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Einsam, zweisam, dreisam

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
272 Seiten
Deutsch
Piper Verlag GmbHerschienen am27.02.2013Auflage
Von seiner langjährigen Freundin Karin verlassen, bricht Sig zu neuen Ufern auf. Da begegnet er der rätselhaften Regina, die nicht einmal ihre Telefonnummer preisgibt. Die müsse er selbst herausfinden, meint sie. Doch das Schicksal kommt ihm zur Hilfe und führt ihn wieder zu ihr. Schon bald kommen sich die beiden immer näher. Aber Regina ist von einem seltsamen Geheimnis umgeben, hinter das Sig erst kommt, als es zu spät ist.

Thommie Bayer, 1953 in Esslingen geboren, studierte Malerei und war Liedermacher, bevor er 1984 begann, Stories, Gedichte und Romane zu schreiben. Neben anderen erschienen von ihm die Romane »Das Glück meiner Mutter«, »Das innere Ausland« und der für den Deutschen Buchpreis nominierte Roman »Eine kurze Geschichte vom Glück«.und zuletzt »Einer fehlt«. Thommie Bayer lebt mit seiner Frau in Staufen bei Freiburg.
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Produkt

KlappentextVon seiner langjährigen Freundin Karin verlassen, bricht Sig zu neuen Ufern auf. Da begegnet er der rätselhaften Regina, die nicht einmal ihre Telefonnummer preisgibt. Die müsse er selbst herausfinden, meint sie. Doch das Schicksal kommt ihm zur Hilfe und führt ihn wieder zu ihr. Schon bald kommen sich die beiden immer näher. Aber Regina ist von einem seltsamen Geheimnis umgeben, hinter das Sig erst kommt, als es zu spät ist.

Thommie Bayer, 1953 in Esslingen geboren, studierte Malerei und war Liedermacher, bevor er 1984 begann, Stories, Gedichte und Romane zu schreiben. Neben anderen erschienen von ihm die Romane »Das Glück meiner Mutter«, »Das innere Ausland« und der für den Deutschen Buchpreis nominierte Roman »Eine kurze Geschichte vom Glück«.und zuletzt »Einer fehlt«. Thommie Bayer lebt mit seiner Frau in Staufen bei Freiburg.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783492960274
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2013
Erscheinungsdatum27.02.2013
AuflageAuflage
Seiten272 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2854 Kbytes
Artikel-Nr.1235722
Rubriken
Genre9201
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Inhalt/Kritik

Leseprobe

Zum Beispiel:

Ein amerikanischer Filmregisseur in den vierziger Jahren stellt sich den Himmel als einen Platz vor, an dem Irving Berlin, Cole Porter und George Gershwin Poker spielen. Wenn einer von ihnen vier Asse hat, dann sind das As-dur, As-moll, As-major-seven und as Marilyn got her Skirt blown up by the goddam Luftschacht.

Für einen französischen Regisseur wäre Catherine Deneuve die beste Wahl für die Rolle von Gott. Yves Montand könnte die Mutter Maria spielen. Isabelle Huppert und Nathalie Baye als Heiliger Geist würden abwechselnd den großen Citroen durch die Wolken steuern.

In Italien so etwa dasselbe, nur haben die Frauen riesengroße Brüste und steht mehr Essen auf dem Tisch.

In England kommt man gar nicht auf so eine Idee, denn erstens würde die Schauspielergewerkschaft verlangen, daß zwei Drittel Engländer auf ein Drittel Engel kommen, und zweitens würde Hitchcock auf seiner obligatorischen Nebenrolle bestehen.

Grund genug, die ganze Sache zu vergessen, oder?

Ein deutscher Regisseur (wir verraten nicht, welcher) könnte sich nicht entscheiden, ob er Angela Winkler, Angela Winkler oder Angela Winkler als Maria besetzen soll.

Aber die Filmleute sind wohl die einzigen, die sich den Himmel mit Vorspann und Musik vorstellen. Ein Lastwagenfahrer wird eher eine kerzengrade Autobahn vor seinem geistigen Auge sehen. Ohne Geschwindigkeitsbegrenzung, aber dafür mit Captagon-Tankstellen alle zwanzig Kilometer.

Ein Polizist (wir verraten nicht, welcher) träumt von einer Art Amok-Avus, auf der er den Wasserwerfer mal so richtig bis Hundertzwanzig hochjaulen kann, und ein Melancholiker aus der provinziellsten Großstadt Deutschlands stellt sich Gott so ähnlich wie seinen Turnlehrer vor.

Wir sind da ganz anderer Ansicht. Etwa der, daß im Himmel eine straffe Organisation herrscht. Auch in dem Teil, der für die sogenannte Freie Welt zuständig ist, also Amerika-Erde, Europa-Erde und noch ein paar Gegenden mehr.

Zwar wird in katholischen Kreisen etwas mehr gegessen und getrunken, in evangelischen dagegen eher Leibesertüchtigung getrieben und bei den Orthodoxen getanzt und gemalt, aber allen gemein ist die strenge Hierarchie und die heitere Unterordnung der Menschen.

Das heißt, Mensch ist man ja nicht mehr, wenn man erst mal im Himmel gelandet ist. Eher Seele.

Es gibt wohl den einen oder anderen buddhistischen, hinduistischen oder islamischen Manöverbeobachter, aber alles in allem ist die Stimmung im christlichen Himmel vom entsagungs- und gemütvollen Charakter der Christen geprägt.

In der Sektion Europa-Erde ist die Gelassenheit allerdings auf manchem Gesicht nur vorgetäuscht. Erst in den letzten Jahrtausenden haben sich die Machtverhältnisse verschoben, und es gibt noch manchen Unentwegten, der dem alten Himmel, wie er noch in seiner Jugend war, nachtrauert. Und nicht nur das.

Vor allem die Griechen, die stärkste Fraktion der Unzufriedenen, sind Sand im Getriebe. Sie sabotieren den christlichen Himmel, um das «Scheiß-System», wie sie es nennen, «ganz gezielt zu schwächen».

Agenten!

So manche zynische Zote kann man hören, wenn man in der Baby-Herstellung und im Baby-Versand in die Nähe von kleinen Grüppchen dunkelhaariger, fanatisch dreinschauender Männer kommt. Und wenn keiner hersieht, vertauschen sie die Babies.

Die arglosen Himmelsmanager auf der Verwaltungsebene haben keine Ahnung von diesen Machenschaften. Sie sind sogar so naiv, an «Himmlisches Versagen» beziehungsweise «Schusseligkeit» zu glauben, wenn mal eine Reklamation kommt.

So geht das nun schon seit Jahrhunderten.

Die Presbyterianer-Abteilung in der USA-Halle hat nur ein einziges Förderband. Der «Geburtenservice», der für dieses Band zuständig ist, weiß genau den Tagesbedarf an Babylieferungen für presbyterianische Haushalte. Der Agent der OEF, so kürzt sich die Olympische Einheitsfront ab, hatte leichtes Spiel, als er in der Mittagspause wieder einmal ein halbfertiges Baby vom stehenden Band nahm, es durch ein ebenso halbfertiges aus der Deutschland-Halle ersetzte und schnell wieder zurückhastete, um das gestohlene Ami-Baby in die Lücke des Bandes bei der deutschen Babyherstellung zu schmuggeln.

Die deutsche Babyherstellung heißt «Selbstverwirklichungs-GmbH».

Keiner merkte was. Die Aktion lief so glatt wie immer, denn die Unterschiede in den einzelnen Babymodellen sind innerlich. Von außen sieht eines wie das andere aus.

So kam Joe nach Freiburg.

Mit der eingebauten Idealismus-Begrenzung, dem Kommunismus-Katalysator (Commie-Cat im Fachjargon) und dem sogenannten «Good-Groove-Goal», einer Art Problembewußtseinslimiter im seelischen Schaltkreis, sah sein Lebensplan natürlich völlig anders aus als einer, der sich im Schwarzwald verwirklichen ließe.

Nämlich etwa so:

Tragen einer roten Schildmütze werktags / Eines weißen Stetson sonntags / Rauchen von Marlboro nicht unter einer Schachtel pro Tag / Fahren eines Mack-Trucks / Verachten aller Neger mit Ausnahme des einen guten, den man kennt und gelegentliches Vernaschen einer Drive-in Kellnerin, die die Hamburger auf Rollschuhen serviert.

Hier heißt er Josef. Josef Scharmer.

Die Nachbarskinder riefen ihn Säbby-Bäbby, seine Schulkameraden nannten ihn Sepp. Später nannte er sich selber Kid, dann Jody, dann Joe. Die Namensänderung kostete ihn so viel Lebensenergie, daß er schlecht in der Schule war, aus zwei Lehren flog und seinen armen Eltern überhaupt recht wenig Freude bereitete.

Seine offenbare Ruhelosigkeit und Fehlanpassung legte sich erst, als sogar seine Mutter eingewilligt hatte, ihn Joe zu nennen.

Und nicht mehr Josef oder Josselchen.

Er wurde Taxifahrer, verdiente eigenes Geld, und seine Eltern konnten endlich beruhigt altern. Sie widmeten sich dem Kegeln (was Joe beharrlich «Bowling» zu nennen pflegte) und pusselten den lieben langen Tag in einem kleinen Garten herum, wo sie allerlei eßbares Grünzeug anpflanzten.

Joe hatte nun zwar eine sinnvolle Beschäftigung und eigenes Geld, aber die große Unlust seiner Jugend war geblieben. Irgendwo tief drinnen spürte er, daß er am falschen Platz herumfuhrwerkte. Er wurde das Gefühl nie ganz los, daß man ihn gar nicht beachte. Nie geht es um mich, dachte er manchmal, und das stimmte. Wann immer er im Leben anderer vorkam, war es als Nebensache oder Störfaktor.

Selbst in dieser Geschichte geht es nicht um Joe. Aber wenn er schon hier rumsteht und die Aussicht auf wesentliches verstellt, dann können wir ihn uns auch genausogut ein bißchen genauer anschauen.

Also: Es sieht zwar aus, als wäre es bloß eine Lederjacke mit Koteletten drüber, aber es ist Joe. Lässig lehnt er am Tresen und hat sein Spielbein so angewinkelt, daß er mit dem Absatz des Cowboystiefels in die Chromstange kurz über dem Boden einhakt.

Er läßt die Bauchmuskeln spielen, damit sein Gürtel knarrt. Er mag es, wenn sein Gürtel knarrt. Knarren von Leder ist seit jeher das Geräusch, von dem er sich am besten repräsentiert fühlt. Das klingt so nach Ranch-Koppel in Arkansas.

Knarz.

Also, Joe steht am Tresen angelehnt; der Tresen ist stilistisch an ein englisches Pub angelehnt; die ganze Kneipe ist an so eine dunkelgebeizte Idee von einsamer Männlichkeit angelehnt, und die männlichen Gäste sind größerenteils an Karl Heinz Köpke angelehnt.

Wenn man bloß mal den Bart nimmt.

Frauen kommen hier nicht so vor. Die wenigen, die man sieht, sind an ihre Männer angelehnt. Oder an das, was mal ihre Männer werden soll. Die Frauen sehen aus, als wären sie gerade aus der Brigitte herausgehüpft, und zwar direkt von der Diät-Frisuren-und-Kosmetik-Seite. Auf dieser Seite gibt es immer zwei Bilder von derselben Frau. «Vorher» und «Nachher». Die Frauen hier sehen alle aus wie «Nachher». Nachher, das ist, wenn der Retuscheur seine fünfzig Mark verdient hat. Nachher können die Frauen sich wieder in die Kneipe trauen.

Die Kneipe heißt «Schnakenloch».

In Joes Sprache hieße das «Mosquito-hole» und ergäbe auch nicht mehr Sinn. Schnaken wohnen nicht in Löchern. Sie haben welche, winzigkleine, durch die der Rhesus-Faktor rein kann in das hungrige Schnakenbäuchlein, aber nach diesen Löchelchen ist die Kneipe nicht benannt. Das behaupten wir jetzt mal.

Im Schnakenloch gibt es «Über zwanzig Biersorten», und für jedes dieser Biere kommt einmal der Moment, wo es heißt Abschied nehmen vom heimeligen Faß und an irgendeinem Bart vorbei in den Bierhimmel fließen.

Im Augenblick sitzen nur drei Männer ohne Bart hier. Einer davon ist Joe.

Wer möchte übrigens mal raten, welche Biersorte er trinkt? Richtig. Budweiser.

Die Bärte sind von dieser seitlich anrasierten Art, wie sie bei Hauptfeldwebeln, Karl Heinz Köpke, dem Mann von der Allianz-Versicherung und der Besatzung der niederen Ränge im Tierversuchslabor vorkommt. Der Fachhochschulbart also.

Man muß sich die Gäste etwa so vorstellen: Gerade noch Friedensbewegung, aber schon nicht mehr Tempolimit.

Lauter als Joe jemals mit dem Gürtel knarren kann, knallt Musik aus den Lautsprechern an der Decke, Das muß so sein. Liefe keine Musik, dann redete keiner der Gäste mehr ein einziges Wort. Man könnte es ja hören und womöglich widersprechen. So nickt man einfach mit dem Kopf, wenn man sieht, daß einer den Mund auf, und zumacht, und der ist dann zufrieden, daß er endlich mal so richtig sagen konnte, was er auf dem Herzen hat.

Die Lautsprecher sagen gerade «China Girl».

Scheißmusik, denkt Joe, denn für ihn ist alles Scheißmusik. In seinem Kopf läuft schon seit Jahren eine Endlos-Schleife von «I'm proud to be an Okee of Muskogee», und alles, was nicht...
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Autor

Thommie Bayer, 1953 in Esslingen geboren, studierte Malerei und war Liedermacher, bevor er 1984 begann, Stories, Gedichte und Romane zu schreiben. Neben anderen erschienen von ihm "Die gefährliche Frau", "Singvogel", der für den Deutschen Buchpreis nominierte Roman "Eine kurze Geschichte vom Glück" und zuletzt "Das innere Ausland".