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Der Pfeil der Rache

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
752 Seiten
Deutsch
FISCHER E-Bookserschienen am14.07.20111. Auflage
Juni 1545: Michael Calfhill war Lehrer bei der Familie Hobbeys und wurde nicht müde, auf das schreiende Unrecht hinzuweisen, das den beiden Mündeln Emma und Hugh widerfuhr. Doch nun ist er tot - erhängt. Die Ermittlungen in diesem Fall führen Matthew Shardlake nach Portsmouth, wo die gesamte englische Flotte vor Anker liegt. Gefahr und Angst liegen in der Luft, denn eine Invasion der Franzosen wird befürchtet. Als Shardlake das Geheimnis der Hobbeys zu ergründen versucht, ist auch sein Leben bedroht.

C.J.Sansom studierte Geisteswissenschaften und promovierte im Fach Geschichte. Nach einem Jura-Studium arbeitete er als niedergelassener Rechtsanwalt in Sussex, bevor er sich hauptberuflich dem Schreiben zuwandte. Insgesamt sind sieben Bücher in der Matthew-Shardlake-Serie erschienen, die weltweit über drei Millionen mal verkauft wurden. Der Stoff wurde als »Shardlake« für das Fernsehen verfilmt. Bis zu seinem Tod im April 2024 lebte der Autor in Brighton.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR20,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR8,99

Produkt

KlappentextJuni 1545: Michael Calfhill war Lehrer bei der Familie Hobbeys und wurde nicht müde, auf das schreiende Unrecht hinzuweisen, das den beiden Mündeln Emma und Hugh widerfuhr. Doch nun ist er tot - erhängt. Die Ermittlungen in diesem Fall führen Matthew Shardlake nach Portsmouth, wo die gesamte englische Flotte vor Anker liegt. Gefahr und Angst liegen in der Luft, denn eine Invasion der Franzosen wird befürchtet. Als Shardlake das Geheimnis der Hobbeys zu ergründen versucht, ist auch sein Leben bedroht.

C.J.Sansom studierte Geisteswissenschaften und promovierte im Fach Geschichte. Nach einem Jura-Studium arbeitete er als niedergelassener Rechtsanwalt in Sussex, bevor er sich hauptberuflich dem Schreiben zuwandte. Insgesamt sind sieben Bücher in der Matthew-Shardlake-Serie erschienen, die weltweit über drei Millionen mal verkauft wurden. Der Stoff wurde als »Shardlake« für das Fernsehen verfilmt. Bis zu seinem Tod im April 2024 lebte der Autor in Brighton.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783104010755
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2011
Erscheinungsdatum14.07.2011
Auflage1. Auflage
Reihen-Nr.5
Seiten752 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2279 Kbytes
Artikel-Nr.1249285
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


teil eins

london


kapitel eins

Der Kirchhof lag friedlich in der nachmittäglichen Sonne. Über die Kieswege verstreut, fanden sich Zweige und Äste, welche die Unwetter von den Bäumen gerissen hatten, die in diesem stürmischen Juni des Jahres 1545 über das Land gefegt waren. In London waren wir mit dem Schrecken davongekommen, hatten nur ein paar Schornsteine eingebüßt, im Norden aber hatten die Unwetter verheerend gewütet. Man munkelte von faustgroßen Hagelkörnern mit allerlei Fratzen darauf. Aber Geschichten pflegen umso dramatischer zu werden - das weiß ein jeder Anwalt -, je länger sie die Runde machen.

Ich hatte den gesamten Morgen in meiner Kanzlei am Lincoln´s Inn zugebracht und einige neue Fälle für den Court of Requests ausgearbeitet, der sich mit Armenklagen befasste. Sie würden erst im Herbst zur Anhörung kommen, denn auf Anweisung des Königs war das Sommertrimester, der Invasionsgefahr wegen, vorzeitig beendet worden.

In den letzten Monaten war ich der Schreibarbeit überdrüssig geworden. Von einigen Ausnahmen abgesehen, wiederholten die Fälle sich immer und immer wieder: Grundherren, die ihre Pachtbauern von den Höfen jagen wollten, um für den gewinnträchtigen Wollhandel Schafe auf die Weiden zu setzen. Zu demselben Zweck suchten sie auch das dorfeigene Gemeindeland an sich zu bringen, von dem die armen Leute abhängig waren. Löbliche Fälle durchaus, jedoch tagein, tagaus derselbe Trott. Und während ich arbeitete, schweifte mein Blick ein ums andere Mal zu dem Brief, den ein Bote von Hampton Court bei mir abgegeben hatte. Er lag am äußeren Ende meines Schreibtisches, ein weißes Rechteck mit einem Klumpen roten Siegelwachses in der Mitte. Dieser Brief bereitete mir Kopfzerbrechen, zumal es ihm an Einzelheiten fehlte. Als meine Gedanken nur noch abschweiften, entschied ich mich zu einem Spaziergang.

Draußen bemerkte ich eine Blumenfrau, die sich am Pförtner vorbei in den Innenhof geschlichen hatte. Nun stand sie in einer Ecke, eine schmutzige Schürze über dem grauen Kleid, das Gesicht von einer weißen Haube eingerahmt, und bot den vorübereilenden Barristern ihre bunten Sträußchen feil. Sie sei eine Witwe, rief sie mir zu, als ich an ihr vorüberging, ihr Mann im Krieg gefallen. Ich bemerkte, dass sie auch Goldlack im Korb hatte; die Blüten erinnerten mich daran, dass ich das Grab meiner armen Haushälterin schon fast einen Monat nicht mehr besucht hatte; Goldlack waren Joans Lieblingsblumen gewesen. So bat ich die Frau um einen Strauß, und sie reichte ihn mir mit ihrer rauen, rissigen Hand. Ich zahlte ihr einen halben Penny dafür, woraufhin sie knickste und sich artig bedankte; ihr Blick indes blieb kalt. Ich ging weiter, unter dem Großen Tor hindurch und die neu gepflasterte Chancery Lane hinauf bis zu der kleinen Kirche.

Während des Gehens schalt ich mich ob meiner Unzufriedenheit, rief mir ins Gedächtnis, wie viele meiner Amtsbrüder mir die Stellung als Rechtsanwalt am Court of Requests neideten und dass der juristische Berater der Königin mir schon manch einträglichen Fall vermittelt hatte. Doch las ich in den vielen nachdenklichen und besorgten Gesichtern der Vorübergehenden, dass nicht nur mich diese Unrast quälte. Angeblich hatten die Franzosen vor dem Ärmelkanal ein Heer von dreißigtausend Mann zusammengezogen und standen kurz davor, mit einer gewaltigen Kriegsflotte, deren Schiffe sogar Stallungen für die Pferde bargen, in England einzufallen. Da kein Mensch wusste, wo genau sie landen würden, hatte man in allen Landesteilen Soldaten postiert, um im Bedarfsfalle die Küsten zu verteidigen. Jedes einzelne Schiff der königlichen Flotte war auf See, sogar die großen Handelsschiffe waren beschlagnahmt und für den Krieg umgerüstet worden. Der König hatte im Jahr zuvor beispiellos hohe Steuern erhoben, um seinen Feldzug gegen Frankreich zu finanzieren. Nachdem die Invasion des Festlandes gescheitert war, belagerten die Franzosen seit dem vergangenen Winter in Boulogne ein englisches Heer. Und nun kam der Krieg vielleicht zu uns auf die Insel.

Ich lenkte meine Schritte auf den Kirchhof. Obschon es mir an Frömmigkeit gebrach, ermunterte die Atmosphäre zwischen den Gräbern mich doch zum stillen Nachdenken. Ich kniete nieder und legte die Blumen auf Joans Grab. Sie hatte mir den kleinen Haushalt nahezu zwanzig Jahre lang geführt; als sie zu mir gekommen war, war sie eine Witwe von vierzig Jahren gewesen und ich ein frischgebackener Barrister. Da sie selbst kinderlos geblieben war, hatte sie ihr Leben ganz meinen Bedürfnissen gewidmet, hatte stets still, tüchtig und freundlich ihre häuslichen Pflichten verrichtet. Nachdem sie sich im Frühjahr das Schnupfenfieber zugezogen hatte, war sie binnen einer Woche verstorben. Ihr Ableben war umso schmerzlicher für mich, als es mir vor Augen führte, wie sehr ich in all den Jahren ihre hingebungsvolle Sorge für selbstverständlich erachtet hatte. Und der elende Mensch, der mir jetzt den Haushalt führte, machte mir den Verlust erst recht bitter.

Ich seufzte und rappelte mich ungelenk wieder auf. Der Besuch an Joans Grab hatte mich zwar beruhigt, doch gleichzeitig in jene melancholische Stimmung versetzt, die mich von Zeit zu Zeit zu befallen pflegte. Ich schlenderte zwischen den Grabsteinen umher, denn hier ruhten noch andere Menschen, die ich gekannt hatte. Vor einem stattlichen Marmorstein hielt ich inne;


Roger Elliard

Barrister am Lincoln´s Inn

Geliebter Ehemann und Vater

1502-1543


Ich entsann mich einer Unterhaltung zwischen Roger und mir, kurz vor seinem Tod vor zwei Jahren, und lächelte traurig. Wir hatten darüber gesprochen, wie der König das Vermögen, welches ihm mit der Auflösung der Klöster zugefallen war, auf Prunk und Pomp verschwendet und so gar keine Anstalten gemacht hatte, die ohnehin äußerst bescheidenen Zuwendungen zu ersetzen, welche den Bedürftigen seitens der Mönche zuteilgeworden waren. Ich ließ meine Hand über den Stein gleiten und murmelte: »Ach Roger, wenn du sehen könntest, in welchen Schlamassel er uns alle gebracht hat.« Eine alte Frau, die auf einem benachbarten Grab Blumen pflanzte, wandte den Kopf, ein furchtsames Stirnrunzeln im faltigen Gesicht beim Anblick des Buckligen, der da stand und mit einem Toten Zwiesprache hielt. Ich trollte mich.

Etwas weiter vorn befand sich noch ein Gedenkstein, den ich hier hatte errichten lassen. Die Inschrift darauf war kurz:


Giles Wrenne

Barrister zu York

1467-1541


Diesen Gedenkstein berührte ich nicht, wandte mich auch nicht an den alten Mann im Grab, musste jedoch unweigerlich daran denken, auf welche Art Giles gestorben war, und sah ein, dass ich tatsächlich einer düsteren Stimmung Vorschub leistete.

Im selben Moment erschreckte ein jähes Brüllen mich fast zu Tode. Die Alte starrte mit weit aufgerissenen Augen um sich. Ich ahnte, woher der Lärm gekommen war, trat an die Mauer, die den Kirchhof von den Lincoln´s Inn Fields trennte, und öffnete die hölzerne Pforte. Ich schritt hindurch und sah, was vor sich ging.

* * *

Lincoln´s Inn Fields war ein freies Feld, auf dessen grasbewachsenem Hügel, Coney Garth, die Studenten der Juristerei wilde Kaninchen jagten. Normalerweise waren dort an einem Werktag nur wenige Menschen unterwegs. Heute jedoch hatte sich eine Menge Volk versammelt, um fünfzig jungen Burschen zuzujubeln, die meisten in Hemden und Wämsern, einige jedoch in den blauen Kitteln der Lehrlinge, die in fünf ungeordneten Reihen standen. Manche blickten griesgrämig drein, andere argwöhnisch, wieder andere voller Eifer. Die meisten hatten Langbögen geschultert, wie sie Männer im wehrtüchtigen Alter dem Gesetze nach besitzen mussten, um sich im Bogenschießen zu üben. Viele entzogen sich freilich dieser Regel und vertrieben sich die Zeit lieber mit Kegeln, Würfeln oder Kartenspielen, obschon derlei Vergnügungen mittlerweile den Männern von Stand vorbehalten waren. Die Bögen maßen zwei Schritt, waren in den meisten Fällen also größer als ihre Eigentümer. Einige Männer jedoch hatten kleinere Bögen bei sich, aus minderwertiger Ulme anstatt aus Eibenholz. Fast alle trugen eine lederne Schiene an dem einen Arm und einen Fingerschutz am anderen. Die Bögen gespannt, standen sie da.

Die Männer wurden von einem Soldaten mittleren Alters in Zehnerreihen geordnet. Der Mann hatte kantige Züge, einen kurzen schwarzen Bart und eine Miene von missbilligender Strenge. In der Uniform der Londoner Trained Bands - weißes Wams, Ärmel und Pluderhose geschlitzt, so dass das Futter hervorblitzte, dazu ein runder, polierter Helm - bot er einen stattlichen Anblick.

Über zweihundert Schritt entfernt ragten die sechs Fuß hohen, grasbedeckten Erdhügel auf, die als Ziele dienten. Hier sollten sich Burschen im wehrfähigen Alter an den Sonntagen im Bogenschießen üben. Aus zusammengekniffenen Augen erspähte ich eine Strohpuppe, in Lumpen gekleidet, auf dem Kopfe einen zerbeulten Helm und auf der Brust, derb hingepinselt, die französische Lilie. Wieder eine Waffenschau, die dem Zwecke diente, unter den Londoner Burschen die Tüchtigsten auszuwählen und auf die verschiedenen Truppen entlang der Küste oder auf den königlichen Kriegsschiffen zu verteilen. Ich war heilfroh, dass ich mit meinen dreiundvierzig Jahren und dem Buckel vom Dienst an der Waffe befreit war.

Ein rundlicher Reiter auf einer prächtigen grauen Stute sah zu, wie die Männer Haltung annahmen. Das Pferd, in den Farben der City of London drapiert, trug einen...

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Autor

C.J.Sansom studierte Geisteswissenschaften und promovierte im Fach Geschichte. Nach einem Jura-Studium arbeitete er als niedergelassener Rechtsanwalt in Sussex, bevor er sich hauptberuflich dem Schreiben zuwandte. Insgesamt sind sieben Bücher in der Matthew-Shardlake-Serie erschienen, die weltweit über drei Millionen mal verkauft wurden. Der Stoff wurde als »Shardlake« für das Fernsehen verfilmt. Bis zu seinem Tod im April 2024 lebte der Autor in Brighton.Irmengard Gabler war nach dem Studium der Anglistik und Romanistik in Eichstätt und London einige Jahre als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für romanische Literaturwissenschaft an der Universität Eichstätt tätig. Seit 1993 übersetzt sie Belletristik und Sachbücher aus dem Englischen, Französischen und Italienischen (u.a. Cristina Campo, Serena Vitale, Philippe Blasband, Christopher J. Sansom, John Dickie, Adam Higginbotham). Die Übersetzerin lebt in München.