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Acqua Mortale

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
442 Seiten
Deutsch
Aufbau Verlage GmbHerschienen am22.08.20121. Auflage
Stille Wasser sind tödlich.

Der Journalist Kaspar Lunau erhält einen rätselhaften Anruf. Eine junge Frau fleht ihn an, einen Mord im italienischen Ferrara aufzuklären. Lunau reist in die malerische Stadt am Mündungsdelta des Po und trifft die Anruferin. Noch in derselben Nacht versucht man ihn umzubringen. Unversehens ist Lunau in einen Strudel alter Feindschaften und neuer Machtkämpfe geraten. Nur durch einen waghalsigen Coup kann er verhindern, dass der Fluss sein Grab wird ...

Ein Italienkrimi, der die wirklichen Schattenseiten des Landes jenseits von Mafia und Medienskandalen aufdeckt.

'Wie Donna Leon - nur besser!' Christa von Bernuth.

'Italien, wie es nicht einmal die Italiener kennen - oder kennen wollen.' Claudio Paglieri.


Christian Försch, geb. 1968, studierte Germanistik, Italianistik, Musikwissenschaft und Philosophie. Seit 1998 freier Autor und Übersetzer. Er übertrug u.a. Nino Filastò, Claudio Paglieri und Paolo Sorrentino ins Deutsche.
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Produkt

KlappentextStille Wasser sind tödlich.

Der Journalist Kaspar Lunau erhält einen rätselhaften Anruf. Eine junge Frau fleht ihn an, einen Mord im italienischen Ferrara aufzuklären. Lunau reist in die malerische Stadt am Mündungsdelta des Po und trifft die Anruferin. Noch in derselben Nacht versucht man ihn umzubringen. Unversehens ist Lunau in einen Strudel alter Feindschaften und neuer Machtkämpfe geraten. Nur durch einen waghalsigen Coup kann er verhindern, dass der Fluss sein Grab wird ...

Ein Italienkrimi, der die wirklichen Schattenseiten des Landes jenseits von Mafia und Medienskandalen aufdeckt.

'Wie Donna Leon - nur besser!' Christa von Bernuth.

'Italien, wie es nicht einmal die Italiener kennen - oder kennen wollen.' Claudio Paglieri.


Christian Försch, geb. 1968, studierte Germanistik, Italianistik, Musikwissenschaft und Philosophie. Seit 1998 freier Autor und Übersetzer. Er übertrug u.a. Nino Filastò, Claudio Paglieri und Paolo Sorrentino ins Deutsche.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783841203236
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2012
Erscheinungsdatum22.08.2012
Auflage1. Auflage
Seiten442 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.1200927
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe
TEIL II
24

Aroldo stand auf, nahm die große Schöpfkelle von der Wand, setzte sie auf die brodelnde Suppe und schaute zu, wie die duftende Flüssigkeit mit den Fettaugen langsam über den Metallrand floss und sich in der Senke der Kelle sammelte. Er tauchte den Schöpflöffel in die Tiefe und spürte einen Widerstand. Fleisch. Zum ersten Mal seit Ostern.

»Jetzt bind uns schon los, verdammt!«, rief Lorenzo. Aroldo hob die Kelle an die Lippen, blies, dass der Dampf in alle Richtungen stob und grinste.

»Hör auf mit dem Unsinn.«

Aroldo ließ den Blick von einem zum anderen wandern. Das Granatfeuer setzte einen Moment aus, setzte wieder ein, diesmal umso heftiger. Aroldos frotzelnder Blick blieb an Stefano hängen. Der Junge grinste zurück. Selbst der Bauer, ein schmächtiger Mann um die vierzig, den die Feldarbeit gebeugt hatte, zeigte lächelnd die  Lücken zwischen seinen gelben Zähnen. Die Detonationen in Bologna waren so gewaltig, dass der Lehmboden zitterte. Der Duft so betörend, dass Aroldo den Speichel hinunterschlucken musste. Und wenn er schnell einmal kostete? Nur einen winzigen Schluck, nur für die Zungenspitze. Am Vortag gegen fünf hatte er das letzte Mal etwas gegessen. Zwei verschrumpelte Mohrrüben, aus einem Hasenstall. Er warf die Kelle zurück in den Topf und ging auf Stefano zu. Legte ihm die Hand auf den Kopf, aber da bohrte sich etwas in seinen Rücken. Rechts und links der Wirbelsäule.

»Hände hoch!«, schrie Stefano auf Deutsch, die eckige Sprechweise der Besatzer übertreibend. Triumphierend reckte er seine Fäuste in die Luft. Er hatte sich selbst von den Fesseln befreit.

»Du hast genug gelernt, um bald selbst zu kämpfen«, sagte Aroldo, weil er wusste, dass Stefano das gerne hörte. Aroldo wünschte sich das Gegenteil. »Bind deine Mutter los!«, sagte Aroldo zu Stefano und wandte sich dem Bauern zu.

Wieder hielt der Krieg kurz die Luft an, und aus dem brabbelnden Hall ferner MG-Salven und kleiner Geschütze tauchten Motoren auf. Wie ein Schwarm orientierungsloser Bienen schwirrten sie umher. Die Motoren verstummten, und dann flog die Tür krachend auf. Vier Maschinenpistolen erschienen auf der Schwelle, die Läufe in die Küche gerichtet. Jemand schrie: »Tutti fermi!«, einer trat näher, und dann schien Aroldos Schädel zu zerspringen. Er ging zu Boden, von einem Gewehrkolben getroffen, wurde am Kragen hochgerissen, auf den Stuhl geworfen, eine Fessel schnitt in seine Handgelenke. SS.

Ein Sturmbannführer trat ein und ließ den Blick über die Gesichter schweifen. Aroldos Schädel jaulte, aber nicht laut genug, um die Angst zu übertönen. Der Sturmbannführer ging vor den Gefangenen auf und ab und fragte, wo ihre Papiere seien. Sie lagen noch auf dem Küchentisch. Er schaute sie sich gründlich an, fuhr mit dem Daumennagel über die Kanten der Passbilder und studierte die Farbe der Stempel. Er grinste höhnisch. Die Ausweispapiere der fünf Partisanen waren gefälscht, hervorragend gefälscht, denn sie stammten aus der Druckerei in Bologna. Dort gaben die Besatzer die Befehle, und die Italiener bedienten die Maschinen. Aber die SS suchte nicht nach Indizien und Beweisen, sie wollte Geständnisse. Und sie wusste, wie und wem sie Geständnisse abpressen konnte. Der Sturmbannführer war ein drahtiger, frisch rasierter Mann. Er nahm seine Uniformmütze mit dem blinkenden Totenkopf ab, fuhr sich über das kurze Haar und setzte die Mütze wieder auf. Nicht, um seine Müdigkeit zu überspielen, sondern um die Vorfreude zu steigern.

»Wir wissen, dass auf Ihrem Hof Saboteure leben«, sagte er zu dem Bauern. »Sie haben gegen das Gesetz verstoßen, aber wir lassen Gnade vor Recht ergehen, wenn Sie uns die betreffenden Personen zeigen und deren wahre Namen nennen.«

Das konnte der Bauer nicht. Er kannte die Identität der Männer nicht, ebensowenig wie die Männer selbst. Das war ein Grundprinzip der Resistenza. Abgesehen von lang jährigen Freunden, die sich gemeinsam einem Kommando angeschlossen hatten, wusste niemand, mit wem er es jeweils zu tun hatte. Er wusste nicht, wo sich das operative Kommando oder andere Einheiten befanden. Befehle wurden von Kurieren übermittelt, meist Frauen, manchmal Kinder, die ihrerseits nur tote Briefkästen und Deckadressen kennen sollten. Wenn einer geschnappt wurde, konnte er nur bruchstückhafte Informationen preisgeben. Da half auch Folter nicht. Die SS folterte trotzdem.

»Sie werden verstehen, dass wir nicht viel Zeit haben«, sagte der Sturmbannführer und machte eine vage Geste Richtung Bologna, wo die Offensive tobte. Er schaute einen seiner Männer an, dann zuckte sein Kopf Richtung Stefano und Richtung Mutter. Fiamma, Anfang dreißig. Tagsüber schuftete sie für zwei, und nachts geisterte sie durch die Träume der fünf Fremden auf dem Hof, auch wenn ihre Brüste klein und ihre Hüften schmal geworden waren.

Der Sturmbannführer ging auf den Herd zu, rührte in der Suppe und warf, obwohl man ihm den Hunger ansah, die Kelle verächtlich in den Topf. Er bückte sich nach dem Schürhaken, öffnete einen der Ofenringe und schob den Haken in die Glut. Mit Knüffen der Gewehrkolben scheuchten die SSler die Männer auf, sie wankten mit den auf den Rücken gebundenen Stühlen an den Tisch, bis sie wie bei einem Festbankett saßen. Dann nahmen die Deutschen Stefano und Fiamma, warfen sie bäuchlings auf den langen Esstisch und banden sie mit Lederriemen fest. Der Sturmbannführer zog dem Jungen Stiefel und Lappen von den Füßen. Fiamma trug nur Holzschuhe, die sie mit verkrampften Zehen festhielt. Der Sturmbannführer riss sie herunter und warf sie in die Kochmaschine, wo sie in den Flammen zu knacken begannen. Er gab einem seiner Schergen ein Zeichen, und dieser suchte über dem Spülbecken nach Geschirr. Dann füllte er fünf Teller und verteilte sie an seine Kameraden.

»Mir ist es gleich, wer von Ihnen redet, meine Herrschaften«, sagte der Sturmbannführer und blies über den Löffel mit der heißen Suppe. Schlürfend kostete er und nickte anerkennend Richtung Fiamma. Die Frau hätte am liebsten ausgespuckt, aber ihre Zunge klebte trocken am Gaumen.

Der Sturmbannführer ging an den Herd, nahm ein Geschirrtuch, griff den Schürhaken, kehrte an den Tisch zurück und legte das weißlich-orange glimmende Eisen neben Fiammas Kopf auf den Tisch. Eine feine Rauchsäule stieg auf, es duftete nach verbranntem Holz, und die Spitzen von Fiammas langen Wimpern verbogen sich und schnurrten zu Klümpchen zusammen.

»Noch nicht heiß genug«, sagte der Sturmbannführer und brachte den Schürhaken zurück zur Kochmaschine. Dann nahm er seinen Suppenteller und sagte: »Dafür ist die Suppe jetzt wohl temperiert.«

Er setzte sich direkt vor Fiamma und Stefano und aß bedächtig Löffel für Löffel, sich zwischendurch immer wieder die Kinnspitze mit der Kante des Esswerkzeugs reinigend. Seine Männer waren längst fertig, einer zerteilte mit einem Bajonett das Hühnchen und gab den Ranghöchsten die Brust- und Schlegelstücke, den anderen die Flügel.

Aroldo lauschte auf das Artilleriefeuer in der Ferne. Manchmal schien es näher zu kommen, dann wieder zu verstummen. Wo blieben sie nur? Wollten die Alliierten zuerst Bologna befreien, ehe sie Richtung Norden vorrückten? Aber welchen Sinn sollte es für die Deutschen jetzt haben, ihre Zeit mit fünf lausigen Partisanen zu verschwenden, von denen drei noch nicht einmal eine automatische Feuerwaffe hatten? Warum erschossen sie sie nicht einfach? Aroldo suchte den Blick des Jüngsten. Ein rotblonder, hagerer Kerl, dem die Uniformärmel zu kurz waren. Sommersprossen, fast durchsichtige Brauen. An der Schulter ein grob gestopftes Loch. Ein Schuss, der ihn oder seinen Vorgänger getroffen hatte. Sein Koppel schnürte eine enge Taille ein, die fast feminin wirkte. Verlegen wich der Junge Aroldos Blick aus.

Der Sturmbannführer holte wieder den Schürhaken, und diesmal drückte er die geschwungene Spitze, ohne jede Vorwarnung, in Stefanos linke Fußsohle. Das Fleisch zischte, qualmte und stank, und der Junge versuchte, seinen Schrei zu unterdrücken. Vergebens.

Aroldo spürte den Schweiß auf seiner Stirn, instinktiv spannte er alle Muskeln an und stemmte sich gegen die Fesseln, aber er musste sich beherrschen. Ihre einzige Chance war, die Deutschen hinzuhalten.

»Seit wann sind diese fünf Männer auf dem Hof ?«, fragte der Offizier den Bauern.

»Lorenzo seit drei Jahren, die hier seit achtzehn Monaten, der seit einem halben Jahr.« Er wies mit dem Kinn auf die Kameraden und blieb am Ende an Aroldo hängen.

»Der hier ist seit einem Monat da, seit seiner Verwundung.«

Der Sturmbannführer blätterte in den Entlassungspapieren der italienischen Armee. Er ließ sich betont viel Zeit.

»Schussverletzung am Bein, schlimme Sache. Da heißt es: Zähne zusammenbeißen beim Wandern, was?«

Er nahm sein Fahrtenmesser vom Koppel und schlitzte Aroldos Hosenbein auf. Auf dem Quadriceps hatte die Kugel eine helle Delle hinterlassen.

»Ich würde vorschlagen, wir lassen jetzt die Lügengeschichten.«

Wieder zischte der Schürhaken, diesmal im rechten Fuß. Der Bauer konnte seine Tränen nicht zurückhalten.

»Hast du uns etwas zu sagen?«, fragte der Sturmbannführer den Jungen. Stefanos Kiefer zitterte. Er schüttelte den Kopf.

»Mein Sohn weiß...
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