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Sehen lassen

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
230 Seiten
Deutsch
Suhrkamp Verlag AGerschienen am18.02.2013Originalausgabe
Zeigen erregt Aufmerksamkeit. Ein ausgestreckter Finger lenkt den Blick auf eine Sache - aber nicht nur das: Gerade in jüngster Zeit richten sich auch die Blicke diverser Wissenschaften auf das Zeigen selbst. Thema dieses Buches ist der spezifische kulturelle Umgang mit Bildern und Museen, aber auch mit Uhren, Kunstwerken, Kleidung und Gesichtern, der dazu führt, dass diese uns etwas sehen lassen. Lambert Wiesing widerspricht dabei dem verbreiteten Mythos, Bilder würden schon allein deshalb etwas zeigen, weil auf ihnen etwas sichtbar ist. Eine umfassende und präzise philosophische Studie.


Lambert Wiesing, geboren 1963, ist Professor für Philosophie und Inhaber des Lehrstuhls für Bildtheorie und Phänomenologie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Von 2005 bis 2008 war er Präsident der Deutschen Gesellschaft für Ästhetik. Im Suhrkamp Verlag hat er zuletzt veröffentlicht: Luxus (2015), Das Mich der Wahrnehmung. Eine Autopsie (stw 2171) und Ich für mich. Phänomenologie des Selbstbewusstseins (stw 2314).
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR15,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR14,99

Produkt

KlappentextZeigen erregt Aufmerksamkeit. Ein ausgestreckter Finger lenkt den Blick auf eine Sache - aber nicht nur das: Gerade in jüngster Zeit richten sich auch die Blicke diverser Wissenschaften auf das Zeigen selbst. Thema dieses Buches ist der spezifische kulturelle Umgang mit Bildern und Museen, aber auch mit Uhren, Kunstwerken, Kleidung und Gesichtern, der dazu führt, dass diese uns etwas sehen lassen. Lambert Wiesing widerspricht dabei dem verbreiteten Mythos, Bilder würden schon allein deshalb etwas zeigen, weil auf ihnen etwas sichtbar ist. Eine umfassende und präzise philosophische Studie.


Lambert Wiesing, geboren 1963, ist Professor für Philosophie und Inhaber des Lehrstuhls für Bildtheorie und Phänomenologie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Von 2005 bis 2008 war er Präsident der Deutschen Gesellschaft für Ästhetik. Im Suhrkamp Verlag hat er zuletzt veröffentlicht: Luxus (2015), Das Mich der Wahrnehmung. Eine Autopsie (stw 2171) und Ich für mich. Phänomenologie des Selbstbewusstseins (stw 2314).
Details
Weitere ISBN/GTIN9783518789704
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2013
Erscheinungsdatum18.02.2013
AuflageOriginalausgabe
Seiten230 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.1240998
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Inhaltsverzeichnis
1;Cover;1
2;Informationen zum Autor/Buch;2
3;Impressum;4
4;Inhalt;5
5;Vorwort;7
6;Die zwei Richtungen der Zeige-Forschung: Zur Einleitung;9
7;I. Ein Begriff, ein Programm, eine Frage;17
7.1;1. Der Begriff des Zeigens: Konfrontieren und Hinweisen;19
7.2;2. Die Praxis, etwas sich zeigen zu lassen: Das Programm der Phänomenologie;25
7.3;3. Bilder: Wer zeigt wem was womit?;40
8;II. Drei Positionen, drei Probleme;53
8.1;1. Die Illusionstheorie: Bilder zeigen, weil sie Illusionen erzeugen;55
8.2;2. Die Phänomenologie: Bilder zeigen, weil Bilder Phantome erzeugen;66
8.3;3. Die neue Bildmythologie: Bilder zeigen sich selbst;78
9;III. Sechs Beschreibungen;107
9.1;1. Zeigen mit Fingern und Bildern;109
9.2;2. Zeigen mit Zentralperspektive: Das Bauen von Betrachtungssubstituten;141
9.3;3. Zeigen mit Zentralperspektive: Vom Steckenpferd zum Augenzeugenprinzip;157
9.4;4. Das Zeigen von Bildern: Die Aufhebung des Bildes im Museum;180
9.5;5. Das Zeigen von Ursachen mit Wirkungen: Gesichter und Fotografien;192
9.6;6. Zeigen mit artifiziellen Spuren: Der degenerierte Index;216
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Leseprobe
191. Der Begriff des Zeigens:
Konfrontieren und Hinweisen

Der Begriff des Zeigens gehört zu den zentralen Kategorien in der Philosophie Martin Heideggers. So verwundert es nicht, dass man bei ihm mehrere hilfreiche Erklärungs- und Definitionsvorschläge findet. Eine besonders prägnante Definition gibt Heidegger in dem kurzen, heute eher unbekannten Text »Das Wort« aus dem Jahr 1958; dort schreibt er: »Zeigen heißt: sehen lassen, zum Vorschein bringen.«[1] Die Stärke und Genauigkeit dieser Definition wird nicht zuletzt dadurch deutlich, dass man auch beachtet, was Heidegger in dieser nicht sagt. Für Heidegger ist das Zeigen - wie man vielleicht glauben könnte - kein Akt, der in einem bloßen Sichtbar-Machen aufgeht; Zeigen ist mehr als das Schaffen von Wahrnehmbarkeit. Zu einem Akt des Zeigens kommt es vielmehr erst dann, wenn diese Tätigkeit darüber hinaus auch dazu führt, dass das Sichtbar-gemachte von jemandem wirklich gesehen wird - und dies ist nun in der Tat ein gravierender Unterschied, der erfreulicherweise in der Definition von Heidegger beachtet ist. Es geht letztlich um etwas recht Einfaches: Wenn etwas sichtbar ist, so muss es dennoch nicht gesehen werden, denn auch etwas, was nicht gesehen wird, kann sichtbar sein. Wenn etwas sichtbar ist, so besteht ausschließlich die Möglichkeit, dass dieses gesehen werden könnte. Beispielsweise ist die Rückseite des Mondes durchaus sichtbar, obwohl sie kaum von jemandem jemals gesehen wird. Man kann auf einen alten, aber prägnanten deutschen Begriff zurückgreifen: nämlich auf den Begriff sichtig, der bedeutet, dass etwas wirklich gesehen wird. Alles, was sichtig ist, muss sichtbar sein, doch nicht alles, was sichtbar ist, ist sichtig.

Gezeigt wird etwas erst dann und nur dann, wenn der Akt des Zeigens dazu führt, dass das Gezeigte auch wirklich von jemandem gesehen wird - wobei auch diese Bestimmung erst einmal nur eine weitere notwendige, aber auch noch keine hinreichende Eigenschaft des Zeigens angibt. Denn genauso, wie alles, was sichtbar gemacht 20wird, nicht unbedingt deshalb auch schon gezeigt wurde, so wurde auch nicht alles, was sichtig gemacht wird, deshalb unbedingt gezeigt. So überzeugend es ist, dass die Definition Heideggers das Zeigen als Sehen-Lassen definiert, so unbefriedigend ist es, dass sie nicht darauf hinweist, dass der Akt des Sehen-Lassens nur notwendig, aber selbst auch noch nicht hinreichend für eine Definition des Zeigens ist. Erneut gilt es, eine Einschränkung vorzunehmen, wie ein Beispiel leicht belegt: So könnte es sein, dass Touristen auf ihrer Sightseeing-Tour durch Paris zufällig einen Autounfall sehen und sich diesen sogar aufmerksamer als den Eiffelturm anschauen - und dennoch wird man nicht sagen wollen, dass der Reiseführer den Touristen einen Unfall gezeigt habe. Das heißt: Gezeigt wird etwas nur dann, wenn erstens dieses Etwas wirklich gesehen wird und wenn zweitens das Gesehene darüber hinaus auch noch etwas ist, von dem der Zeigende wollte, dass es gesehen wird. Das ist jedenfalls der Unterschied zwischen dem Eiffelturm und dem Unfall: Dass der Eiffelturm während des Stadtrundgangs von den Touristen gesehen wird, war vom Reiseführer intendiert und wurde durch seine Zeige-Handlungen bewirkt; dies lässt sich von dem zufällig gesehenen Unfall nicht behaupten. Man hat es hier mit einem prinzipiellen Phänomen innerhalb des Vorgangs des Zeigens zu tun, das nicht nur den Fall betrifft, dass ein zufälliges Ereignis die Aufmerksamkeit auf sich zieht. Bei jedem Akt des Zeigens wird mehr gesehen, als intendiert war, dass dieses gesehen werden soll - und zwar aus einem einfachen Grund: Alles, was gesehen werden soll, muss sich zwangsläufig vor einem Hintergrund oder in einem Umfeld befinden, der bzw. das selbst auch sichtbar ist, aber in der Regel nicht gezeigt werden soll. Wer jemandem sein Auto zeigt, will eben meistens nicht auch noch die Garage zeigen, obwohl die ebenfalls durch das Zeigen des Autos gesehen wird. Oder anders gesagt: Nicht alles, was der Akt des Zeigens jemanden sehen lässt, ist gezeigt worden - selbst wenn es die Aufmerksamkeit mehr auf sich zieht als das, was gezeigt wurde. Der Begriff der Aufmerksamkeit hilft, um diese Besonderheit des Zeigens genauer zu beschreiben. Denn es lässt sich sagen: Derjenige, der etwas zeigt, muss die Aufmerksamkeit von jemand anderem beabsichtigt auf etwas lenken, und ausschließlich das, was aufgrund der gelenkten Aufmerksamkeit gesehen wird, ist von jemandem gezeigt worden. Deshalb kann ein bloßes Sehen-Lassen von dem unterschieden werden, was 21Heidegger präzise »das zeigende Sehenlassen«[2] nennt. Etwas wird eben nur dann gezeigt, wenn dieses Etwas als etwas gesehen wird, das gesehen werden sollte. Was allerdings auch bedeutet, dass sich ein präzisierter Definitionsvorschlag für das Zeigen formulieren lässt: Zeigen ist das Sehen-Lassen von etwas Intendiertem.

Jeder Akt des Zeigens ist letztlich mit dem Problem verbunden, dass der Blick und die Aufmerksamkeit von jemandem auf etwas Intendiertes gerichtet werden müssen. Wer etwas zeigen will, möchte etwas für jemanden in Erscheinung treten lassen. Und das bedeutet: Wer etwas zeigen möchte, steht letztlich immer vor einem praktischen Problem, für das es prinzipiell nur zwei Lösungsmöglichkeiten geben kann, nämlich: Wie bringe ich jemanden dazu, etwas Bestimmtes zu sehen? Die zwei denkbaren Lösungen liegen auf der Hand: Um zu bewirken, dass etwas von jemandem in den Blick genommen wird, kann erstens dieses Etwas in den Blick gestellt oder aber zweitens der Blick auf dieses Etwas gelenkt werden - und genau diese zwei unterschiedlichen Handlungen lassen sich als die zwei Grundarten des Zeigens verstehen: das Zeigen durch Konfrontation mit der Sache und das Zeigen durch Hinweisen auf die Sache. Zumindest in der deutschen Sprache hat man die Möglichkeit, diese zwei Handlungen als die beiden Grundarten des Zeigens bestimmen zu können. Das ist nicht selbstverständlich: Denn keineswegs in jeder Sprache werden die beiden Akte, wie im Deutschen, gleichermaßen als zeigen angesprochen. Das Englische zum Beispiel scheint keinen so allgemeinen Begriff zu haben, der diese beiden Arten des Zeigens gleichermaßen zur Bedeutung hat. Denn der Akt des Zeigens durch Präsentation und Konfrontation mit der gezeigten Sache entspricht eher der Bedeutung der Begriffe showing oder displaying. Hingegen ist das Zeigen als ein Hinweisen auf das gezeigte Dies-da treffend mit dem Begriff pointing bezeichnet. Man kann daher sagen: Aus englischer Sicht hat man es im Deutschen mit einer Äquivokation zu tun, denn so unterschiedliche Phänomene wie showing und pointing werden im Deutschen mit demselben Wort zeigen bezeichnet. Doch aus deutscher Sicht hat man es keineswegs mit einer Äquivokation zu tun, denn das Wort zeigen hat nicht zwei verschiedene Bedeutungen, sondern bedeutet in beiden Fällen sehen lassen von Intendiertem - bloß dass ebendieser Akt 22in zwei Weisen vollzogen werden kann, die beide daher Formen des Zeigens sind: eben durch Konfrontieren oder showing und durch Hinweisen oder pointing.

Das Zeigen durch einen Akt des Konfrontierens, Vorführens, Präsentierens oder showing dürfte die einfachste Form des Zeigens sein: Jemand lässt jemanden etwas Bestimmtes sehen, indem er das zu zeigende Objekt diesem anderen schlicht vor die Augen hält, ihm so den Anblick aufzwingt. Man denke an den Fall, dass jemand einen Apfel zeigt, indem er diesen Apfel in die Hand nimmt und ihn so in den Blick des anderen hält, sodass dieser ihn sehen muss. Zu dieser Art des Zeigens passt, dass ergänzend etwa gesagt wird Schau mal hier. Es gibt viele Beispiele: Jemand hebt einfach sein T-Shirt, um seine Operationsnarbe zu zeigen - die vielleicht keiner sehen will. Das Zeigen durch Konfrontation ist eine gleichermaßen verbreitete wie auch basale Form des Zeigens: Die Rote Karte eines Schiedsrichters wird auf diese Weise gezeigt, denn er will sichergehen, dass diese nicht nur der sieht, der sie sehen will; dies wäre mit einem Verweis auf etwas Rotes nicht zu erreichen. Hierfür muss im wahrsten Sinne des Wortes jemandem etwas vor die Nase gehalten werden. Doch an welches Beispiel man auch denkt: Das Entscheidende ist stets, dass das Gezeigte in dieser Art des Zeigens selbst der räumlich-dynamische Faktor ist. Das Gezeigte wird so bewegt, platziert, inszeniert und vorgeführt, dass es jemandem unweigerlich in seinen vorhandenen Blick fällt - ja fallen muss, und genau in dieser unausweichlichen Aufdringlichkeit besteht die Unersetzbarkeit dieser Art des Zeigens.

Das Zeigen durch Konfrontation mag eine noch so elementare und einfache Form des Zeigens sein, es verfügt über eine Eigenschaft, welche es auch für weitaus komplexere Kommunikationszusammenhänge unersetzbar sein lässt - und zwar aus einem gleichermaßen einfachen wie wichtigen Grund: Das Zeigen mittels Konfrontation ist die sicherste Möglichkeit, jemandem etwas unabhängig von oder gar gegen seinen eigenen Willen zu zeigen. Nicht umsonst nutzt die Werbung diese Art des Zeigens, man kann sagen: ebendiese unersetzbare Kraft des Vor-Augen-Stellens, wenn ein Produkt, aber auch ein Bild oder ein Schriftzug so platziert werden, dass sie gesehen werden müssen. Der Begriff des Product Placement steht speziell für diese Praxis des Zeigens in der Werbung. Beim Zeigen durch Konfrontation wird der letztlich einfache 23Umstand ausgenutzt, dass Menschen nicht sehen können, was sie wollen, und dass man ihnen etwas zu sehen aufzwingen kann. Weshalb die kategorial besonders eindeutige, moralisch...
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Autor

Lambert Wiesing, geboren 1963, ist Professor für Philosophie und Inhaber des Lehrstuhls für Bildtheorie und Phänomenologie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Von 2005 bis 2008 war er Präsident der Deutschen Gesellschaft für Ästhetik. Im Suhrkamp Verlag hat er zuletzt veröffentlicht: Luxus (2015), Das Mich der Wahrnehmung. Eine Autopsie (stw 2171) und Ich für mich. Phänomenologie des Selbstbewusstseins (stw 2314).