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Die Stadt der tausend Schatten

Roman
Heyneerschienen am01.07.2013
Die Saga um die letzten Menschen auf Erden geht weiter
Dies ist die Geschichte von Annah, die mutterseelenallein in einer zerstörten Welt leben muss - in einer Stadt, deren Stacheldrahtzaun den Bewohnern jedoch kaum Schutz vor den wiederkehrenden Toten bietet. Als Annah Catcher begegnet, keimt Hoffnung in ihr auf. Doch gibt es in einer Welt, die getränkt ist vom Blut der Lebenden, eine Chance auf eine glückliche Zukunft?

Carrie Ryan wurde in Greenville, South Carolina, geboren. Nach einem Jurastudium arbeitete sie als Staatsanwältin, bevor sie ihre eigene Anwaltpraxis gründete. In ihrer Freizeit schreibt sie und hat jetzt ihr viel beachtetes Debüt 'The Forest - Wald der tausend Augen' veröffentlicht. Sie lebt mit ihrem Freund und zwei fetten Katzen in Charlotte, North Carolina.
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Produkt

KlappentextDie Saga um die letzten Menschen auf Erden geht weiter
Dies ist die Geschichte von Annah, die mutterseelenallein in einer zerstörten Welt leben muss - in einer Stadt, deren Stacheldrahtzaun den Bewohnern jedoch kaum Schutz vor den wiederkehrenden Toten bietet. Als Annah Catcher begegnet, keimt Hoffnung in ihr auf. Doch gibt es in einer Welt, die getränkt ist vom Blut der Lebenden, eine Chance auf eine glückliche Zukunft?

Carrie Ryan wurde in Greenville, South Carolina, geboren. Nach einem Jurastudium arbeitete sie als Staatsanwältin, bevor sie ihre eigene Anwaltpraxis gründete. In ihrer Freizeit schreibt sie und hat jetzt ihr viel beachtetes Debüt 'The Forest - Wald der tausend Augen' veröffentlicht. Sie lebt mit ihrem Freund und zwei fetten Katzen in Charlotte, North Carolina.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641095604
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Verlag
Erscheinungsjahr2013
Erscheinungsdatum01.07.2013
Seiten416 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse844
Artikel-Nr.1245340
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe



1

Früher war diese Stadt einmal etwas. Auf Bildern habe ich gesehen, wie sie gestrahlt hat - die Sonne spiegelte sich so grell in den Fenstern, dass man sich die Augen verbrennen konnte. Nachts drangen Lichter aus dem Stahl, schrill wie Pfeifkonzerte, laut und aufdringlich, während den ganzen Tag lang Weißbehandschuhte herbeieilten, um Türen zu öffnen für Frauen, die auf Wolkenkratzerabsätzen einherschwankten.

Manchmal frage ich mich, was mit diesen Frauen passiert ist, als die Rückkehr eintraf - wie haben sie mit derart absurden Konstruktionen an den Füßen rennen und überleben können? Wie anders muss die Welt vorher gewesen sein - wie sicher und bequem.

Die Stadt hat nichts mehr davon. Jetzt strecken sich nackte Streben wie knochige Finger in den Himmel. Die Hälfte der Hochhäuser ist eingestürzt, und Plünderer haben das verschnörkelte Schmiedeeisen schon vor langer Zeit weggeschleppt. Kaum etwas ist übrig ... nur die Angst, die wie Nebel durch die Straßen zieht.

Angst vor den Rekrutern. Angst vor den Ungeweihten. Angst vor morgen.

Trotz allem ist diese Stadt mein Zuhause gewesen. Abgesehen von dem Dorf, in dem ich als Kind gewohnt habe, ist dies die einzige mir bekannte Welt. Sie ist scharfkantig und rau, aber dennoch ein Zufluchtsort für jene, die überleben wollen. Man bezahlt seine Abgaben, man hält sich an die Regeln, und man tut, was nötig ist, um weiterzuleben.

Und deshalb befinde ich mich auf der Neverlandsseite der Palisade, dem Schutz und Schirm der Dunklen Stadt, als sich die Abenddämmerung über den Himmel legt. Hierher ging Elias immer, wenn er unbedingt Geld brauchte, dringend Tauschhandel treiben musste, damit wir unsere Abgaben bezahlen und ein weiteres Jahr in unserer winzigen Wohnung bleiben konnten. Hier kann man sich für die entsprechende Gegenleistung alles eintauschen, und hierhin bin ich heute Nachmittag gekommen, um mir helfen zu lassen, nachdem die Klinge von meinem einzigen Messer abgebrochen ist.

Die Ersatzklinge fest im Griff will ich gerade über eine der zwischen zwei Gebäuden gespannten Brücken gehen, da höre ich ein tiefes, grollendes Husten. Die Dämmerung naht, und Gewitterwolken hängen über dem Fluss, tauchen alles in mattgrünes Licht. Mit kleinen Schritten husche ich schneller dem nächsten Dach entgegen, denn ich will wieder in meiner Wohnung in der Dunklen Stadt sein, bevor es ganz dunkel ist. Doch sobald ich einen Fuß auf die wacklige Brücke setze, ruft jemand: »Das würde ich an deiner Stelle nicht machen.«

Das ausgefranste Tau der Reling in der Hand erstarre ich. Ich bin schon so lange allein, dass ich gelernt habe, selbst auf mich aufzupassen, doch etwas an dieser Warnung lässt mich zögern. Gerade als ich den nächsten Schritt machen will, sagt die Stimme: »Schau nach unten.« Und das tue ich.

Ein Dutzend Stockwerke tiefer liegt von dunklen Schatten eingehüllt die Straße, trotzdem erkenne ich, dass sich etwas bewegt. Ein Stöhnen steigt zwischen den Häusern auf. Die Sonne dringt durch eine Lücke in den Wolken, das Licht fällt in die Straßenschlucht und bricht sich in Augen und gesplitterten Zähnen ... so sieht es zumindest aus.

Mein Blick gewöhnt sich an die Helligkeit, und ich kann Dutzende krallender Finger ausmachen, die aus einem Haufen zerschmetterter Körper heraus nach mir greifen. Eigentlich hätten diese Leute tot sein müssen nach dem Sturz, aber sie sind es nicht. Oder vielleicht sind sie auch gestorben, und die Infektion hat sie als Pestratten wieder zurückgebracht. Ich fröstele, Ekel steigt in mir auf.

Vorsichtig ziehe ich mich auf das Dach zurück, dabei fällt mir auf, wie verrottet die hölzernen Planken sind, die ich gerade betreten wollte. Noch ein Schritt weiter, und ich wäre auch da unten auf diesem Haufen gelandet.

»Du bist die Erste, die auf mich hört und nicht abtaucht.« Mit gezücktem Messer fahre ich herum. Eine Frau kauert zwischen zwei verfallenen Schornsteinen. Sie hält eine verkohlte Pfeife in der Hand, aus der ein Rauchfähnchen aufsteigt.

Ich schaue mich auf dem Dach um, da ich mit irgendeinem Hinterhalt rechne. Die Frau zeigt auf mein Messer. »Nicht nötig«, sagt sie. »Bin allein hier oben.«

Sie steckt sich die Pfeife wieder in den Mund, die Glut leuchtet hell auf, und in diesem Augenblick kann ich ihr Gesicht klar erkennen: dicke, dunkle Ringe um die Augen, Spuren von Tränen oder Schweiß - oder beidem. Dann zieht die verlöschende Glut sie wieder in die Schatten.

Doch vorher sehe ich noch das rohe Fleisch an ihrem Handgelenk, ein Kreis, eitrig von der Infektion. Um die Wunde herum ist das Fleisch geschwollen und nässt - ich erkenne, dass es sich um einen Biss handelt. Wieder zücke ich mein Messer, halte es zwischen uns, es darf nicht zittern.

Normalerweise bin ich recht gut darin, Konfrontationen mit den Ungeweihten zu vermeiden. Ganz gleich, wie vorsichtig man auch sein mag, immer besteht das Risiko, dass es ihnen doch irgendwie gelingt zuzubeißen.

Die Frau zuckt mit den Schultern und inhaliert den Rauch. Das Licht lässt ihre Haut wieder erglühen, und ich sehe, wie ihre Hand zittert. Risse ziehen sich durch den Puder, mit dem sie versucht hat, ihrer alten Haut ein blühendes, frisches Aussehen zu geben - doch sie sieht wie ein gesprungener Spiegel aus.

Ich denke an mein eigenes Gesicht, an die Narben, die die linke Seite meines Körpers überziehen wie ein Spinnennetz. Die Risse dieser Frau können weggewaschen werden. Meine nicht.

Man erkennt sofort, dass sie dem Ende nahe ist - die Infektion wird sie töten. Ich schaue wieder auf den Haufen Leiber in der Schlucht, ihr schwaches Stöhnen dringt zu uns herauf. Bald wird diese Frau eine von ihnen sein. Wenn sie Glück hat, kümmert sich jemand um sie, bevor sie sich wandelt. Wenn sie nicht ...

Ich schlucke.

Mit einer übelkeiterregenden Schwere im Bauch wird mir klar, dass ich diejenige bin, die sie töten müssen wird. Das bringt mich aus dem Gleichgewicht, ich trete ein paar Schritte vom Rand des Daches zurück, plötzlich macht mich die große Höhe unsicher.

Das letzte Abendlicht streift meinen Körper, schenkt mir noch diese eine warme Berührung, ehe es für eine weitere ewige Nacht verschwindet. Die Frau schaut nicht auf mein Messer, sondern auf mein Gesicht, meine Narben.

Sie atmet, doch ihre Brust hebt sich kaum, als sie sagt: »Es gibt Männer, die mögen solche wie dich ... so kaputte.« Sie nickt. Dann lässt sie den Blick an mir vorbei und über die Insel ziehen, hin zu den Ruinen der größeren Gebäude der Dunklen Stadt in der Ferne.

Nein, tun sie nicht, denke ich.

Sie atmet eine in der leichten Brise schwebende Rauchfahne aus. »Aber wahrscheinlich wollen sie das Kaputtmachen am liebsten selber übernehmen.« Sie legt den Daumen auf den Mundwinkel, so als wollte sie verschmierten Lippenstift wegwischen. Dabei trägt sie gar keinen mehr, es ist eine Geste aus Gewohnheit, die längst sinnlos geworden ist.

Ich sollte etwas sagen. Ich sollte beruhigen, trösten, hilfreich sein. Diese Frau ist infiziert, sie hat die letzten Augenblicke ihres Lebens vor sich - und mir wird klar, wie absolut nutzlos ich bin angesichts des Ungeheuerlichen, das hier vorgeht. Also räuspere ich mich nur. Wie in aller Welt soll ich wissen, was dieser Frau Trost spenden könnte?

Ich schaue zurück über das Dach, über das ich gegangen bin. Es wäre ganz leicht für mich, einfach wieder dahin zu gehen, wo ich hergekommen bin - und es einem anderen zu überlassen, sich um diese Frau zu kümmern. Aber das kommt mir unnötig grausam vor. Immerhin bin ich auf dieser Insel genauso allein wie sie. Wenn ich an ihrer Stelle wäre, würde ich mir vielleicht am Ende auch jemanden wünschen, der mir zuhört.

Sie zupft am Rand der Bisswunde, reibt die aggressiven roten Streifen der Blutvergiftung, die sich an ihrem Arm entlangziehen. »Hast du einen Mann?«, fragt sie. »Bist du verliebt?« Sie klingt nervös, als ob es ihr peinlich wäre. Sie scheint zu verstehen, was ich machen werde, und will das Unvermeidliche nur ein wenig hinauszögern.

Ihr Interesse verblüfft mich. »Ich habe einen ...« Ich stolpere über das Wort, dann hauche ich »Bruder«. Das ist die Lüge, die Elias und ich allen erzählt haben, damit es einfacher für uns ist, in der Dunklen Stadt zusammenzuleben. Wir sagen das schon so lange, dass es sich anfühlt wie die Wahrheit.

»Er hat sich den Rekrutern angeschlossen.«

»Wann?« Sie zieht die Augenbrauen zusammen.

Die Frage ist wichtig - wenn er vor der Rebellion angetreten ist, heißt das, er wollte die Welt zum Besseren verändern. Wenn er danach zu den Rekrutern gegangen ist, dann ist er ein Sadist, der es genießt, Menschen ohne Hoffnung unter der Fuchtel zu haben.

»Vor drei Jahren.« Ich habe nur selten laut aussprechen und zugeben müssen, wie lange er schon weg ist. Früher konnte ich einfach einen Tag nach dem anderen hinter mir lassen, von einem Morgen zum anderen leben, ohne alle Tage zu bündeln, auf dass sie Wochen, Monate und Jahre repräsentieren.

Die Frau lacht, ihr feuchter Mund steht offen, und die Lippe wölbt sich auf der linken Seite nach innen, wo ihr ein paar Zähne fehlen. Sie muss nicht sagen, wie absurd diese Hoffnung in...


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Autor

Carrie Ryan wurde in Greenville, South Carolina, geboren. Nach einem Jurastudium arbeitete sie als Staatsanwältin, bevor sie ihre eigene Anwaltpraxis gründete. In ihrer Freizeit schreibt sie und hat jetzt ihr viel beachtetes Debüt "The Forest - Wald der tausend Augen" veröffentlicht. Sie lebt mit ihrem Freund und zwei fetten Katzen in Charlotte, North Carolina.