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Wir sind doch Schwestern

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
Deutsch
Kiepenheuer & Witsch GmbHerschienen am08.11.20121. Auflage
Drei Schwestern, drei Leben, drei Lieben - und das Porträt eines Jahrhunderts. Katty, Martha und Adele treffen sich zu Adeles 100. Geburtstag. Sie wollen ihre Zukunft planen, doch vorher gilt es, die Vergangenheit zu klären. Eindringlich verwebt Anne Gesthuysen Gegenwart und Vergangenheit und entfacht dabei ein Feuerwerk von Geschichten, die sich quer durch das 20. Jahrhundert ziehen. Sie erzählt von Katty, der charmanten Strippenzieherin, ihrer Verehrung für Adenauer und ihrer Liebe zu einem unerreichbaren Volksvertreter, von Adeles schicksalhafter Verlobung und dem Spion, den sie versteckte. Von Martha, die ihren Mann an Männer verlor und stets die Lebenslust bewahrte. Vom Tausch eines Huhns gegen ein Rembrandtgemälde, von einem Leumundsprozess, der den gesamten Niederrhein in Atem hielt, und von drei starken Frauen mit dem Mut zur Eigenständigkeit. Große Lebensgeschichten verbinden sich mit herrlichen Anekdoten, das Weltgeschehen mit dem Leben am Niederrhein. Ein unwiderstehliches Buch: so komisch wie berührend, so liebevoll wie wahrhaftig. »Das Leben der Menschen am Niederrhein wurde selten so anrührend genau geschildert wie in diesem besonderen Roman über drei sehr unterschiedliche Schwestern [...].« Deutschlandradio

Anne Gesthuysen wurde 1969 am unteren Niederrhein geboren. Nach dem Abitur in Xanten studierte sie Journalistik und Romanistik. In den 90er-Jahren arbeitete sie bei Radio France. Als Reporterin hat sie für WDR, ZDF und VOX gearbeitet, schließlich auch als Moderatorin. Ab 2002 moderierte sie das »ARD-Morgenmagazin«. Diese Nachtschichten gab sie nach dem großen Erfolg ihres ersten Romans »Wir sind doch Schwestern« Ende 2014 auf, um sich tagsüber an den Schreibtisch zu setzen und weitere Bücher zu schreiben. 2015 erschien ihr zweiter Roman »Sei mir ein Vater«, 2018 folgte »Mädelsabend«. Sie lebt mit ihrem Mann, Frank Plasberg, ihrem Sohn und dem Goldendoodle Freddy in Köln.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR19,99
BuchGebunden
EUR14,00
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR12,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextDrei Schwestern, drei Leben, drei Lieben - und das Porträt eines Jahrhunderts. Katty, Martha und Adele treffen sich zu Adeles 100. Geburtstag. Sie wollen ihre Zukunft planen, doch vorher gilt es, die Vergangenheit zu klären. Eindringlich verwebt Anne Gesthuysen Gegenwart und Vergangenheit und entfacht dabei ein Feuerwerk von Geschichten, die sich quer durch das 20. Jahrhundert ziehen. Sie erzählt von Katty, der charmanten Strippenzieherin, ihrer Verehrung für Adenauer und ihrer Liebe zu einem unerreichbaren Volksvertreter, von Adeles schicksalhafter Verlobung und dem Spion, den sie versteckte. Von Martha, die ihren Mann an Männer verlor und stets die Lebenslust bewahrte. Vom Tausch eines Huhns gegen ein Rembrandtgemälde, von einem Leumundsprozess, der den gesamten Niederrhein in Atem hielt, und von drei starken Frauen mit dem Mut zur Eigenständigkeit. Große Lebensgeschichten verbinden sich mit herrlichen Anekdoten, das Weltgeschehen mit dem Leben am Niederrhein. Ein unwiderstehliches Buch: so komisch wie berührend, so liebevoll wie wahrhaftig. »Das Leben der Menschen am Niederrhein wurde selten so anrührend genau geschildert wie in diesem besonderen Roman über drei sehr unterschiedliche Schwestern [...].« Deutschlandradio

Anne Gesthuysen wurde 1969 am unteren Niederrhein geboren. Nach dem Abitur in Xanten studierte sie Journalistik und Romanistik. In den 90er-Jahren arbeitete sie bei Radio France. Als Reporterin hat sie für WDR, ZDF und VOX gearbeitet, schließlich auch als Moderatorin. Ab 2002 moderierte sie das »ARD-Morgenmagazin«. Diese Nachtschichten gab sie nach dem großen Erfolg ihres ersten Romans »Wir sind doch Schwestern« Ende 2014 auf, um sich tagsüber an den Schreibtisch zu setzen und weitere Bücher zu schreiben. 2015 erschien ihr zweiter Roman »Sei mir ein Vater«, 2018 folgte »Mädelsabend«. Sie lebt mit ihrem Mann, Frank Plasberg, ihrem Sohn und dem Goldendoodle Freddy in Köln.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783462306118
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2012
Erscheinungsdatum08.11.2012
Auflage1. Auflage
SpracheDeutsch
Dateigrösse2461 Kbytes
Artikel-Nr.1216331
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis
9. März 1945
Läuse für die Leber

Unentschlossen blickte Katty sich in ihrem Zimmer um. Was sollte sie einpacken? Alles, was sie besaß, oder nur ein paar Sachen für drei bis vier Tage? Der linke untere Niederrhein war erobert worden. Gestern hatten sie Xanten und Wardt eingenommen. Jetzt sind sie also hier, dachte Katty. Und nun?

Theodor hatten die Alliierten den Tod gebracht. Vor zwei Tagen hatten sie die Brücke von Remagen erobert, das war am Mittwoch gewesen. Noch in derselben Nacht mussten sie Unkel überrannt haben. Und Theodors Garnison hatte wahrscheinlich nichts entgegensetzen können. Theodor hatte in den letzten Wochen Angst gehabt. Vielleicht hatte er sein Ende gespürt. Er hatte Heinrich einen Brief geschrieben, und nachdem der ihn gelesen hatte, hatte er Katty in den Arm genommen und auf die Stirn geküsst. Anders als sonst hatte er ihr den Brief nicht gezeigt, und sie hatte nicht nach dem Inhalt gefragt. Sie nahm sich vor, das nachzuholen. Sie machte sich Sorgen um ihre Geschwister. Josef wohnte mit seiner Familie nicht weit entfernt im Nachbardorf Mörmter. Er packte sicher auch gerade die Koffer. Martha wohnte weiter nördlich in Rees, ebenfalls direkt am Rhein. Sie hatten sich vor vier Wochen zuletzt gesehen, kurz darauf war der Krieg in seiner ganzen Härte am Niederrhein angekommen. In Xanten und Wardt hatte es seit Mitte Februar heftige Gefechte gegeben. Genau zu Karneval hatten die Bomben der Kanadier Xanten fast dem Erdboden gleichgemacht. Ein Turm des Viktor-Doms war dabei eingestürzt. Gott sei Dank hatte gerade keine Messe stattgefunden. Xanten hatte sich inzwischen halbiert, vermutete Katty. Wegen der Nähe zur Weseler Rheinbrücke war der untere Niederrhein seit Wochen ein wichtiges Ziel für die Alliierten. Eigentlich war es ein Wunder, dass sie noch lebten, denn sogar bei ihnen, im kleinen Wardt, waren dreizehn Menschen gestorben. Nach allem, was rheinaufwärts schon passiert war, gab es am Niederrhein viele Gerüchte. Es hieß, die Wehrmacht wolle die Eisenbahnbrücke Wesel sprengen. Was sollte das noch bringen, fragte Katty sich, die Alliierten würden auch ohne die Brücken vorankommen. Ob das jetzt noch ein paar Tage länger dauerte oder nicht, was änderte das schon.

Adele wohnte auf der anderen Rheinseite in Duisburg. Sie war dort Rektorin an einem Mädchengymnasium. Eigentlich hätte sie am Wochenende zu Katty auf den Tackenhof kommen sollen, um mit ihr zu feiern, denn Katty war am Montag fünfunddreißig geworden. Aber an Feiern war nicht mehr zu denken.

Katty warf lustlos drei Wollröcke in ihren Koffer. Sollte sie wirklich den Hof verlassen, nur weil die Alliierten es anordneten? Die Bevölkerung wollen sie schützen, maulte sie, pah, wahrscheinlich wollen sie sich nur die Höfe unter den Nagel reißen. Uns schicken sie nach Bedburg-Hau, und dann können wir sehen, wo wir bleiben. Sie wusste natürlich, dass der Krieg längst verloren war, aber es machte ihr Angst, dass Ausländer plötzlich das Sagen hatten. Sie verstand nur wenige Brocken Englisch, und die vielen Bombennächte im Keller hatten ihr zugesetzt. Dieses durchdringende Zischen und kurz darauf das leichte Wackeln der Erde waren unerträglich gewesen. Manchmal hatte sie gedacht, das sei ihr Ende. Es wäre wenigstens ein schneller Tod gewesen, mehr, als anderen vergönnt war.

Sie hatte ihre Mutter sterben sehen. Ein halbes Jahr lang hatte sie sich gequält, bevor sie es schaffte, das Leben loszulassen. Die Ärzte hatten ihr nicht helfen können, von Anfang an nicht. Sie war plötzlich abgemagert, Schwindsucht sagten die Leute. Der Dorfarzt schaute ihr in die Augen und stellte fest, dass sie gelb waren. Die Leber sei krank, sagte er, sie müsse auf Eier und Käse verzichten; Alkohol sei ebenfalls schädlich. Die ganze Familie wusste, dass es daran nicht liegen konnte, denn die Mutter hatte nie Alkohol getrunken, und seit Monaten aß sie fast nur Brot, von allem anderen wurde ihr übel. Als ihr Zustand sich nach ein paar Wochen nicht besserte, riet ihr der Arzt, sie solle lebende Schafsläuse essen. Das Sekret, das die Insekten beim Sterben absonderten, könne die Leber heilen. Kattys Familie war nicht leichtgläubig. Ihr Vater las viel, alle Geschwister hatten gute Schulen besucht, ihre älteren Schwestern waren sogar Lehrerinnen, und man galt im Dorf als gebildet. Dieser Rat des Arztes erschien ihnen unsinnig und grenzte an Scharlatanerie, dennoch klammerte ihre Mutter sich an die Hoffnung. Sie betete viel. Täglich schleppte sie sich zwei Mal in die Kirche, kniete, so gut es ihre spitzen Knochen noch zuließen, und wenn sie nicht betete, aß sie Weißbrot mit Läusen.

Adele buk das Brot schon damals selbst. Sie war eine Künstlerin. Ihr Weißbrot war luftig, weich und wunderbar süß. Man musste die Scheiben sehr dick schneiden, damit sie nicht zerfielen. Kattys Mutter strengte sich an. Sie wollte gesund werden, wollte weiterleben. Auf das Weißbrot schmierte sie Butter, darin fing sie die Läuse ein. Sie schloss die Augen, biss zu, schluckte und würgte, um dann in sich hineinzuhorchen, ob die Läuse wohl ihre Arbeit taten.

Katty und ihre Geschwister sammelten täglich Schafsläuse ein. Es gab genug davon in Empel, und die Bauern hatten nichts dagegen, wenn die jungen Trautens ihre Tiere von dieser Last befreiten. Die älteren Geschwister legten die Schafe wie beim Scheren auf den Rücken und suchten an den Seiten nach den Läusen. Für Katty war das zu schwierig, sie setzte sich deshalb rittlings auf die Tiere und klaubte die Viecher von oben ab. Manchmal rannten die Schafe einfach los und galoppierten mit ihr durch die Wiese. Nach einer Weile, wenn die Schafe anfingen zu blöken, ließ sie sich hinunterfallen und gönnte ihnen den kleinen Triumph. Die Läuse wurden sorgfältig in einem Einmachglas gesammelt, in dem vorher saure Gurken eingekocht worden waren. Und vermutlich wurden die Insekten von der Restsäure, die noch darin war, sofort betäubt. Jedenfalls machten sie keine Anstalten, aus dem Glas wieder herauszugelangen.

Es war Frühjahr, als sie die ersten Läuse sammelten, und da die Mutter ihre Brote tapfer reinstopfte, nahm sie tatsächlich wieder zu. Die Familie schöpfte Hoffnung, vielleicht würde das merkwürdige Hausmittel tatsächlich wirken. Aber im Sommer verschlechterte sich ihr Zustand erneut. Die Mutter war nur noch Haut und Knochen, allein der Bauch war dick und aufgebläht. Der Darm arbeitete nicht mehr. Sie sah aus, als hätte sie lange Zeit draußen gearbeitet, denn ihre Haut war sonderbar gebräunt. Morgens, wenn die Haut durchblutet war, sah sie sehr gesund aus. Abends in fahlem Licht allerdings wirkte sie längst wie eine Leiche - in Wahrheit war sie nämlich quittegelb. Ihr Lachen, das Katty immer so sehr gemocht hatte, war eingefallen, und im Grunde waren ihre Gesichtsmuskeln nicht mehr stark genug, um die Mundwinkel ganz nach oben zu ziehen. Wenn sie nun lachte, sah es aus, als wäre sie mit offenem Mund im Sitzen eingeschlafen. Die Augen fielen zu, der Mund stand offen und das Glucksen aus der Kehle konnte man nur noch ahnen.

Eines Morgens wurde Katty von ihrem Vater geweckt, sie solle bitte schnell kommen, die Mutter sei verrückt geworden. Katty stand auf und sah ihre Mutter im Nachthemd an der verschlossenen Eingangstür rütteln, im rechten Arm einen alten Besenstiel, an den sie eine Kordel geknüpft hatte. Sie wolle in der Oude Maas angeln und schwimmen, beteuerte sie immer wieder, und man möge sie jetzt endlich gehen lassen. Sie sagte das alles auf Holländisch oder in einem sehr breiten Plattdeutsch, jedenfalls hatte sogar Katty Mühe, sie zu verstehen. Ihre Mutter kam aus Gennep, das lag 1869, als sie geboren wurde, außerhalb des Norddeutschen Bundes. Sie war Holländerin, Gennep gehörte zur Provinz Limburg. Direkt vor ihrer Haustür schlängelte sich ein alter Arm der Maas, in dem hatte ihre Mutter wohl als Kind immer gespielt, und da wollte sie jetzt hin, bepackt mit Angelrute und Eimerchen. Kattys Mutter war wach, aber sie sah ihre Familie nicht. Lästige Hindernisse waren sie auf dem Weg in ihre Kindheit. Sie erkannte weder ihren Mann noch ihre jüngste Tochter, nur der Lieblingssohn Josef durfte sie anfassen. Allerdings nannte sie ihn Joop und glaubte, er sei ihr Bruder. Ihre Familie war darüber entsetzt und traurig, doch trotz allem war es auch komisch, wie die Mutter dastand, auf Holländisch schimpfte und verzweifelt versuchte, sich aus den Umarmungen zu befreien, um endlich die Gummistiefel anzuziehen. Sie wollte eben angeln. Irgendwann kam Josef auf die Idee, sie auf die Wiese hinauszulassen. Er nahm ihre »Angelrute«, führte die Mutter an eine große Kuhtränke und ließ sie gewähren.

Am nächsten Tag konnte sie sich an nichts erinnern. Sie war wach, sie erkannte ihre Familie und schüttelte ungläubig den Kopf, als Katty ihr davon erzählte, wie sie mit Josef in einem Kuhkübel geangelt hatte. Erst lachte ihre Mutter, dann ging die Erheiterung nahtlos in Schluchzen über. Sie hatte Angst und im Grunde wusste sie nicht, was sie mehr fürchtete: das Sterben oder das Verrücktwerden.

Der Angeltag war Vorbote eines Leberkomas gewesen, in das sie wenige Wochen später fiel. Sie erwachte nur noch ein einziges Mal aus diesem Tiefschlaf und schrie dabei vor Schmerzen. Als Katty zu ihr ging, um ihre Stirn mit einem feuchten Tuch zu tupfen und ihr über den Kopf zu streicheln, tobte die Mutter. Mit letzter Kraft nahm sie Kattys Arm und schubste ihn weg. Katty war fast dreizehn. Sie wusste, dass es eine Reaktion auf die Schmerzen sein musste, aber dieser Moment blieb ihr für immer bitter in Erinnerung. Es war die letzte Geste ihrer Mutter, die letzte Berührung, und die besagte: Geh weg.

Katty merkte, dass sie immer noch schlucken...
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Autor

Anne Gesthuysen wurde 1969 am unteren Niederrhein geboren. Nach dem Abitur in Xanten studierte sie Journalistik und Romanistik. In den 90er-Jahren arbeitete sie bei Radio France. Als Reporterin hat sie für WDR, ZDF und VOX gearbeitet, schließlich auch als Moderatorin. Ab 2002 moderierte sie das »ARD-Morgenmagazin«. Diese Nachtschichten gab sie nach dem großen Erfolg ihres ersten Romans »Wir sind doch Schwestern« Ende 2014 auf, um sich tagsüber an den Schreibtisch zu setzen und weitere Bücher zu schreiben. 2015 erschien ihr zweiter Roman »Sei mir ein Vater«, 2018 folgte »Mädelsabend«. Sie lebt mit ihrem Mann, Frank Plasberg, ihrem Sohn und dem Goldendoodle Freddy in Köln.