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Anni und Alois - Arm sind wir nicht

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
208 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am29.10.2012
Einfach zufrieden leben
Keine Heizung, kein Bad, kein Auto, kein Urlaub - so sieht der Alltag von Anni und Alois aus. Es ist ein Leben im Einklang mit der Natur und den Jahreszeiten, ohne Hektik und Konsumzwang. Deshalb vermissen die beiden Selbstversorger rein gar nichts. Liebevoll schildert Julia Seidl ein rundum zufriedenes altes Ehepaar und das Glück auf einem Bauernhof im Bayerischen Wald.

Julia Seidl, Jahrgang 1965, verbrachte ihre Kindheit in Niederbayern. Einfache Menschen und besondere Lebensläufe faszinierten sie schon damals. Deshalb wurde sie Journalistin - mit Lust an der Recherche und am Porträt. Seit 1997 arbeitet sie als Filmautorin für das Bayerische Fernsehen, 2010 wurde ihr vom Münchner Presse-Club der Herwig-Weber-Preis verliehen. Mit ihren Töchtern Emma und Antonia lebt sie im Münchner Westen.
Stefan Rosenboom wurde 1966 in Frankfurt am Main geboren. Seine Fotoarbeiten haben die Schwerpunkte Natur, Wildnis Afrika, Landschaft und Reportage. Er arbeitet für renommierte Magazine, Buch- und Kalenderverlage und für namhafte Firmen der Outdoorbranche. Er ist Preisträger des Dia-Festivals ElMundo in den Kategorien 'beste Präsentation' (2007 und 2008) und 'beste Fotografie' (2008). Stefan Rosenboom lebt mit seiner Frau Susanne Gogolok und Tochter Silja in Oberbayern.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR10,99
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextEinfach zufrieden leben
Keine Heizung, kein Bad, kein Auto, kein Urlaub - so sieht der Alltag von Anni und Alois aus. Es ist ein Leben im Einklang mit der Natur und den Jahreszeiten, ohne Hektik und Konsumzwang. Deshalb vermissen die beiden Selbstversorger rein gar nichts. Liebevoll schildert Julia Seidl ein rundum zufriedenes altes Ehepaar und das Glück auf einem Bauernhof im Bayerischen Wald.

Julia Seidl, Jahrgang 1965, verbrachte ihre Kindheit in Niederbayern. Einfache Menschen und besondere Lebensläufe faszinierten sie schon damals. Deshalb wurde sie Journalistin - mit Lust an der Recherche und am Porträt. Seit 1997 arbeitet sie als Filmautorin für das Bayerische Fernsehen, 2010 wurde ihr vom Münchner Presse-Club der Herwig-Weber-Preis verliehen. Mit ihren Töchtern Emma und Antonia lebt sie im Münchner Westen.
Stefan Rosenboom wurde 1966 in Frankfurt am Main geboren. Seine Fotoarbeiten haben die Schwerpunkte Natur, Wildnis Afrika, Landschaft und Reportage. Er arbeitet für renommierte Magazine, Buch- und Kalenderverlage und für namhafte Firmen der Outdoorbranche. Er ist Preisträger des Dia-Festivals ElMundo in den Kategorien 'beste Präsentation' (2007 und 2008) und 'beste Fotografie' (2008). Stefan Rosenboom lebt mit seiner Frau Susanne Gogolok und Tochter Silja in Oberbayern.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641083281
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2012
Erscheinungsdatum29.10.2012
Seiten208 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse30016 Kbytes
Artikel-Nr.1205658
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe



Schnee

Im Winter ist es besonders einsam auf dem Einödhof von Anni und Alois. Vor allem, wenn der Schnee tagelang um den alten Hof weht und die Wege einschneit. Unzählige Flocken decken dann die Heimat der alten Eheleute zu mit ihrem weißen, schweren Mantel. Fast jeden Tag schaufelt sich das Ehepaar durch die Schneemassen, gräbt sich die Wege frei, legt die Fenster frei - nur damit es in der Nacht wieder alles zuschneit und am nächsten Morgen die gleiche Prozedur von vorn losgeht. Aufhören, Pause machen, krank sein gibt es nicht in der kalten Jahreszeit für Anni und Alois.

»Wenn er brennen täte, dann würde ich ihn anzünden«, sagt die Anni wild entschlossen. Seit Stunden schaufelt sie mit voller Kraft auf einen stetig wachsenden Haufen. Mit dem Anzünden - so lacht sie - meint sie natürlich nicht ihren Ehemann Alois, sondern ihren Hauptfeind: den ewigen, immerwährenden Schnee. Einen Meter fünfzig hoch liegt er heuer schon und nur auf schmalen Wegen können die beiden noch zum Hühnerstall oder zu ihrem Traktor kommen.

»Das Schlimmste ist der Pulverschnee«, erklärt uns Anni, die Expertin. »Wenn dann der Ostwind kommt, treibt es ihn von den Dächern runter, bläst ihn rund um das Haus und dann können wir gar nicht mehr aus den Fenstern schauen.« Dabei sieht man doch, wenn der Himmel klar ist, von ihrem Wohnzimmer aus fast alle Bayerwaldberge, den Rachel, den Lusen, den Arber - ihre Heimat.

Mehr als ein halbes Jahrhundert leben Anni und Alois Sigl schon hier, in einem kleinen alten Einödhof am Rande des Dorfes Innernzell im vorderen Bayerischen Wald. In dem bescheidenen Haus haben sie ihre vier Söhne großgezogen, Anni hat hier ihre Schwiegermutter bis zu deren Tode gepflegt und dabei haben Anni und Alois fast nie etwas verändert an ihrem Heim. Bis heute haben sie kein Bad, keine Toilette, keine Heizung und keine gepflasterten Wege. Aber trotzdem sind sie zufrieden damit, wie es ist. Auch ohne Auto, ohne Urlaub und mit den 550 Euro Rente, die sie im Monat bekommen.

Auf einem Zettel rechnet die Anni ihre finanzielle Lage durch. Und ihr Einmaleins der Bescheidenheit ergibt: 500 Euro brauchen die beiden monatlich für Telefon, Fernseher, Strom, Versicherungen und für ihre Lokalzeitung. So verbleiben nur noch klägliche 50 Euro für Kleidung und Essen. Wie gut, dass Anni vieles selbst anbaut und eine große Vorratshaltung betreibt. Fleisch, Kartoffeln, Äpfel, Nüsse - alles findet man in Annis großen Gefriertruhen oder Vorratsräumen. Sogar den Tabak für ihren Alois baut die resolute Bäuerin im Sommer selbst im Gemüsebeet an. Ihr sanftmütiger Ehemann raucht eben gern und verbieten würde es ihm die Anni nie. Auch wenn die Tabakpflanzen im Garten schon ein seltsamer Anblick sind - eine Lösung à la Anni, die Pflanzen und Tiere liebt und ein Händchen für sie hat.

Doch von November bis April kann Anni nur von ihren wunderbaren Blumen und ihrem üppigen Gemüsebeet träumen: »Im Bayerischen Wald gibt es ein Sprichwort: Ein Dreivierteljahr Winter, ein Vierteljahr kalt «, das ist eines von Annis Lieblingszitaten. Immer wieder kann sie sich über diesen absurden Spruch amüsieren. Seit Stunden steht sie nun schon mit ihrem Alois draußen, um den Neuschnee auf die Seite zu räumen. Der Schnee ist jedes Jahr eine Heimsuchung für Anni und Alois. Manchmal fällt sie schlimmer aus, manchmal etwas weniger schlimm. Jeder Wetterbericht ist für die beiden im Winter ein kleiner Krimi - Ausgang ungewiss.

»Uns schneit es nicht ein«, erklärt die Anni resolut und sticht dabei besonders tief und energisch in die weiße Masse hinein. »Wir kommen durch, wir sind das gewohnt«, sagt sie und lacht zum Alois rüber. »Ja, da kann man nix machen, wenn es so viel Schnee herhaut«, meint der noch gottergeben. Die alten Leute sind nicht verzweifelt und wenn sie es wären, sie würden es nicht zugeben. Jammern, das hat noch keinem geholfen. Selbst die Anni, die schon mehrere Bandscheibenvorfälle hatte, sagt nur einsilbig: »Das geht schon ins Kreuz.« Manchmal kommt sie am Abend gekrümmt daher wie ein Fragezeichen.

Eines der schlimmsten Schneejahre, an das beide sich erinnern können, war 2006. »Da ist sogar die Feuerwehr am Silvesterabend gekommen und hat uns die Dächer freigeschaufelt«, berichtet die Anni. Drei Meter hoch war damals der Schnee. Und auch Anni und Alois sind an diesem unvergesslichen Abend mit aufs Dach gestiegen, um zu helfen. Alois tief vermummt mit dickem Anorak, Handschuhen und Mütze - die rührige Anni nur mit ihrer Schürze und nackten Armen. Stunde um Stunde kämpften sie dort oben gegen den Jahrhundertschnee. Schaulustige standen rund um ihr Haus und beobachteten die alten Leute, wie sie mit ihrem ungeheuren Willen gegen den weißen Feind angingen. »Dich erfriert es dort oben am Dach noch«, schrie damals eine Frau aus dem Dorf gehässig zu der leicht bekleideten Anni hoch. Darüber kann die Anni noch heute lachen. Und zwar so herzhaft, dass man ihre spärlichen drei Zähne sehen kann. »Mir ist halt gleich zu warm«, sagt sie entschuldigend, aber auch stolz, weil sie kein Weichei ist. »Ich brauch´ es warm, ich mag mich nicht erkälten«, entschuldigt sich der Alois, der nicht so stämmig gebaut ist wie die Anni. »Du hast halt mehr Speck wie ich«, setzt er noch charmant eines obendrauf. »Ja, das stört mich nicht«, lächelt die Anni selbstbewusst und auch Alois schmunzelt, weil auf seine Anni, da lässt er nichts kommen.

Wenn der Schnee draußen eine Pause einlegt, dann sitzt die Anni im Winter gern in der Stube, dem einzigen beheizten Raum auf dem Hof, und näht, strickt oder macht andere Handarbeiten. »Alles, was man noch brauchen kann, wird bei uns nicht weggeworfen«, erzählt die Anni vom Sofa her. Auf dem Boden steht eine Waschschüssel voll unbenützter Schürzen, die ihr eine Bekannte aus Innernzell weitervererbt hat. »Die Jungen ziehen so etwas sowieso nicht mehr an«, kommentiert die Anni ihre geschenkten Kleider. »Die haben heute alle nur Jeanshosen an.« Aber sie schätzt diese Omaschürzen.

Mühselig trennt sie die alten Stoffe auf, Stich für Stich. Dabei helfen der Anni ihre »Winterfenster« - so nennt sie ihre Brille - und der Alois. Geduldig hält er die Ärmel fest, denn dann tut sich die Anni leichter. »Ja mei, wenn des Sach´ nichts kostet«, murmelt er vor sich hin. »Warum denn nicht.« Und die Anni fällt begeistert ein: »Das sind die billigsten Schürzeln. Umändern kann ich sie selber, die sind alle ganz neu, die hat noch keiner getragen.« - »Pass nur auf, dass du nicht reinschneidest«, warnt der Alois sie leise. Aber Anni lässt sich nicht aus der Ruhe bringen, schon gar nicht von ihrem Ehemann, und erwidert nur lakonisch: »Das seh´ ich schon, wenn ich ein Loch drinnen habe.«

Schon über fünfzig Jahre sind Anni und Alois verheiratet. Und wie das so ist, wenn man sich tagein, tagaus sieht und miteinander lebt - gewöhnt man sich aneinander und entwickelt gemeinsame Gewohnheiten. Anni, die Quirlige, die Lebhafte - Alois, der Sanfte, Ruhige, Beschauliche, sie sind ein Paar, das grundverschieden ist, aber trotzdem gut miteinander auskommt. Nie enden ihre Gespräche im Streit. Sie führen eine Ehe, in der Humor und Gutmütigkeit wichtig sind, und sie werden sich gut vertragen, so lange bis der Erste von ihnen endgültig gehen muss.

»Ich muss hundert Jahre alt werden, bis ich meine selbst genähten Schürzel alle auftragen kann«, hat sich die Anni ausgerechnet. Fast immer muss sie die geschenkten Sachen umnähen, weil sie kräftiger gebaut ist als die Vorgängerinnen. Die aufgetrennten Teile stückelt die Anni dann wieder von Neuem zusammen und wenn ihr der Ausgangsstoff nicht langt, dann näht sie halt einfach einen anderen Stoff mit anderem Muster in die neue Schürze rein. »Zwiefarbige Schürzel«, die hat sie gerade genug. Aber für den Werktag langen sie, erklärt die Anni pragmatisch. Und wenn eines bei der Arbeit ein Loch bekommt, dann wird es liebevoll geflickt, und zwar immer wieder.

»Des mit dem Wegwerfen haben wir nicht gelernt«, erklärt die Anni ernst. Bei den Sigls, auf ihrem Einödhof, ist die Konsumgesellschaft noch nicht angekommen. So hat die Anni ihr Lieblingsschürzel für den Sommer schon über zehn Mal geflickt und inzwischen schaut es fast aus wie ein Gemälde von Hundertwasser - so kunterbunt ist es durch die Ausbesserei geworden. Jedes Mal, so beteuert die Anni, ist es das letzte Mal, dass sie dieses Schürzel flickt. Aber so recht glauben will man ihr nicht.

An ihrer uralten Nähmaschine sitzt Anni in der bescheidenen Wohnstube und rettet mit dem Flicken ihr Weltverständnis. Von klein auf hat sie das Sparen lernen müssen. Erst wenn es gar nicht mehr anders ging, hat man Kleidung früher zusammengeschnitten und als Putzlumpen hergenommen. Warum bloß werfen die Leute heute so viel weg? Das ist für sie der Anfang vom Ende - angesichts von solcher Verschwendung muss sie fassungslos den Kopf schütteln.

Anni ist im Krieg aufgewachsen. Essen und Kleider waren damals Mangelware. Das war zwar schlimm, aber weil es allen in ihrem Heimatdorf so erging, war es vielleicht etwas weniger tragisch als heutzutage ein Hartz-IV-Empfänger in Starnberg zu sein. Ihre Kommunion fiel mitten in den Krieg, wo selbst einfache Stoffe rar waren. Deshalb hat damals ihre Mutter das Kommunionkleid aus einem schlichten, weißen Betttuch genäht. Ein »Not-Kleid«, das auch noch ihre beiden jüngeren Schwestern zur Kommunion tragen mussten.

Von ihrer Mutter hat die Anni schon als junges Mädchen Nähen und Stricken gelernt. »Ich hab´ oft im...


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Autor

Julia Seidl, Jahrgang 1965, verbrachte ihre Kindheit in Niederbayern. Einfache Menschen und besondere Lebensläufe faszinierten sie schon damals. Deshalb wurde sie Journalistin - mit Lust an der Recherche und am Porträt. Seit 1997 arbeitet sie als Filmautorin für das Bayerische Fernsehen, 2010 wurde ihr vom Münchner Presse-Club der Herwig-Weber-Preis verliehen. Mit ihren Töchtern Emma und Antonia lebt sie im Münchner Westen.
Stefan Rosenboom wurde 1966 in Frankfurt am Main geboren. Seine Fotoarbeiten haben die Schwerpunkte Natur, Wildnis Afrika, Landschaft und Reportage. Er arbeitet für renommierte Magazine, Buch- und Kalenderverlage und für namhafte Firmen der Outdoorbranche. Er ist Preisträger des Dia-Festivals ElMundo in den Kategorien "beste Präsentation" (2007 und 2008) und "beste Fotografie" (2008). Stefan Rosenboom lebt mit seiner Frau Susanne Gogolok und Tochter Silja in Oberbayern.