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E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
272 Seiten
Deutsch
Kiepenheuer & Witsch GmbHerschienen am15.09.20111. Auflage
»Ein Tarantino der Epik« Arne Willander, Welt online Fünf bisher nicht übersetzte Erzählungen von David Foster Wallace - fünf Entdeckungen. Ob der Vertriebsrepräsentant in der Tiefgarage Herz-Lungen-Massage anwendet, ein Paar in der Fiktionstherapie der Wahrheit näherkommen soll, Lenny in die spanische Freundin seines Bruders verliebt ist oder das Mitglied eines Creative-Writing-Seminars das Collegeleben und einen besonderen Ausflug beschreibt - die Erzählungen, die dem Erzählungsband »Girl with Curious Hair« entstammen, zeigen das thematische und sprachliche Spektrum, das die Werke David Foster Wallace' auszeichnet und in seinem Opus magnum »Unendlicher Spaß« seinen Höhepunkt findet. »Unendlicher Spaß« dominierte bei seinem Erscheinen in Deutschland 2009 die Feuilletons und verkaufte sich 70.000 Mal.

David Foster Wallace, 1962 geboren, gilt als einer der wichtigsten Vertreter der amerikanischen Literatur. Zahlreiche Veröffentlichungen, u.a. »Unendlicher Spaß«, »Kurze Interviews mit fiesen Männern«, »Der Besen im System« und »Der bleiche König«. David Foster Wallace starb am 12. September 2008.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR19,99
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

Klappentext»Ein Tarantino der Epik« Arne Willander, Welt online Fünf bisher nicht übersetzte Erzählungen von David Foster Wallace - fünf Entdeckungen. Ob der Vertriebsrepräsentant in der Tiefgarage Herz-Lungen-Massage anwendet, ein Paar in der Fiktionstherapie der Wahrheit näherkommen soll, Lenny in die spanische Freundin seines Bruders verliebt ist oder das Mitglied eines Creative-Writing-Seminars das Collegeleben und einen besonderen Ausflug beschreibt - die Erzählungen, die dem Erzählungsband »Girl with Curious Hair« entstammen, zeigen das thematische und sprachliche Spektrum, das die Werke David Foster Wallace' auszeichnet und in seinem Opus magnum »Unendlicher Spaß« seinen Höhepunkt findet. »Unendlicher Spaß« dominierte bei seinem Erscheinen in Deutschland 2009 die Feuilletons und verkaufte sich 70.000 Mal.

David Foster Wallace, 1962 geboren, gilt als einer der wichtigsten Vertreter der amerikanischen Literatur. Zahlreiche Veröffentlichungen, u.a. »Unendlicher Spaß«, »Kurze Interviews mit fiesen Männern«, »Der Besen im System« und »Der bleiche König«. David Foster Wallace starb am 12. September 2008.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783462305142
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2011
Erscheinungsdatum15.09.2011
Auflage1. Auflage
Seiten272 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1479 Kbytes
Artikel-Nr.1216145
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


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Zum Glück verstand sich der Vertriebsrepräsentant auf HLW


Ein frisch geschiedener Vertriebsrepräsentant hatte in seinem Büro in der Vertriebsabteilung wieder einmal Überstunden gemacht. Es war weit nach zehn. In einem anderen Büro am gegenüberliegenden Ende eines anderen Stockwerks hatte der für Überseeproduktion verantwortliche Vice President des Unternehmens, seit fast dreißig Jahren verheiratet und Großvater eines Enkelkindes, ebenfalls Überstunden gemacht. Beide Männer brachen auf.

Zwischen diesen letzten beiden Führungskräften, die das Gebäude verließen, bestanden ähnliche Gemeinsamkeiten wie zwischen parallel verlaufenden Geraden. Beide Männer tarierten beim Gehen ihr Gewicht gegen das eines schwerschlanken Aktenkoffers aus. Monogramme und Firmenlogos flankierten die lederumhüllten Metallgriffe in ihren Händen. Beide Männer gingen in ihren jeweiligen leeren Stockwerken über wispelnde, blass einfarbige Teppiche in hell erleuchteten Korridoren auf Fahrstühle zu, die mit offenen Mündern stumm in ihren Schächten an den zwei zugänglichen Enden des großen Gebäudes warteten. Beide Männer spürten in den Korridoren ihrer jeweiligen Abteilung jene spezielle Infraschallunruhe, die ein leitender Angestellter nach Überstunden spürt, wenn er sich abends in Mantel, unfrischem Anzug und gelockerter Krawatte durch Bereiche bewegt, die tagsüber und als Tag erlebt werden sollten. Beide verspürten nach Maßgabe ihrer jeweiligen Schmerzen eine Ahnung des Verqueren, als in den säuberlich aufeinandergestapelten und ausgeleuchteten Raumscheiben zwischen der jeweiligen Führungskraft und der fernen Staubsaugerklage einer Raumpflegekraft die Totenstille des Gebäudes Ausdruck annahm: Sie spürten fast körperlich das große, langsame Ausatmen, ein Raumseufzen, ein leichtes, listiges Zucken riesiger Lider, rissig geworden in erwachender Verbundenheit mit jener Leere, die schließlich, wie jede vernünftige Führungskraft weiß, die Hälfte des Gesamttags des Gebäudes ausmacht. Wie sie auch weiß, dass ein Gebäude Raum nicht nur einnimmt, sondern auch organisiert, dass es die Führungskraft kontrolliert und nicht umgekehrt. Dass das Gebäude schließlich nicht durch Führungskräfte zusammengehalten wird. Oder Personal.

Als sein Fahrstuhl der Tiefgarage für Führungskräfte entgegensank, bemerkte besonders der geschiedene Vertriebsrepräsentant, schweigend und allein, dass an jedem Firmenabend, an dem er arbeitete, zu einem bestimmten unbemerkten, aber nie unbeachtet bleibenden Augenblick die Zeit zu gehen kam; dass dieser Augenblick seiner Überstundenabende ein Dreh- und Angelpunkt wurde, an dem die Dinge einfach und unsichtbar kippten, ganz wenig - der Knackpunkt unbewusster Stunden -, und dass im Zeitraum zwischen diesem Punkt und der Werktagsdämmerung im frischen Anzug das Problem des Gebäudeeigentums in ihrer Abwesenheit sang- und klanglos ein echtes Problem wurde, das ungeklärt in der Luft hing.

Der Vertriebsrepräsentant hing in der Luft und sank an seinem Fahrstuhlkabel hinab. Der wieder ledige Junior Executive war schlank und wendig, machte den Eindruck extremer Sparsamkeit, war für einen Vertriebsrepräsentanten jung (buchstäblich ein Junior Executive), war locker mit Kunden, denen er auf eine Distanz von mehreren Metern gegenübertreten konnte, und sein professioneller Umgang mit jenen, denen gegenüber er das Unternehmen repräsentierte, ließ sich als ein Kontinuum von gleichmäßig kompetent bis kalt beschreiben. Sein Fahrstuhl sank mit einem kompakten Brummen, das meist kaum zu hören war.

Der schneeweiße Import-Motorroller des Vertriebsrepräsentanten stand angewinkelt auf dem Seitenständer neben einem massiven und ebenfalls blitzsauberen breiten Brougham. Es waren die letzten Fahrzeuge in der sonst leeren Garage für Führungskräfte, die unter der Personalgarage unter den Maschinenkellern des Gebäudes lag. Jetzt, weit nach zehn, schien diese tiefste Gebäudeebene weit entfernt vom Rest der Welt zu liegen. Die leere Tiefgarage für Führungskräfte war riesig, breit, lang, die Decke war klaustrophobe 2,50 Meter hoch, die (wenigen) Deckenleuchten waren von unfreundlichem Gelb und die Betonböden von der matten Farbe vieler Abgase. Das Gongen, Zugleiten und Seufzen, mit dem sich der Fahrstuhl des Vertriebsrepräsentanten schloss, erzeugte an und zwischen den grauen Steinwänden der Garage für Führungskräfte ebenso Echos und Echos von Echos wie das Klacken der formellen Schuhe des Vertriebsrepräsentanten und das Klirren, mit dem er Schlüssel von Kleingeld trennte. Die vollendete, auf Störungen sensibel reagierende Stille des Ortes hielt vom Pfeifen ab. Die Garage für Führungskräfte roch nach Autoabgasen, etwas intensiv Gummiartigem und dem Vertriebsrepräsentanten. Ein feuchter Luftzug strich durch die Garage: Er drang von der gekrümmten Mündung der Ausfahrt herüber, die neben den reservierten - Verwaltungsratsmitgliedern und Geschäftsführern vorbehaltenen - Parkplätzen lag, vielleicht einen halben oberirdischen Häuserblock von dem im Zentrum der Garage geparkten Brougham und dem Motorroller daneben entfernt. Die dunkle Ausfahrt schraubte sich aufwärts außer Sicht, durch die Personalebene der ruhigen, leeren und kommunal beleuchteten Straße entgegen.

Der Vertriebsrepräsentant umrundete den Kiel des schwarz glänzenden Brougham und stand neben seinem Roller, als am anderen Ende der Garage für Führungskräfte seufzend eine Fahrstuhltür aufglitt.

Seinen Sturzhelm hatte er hinten am Gepäckträger angeschlossen, sodass er jetzt der Sturzhelm des Motorrollers war; und dem Vertriebsrepräsentanten, dessen nunmehr rechtskräftig von ihm geschiedene Exfrau auf Sinnestäuschungen und dergleichen gestanden hatte, erschien der behelmte Roller kurz als von Kobolden gerittener Shetland-Zentaur, hohl und doch winzig besessen - wobei die abendliche Erscheinung nur sehr kurz war, denn der Junior Executive sah jetzt praktisch sofort über den Motorroller hinweg durch die Tiefgarage zum nachhallenden Gong des gegenüberliegenden Fahrstuhls. Dieser spuckte den für Überseeproduktion verantwortlichen Vice President aus, der steif und mit rotem Kopf in den offenen, trübgelben Raum der Garage für Führungskräfte trat.

Der Vertriebsrepräsentant und der für Überseeproduktion verantwortliche Vice President kannten sich nur flüchtig und nur vom Sehen, und der Vertriebsrepräsentant hatte seine Kontaktlinsen in der Herrentoilette der Vertriebsabteilung herausgenommen, bevor er sich an den langen Abend des Aktenstudiums im Neonlicht gemacht hatte. Da der für Überseeproduktion verantwortliche Vice President aber so ein großer Mann war - hochgewachsen, breitgebaut und untersetzt, tagsüber von hinten ein in den Korridoren der Produktionsabt. langsam sich dahinschiebender Rumpf, außerdem von zerfurchten, hochroten Gesichtszügen, als Manager alt genug, um buchstäblich ein Senior Executive zu sein -, erkannte der Vertriebsrepräsentant praktisch sofort, dass es der für Überseeproduktion verantwortliche Vice President war, der aus dem gegenüberliegenden Fahrstuhl in die Tiefgarage für Führungskräfte trat und mit steifem Gang ins Blickfeld des Vertriebsrepräsentanten klackte und klimperte, wobei der große angejahrte Mann den Kopf neigte, als horche er einem unhörbaren Ton nach, abgelenkt, der ganze große Körper eigenartig schief schleichend, stockend, schwankend, so gar nicht mit der klaren Disposition zu Forschheit überzeugend und sich nur per Gewichtsverlagerung von der einen auf die andere Seite bewegend, ein humanoider Ballon mit zu viel Luft, der seinen schwerschlanken Aktenkoffer mit Ledergriff zu dem massiven, schwarzen Brougham schleppte, der neben dem »koboldigen« und behelmten Motorroller des Vertriebsrepräsentanten stand, und die ganze Zeit tastete er mit der Hand voller Taschentücher und Schlüssel an etwas vorne am Mantel herum.

Der Vertriebsrepräsentant beugte sich, um seinen festgeklammerten Helm aufzuschließen. Er bereitete sich auf das männliche und spezielle Gefühl vor, das sich mit der Konversationspflicht zweier Männer mit einer gewissen beruflichen Verbindung einstellt, die sich abends in einem ansonsten leeren und stillen, aber zerbrechlich stillen unterirdischen Raum begegnen, weit unter der riesigen und vage pulsierenden Stätte eines Tagwerks, das beiden lang und beschwerlich geworden ist: der Konversationspflicht ohne die Konversationsprämissen von Nähe, gemeinsamen Neigungen oder Nöten. Sie teilten auch Schmerzen, aber das wussten sie natürlich nicht.

Über die Enthauptung seines Motorrollers gebeugt, suchte der Vertriebsrepräsentant nach Worten, die weder abweisend noch einladend waren, weder schroff noch aufdringlich; er setzte eine Miene von sorgfältiger Ungezwungenheit auf und engte das Spektrum potenzieller Grußformeln auf ein landläufiges »Halloo« ein, das Distanz konzedierte und die lockere Bereitschaft transportierte, diese auch beizubehalten. Vorgebeugt ordnete er seine Gesichtsmuskulatur und gestaltete einen kühlen, aber respektvoll kühlen und beim besten Willen nicht als schmerzerfüllt zu deutenden Ausdruck, mit dem er den unumgänglichen Blick des für Überseeproduktion verantwortlichen Vice President erwidern würde. Die Tür des Fahrstuhls gegenüber glitt zu; dahinter stieg klingend etwas empor.

Der für Überseeproduktion verantwortliche Vice President war noch weit genug entfernt, um Echos hervorzurufen, rückte aus der Peripherie aber langsam näher - ein Ballon, ein Gletscher - auf den Vertriebsrepräsentanten zu, der die frisch geordnete Miene vom (endlich) amputierten Helm hob und sich vom weißen Motorroller dem sich nähernden Senior Executive...
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David Foster Wallace, 1962 geboren, gilt als einer der wichtigsten Vertreter der amerikanischen Literatur. Zahlreiche Veröffentlichungen, u.a. »Unendlicher Spaß«, »Kurze Interviews mit fiesen Männern«, »Der Besen im System« und »Der bleiche König«. David Foster Wallace starb am 12. September 2008.Ulrich Blumenbach, geboren 1964 in Hannover und aufgewachsen in Lüneburg, hat Anglistik und Germanistik in Münster, Sheffield und Berlin studiert und arbeitet seit 1993 als literarischer Übersetzer aus dem Englischen und Amerikanischen sowie als Gelegenheitslektor und -kritiker.