Hugendubel.info - Die B2B Online-Buchhandlung 

Merkliste
Die Merkliste ist leer.
Bitte warten - die Druckansicht der Seite wird vorbereitet.
Der Druckdialog öffnet sich, sobald die Seite vollständig geladen wurde.
Sollte die Druckvorschau unvollständig sein, bitte schliessen und "Erneut drucken" wählen.

Mein Leben im Schrebergarten

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
224 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am31.10.2012
Laube, Liebe, Hoffnung
Die Gärtner sind alle Verbrecher - das muss Wladimir Kaminer schon bald erkennen. Der Neuankömmling in der Berliner Kleingartenkolonie 'Glückliche Hütten' hat nämlich innerhalb kürzester Zeit gegen fast alle Vorschriften des Bundeskleingartengesetzes verstoßen. Aber das hält ihn nicht davon ab, sich mit Leib und Seele in das abenteuerliche Leben als Schrebergärtner zu stürzen. Und so hält er in diesem hinreißend komischen Buch ein Gartenjahr der etwas anderen Art fest, mit Rhabarberernte, interessanten Nachbarn und ungezähmter Natur ...
Fertig ist die Laube!
Der Schrebergarten als Ort hinreißend lustiger Abenteuer und Heimat deutscher Eigenarten.

Wladimir Kaminer wurde 1967 in Moskau geboren und lebt seit 1990 in Berlin. Mit seiner Erzählsammlung »Russendisko« sowie zahlreichen weiteren Bestsellern avancierte er zu einem der beliebtesten und gefragtesten Autoren Deutschlands.
mehr
Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR12,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR8,99

Produkt

KlappentextLaube, Liebe, Hoffnung
Die Gärtner sind alle Verbrecher - das muss Wladimir Kaminer schon bald erkennen. Der Neuankömmling in der Berliner Kleingartenkolonie 'Glückliche Hütten' hat nämlich innerhalb kürzester Zeit gegen fast alle Vorschriften des Bundeskleingartengesetzes verstoßen. Aber das hält ihn nicht davon ab, sich mit Leib und Seele in das abenteuerliche Leben als Schrebergärtner zu stürzen. Und so hält er in diesem hinreißend komischen Buch ein Gartenjahr der etwas anderen Art fest, mit Rhabarberernte, interessanten Nachbarn und ungezähmter Natur ...
Fertig ist die Laube!
Der Schrebergarten als Ort hinreißend lustiger Abenteuer und Heimat deutscher Eigenarten.

Wladimir Kaminer wurde 1967 in Moskau geboren und lebt seit 1990 in Berlin. Mit seiner Erzählsammlung »Russendisko« sowie zahlreichen weiteren Bestsellern avancierte er zu einem der beliebtesten und gefragtesten Autoren Deutschlands.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641098049
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2012
Erscheinungsdatum31.10.2012
Seiten224 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse3159 Kbytes
Artikel-Nr.1215162
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Unerträgliche Schmerzen im ganzen Körper

Wir schufteten nach Plan und bauten Gartenmöbel zusammen. Ich hatte im Haus einen Werkzeugkasten mit verrostetem Hammer und Sichel gefunden, ein Erbe des Sozialismus. Wozu brauchte man im Garten Hammer und Sichel? Vielleicht konnte ich daraus eine Kunstinstallation machen. Unsere Beziehung zu den anderen Bewohnern der »Glücklichen Hütten« entwickelte sich frei nach dem alten russischen Witz über Gartennachbarn:

Trifft eine Frau einen Mann. »Hallo!«, sagt die Frau. »Kennen Sie mich nicht mehr? Unsere Gärten liegen doch nebeneinander! Schauen Sie mal!« Sie dreht sich um und wackelt mit dem Hintern. »Ach, Sie sind es! Ich grüße Sie!«, erwidert der Mann erfreut.

Ein paar Ärsche konnte ich inzwischen von Weitem identifizieren, obwohl wir schon zwei Vollversammlungen verpasst hatten und auch nicht zur Transvestiten-Show im Vereinsgebäude gegangen waren. Die neuesten Schrebergarten-Nachrichten hatten wir bisher immer nur zufällig erfahren, aus Flugblättern. Dank ihnen wussten wir auch, dass die Führung unserer Kolonie zum Tag der Solidarität der Arbeiterklasse zu einem Subbotnik aufgerufen hatte, einem freiwilligen Arbeitseinsatz zur Säuberung der ohnehin übersauberen Allee rund um das Vereinsheim. Alle Gärtner, die sich dem freiwilligen Arbeitseinsatz entzögen, müssten fünfundzwanzig Euro an die Vereinskasse zahlen. Ich beschloss, zum Subbotnik zu gehen. Ich bin kein Freund freiwilliger Arbeitsmaßnahmen, davon hatte ich in meinen jungen Jahren in der Sowjetunion genug gehabt. Auch wären mir die fünfundzwanzig Euro nicht zu teuer gewesen. Ich wollte einfach meine Nachbarn in entspannter Atmosphäre kennenlernen  - ich hatte da nämlich ein paar Fragen bezüglich der Blumen. Unser Grundstück wurde mehr und mehr von kleinen blauen Blümchen unterwandert, von denen wir nicht einmal wussten, wie sie hießen. Diese Blaublumen-Invasion machte uns Sorgen. Einmal machte eine Schülergruppe vor unserem Garten halt. Die Lehrerin erzählte der Jugend etwas über die Schönheit der Natur und den Mut der Kleingärtner, die unter der ständigen Gefahr, einen Sonnenstich zu kriegen, die karge Berliner Erde mit ihrem Schweiß düngten und manchmal auch wie verrückt mit Hammer und Sichel jonglierten. Als die Lehrerin meine Frau hinter dem Gartenzaun erblickte, fragte sie ungeniert, wie diese wunderschöne blaue Pflanzenart heiße, die wir so großzügig gepflanzt hatten. Meine Frau erklärte mit ernster Miene, es seien chinesische Maiglöckchen. Die Schüler zückten ihre Kugelschreiber und notierten sich das. Ein anderes Mal kam eine Behindertengruppe und wollte dasselbe wissen. »Das sind thailändische Liebesblumen«, sagten wir.

Bestimmt werde ich beim Subbotnik ein paar Gärtner finden, die mit der blauen Blume schon Erfahrung haben, dachte ich. Daraus wurde aber nichts. Alle Gärtner über fünfundsechzig hatte man auf der Vollversammlung vom Schuften am Wochenende befreit. Dabei stellen gerade diese alten Gärtner die absolute Mehrheit in unserer Kolonie. Zum Subbotnik erschienen nur junge Gärtner um die vierzig, alles blutige Anfänger, die sich genau wie wir erst vor Kurzem in die »Glücklichen Hütten« eingemietet hatten. Es war eine kleine, aber bunte Truppe, die sich nach einer halben Stunde meckernd zum Biertrinken auf den Bänken niederließ.

Mein freiwilliger Einsatz war trotzdem nicht umsonst gewesen. Ich lernte etliche Neugärtner kennen, zum Beispiel Frau Krause. Ihr Grundstück befand sich am Ende der Kolonie, in einem Tal, umsäumt von Straßenbahngleisen. Im Grunde war ihr Grundstück die bepflanzte Straßenbahn-Endstation der Linie 9. Frau Krause strahlte Lebensfreude und Optimismus aus, und das sogar hauptberuflich. Laut eigener Auskunft war sie als Heilerin tätig, außerdem arbeitete sie als Anwältin für arme Menschen und Tiere sowie als Schauspielerin im Kindertheater und als Erziehungswissenschaftlerin im Verein für Schwererziehbare. Sie besaß mehr Tiere als Pflanzen auf ihrem Grundstück. Zu ihrer Menagerie gehörten unter anderem zwei Spiel- und Schmusehunde mir unbekannter, aber angeblich sehr edler Rasse. Der eine hatte einen Herzfehler, der andere war eine Zeit lang querschnittsgelähmt gewesen, aber von Frau Krause geheilt worden. Außerdem besaß sie drei Hippie-Meerschweinchen mit langen Haaren und acht Vögel: Wellensittiche, Minikakadus und einen Kanarienvogel mit dem Spitznamen Don Juan, der wegen eines Schlaganfalls nicht mehr fliegen konnte. Dazu kamen zwei Kinder im Grundschulalter und Herr Krause mit seiner neunzigjährigen Mutter. Diese freundliche, etwas durchgeknallte Gesellschaft hatte ständig zu tun. Und wenn sie ausnahmsweise nichts zu tun hatte, lief sie einfach hintereinander her im Kreis und tat so, als wäre sie sehr beschäftigt: Frau Krause allen voran, ihre Kinder hinter ihr her, dann der Mann mit den Hunden. Die Oma und Kanarienvogel Don Juan waren die Letzten, doch manchmal, wenn die Ersten zu schnell liefen, wurden die Letzten die Ersten.

Alle zwanzig Minuten krachte an diesem Grundstück eine Straßenbahn vorbei, dann versteinerte Großfamilie Krause für wenige Sekunden und schaute der Straßenbahn nachdenklich hinterher, was ihr eine gewisse Ähnlichkeit mit Playmobilfiguren verlieh. Nur dem Kanarienvogel mit dem Schlaganfall war der Straßenbahnlärm egal, er spazierte einfach weiter. Der Vogel hatte den Schlaganfall gleichzeitig mit Frau Krauses Schwiegervater erlitten. Den einen hatte sie retten können, den anderen nicht.

Ich lernte auch noch meine Nachbarn von gegenüber kennen, deren runde Kartoffelbeete mit einem Stein in der Mitte schon vorher unsere Aufmerksamkeit erregt hatten. Die Familie Kern war aus Baden-Württemberg nach Berlin gezogen, hatte ebenfalls zwei Kinder im Grundschulalter und wirtschaftete auf ihrem riesigen Grundstück streng nach der chinesischen Biogartenlehre. Überall lagen Steine herum, die die Sonnenenergie akkumulieren und an die Kartoffeln weitergeben sollten. Außerdem ragten seltsame spiralförmige Antennen aus der Erde. Herr und Frau Kern waren schon etwas länger in der Kolonie, hatten uns aber zum Thema blaue Blümchen trotzdem nichts mitzuteilen.

Unsere Nachbarn hatten mit ihren Gärten Großes vor. Angesichts ihrer ehrenwerten Absichten wurde mir unser eigener Gartentraum mit Grill und Gartenmöbeln etwas peinlich. Aber runde Kartoffelbeete? Nein, danke! Als erste Bepflanzungsmaßnahme beschlossen wir, eine natürliche grüne Mauer rund um unser Paradies zu errichten, damit niemand mehr zu uns in den Garten schauen konnte. Zu diesem Zweck bestellte meine Frau in einem Spezial-Katalog für Kleingarten-Freaks hundert »Ligustrum vulgare  - wintergrüner, dicht verzweigter Busch, ideal als halbhohe Hecke bis zwei Meter«. Von Sonnenaufgang bis zum späten Abend pflanzten wir Ligustrum vulgare. Als wir ungefähr bei der neunundneunzigsten Pflanze angekommen waren, besuchte uns eine unbekannte Brünette vom Vereinsvorstand und qualifizierte unsere Arbeit als Verstoß gegen Paragraph sowieso des Kleingartengesetzbuches sowie Verletzung der jüngsten Beschlüsse der Vollversammlung der Gartenkolonie »Glückliche Hütten«. Laut diesem Beschluss mussten wir mindestens fünfzig Zentimeter Abstand vom Zaun des Nachbarn einhalten. »Ich rate Ihnen, alles sofort aus- und umzupflanzen«, drohte die Brünette.

Am nächsten Tag hatte ich unvorstellbare Schmerzen im ganzen Körper. Vor allem die Beine litten unter so starkem Muskelkater, als hätte ich am Berlin-Marathon teilgenommen. Meine Frau konnte sich praktisch gar nicht mehr bewegen. Es war Sonntag, alle normalen Bürger saßen auf ihrem Balkon und genossen die Sonne.Wir aber krochen wie zwei vergewaltigte Schildkröten in unseren Garten zurück, um unsere Ligustrum vulgare umzupflanzen. O du deutsches Kleingartengesetz! Wer hat dich geschrieben? Ich möchte den Autor gerne einmal persönlich kennenlernen. Aber eines habe ich herausgefunden: Die Homöopathen haben recht. Man kann tatsächlich Gleiches mit Gleichem heilen. Nach vier Stunden Gartenarbeit ließ der Muskelkater nach, und ich hatte sogar die Kraft, den elektrischen Rasenmäher auszuprobieren, den wir von Frau Pflaume geerbt hatten. Sofort meldete sich der Nachbar von links.

»Haben Sie etwa den Beschluss unserer Vollversammlung nicht gelesen? An Fest- und Feiertagen wird nicht gemäht!« Er paffte lächelnd an seinem Zigarettchen.

In der DDR war diese Gartengemeinde bestimmt eine Vorzeigekolonie gewesen. Die Stasi hatte ruhig schlafen können.

Ich stellte den Rasenmäher zurück in die Kammer und nahm die Sichel in die Hand. Ich verstand nun, wozu sie da war - um an Fest- und Feiertagen geräuschlos zu mähen! Das Rasenproblem erledigte sich übrigens am nächsten Tag von selbst. Wir bekamen Besuch. Die Kinder von Frau Krause und die Kinder der Familie Kern kamen, um mit unseren Kindern zusammen zu spielen. Vier fremde und zwei eigene Kinder, das macht zusammen ungefähr zwölf - und die wirkten, als würde sich eine Fußballmannschaft auf zweihundert Quadratmetern auf ein Endspiel vorbereiten. Keine Blume kann das überleben. Andererseits, wo sollten alle diese Kinder spielen, wenn nicht bei uns? Im Garten gegenüber hätten sie die mühsam angelegten runden Kartoffelbeete niedertrampeln, die Sonnenenergiezufuhr stören und die Biosteine durcheinanderbringen können. Bei Krauses im Garten hätten leicht die maladen Tiere verletzt werden können. Und wir wollten doch ohnehin nur grillen ...

Als wäre das alles noch nicht demütigend genug gewesen, erzählte mir meine Frau von ihrer letzten Lesung auf einem Literaturfestival in Braunschweig. Die Veranstalter, ein junges Pärchen, meinten, auch sie hätten sich einmal einen Schrebergarten...

mehr
Kritik
"In seinem neuen Band wundert sich Kaminer über seinen Selbstversuch als Kleingärtner - das macht er genauso amüsant und leichtfüßig wie in früheren Texten. Also: Darauf lesen wir noch einen."
mehr

Autor

Wladimir Kaminer wurde 1967 in Moskau geboren und lebt seit 1990 in Berlin. Mit seiner Erzählsammlung »Russendisko« sowie zahlreichen weiteren Bestsellern avancierte er zu einem der beliebtesten und gefragtesten Autoren Deutschlands.