Hugendubel.info - Die B2B Online-Buchhandlung 

Merkliste
Die Merkliste ist leer.
Bitte warten - die Druckansicht der Seite wird vorbereitet.
Der Druckdialog öffnet sich, sobald die Seite vollständig geladen wurde.
Sollte die Druckvorschau unvollständig sein, bitte schliessen und "Erneut drucken" wählen.

Alentejo Blue

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
368 Seiten
Deutsch
Droemer Knaurerschienen am02.04.20121. Auflage
Ein kleines, malerisches Dorf in Portugal: Mamarrosa. Für die einen ist es die letzte Zuflucht, für die anderen ein Ort, der nichts bietet außer Langeweile. So für die junge, schöne Teresa, die eigentlich weg wäre - gäbe es da nicht den englischen Schriftsteller, der seit kurzem hier lebt. Die Familie Potts dagegen hofft in Mamarrosa das harmonische Leben zu finden, von dem sie schon so lange träumt. Während die Potts kämpfen und träumen zugleich, denkt der alte Juao über sein langes, beschwerliches Leben nach. Auf einem ausschweifenden Fest werden die Sehnsüchte und Ängste aller Bewohner sichtbar - und jeder erkennt, dass er sich an einem Wendepunkt im eigenen Leben befindet.

Monica Ali wurde 1967 in Bangladesch geboren, lebt jedoch seit ihrem dritten Lebensjahr in England. Mit 'Brick Lane', ihrem ersten Roman, landete sie nicht nur sofort auf der Granta-Liste der besten englischsprachigen Autoren, der Roman wurde auch ein riesiger Erfolg in England. 'Brick Lane' wurde in mehr als 20 Sprachen übersetzt. 2006 erschien 'Alentejo Blue', ein Band mit Erzählungen, 2009 der Roman 'Hotel Imperial'. Monica Ali zählt zu den wichtigsten und profiliertesten Schriftstellerinnen Englands. Sie ist verheiratet und lebt mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern in London.
mehr

Produkt

KlappentextEin kleines, malerisches Dorf in Portugal: Mamarrosa. Für die einen ist es die letzte Zuflucht, für die anderen ein Ort, der nichts bietet außer Langeweile. So für die junge, schöne Teresa, die eigentlich weg wäre - gäbe es da nicht den englischen Schriftsteller, der seit kurzem hier lebt. Die Familie Potts dagegen hofft in Mamarrosa das harmonische Leben zu finden, von dem sie schon so lange träumt. Während die Potts kämpfen und träumen zugleich, denkt der alte Juao über sein langes, beschwerliches Leben nach. Auf einem ausschweifenden Fest werden die Sehnsüchte und Ängste aller Bewohner sichtbar - und jeder erkennt, dass er sich an einem Wendepunkt im eigenen Leben befindet.

Monica Ali wurde 1967 in Bangladesch geboren, lebt jedoch seit ihrem dritten Lebensjahr in England. Mit 'Brick Lane', ihrem ersten Roman, landete sie nicht nur sofort auf der Granta-Liste der besten englischsprachigen Autoren, der Roman wurde auch ein riesiger Erfolg in England. 'Brick Lane' wurde in mehr als 20 Sprachen übersetzt. 2006 erschien 'Alentejo Blue', ein Band mit Erzählungen, 2009 der Roman 'Hotel Imperial'. Monica Ali zählt zu den wichtigsten und profiliertesten Schriftstellerinnen Englands. Sie ist verheiratet und lebt mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern in London.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783426416556
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2012
Erscheinungsdatum02.04.2012
Auflage1. Auflage
Seiten368 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse685 Kbytes
Artikel-Nr.1247599
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


Eins


Zuerst dachte er, es wäre eine Vogelscheuche. Als er herauskam, um im matten Licht des Morgens seine Blase zu leeren, und dabei wie immer den alten Judasbaum pries, wandte Joao den Kopf und sah die dunkle Gestalt zwischen den Bäumen. Es dauerte etwas, bis er den Reißverschluss wieder geschlossen hatte. Seine Finger verhielten sich wie feindliche Agenten. Sie gaben vor, sein Werkzeug zu sein, arbeiteten jedoch insgeheim gegen ihn.

Joao trat unter den bemoosten Ästen hervor und hatte dabei nur einen Gedanken: Vierundachtzig Jahre auf dieser Erde sind eine Ewigkeit.

Er griff nach Ruis Stiefel. Sie berührten fast den Boden. »Mein Freund«, sagte er, »lass mich dir helfen.« Er sammelte Mut, um aufzublicken und in sein Gesicht zu sehen. Als es so weit war, flüsterte er mit der kratzigen Stimme eines alten Mannes: »Querido, Ruizhino.«

 

Joao stellte sich auf den Holzblock, den Rui weggetreten hatte, nahm sein Taschenmesser und fing an, das Seil zu durchtrennen. Mit dem freien Arm umfasste er Ruis Oberkörper unter der Achsel und spürte, wie das Gewicht sich verlagert, als die Fasern unter der Klinge auseinander sprangen.

Die Mandelbäume blühten dieses Jahr früh. Auch die Tomaten würden schnell reifen und trügerisch rot werden, aber nach nichts schmecken. Joao nahm Ruis verkrampfte Hand in seine und dachte: Das sind die Dinge, die ich weiß. Es war Zeit, die Saubohnen zu pflanzen. Der Boden, auf dem der Mais gewachsen war, musste ruhen. Die Oliven würden dieses Jahr hart und klein sein.

Er saß im hohen Gras an den Holzblock gelehnt, und Rui lehnte an ihm. Er bewegte Ruis Kopf, damit er bequemer an seiner Schulter lag. Dann schlang er die Arme um Ruis Körper. Zum zweiten Mal hielt er ihn.

 

Sie waren siebzehn und hungrig, als sie sich in einem Viehwaggon, der nach Osten zu den Weizenfeldern fuhr, kennen lernten. Rui zog ihn wortlos herein, und später sagte er: »Es gibt Arbeit für alle. Habe ich gehört.« Joao nickte, und als die Berge in flaches Land übergingen, das sich wie ein goldenes Versprechen vor ihnen erstreckte, neigte er sich zu ihm hinüber und sagte: »Jeder, der arbeiten will, findet Arbeit.« Sie verlagerten das Gewicht auf den hölzernen Planken und taten so, als würde ihr Hintern nicht schmerzen, und schauten hinaus, sahen weiter, als sie je zuvor gesehen hatten, weiße Dörfer wie Schaum vor dem Blau, Land, das gegen den Himmel brach.

Am dritten Tag stiegen sie am Rand einer Kleinstadt aus, und die Kinder, die zu ihnen gerannt kamen, waren genauso heruntergekommen wie Joaos Brüder und Schwestern. Joao blickte zu Rui, aber Rui biss die Zähne zusammen und schwang die Beine über den Rand des Waggons wie die anderen Männer. Die Älteren wurden zum Korkschälen oder zum Pflügen der Felder geholt, während Joao und Rui mit den Händen in den Taschen stehen blieben. Joao hatte solchen Hunger, dass er ihn in den Beinen und Händen und in der Kopfhaut spürte. Sie gingen an den armseligen Häusern vorbei - die Frauen standen in den Türen, die Hunde schnüffelten in der Gosse - in die Mitte des Ortes. »Wir bleiben zusammen«, sagte Rui. Er hatte grüne Augen, eine schmale Nase und weiße Haut, als wäre er noch nie in der Sonne gewesen.

»Wenn uns jemand will, muss er uns beide nehmen«, sagte Joao, als sei er Herr über sein Schicksal.

Sie erbettelten einen halben Laib Brot im Café dafür, dass sie den Boden wischten und den Abfall wegschafften, und schliefen mit offenem Mund auf dem Kopfsteinpflaster der Straße. Als er erwachte, sah Joao als erstes Ruis Gesicht. Den Schmerz in seinem Bauch deutete er als Hunger.

Gemeinsam suchten sie im Abfall nach Essbarem, und sie schliefen Seite an Seite. Sie trieben sich mit den anderen Männern herum, die auf Arbeit warteten, und lernten eine Menge: Wie man ein paar Worte zu einer Unterhaltung streckte, wie man an einer Mauer lehnte, wie man spuckte und wie man Gleichgültigkeit zur Schau stellte.

Am Ende des Platzes befand sich ein zweistöckiges Gebäude mit einem vergitterten Fenster im Erdgeschoss. Joao hatte noch nie zuvor ein Gefängnis gesehen. Die Häftlinge saßen am Fenster, unterhielten sich mit Freunden oder nahmen Essen von Verwandten entgegen. Eines Tages versammelten sich ungefähr ein Dutzend Leute davor. Joao und Rui hatten nichts anderes zu tun.

»Er redet von Opfern. Wer soll diese Opfer bringen, meine Freunde? Denkt darüber nach.«

Niemand blickte zu dem Häftling. Sie standen nur herum und warteten, obwohl es nichts zu warten gab.

Der Häftling klammerte sich an die Gitterstäbe und drückte das Gesicht dagegen. Seiner Nase gelang die Flucht. »Salazar«, sagte er, »bringt keine Opfer.«

Alle rührten sich, als hätte der trockene Wind Angst herangeweht.

»Hört mal her«, sagte der Häftling. Sein Gesicht war schmal und zusammengekniffen, als hätte er zu oft versucht, es durch den schmalen Spalt zu quetschen. »Im ganzen Alentejo besitzen vier Familien drei Viertel des Landes. So war es auch in anderen Ländern, zum Beispiel in Russland. Aber jetzt gehört das russische Land dem russischen Volk.«

Keiner sah den anderen ins Gesicht. Es war gefährlich, die Gedanken anderer zu lesen.

Joao blickte zu Rui. Rui wusste nicht, was die anderen wussten, oder es war ihm gleichgültig. Er schaute dem Häftling direkt ins Gesicht.

»Das Volk erwirtschaftet den Wohlstand, aber der Wohlstand gehört nicht dem Volk.«

Die Männer nahmen die Hände aus den Taschen, als wollten sie ihre Ersparnisse weggeben, bevor sie die Stadt verließen. Der Häftling schob die Hände zwischen die Gitterstäbe und bewegte sie aus dem Handgelenk auf und ab. »Uns ist es verboten, barfuß zu gehen. Salazar hat es verboten.« Der Mann lachte, und sein Lachen war so frei, wie sein Körper gefangen war. »Schaut nur, so müssen wir unsere Füße binden. Solange unsere Füße in Schuhen und Lumpen stecken, müssen unsere Bäuche voll sein.«

Ein alter Mann mit krummem Rücken, der den ganzen Tag auf Füße schauen musste, brummte laut und zustimmend. Ein jüngerer Mann, der Tränen der Wut wegblinzelte, sagte: »Das stimmt.«

Der Häftling verschwand in der dunklen Zelle, als hätte ihn eine unbekannte Kraft zurückgerissen, vielleicht die Dunkelheit selbst.

Alle freien Männer stellten fest, dass sie woanders etwas zu erledigen hatten.

»Rui«, sagte Joao, »wir gehen besser.«

Rui stand da, die Hände in die Hüften gestemmt, und warf den Kopf zurück wie ein Stierkämpfer. »Es ist vorbei«, sagte Joao. Er fasste Rui am Ellbogen und zog ihn fort.

 

Später kam ein Mann auf den Platz und winkte Joao. »Willst du arbeiten?«

»Ich mache alles«, sagte Joao. »Bitte.«

»Komm mit«, sagte der Mann und drehte sich um.

»Mein Freund«, sagte Joao und schaute zu Rui, der pfiff und mit der Ferse gegen die Mauer trat.

Der Mann ging weiter.

»Warten Sie«, rief Joao. »Ich komme.«

 

Er blickte auf und sah Ruis Hut auf einem großen Stein liegen, in einem Kreis aus milchigem Licht. Er stellte sich vor, wie Rui dort gesessen und den Hut ein letztes Mal abgenommen hatte.

Joaos Rückgrat war steif, und in seiner Brust schmerzte es. Er veränderte seine Stellung im feuchten Gras und sah, wie komisch Ruis Beine dalagen. Seine Hose war mit Schmutz gesäumt. Ein Fuß zeigte nach unten, der andere nach oben. Für uns gibt es kein Entspannen, dachte Joao.

Er war wie jeden Donnerstag da gewesen, vor der Junta de Freguesia, um Boule zu spielen. Alle waren da: Jose, Manuel, Nelson, Carlos, Abel und die anderen. Nur Mario war nicht gekommen, weil er sich die Hüfte gebrochen hatte. »Dieser Manuel«, sagte Rui, »bescheißt doch immer.« »Dieser Rui«, sagte Manuel, »ist ein dummer Esel.« Alles war so wie während der letzten achtzehn Jahre. Damals war Rui nach Mamarrosa gekommen, und Joao und Rui waren die jüngsten gewesen. »Carlos«, sagte Abel, »du wirfst wie eine Frau.« »Halt den Mund«, sagte Carlos, »was weißt du schon von Frauen.«

Malhadinha war die beste Art zu reden.

Man rollte die Kugel über den Rasen und die Worte hinterher. Auf diese Weise mussten sie sich nicht ansehen.

Anschließend sperrten sie die Kugeln in der Junta ein und gingen ins Café, um etwas zu trinken.

»Meine Enkelin will nach Lissabon«, sagte Jose.

»Mein Sohn ist von London nach Glasgow gegangen«, sagte Rui.

»Meine Tochter«, sagte Carlos, »sagt, dass sie mich rauswirft, wenn ich nachts noch einmal huste. Aber das sagt sie immer.«

Als es Zeit zum Schlafen war, ging Joao mit Nelson, und Rui ging mit Manuel. Manchmal ging Joao mit Manuel. Manchmal ging er mit Jose oder Antonio oder Mario. Aber in all den Jahren war er nie allein mit Rui gegangen.

Joao wollte nicht derjenige sein, der Ruis Frau den Hut brachte. Er überlegte, was er tun sollte. Ein Vogel landete auf der Krempe des Huts. Er war golden mit schwarzem Kopf und schwarzen Beinen. Nie zuvor hatte Joao so einen Vogel gesehen, und er deutete ihn als Zeichen, den Hut zu behalten. Dann fiel es ihm wieder ein. Ruis Frau, Dona Rosa Maria, war nicht letztes Jahr, sondern schon vor zwei Jahren gestorben. Der Tag, an dem sie beerdigt wurde, war glühendheiß gewesen. Der vierte Juli: Gedenktag an Isabella von Portugal, Schutzheilige der schwierigen Ehen und der zu Unrecht Beschuldigten.

 

Als sie sich zum zweiten Mal begegneten, waren sie Männer.

 

Joao ging an der Parade der Grünhemden auf der Praca Souza Prado vorbei und stieg die Stufen zur Rua Fortunato Simoes Dos Santos hinauf. Er war unterwegs zu seiner bevorzugten Kneipe. Oben an der Treppe drehte er sich um...
mehr

Autor

Monica Ali wurde 1967 in Bangladesch geboren, lebt jedoch seit ihrem dritten Lebensjahr in England. Mit "Brick Lane", ihrem ersten Roman, landete sie nicht nur sofort auf der Granta-Liste der besten englischsprachigen Autoren, der Roman wurde auch ein riesiger Erfolg in England. "Brick Lane" wurde in mehr als 20 Sprachen übersetzt. 2006 erschien "Alentejo Blue", ein Band mit Erzählungen, 2009 der Roman "Hotel Imperial". Monica Ali zählt zu den wichtigsten und profiliertesten Schriftstellerinnen Englands. Sie ist verheiratet und lebt mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern in London.