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Grenzland

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
368 Seiten
Deutsch
FISCHER E-Bookserschienen am22.08.20111. Auflage
Zwischen Spiel und Wirklichkeit Die fünfzehnjährige Agnes fühlt sich nicht wohl in ihrer Haut. Ihre beste Freundin Jana ist seit ein paar Wochen völlig daneben. Ihre kleine, allseits rosa beplüschte Schwester nervt zunehmend und ihre Eltern haben sowieso keine Ahnung, was in ihr vorgeht. Einziger Lichtblick ist der Musiker Matti, auf den leider auch Jana steht, und jene seltsame Moderatorin, die ihr eines Nachts beim Zappen begegnet. Sie bietet ihr an, etwas mehr Spannung in ihren Alltag zu bringen. Zögernd lässt Agnes sich darauf ein, obwohl sie sich dafür, als eine Art Eintrittsgeld, immer wieder mit einem Messer selbst verletzen muss. Bis sie feststellt, dass sie Realität und Spiel nicht mehr trennen kann. Und dass die Sache immer gefährlicher wird ...

Martina Wildner wurde 1968 im Allgäu geboren. Sie studierte zunächst in Erlangen Islamwissenschaften, dann an der Fachhochschule Nürnberg Graphikdesign mit Schwerpunkt Illustration. Gegen Ende des Studiums begann sie zu schreiben und spezialisierte sich auf Jugendbücher. 2003 erhielt sie für ?Jede Menge Sternschnuppen? den Peter-Härtling-Preis. Martina Wildner lebt mit ihrer Familie als Autorin und Illustratorin in Berlin.
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Produkt

KlappentextZwischen Spiel und Wirklichkeit Die fünfzehnjährige Agnes fühlt sich nicht wohl in ihrer Haut. Ihre beste Freundin Jana ist seit ein paar Wochen völlig daneben. Ihre kleine, allseits rosa beplüschte Schwester nervt zunehmend und ihre Eltern haben sowieso keine Ahnung, was in ihr vorgeht. Einziger Lichtblick ist der Musiker Matti, auf den leider auch Jana steht, und jene seltsame Moderatorin, die ihr eines Nachts beim Zappen begegnet. Sie bietet ihr an, etwas mehr Spannung in ihren Alltag zu bringen. Zögernd lässt Agnes sich darauf ein, obwohl sie sich dafür, als eine Art Eintrittsgeld, immer wieder mit einem Messer selbst verletzen muss. Bis sie feststellt, dass sie Realität und Spiel nicht mehr trennen kann. Und dass die Sache immer gefährlicher wird ...

Martina Wildner wurde 1968 im Allgäu geboren. Sie studierte zunächst in Erlangen Islamwissenschaften, dann an der Fachhochschule Nürnberg Graphikdesign mit Schwerpunkt Illustration. Gegen Ende des Studiums begann sie zu schreiben und spezialisierte sich auf Jugendbücher. 2003 erhielt sie für ?Jede Menge Sternschnuppen? den Peter-Härtling-Preis. Martina Wildner lebt mit ihrer Familie als Autorin und Illustratorin in Berlin.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783104013756
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2011
Erscheinungsdatum22.08.2011
Auflage1. Auflage
Seiten368 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1345 Kbytes
Artikel-Nr.1250213
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


Zahn um Zahn


Agnes erwachte mitten in der Nacht. Sie hatte schlecht geträumt, ihr T-Shirt war verschwitzt, und jetzt lag sie da und konnte nicht mehr einschlafen. Alles klebte, die Füße waren heiß und fühlten sich aufgequollen an. Also hob sie erst die Bettdecke ein wenig an und wendete sie dann.

Wie spät es wohl ist, fragte sie sich, öffnete die Augen und versuchte, die Zahlen auf dem Wecker zu erkennen, doch das Licht von der Straßenlaterne, die den Raum ein wenig erhellte, reichte nicht aus. Unter der Decke war es schon wieder unerträglich heiß, und Agnes dachte an alle, denen es nicht vergönnt war, in einem kühlen Raum zu schlafen: Die vielen Bewohner der Megacitys in Äquatornähe, aber auch die Bewohner der gemäßigten Breiten, jedenfalls im Sommer, und vor allem diejenigen, die keine Klimaanlage hatten. Ja, viele mussten Schlaftemperaturen von über 25°C ertragen - wenn nicht gar die meisten. Denn mal ehrlich: Wie viel Prozent der Weltbevölkerung lebte schon in Schweden oder Kanada? Und was war mit dem Klimawandel? Würden nicht ohnehin bald alle Menschen bei lebendigem Leib von der Sonne gegrillt werden?

Agnes seufzte, der Schlaf wollte nun überhaupt nicht mehr kommen; sie wendete die Decke erneut.

Es ist wahrscheinlich halb fünf, dachte sie. Es fühlt sich an, als sei es halb fünf, denn die definitiv schlimmsten Gedanken hatte man schließlich zwischen vier und fünf Uhr. Wenn man da wachlag und grübelte, landete man nicht selten beim Tod. Beim eigenen, dem der Eltern oder Geschwister, dem von Freunden und schlimmstenfalls beim Tod der gesamten Menschheit, also dem Weltuntergang.

Nein, sagte Agnes zu sich. Das will ich jetzt nicht.

Sie schaltete das Licht an. Licht half. Wenn man etwas sah, war man mit seinen Gedanken nicht so allein. Das Licht der Nachttischlampe war warm und freundlich, Agnes atmete auf.

Dass ich nicht früher darauf gekommen bin!

Doch das Glück währte nur kurz, denn die Gedanken an die bevorstehende Klimakatastrophe wurden durch das Licht nicht verscheucht, im Gegenteil. Agnes fiel ein, dass der gesteigerte Stromverbrauch durch das Einschalten des Lichts nur noch schneller zu der befürchteten Katastrophe führen würde. Also schaltete Agnes das Licht wieder aus.

Sie legte sich auf den Rücken und betrachtete die blassen Lichtflecke, die die Straßenlaterne an die Decke und einen Teil der Wand warf. Auch ein Stück des Bücherregals wurde beleuchtet.

Doch schon nach wenigen Minuten hielt sie es nicht mehr aus. Sie setzte sich auf und warf die Decke zurück. Es hatte keinen Sinn. Sie musste irgendetwas tun.

Sie stand auf, tappte zur Tür, öffnete sie leise und schlich durch den Flur zur Treppe. Lautlos stieg sie hinab, ging ins Wohnzimmer und schloss die Tür hinter sich. Dann erst knipste sie das Licht an. Die Klimakatastrophe wurde ihr zunehmend gleichgültiger. Schließlich steuerte sie auf das Wohnzimmerregal aus hellem Kiefernholz zu und zog den hellgrünen Vorhang beiseite, den Mama vor dem Regalfach angebracht hatte, in dem sich der Fernseher befand. Sie schnappte sich die Fernbedienung, ging zum Sofa und ließ sich fallen. Einen Moment zögerte sie, weil sie sich nicht recht entschließen konnte, einzuschalten.

Die Klimakatastrophe, dachte sie, und außerdem: Der Fernseher!

Mama hasste den großen Fernseher mit Plasmabildschirm, den Papa anlässlich der Fußball-WM gekauft hatte, und weil sie fürchtete, sämtliche Familienmitglieder könnten nun fernsehsüchtig werden, hatte sie die Fernbedienung mit einem Code belegt. Der war allerdings längst geknackt.

Agnes schaltete den Fernseher ein und regelte sofort die Lautstärke nach unten. Im Programmmenü gab sie wahllos eine Zahl ein, es war die 87. Sie hatte nicht erwartet, dass der Programmplatz tatsächlich belegt war, doch auf dem Bildschirm waberte eine rosa Fläche. Agnes hasste Rosa. Alle Dinge, die ihre kleine Schwester besaß, hatten diese Farbe. Alles, was Jenni berührte, nahm diesen Ton an. Agnes wollte schon umschalten, doch nun erschien auf dem Bildschirm eine Frau, die ein tief ausgeschnittenes blassrosa Kleid trug und die Lippen bewegte, als ob sie spräche. Ihre Haare waren pink, aber das war nicht das Ungewöhnlichste. Die Frau, die eine ausgesprochen gute Figur hatte und trotz des vielen Rosa elegant gekleidet war, hatte drei Augen. Eins rechts, eins links und eins in der Mitte der Stirn. Sie bewegte noch immer die Lippen, als spräche sie. Doch plötzlich hielten die Lippen inne. Die Frau klimperte ein paarmal mit den Liddeckeln, dann erschien eine Sprechblase. »Herzlich willkommen!«, las Agnes.

Das seltsame Wesen lächelte nun, und Agnes entdeckte links unten im Mund einen Goldzahn. Die Frau hörte nicht auf zu lächeln. Dabei schloss und öffnete sie dauernd die Augen, aber nicht, wie andere Menschen, alle gleichzeitig, sondern jedes Auge zu einem eigenen Zeitpunkt. Das machte Agnes ganz nervös und zwang sie, die Frau nur noch gebannter anzustarren.

Bald konnte sie die klimpernden Augen und den Goldzahn, der einen unbestimmten Ekel in ihr erregte, nicht mehr ertragen und blickte knapp an dem Gesicht der Frau vorbei.

Wieder erschien eine Sprechblase: »Ich bin Lestia Thumb«, las Agnes.

»Angenehm«, flüsterte sie, verstummte aber sogleich wieder. Man konnte doch nicht mit dem Fernseher sprechen!

»Und wie heißt du?«, fragte die Sprechblase.

»Agnes«, hauchte Agnes.

Die Frau lächelte und klimperte wieder mit ihren Lidern. Agnes konzentrierte sich nur auf ein Auge, sie wählte das linke. Dieses schloss und öffnete sich etwa im Zwei-Sekunden-Abstand. Ihr Blick wanderte nach einer Weile weiter zum mittleren Auge, das etwa in einem Drei-Sekunden-Abstand klimperte. Das rechte Auge hingegen hatte einen Fünf-Sekunden-Rhythmus.

Wahnsinn, dachte Agnes und stellte fest, dass sich im Abstand einer bestimmten Zeit alle drei Lider gleichzeitig schlossen. Das war ein kurzer Moment der Ruhe. Zwei Sekunden später allerdings war es wieder ein wirres Geklimper.

Je länger Agnes diesem Spektakel zusah, desto schwerer wurden ihre eigenen Lider. Schließlich schaltete sie den Fernseher ab, kehrte in ihr Zimmer zurück und schlief sofort ein.

 

Am nächsten Morgen erwachte Agnes vom Piepen ihres Weckers. Sie sprang auf, ging zum Regal und schaltete das Gerät aus.

Die Morgensonne schien in ihr hellgelb gestrichenes Zimmer. Agnes sah hinaus und seufzte. Dafür gab es eigentlich keinen Grund. Sie seufzte, weil sie gerade ständig das Gefühl hatte, seufzen zu müssen. Ihr Zeitempfinden hatte sich geändert. Was genau los war mit der Zeit, wusste sie nicht. Bis vor kurzem hatte sie sich noch nie Gedanken über die Zeit gemacht und wie sie verging. Sie war vom Fluss der Zeit mitgetragen worden. Mal gab es da Stromschnellen, Nachmittage mit den Freunden im Park, an denen die Zeit raste, dann wieder verbreiterte sich der Fluss, und es ging nur langsam. Das war in der Schule der Fall. Agnes hatte das eine wie das andere akzeptiert, denn so war es nun mal.

Jetzt aber war aus der Zeit eine Art Brei geworden. Aber kein glatter, sondern ein klumpiger. Hin und wieder geriet Agnes in eine wässrige Stelle, da schien für kurze Zeit alles leichter, aber diese Augenblicke brachten sie nicht weiter. Im Gegenteil! Gleich drauf steckte sie wieder in einem zähen Klumpen fest. Anders ausgedrückt: Agnes langweilte sich.

Sie machte sich auf den Weg ins Bad. Mama klapperte unten in der Küche bereits mit dem Geschirr, dazwischen krächzte immer wieder Wilma. Papa, der gern etwas länger liegen blieb, schlief noch, dasselbe tat vermutlich Jenni. Agnes warf einen verächtlichen Blick auf Jennis Zimmertür, die mit Pferdebildern und rosa gekleideten Zirkusartistinnen beklebt war. Plötzlich erinnerte sie sich an das dreiäugige Wesen aus dem Fernsehen. So ein merkwürdiger Traum!

Im Bad nahm sie als Erstes die Zahnbürste, quetschte die rotweiß gestreifte Zahnpasta aus der Tube und drehte die Sanduhr um, die ein kleiner, breitgrinsender König in der Hand hielt. Dieser König mit goldlackierter Krone und Sanduhr gehörte Jenni. Es dauerte exakt 2 Minuten und 45 Sekunden, bis der Sand ganz durchgelaufen war. Und genau genommen - glaubte man den Zahnputzfachleuten - waren 2 Minuten und 45 Sekunden immer noch 15 Sekunden zu wenig. Mindestens zweimal täglich drei Minuten wurden offiziell empfohlen.

2 Minuten und 45 Sekunden konnten sehr lange dauern, und eigentlich, wenn Agnes ehrlich war, hatte sie es bisher noch nicht geschafft, so lange Zähne zu putzen. Einerseits ärgerte sie das, andererseits wunderte sie sich darüber. So schwer konnte das doch nicht sein! Also hatte sie beschlossen, der Sache auf den Grund zu gehen, und eine Liste angefertigt, auf der Tätigkeiten aufgelistet waren, die genau 2 Minuten und 45 Sekunden dauerten. Sie waren geordnet nach dem Schwierigkeitsgrad, diesen Zeitraum zu überstehen:


800 Meter möglichst schnell laufen.


Mit untergelegtem Kissen an der Wand Kopfstand machen.


Den Sekundenzeiger beobachten und dabei an nichts anderes denken als an den Sekundenzeiger.


6 843 567 243 auf eine Kommastelle genau schriftlich durch 14 teilen.


Auf einem Bein stehen.


4 Gläser, 5 Teller, einen Topf mit Deckel und eine stark verschmutzte Bratpfanne abspülen.


16,5-mal hintereinander Alle Jahre wieder singen.


236 Luftmaschen häkeln.


27 Perlen auf eine Nylonschnur fädeln.


4 Seiten in einem spannenden Buch lesen.



Natürlich gab es...
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