, wenn mir der Brei nicht anbrennt und ich Lou und Beth davon abhalten kann, sich gegenseitig zu massakrieren.

Abby, die vierzehn ist, kam herein, und brachte in ihrer Schürze vier braune Eier mit. Vorsichtig legte sie sie in eine Schüssel in den Schrank und sah dann auf die Bescherung am Boden. »Pa muß bloß noch die Schweine füttern. Dann kommt er gleich«, sagte sie.

»Pa wird dir den Arsch versohlen, Beth«, sagte Lou.

»Er wird dir deinen versohlen, weil du Arsch gesagt hast«, antwortete Beth, noch immer schniefend.

»Jetzt hast du's auch gesagt. Also kriegst du doppelt Dresche.«

Beth verzog das Gesicht und begann erneut zu heulen.

»Schluß jetzt! Alle beide!« rief ich, weil mir die Vorstellung, daß Pa seinen Gürtel nehmen und ich das Klatschen auf ihren Beinen hören müßte, angst machte. »Niemand kriegt Dresche. Geht und holt Barney!«

Beth und Lou liefen zum Ofen und zerrten den armen Barney hervor. Pas alter Jagdhund ist blind und lahm und pinkelt in sein Bett. Onkel Vernon sagt, Pa sollte ihn hinter den Stall führen und erschießen. Pa meint, er würde eher Onkel Vernon erschießen.

Lou führte Barney zu der Pfütze. Er konnte die Milch zwar nicht sehen, aber riechen, und leckte sie gierig auf. Seit Ewigkeiten hatte er keine Milch mehr bekommen. Wir genausowenig. Die Kühe geben im Winter keine Milch. Aber eine hatte gerade gekalbt. daher gab es zum erstenmal seit Monaten ein bißchen. Bald sollten noch mehr kalben. Ende Mai würde der Stall voller Kälber sein, und Pa würde früh losziehen. um in die Hotels und Sommerhäuser Milch, Sahne und Butter zu liefern. Doch an diesem Morgen war dieser eine Kübel alles, was wir für lange Zeit hätten, und zweifellos erwartete er, davon etwas auf seinen Brei zu kriegen.

Barney leckte den Großteil der Milch auf. Das Wenige, das er übrigließ, wischte Abby mit einem Lappen auf. Beth war ein wenig naß geworden, und das Linoleum unter ihrem Stuhl wirkte sauberer als überall sonst, aber ich hoffte, Pa würde es nicht bemerken. Im Eimer war noch ein Rest übriggeblieben. Ich fügte ein bißchen Wasser hinzu, goß dann alles in einen Krug und stellte ihn neben seine Schale. Zum Abendessen würde er eine schöne Milchsoße erwarten oder vielleicht einen Pudding, nachdem die Hühner vier Eier gelegt hatten, aber darüber würde ich mir später Gedanken machen.

»Pa wird's merken«, sagte Lou.

»Wie denn? Wird's Barney ihm sagen?«

»Wenn Barney Milch säuft, furzt er wie wild.«

»Lou, bloß weil du wie ein Junge rumstolzierst und dich so anziehst, mußt du noch lange nicht reden wie einer. Mama hätte das nicht gefallen«, antwortete ich.

»Mama ist nicht mehr da, also kann ich reden, wie's mir paßt.«

Abby, die ihren Lappen an der Spüle auswusch, wirbelte herum und schrie: »Sei still, Lou!« Worauf wir zusammenfuhren, weil Abby sonst nie schreit. Selbst bei Mamas Beerdigung hat sie nicht geweint, obwohl ich sie ein paar Tage später in Pas Schlafzimmer fand. wo sie ein Blechbild unserer Mutter so fest umklammert hielt, daß ihr die Kanten die Hand zerschnitten hatten. Unsere Abby ist wie ein buntgemustertes Kleid, das nach dem Waschen mit der Innenseite nach außen aufgehängt wurde, so daß man keine Farben sieht. Unsere Lou ist das Gegenteil davon.

Während die beiden sich weiter stritten, hörten wir Schritte aus dem Schuppen, der sich hinten an die Küche anschließt. Das Gezänk hörte sofort auf. Wir dachten, es sei Pa, aber dann klopfte es, und wir wußten, daß es nur Tommy Hubbard, der Nachbarsjunge, sein konnte, der wieder mal Hunger hatte.

»Juckt's dich, Tom?« rief ich.

»Nein, Matt.«

»Dann komm zum Frühstück rein. Aber wasch dir vorher die Hände.«

Das letzte Mal, als ich ihn reinließ, brachte er Flöhe mit. Tommy hat sechs Geschwister. Sie wohnen auf der Uncas Road wie wir, aber weiter oben in einem schäbigen Holzhaus. Ihr Land liegt an der Straße, zwischen dem der Loomis und unserem. Sie haben keinen Pa, oder viele Pas, je nachdem, wie man es sieht. Emmie, Tommys Mutter, tut ihr Bestes, indem sie in den Hotels Zimmer putzt und kleine selbstgemalte Bilder an Touristen verkauft, aber das reicht nicht aus. Ihre Kinder sind ständig hungrig, ihr Haus ist kalt, und sie kann ihre Steuern nicht zahlen.

Tommy kam herein und brachte eine seiner Schwestern mit. Mein Blick schoß zwischen den beiden hin und her. Pa hatte noch nicht gegessen, und im Topf war nicht mehr viel übrig. »Ich hab bloß Jenny dabei«, stieß er schnell hervor. »Ich selbst hab keinen Hunger.«

Jenny trug ein wollenes Männerhemd über ihrem dünnen Baumwollkleid. Die Hemdzipfel reichten bis zum Boden, das Kleid bedeckte kaum ihre Knie. Tommy hatte überhaupt keine richtige Oberkleidung an.

»Ist schon gut, Tom. Es ist genug da«, antwortete ich.

»Sie kann meinen haben. Mir hängt diese verdammte Pampe sowieso zum Hals raus«, sagte Lou und schob ihre Schale über den Tisch. Um ihre Freundlichkeit zu zeigen, ging sie oft die seltsamsten Wege.

»Ich hoffe, Pa kann dich hören. Du redest wie ein Fuhrknecht.«

Lou streckte die Zunge mit ihrem Frühstück darauf heraus. Abby sah aus, als hätte sie Lust, ihr eine runterzuhauen. Zum Glück war der Tisch zwischen ihnen.

Alle hatten den Maismehlbrei satt. Mich eingeschlossen. Schon seit Wochen aßen wir ihn mit Ahornzucker darüber zum Frühstück und Mittagessen. Zum Abendessen gab's Buchweizenpfannkuchen mit Kompott aus Äpfeln vom letzten Herbst. Oder Erbsensuppe mit einem alten Schinkenknochen, der vom langen Kochen weiß geworden war. Wir hätten gern Rinderhack oder Hühnchen und weiche Brötchen gegessen, aber das meiste, was wir im September eingelagert hatten, war aufgebraucht. Im Januar hatten wir das letzte Wild gegessen sowie den Schinken und den Speck. Und obwohl wir zwei Fässer frisches Schweinefleisch eingepökelt hatten, war eines davon verdorben. Was mein Fehler war. Pa hatte gesagt. ich hätte nicht genug Salz in die Lake gegeben. Im Herbst schlachteten wir dann einen unserer Hähne und danach noch vier Hennen. Damit blieben uns nur noch zehn Hühner, von denen Pa keins mehr anrühren...


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Autor

Jennifer Donnelly wuchs im Staat New York auf. Mit ihrer "Rosentrilogie" begeisterte sie in Deutschland unzählige Leserinnen. Auch ihre anderen Romane "Das Licht des Nordens", "Das Blut der Lilie" und "Straße der Schatten" wurden preisgekrönt und ernteten bei Presse und Lesern großen Beifall. Jennifer Donnelly, deren Familie aus Schottland stammt, lebt mit ihrem Mann und Sohn in Brooklyn.