Hugendubel.info - Die B2B Online-Buchhandlung 

Merkliste
Die Merkliste ist leer.
Bitte warten - die Druckansicht der Seite wird vorbereitet.
Der Druckdialog öffnet sich, sobald die Seite vollständig geladen wurde.
Sollte die Druckvorschau unvollständig sein, bitte schliessen und "Erneut drucken" wählen.

Zwölf Schritte

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
Deutsch
Rowohlt Verlag GmbHerschienen am01.10.20111. Auflage
Im hohen Norden wird viel getrunken. Und viel gemordet. Den Alkoholentzug hat er gerade hinter sich. Jetzt will Magni sein Leben wieder in den Griff bekommen und vor allem seine Ex-Frau Iðunn zurückgewinnen. Iðunn ist Kriminalkommissarin in Reykjavík und ermittelt in ihrem ersten Mordfall - aus dem bald eine bestialische Mordserie wird. Beunruhigenderweise entstammen alle Opfer dem Milieu der Anonymen Alkoholiker. Und der Täter bewegt sich Schritt für Schritt, Mord für Mord auf Magni zu ... «Spannung vom Feinsten, geschickt konstruiert und anspruchsvoll.» (Morgunblaðið)

Lilja Sigurðardóttir, Jahrgang 1972, studierte Erziehungswissenschaften und arbeitet heute in der Internetbranche. In ihrer Freizeit schreibt sie Bücher. 2008 gewann sie mit ihrem Thrillerdebüt «Zwölf Schritte» den Schreibwettbewerb des Verlages Bjartur, der auf der Suche nach dem «isländischen Dan Brown» war.
mehr

Produkt

KlappentextIm hohen Norden wird viel getrunken. Und viel gemordet. Den Alkoholentzug hat er gerade hinter sich. Jetzt will Magni sein Leben wieder in den Griff bekommen und vor allem seine Ex-Frau Iðunn zurückgewinnen. Iðunn ist Kriminalkommissarin in Reykjavík und ermittelt in ihrem ersten Mordfall - aus dem bald eine bestialische Mordserie wird. Beunruhigenderweise entstammen alle Opfer dem Milieu der Anonymen Alkoholiker. Und der Täter bewegt sich Schritt für Schritt, Mord für Mord auf Magni zu ... «Spannung vom Feinsten, geschickt konstruiert und anspruchsvoll.» (Morgunblaðið)

Lilja Sigurðardóttir, Jahrgang 1972, studierte Erziehungswissenschaften und arbeitet heute in der Internetbranche. In ihrer Freizeit schreibt sie Bücher. 2008 gewann sie mit ihrem Thrillerdebüt «Zwölf Schritte» den Schreibwettbewerb des Verlages Bjartur, der auf der Suche nach dem «isländischen Dan Brown» war.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783644451216
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2011
Erscheinungsdatum01.10.2011
Auflage1. Auflage
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.1248638
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


[zur Inhaltsübersicht]

Zweites Kapitel Glaube


Ich starre auf die Fotos der Leiche und kann nicht glauben, dass das die Überreste eines Mannes sein sollen, der vor kurzem noch gelebt hat. Es kommt mir vor, als hätte ich ein Foto einer Theaterkulisse oder einer Installation im Nýlistasafn, dem Museum für zeitgenössische Kunst, vor mir. Der Mann ist an ein riesengroßes Holzkreuz an der Wand geschlagen, der Kopf hängt über der Schulter, die Beine sind verschränkt, und Nägel bohren sich durch Hände und Füße. Er trägt nur eine Unterhose, am Oberkörper klafft an der Seite eine Wunde, ein Kranz aus Stacheldraht thront auf seinem Kopf, Blut ist über sein Gesicht, über seinen Körper und die weiße Wand geflossen. Ein großes Gemälde von Tolli neben der Leiche lässt die Inszenierung noch unwirklicher erscheinen. Auf dem Gemälde ist ein Berg zu sehen, umgeben von einem stillen Himmel mit vereinzelten Wolkenfetzen. Es hat den Anschein, als hätte jemand diese Wanddekoration mit höchster Präzision angebracht, um sich an der Vollkommenheit der Darstellung zu erfreuen. Uns ist der Appetit vergangen, und die Brötchen, die ich heute Morgen in der Bäckerei geholt habe, liegen unberührt auf dem Tisch. Iðunn nippt von Zeit zu Zeit an ihrem Tee, mein Kaffee dagegen wird kalt.

«Das ist mein erster Mordfall», sagt sie, und ich kann nicht erkennen, was in ihrer Stimme überwiegt, Stolz oder Angst.

«Was für ein Mensch macht so was?», sage ich und stöhne auf. Während ich mir die Fotos anschaue, empfinde ich statt Mitleid mit dem Toten nur noch Ekel und Befremdung. Als ob meine Seele betäubt wäre und der Körper die Aufgabe übernähme, die Reaktionen angesichts dieser unendlichen Grausamkeit zum Ausdruck zu bringen, die dafür verantwortlich war, dass einem Menschen derart übel mitgespielt wurde. Mir wird schlecht.

«Ich muss herausfinden, was passiert ist», sagt Iðunn. «Im Moment haben wir keine Hinweise.» Sie nimmt die Bilder und steckt sie wieder in die braune Mappe. Ich bin erleichtert, dass ich sie nicht länger betrachten muss, und nehme einen Schluck kalten Kaffee.

«Ich bin für dich da, wenn ich dir irgendwie helfen kann», sage ich und hoffe, dass sie mir mit ihrer Bitte gestern im Auto signalisieren wollte, dass sie jemanden braucht, dem sie vertrauen und mit dem sie reden kann, vielleicht braucht sie auch eine Schulter, um sich auszuheulen.

«Danke. Ich benötige tatsächlich deine Hilfe», sagt sie und holt tief Luft. Es ist ziemlich offensichtlich, dass sie keine Schulter zum Ausheulen braucht, und ich spüre, wie mir ein Angstschauer über den Rücken läuft.

«Das Opfer war ein trockener Alkoholiker und Mitglied der Anonymen Alkoholiker. Er war seit fünf Jahren abstinent und besuchte einmal die Woche ein Meeting. Ich wollte dich bitten, zu den Versammlungen zu gehen und Augen und Ohren offen zu halten», erklärt sie, als wäre es die selbstverständlichste Sache der Welt.

«Aber Iðunn, ich bin erst gestern aus dem Entzug entlassen worden!», antworte ich erregt, ich bin verwirrt. «Ich bin erst bei einem einzigen Meeting gewesen! Du findest bestimmt jemand, der erfahrener ist als ich, oder du gehst einfach selber hin. Du brauchst ja nichts zu sagen.»

«Erstens muss es ein Mann sein, da er viele Männermeetings besucht hat, zweitens bringt es nichts, wenn jemand dort herumschnüffelt, von dem alle wissen, dass er Polizist ist, und drittens musst du sowieso zu diesen Meetings. Das hält dich bei der Stange.»

Ich würde sie am liebsten anschnauzen und ihr sagen, dass es nicht gerade angebracht ist, bei diesen Meetings an etwas anderes zu denken als an seine eigene Genesung, aber ich halte den Mund. Das Gefühl, dass ich ihr etwas schuldig bin, ist zu stark, diese Art von Egoismus kann ich mir nicht leisten.

«Ich bin kein Geheimagent, Iðunn. Du weißt, dass ich nicht der Typ bin, der Leute verhört, und zudem habe ich keine guten Nerven, wenn Gefahr droht.»

«Du sollst dich nicht in Gefahr begeben, mein lieber Magni, sondern lediglich die Augen offen halten und mich wissen lassen, ob dir ein oder mehrere Verdächtige auffallen oder dir Gerüchte zu Ohren kommen.» Die Worte mein lieber Magni lassen jeglichen Widerstand dahinschmelzen, und als ob sie es spürt, fügt sie sofort hinzu: «Aber der Hauptgrund, warum ich zu dir komme, ist, dass ich dir vertrauen kann.»

«Sind das anerkannte Arbeitsmethoden bei der Kriminalpolizei, ehemalige Partner in die Ermittlungen mit einzubeziehen?», frage ich schließlich, ohne jegliche Hoffnung, dass dieser letzte Strohhalm mir aus der Klemme helfen könnte.

«Ja, wir arbeiten mit Informanten und anderen Leuten zusammen, die uns behilflich sein können, und mein Vorgesetzter hat diese Maßnahme gutgeheißen.»

Informanten. Was für eine seltsame Berufsbezeichnung. Sie ist offensichtlich davon ausgegangen, dass ich zusagen würde, denn sie hat eine Schweigepflichterklärung vorbereitet, in der es heißt, dass ich zur Verschwiegenheit verpflichtet bin in Bezug auf das, was ich während der Zusammenarbeit mit der Polizei erfahre. Obwohl mich meine innere Stimme zur Vernunft aufruft, unterschreibe ich. Ich weiß nicht, ob ich es aus schlechtem Gewissen Iðunn gegenüber tue, da ich mich ihr gegenüber verpflichtet fühle, oder ob ich einen klitzekleinen Hoffnungsschimmer in meiner Brust verspüre, weil ich nun Gelegenheit habe, sie häufiger zu sehen.

 

Das Haus ist eines dieser neumodischen Häuser mit schrägem Dachfirst, es erinnert mich an ein Schiff und ist riesengroß. Die eine Hälfte besteht aus zwei Stockwerken, während die andere über eine doppelte Raumhöhe verfügt. Küche und Wohnzimmer bilden einen großen Raum, in der Mitte steht eine offene Küchenkombination. Der gekreuzigte Mann war offensichtlich nicht nur stinkreich, sondern auch ein Kenner der neuesten Trends im Bereich Innenarchitektur. Die Farbe Weiß dominiert das Innere des Hauses, sodass es zum Teil an eine Arztpraxis erinnert, aber ein wohlplatziertes Gemälde, eine Skulptur in der Ecke und eine Pflanze am Fenster schaffen eine warme Atmosphäre.

«Es scheint nichts gestohlen worden zu sein», sagt Iðunn und steigt unbefangen über die gelben Absperrbänder und die Kreidestriche auf dem Boden.

«Wie wollt ihr das wissen, wenn der Besitzer tot ist?», frage ich.

«Wir haben von der Versicherungsgesellschaft eine Liste über die Wertsachen im Haus erhalten, und zudem haben wir mit seinem Freund, genauer gesagt dem Liebhaber des Verstorbenen, gesprochen.»

«Dann war er also schwul?», frage ich, und auf einmal erhält die Kreuzigung eine neue Bedeutung.

«Ja, wir haben den Liebhaber überprüft. Er steht nicht unter Verdacht. Er war im Ausland und ist am Boden zerstört. Er wollte nichts davon wissen, dass der Tote irgendwelche Feinde hatte oder mit jemandem im Streit lag.»

«Wie hieß der Verstorbene?»

«Er hieß Jón Ágúst Karlsson, war sechsunddreißig Jahre alt und Architekt.»

Im selben Augenblick betreten wir das Wohnzimmer, und ich erblicke die Wand, die ich heute Morgen schon auf den Fotos gesehen habe. Die unmittelbar zu greifende Realität dessen, was in diesem Haus geschehen ist, dringt in mein Bewusstsein, und ich verspüre einen schmerzenden Stich im Hals. Das Ganze wird irgendwie noch konkreter, wenn man den Namen des Mannes kennt. Jón Ágúst ist ein derart geläufiger Name, dass man nicht wirklich versteht, warum jemand einen Mann töten sollte, der einen solch alltäglichen Namen trägt. Einen kurzen Augenblick fühle ich mich, als ob ich gleich in Ohnmacht falle, und ich frage Iðunn schnell, ob es in Ordnung ist, wenn ich mich in einen Stuhl in der Wohnzimmerecke setze.

«Ja, kein Problem, die Ermittlungen im Haus sind schon lange abgeschlossen», antwortet sie und fischt aus ihrer Tasche ein Bonbon und reicht es mir. «Das erhöht den Blutdruck», sagt sie. Ich zerkaue energisch das Bonbon und überlege, ob ich in ihren Augen eine totale Memme bin. Die Leiche ist entfernt worden, aber an der Wand hängt immer noch das riesige Holzkreuz aus dicken, grobgehobelten Balken, das mit einer Betonschraube oben an der Wand direkt unter dem hohen Dachfirst befestigt ist. Es reicht bis zum Boden. Das Blut sieht im Tageslicht beinahe schwarz aus und ist über das gesamte Kreuz und zu beiden Seiten über die Wand gelaufen. Links vom Kreuz hängt das Gemälde von Tolli. Die Blautöne und die Tiefe treten stärker hervor als auf den Fotos. Rechts vom Kreuz, etwas nach unten versetzt, hängt ein kleines Gemälde, das ich auf den Fotos nicht bemerkt habe. Es ist ein klassisches Landschaftsbild, offensichtlich eine isländische Landschaft: ein blauer Fjord, eine Landspitze in grüner Umgebung und im Vordergrund graue Steine. Als das Ohnmachtsgefühl verschwunden ist, stehe ich auf und versuche die Signatur zu entziffern, kann aber den Künstlernamen nicht ausmachen.

«Weißt du, wer dieses Bild gemalt hat?», frage ich Iðunn, und sie schüttelt den Kopf.

«Warum fragst du?» Sie kommt zu mir und bemüht sich ebenfalls, die Unterschrift zu entschlüsseln.

«Ich habe mich einfach gefragt, weil er schwul war, ob ihr die Symbolik der Kreuzigung etwas genauer unter die Lupe genommen habt», erwidere ich und versuche, mir die Meldungen über die Beziehung zwischen den Homosexuellen und der Kirche in den letzten Jahren in Erinnerung zu rufen.

«Hm, das meinst du», sagt Iðunn. «Ich werde nachschauen, ob auf der Versicherungsliste aufgeführt ist, von wem das Gemälde stammt.»

Vom Wohnzimmer aus machen wir einen Rundgang durch das Haus, es wirkt aufgeräumt, und es sind keine Anzeichen eines Kampfes zu sehen. Die Matratze im Schlafzimmer ist abgezogen, und ich schaue Iðunn fragend an, die mir...
mehr

Autor

Lilja Sigurðardóttir, Jahrgang 1972, studierte Erziehungswissenschaften und arbeitet heute in der Internetbranche. In ihrer Freizeit schreibt sie Bücher. 2008 gewann sie mit ihrem Thrillerdebüt «Zwölf Schritte» den Schreibwettbewerb des Verlages Bjartur, der auf der Suche nach dem «isländischen Dan Brown» war.
Weitere Artikel von
Sigurdardóttir, Lilja
Weitere Artikel von
Schamberger, Angela
Übersetzung