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E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
Deutsch
Rowohlt Verlag GmbHerschienen am01.10.20121. Auflage
«Wir haben, was Sie brauchen ... Gar nicht so schlimm in Brandenburg.» In dem von unbeugsamen Brandenburgern bevölkerten Dörfchen Amerika scheint sich alles zum Guten gefügt zu haben: Die alpenländischen Aliens, die Moors, sind in die Gemeinschaft der Einheimischen aufgenommen und die anfänglichen Probleme um den Hof gelöst. Doch da gibt der geliebte Hürlimann-Traktor den Geist auf, und auf einmal steht nicht nur der häusliche Friede, sondern auch die Ehre des Neubauern auf dem Spiel. Helfen kann nur Hürli-Gott Jakob aus der Schweiz, auch wenn Bauer Müsebeck, Teddy und Krüpki so ihre Zweifel haben. Als dann auch noch ein Bayer im hellblauen Tangaslip die ersten Wasserbüffel nach Amerika bringt, stehen neue, skurrile und anrührende Herausforderungen ins Haus.

Dieter Moor, 1958 in Zürich geboren, ist Schauspieler und Moderator. Anfang der 90er Jahre moderierte er das preisgekrönte Medienmagazin 'Canale Grande' auf VOX. Nach verschiedenen Stationen beim deutschen und eigenen Talkshows im österreichischen und Schweizer Fernsehen präsentiert Dieter Moor seit 2007 das ARD-Kulturmagazin 'Titel, Thesen, Temperamente'. Gemeinsam mit seiner Frau Sonja betreibt er in der Nähe von Berlin einen Demeter-Bauernhof.
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Produkt

Klappentext«Wir haben, was Sie brauchen ... Gar nicht so schlimm in Brandenburg.» In dem von unbeugsamen Brandenburgern bevölkerten Dörfchen Amerika scheint sich alles zum Guten gefügt zu haben: Die alpenländischen Aliens, die Moors, sind in die Gemeinschaft der Einheimischen aufgenommen und die anfänglichen Probleme um den Hof gelöst. Doch da gibt der geliebte Hürlimann-Traktor den Geist auf, und auf einmal steht nicht nur der häusliche Friede, sondern auch die Ehre des Neubauern auf dem Spiel. Helfen kann nur Hürli-Gott Jakob aus der Schweiz, auch wenn Bauer Müsebeck, Teddy und Krüpki so ihre Zweifel haben. Als dann auch noch ein Bayer im hellblauen Tangaslip die ersten Wasserbüffel nach Amerika bringt, stehen neue, skurrile und anrührende Herausforderungen ins Haus.

Dieter Moor, 1958 in Zürich geboren, ist Schauspieler und Moderator. Anfang der 90er Jahre moderierte er das preisgekrönte Medienmagazin 'Canale Grande' auf VOX. Nach verschiedenen Stationen beim deutschen und eigenen Talkshows im österreichischen und Schweizer Fernsehen präsentiert Dieter Moor seit 2007 das ARD-Kulturmagazin 'Titel, Thesen, Temperamente'. Gemeinsam mit seiner Frau Sonja betreibt er in der Nähe von Berlin einen Demeter-Bauernhof.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783644475311
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2012
Erscheinungsdatum01.10.2012
Auflage1. Auflage
SpracheDeutsch
Dateigrösse725 Kbytes
Artikel-Nr.1248811
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


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Erscheinung


Wenn man mit dem Auto - von Schmachthagen her kommend - die Bundestraße Richtung Amerika verlassen, rumpelnd die stillgelegten Bahngleise überwunden und die kleinen Datschen links und rechts der Landstraße hinter sich gelassen hat, taucht man in einen Wald ein. Er bildet die Trennlinie, die Pufferzone zwischen zwei Welten: der Welt draußen, Hektik, Verkehr, Termine, Job, Sitzungen, Studios, Briefings, Hotels, Flugzeuge, Bahnfahrten. Und der Welt drinnen: Amerika. Etwas langsamer, etwas weniger oberflächlich, etwas intimer. Etwas relevanter.

Ich liebe diese Schlussetappe jeder Heimfahrt. Liebe den Moment des Auftauchens aus diesem Wald, wenn sich nach der letzten sanften Kurve unter Bäumen das Windschutzscheiben-Panorama öffnet, eine schnurgerade, von weiten Wiesen und Feldern gesäumte Straße präsentiert und wenn in der Ferne, fast am Horizont, die ersten Häuschen Amerikas sichtbar werden.

Tausendmal erlebt, tausendmal geliebt.

An diesem Tag herrschte Postkartenwetter. Majestätisch zogen weiße Wattegebirge über den tiefblauen Himmel, die mit Wildblumen gesprenkelten Wiesen präsentierten sich in sattem Grün, ein lauer Wind raschelte in den Blättern der Bäume. Es war einer dieser Frühsommertage, wie wir sie in Kinderbilderbüchern über das «Leben auf dem Lande» immer wieder illustriert sehen.

Als ich den Wald hinter mir gelassen hatte, nahm ich den Fuß vom Gaspedal und lies den Jeep im Leerlauf ausrollen. Ich wollte die Freude dieses Nachhausekommens ausdehnen, mein inneres Tempo der Städte drosseln und in den ruhigeren Rhythmus Amerikas wechseln. Ich schaltete noch im Rollen den Motor aus und ließ sämtliche Scheiben runter. Wiesenduft flutete in meine Blechzelle. Ich überließ es dem Zufall - oder den physikalischen Gesetzen von Tempo, Trägheit und Rollwiderstand -, jene Stelle des Weges zu bestimmen, an der mein Fahrzeug zum Stehen kommen würde. Gemächlich rollte der Wagen aus: Mofa-Tempo - Fahrradtempo - Lauftempo - Schritttempo - Stillstand.

Ich regte mich nicht. Ließ das seltene Gefühl der Tatenlosigkeit auf mich wirken. Nichts tun. Nichts denken. Nichts müssen. Nichts wollen, als einfach nur da sein und schnaufen. An diesem winzigen, vom Zufall bestimmten Punkt im Universum.

Friede.

In den Augenwinkeln registrierte ich zu meiner Linken eine kurze Bewegung in der Wiese. Ich wandte den Blick dorthin. Nichts. Nachwehen der Stadthektik?, dachte ich. Drehte den Kopf wieder nach vorn Richtung Amerika. Schloss halb die Augen. Da, wieder. Da war doch etwas. Doch ich sah nur Gras, die wellenförmige Bewegung des Windes im den schimmernden Halmen. Aber doch: dort! Etwa dreißig Meter entfernt. Ein Kopf tauchte auf, die spitzen Dreiecke zweier Ohren, ein rostbraun-pelziges Gesicht mit dunklen Augen, eine weiße Schnauze. Ein Fuchs! Konzentriert äugte er zu mir herüber. Wie gut sieht ein Fuchs?, fragte ich mich. Erkennt er nur die weiße Fläche des Autos oder registriert er, dass ein Wesen darin sitzt? Bestimmt sieht er mein Gesicht. Ich bereute, die getönte Scheibe heruntergelassen zu haben. Sieht er scharf genug, meine Pupillen erkennen zu können? Weiß er, dass mein Blick auf ihn gerichtet ist? Spürt er es nur, instinktiv?

Ich verharrte, bewegte mich keinen Millimeter. Er auch nicht. Nach gefühlten Minuten entschied er: Keine Gefahr, bloß eines dieser Blechdinger, die das Asphaltband niemals verlassen. Der Fuchs wandte sich ab, schnürte ein paar Meter in meine Richtung. Und jetzt - jetzt war er plötzlich in putziger Gesellschaft. Drei Fellknäuel von etwas blasserem Rostrot wurden sichtbar. Offenbar hatten sich die Welpen in eine Bodenwelle geduckt und kamen jetzt, vielleicht auf ein geheimes Zeichen hin, einer Entwarnung ihrer Mutter, hinter ihr her. Noch nie hatte ich eine Füchsin mit Welpen in freier Natur beobachten können. Und nun präsentierte sich mir diese Familie wie ein Geschenk. Wäre ich vorhin nur eine Sekunde früher oder später vom Gas gegangen, hätte ich abgebremst, statt das Fahrzeug ausrollen zu lassen, ich wäre an einer anderen Stelle zum Stehen gekommen und die Fuchsfamilie wäre mir verborgen geblieben. Zufall? Fügung? Fügung, klar!, entschied ich. Etwas hatte bestimmt, dass mir dieses Schauspiel geboten werden soll, da war ich mir seltsam sicher. Ich wurde von einem diffusen Gefühl erfasst, das vielleicht gläubige Menschen in Gotteshäusern empfinden: Mir wurde andächtig. Und da legte Mutter Natur in ihrer Fuchs-Family-Show noch ein Bonus-Programm obendrauf: Die Füchsin legte sich ins Gras, die Jungen gruppierten sich um sie, und ein tapsig-drolliges Fangspiel begann. Eine wilde Jagd um die Fähe herum. Die Welpen duckten sich hinter ihre Mutter, überfielen die Geschwister aus diesem Hinterhalt mit kühnen, wenngleich noch ungeschickten Sprüngen, rannten einander hinterher, balgten sich kurz und versteckten sich wieder hinter Mama, damit das Spiel von Neuem beginnen konnte. Mein andächtiges Gefühl wandelte sich in das Glück eines reich Beschenkten.

Aber leider war ich nicht allein auf der Welt mit «meinen» Füchschen. Von vorn sah ich schon das unweigerliche Ende des seltenen Schauspiels heranbrausen. In hohem Tempo näherte sich vom Dorf her ein petrolgrüner Geländewagen. Schon kreuzte er mich penetrant nah, Wuschhhh, der Luftzug ließ den Jeep kurz zu Seite wippen.

Die Füchse waren weg. Klar. Warum musste der auch so rasen, verdammt? Schade. Na ja, schön war´s trotzdem! Nur viel zu kurz ... Ich wollte schon den Zündschlüssel drehen, da überraschten mich die Welpen. Drei kleine Köpfe spähten aus dem Gras in Richtung Wald, in welchen der Petrolgrüne gerade eintauchte. Wo war ihre Mutter? Seltsam. Die wird doch nicht ... Da, mit einem Riesensatz war sie wie aus dem Nichts plötzlich über ihnen. Knurrte sie an. Schimpfte sie. Wohl, weil sie ohne Erlaubnis die Deckung aufgegeben hatten? Die Familie setzte sich in Bewegung, trabte wieder ein paar Meter in die Wiese hinein. Doch die Welpen waren nun mal in Spiellaune, wollten balgen, nicht hinter Mama herlaufen. Die Fähe ließ sie gewähren, setzte sich und behielt konzentriert die Landstraße im Auge.

Im Seitenrückspiegel sah ich abermals Verkehr herannahen. Warum schon wieder, verdammt? Diese Straße lag doch oft stundenlang einsam da, ohne dass auch nur ein einziges Fahrzeug aufgetaucht wäre, und ausgerechnet jetzt ... Das darf doch wohl nicht wahr sein, schon wieder der Petrolgrüne! Jetzt kam er in umgekehrter Richtung, von hinten, auf uns zu und würde meine Füchse abermals vertreiben. Im Rückspiegel beobachtete ich ihn. Er wurde langsamer. Warum? Wollte der was von mir? Ich hatte keinen Bedarf für jedwede menschliche Ansprache, der sollte einfach vorbeifahren und mich in Ruhe mein Fuchs-Schauspiel genießen lassen. Ich unterdrückte den Impuls, einfach seitlich abzutauchen und unter dem Armaturenbrett in Deckung zu gehen. Der Petrolgrüne war leider bereits so nah, dass er die Bewegung gesehen hätte und dann erst recht neugierig geworden wäre. «Zieh dich doch einfach in dich selber zurück!», riet mein kleiner Schweizer. Gute Idee!

In meiner Heimat ist dieses Sich-in-sich-selbst-Zurückziehen eine weit verbreitete Kontakt-Anbahnungsversuchs-Abwehrmaßnahme. Zu beobachten in allen öffentlichen Verkehrsmitteln, sämtlichen Warteschlangen und in Restaurants bei allen Allein-Essern, die zu verhindern trachten, dass sich, Gott verhüte, «jemand Fremdes» dazusetzt an den alleine okkupierten Vierertisch: Der sich in sich selbst Zurückziehende schließt die Augenlider um 20 Prozent und starrt stumpfsinnig vor sich hin. Vorzugsweise fixiert er die eigenen Knie (in der Straßenbahn), den Tellerrand (im Restaurant) oder den Hintern des Vordermanns (in der Warteschlange). Die Stirn muss den Eindruck vermitteln, es handele sich bei ihr um das sprichwörtliche Brett vor dem Kopf. Jedwedes Runzeln ist zu unterdrücken, um nicht den Anschein zu erwecken, dahinter kreisten Gedanken, nach denen sich lästige Mitmenschen womöglich erkundigen könnten. Ebenfalls peinlichst zu vermeiden ist jede Betätigung jener Muskulatur, die Lachfältchen zu erzeugen imstande ist. Merke: Lachfältchen wirken einladend. Die Mundwinkel haben nach unten zu weisen, die sogenannte 20-Uhr-20-Stellung zu bilden, und die Lippen sind gegeneinanderzupressen: Das wirkt umwerfend verbissen und abweisend, und die Gefahr, angesprochen zu werden, reduziert sich auf gegen null. Der Kopf als Ganzes hat eine leicht nach vorn geneigte Position einzunehmen, in einem Winkel zur Vertikalen von etwa 25 Grad. So bietet er in Kombination mit dem Gesichtsausdruck ein resignatives, depressives und latent aggressives Gesamtbild. Diese Abschreckungswaffe sind wir Schweizer durch lebenslanges Training in der Lage, innerhalb von Bruchteilen einer Sekunde in Stellung zu bringen.

Ich war in vollendetem Kontakt-Abwehrmodus, als der Petrolgrüne heranrollte. Stur fixierte ich den Tiefpunkt meines Lenkrades, während das fremde Auto, nun penetrant langsam, an mir vorbeischlich.

Meine Abwehrhaltung funktionierte einwandfrei: Der andere beschleunigte, schrumpfte perspektivisch und verschwand im Dorf! «Nicht schlecht, du kannst es noch», sagte der kleine Schweizer zufrieden. «Gelernt ist eben gelernt!»

Geduldig wartete ich auf das erneute Auftauchen der Fuchsfamilie. Lange spannten sie mich nicht auf die Folter, und bald begann die Balgerei, Toberei und Spielerei von Neuem. Fast eine halbe Stunde lang ließen mich die Tiere als stummen Beobachter an ihrem Familienleben teilhaben, als ... der Petrolgrüne schon wieder aus dem Dorf heraus auf uns zuraste. Ein Verrückter! Warum fährt der völlig sinnentleert diese Straße...
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Autor

Dieter Moor, 1958 in Zürich geboren, ist Schauspieler und Moderator. Anfang der 90er Jahre moderierte er das preisgekrönte Medienmagazin "Canale Grande" auf VOX. Nach verschiedenen Stationen beim deutschen und eigenen Talkshows im österreichischen und Schweizer Fernsehen präsentiert Dieter Moor seit 2007 das ARD-Kulturmagazin "Titel, Thesen, Temperamente". Gemeinsam mit seiner Frau Sonja betreibt er in der Nähe von Berlin einen Demeter-Bauernhof.