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Dreizimmerwohnung aus Plastik

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
Deutsch
Kiepenheuer & Witsch GmbHerschienen am14.02.20131. Auflage
»Für einen ganz und gar eigenen Mann hätte ich keine Zeit.« Eine halbwegs gebildete Prostituierte Anfang dreißig, die ihre Kunden in ihrem Prager Appartement empfängt, erzählt in einer überraschenden Mischung aus Vulgärjargon und poetischer Sprache atemlos von ihrem Denken und Sein.Religion, das Altern, die Männer und die Frauen, Sexualität, Konsum - über alles und jeden macht sich die Erzählerin atemlose Gedanken. Ihre ungeschminkten Weisheiten sind geprägt von fantasievollen Assoziationen, die den Leser nicht nur aufgrund der überraschenden Schlussfolgerungen, sondern auch wegen der Sprache von Anfang an fesseln. Selbst wenn sich der Lebensraum auf das Appartement und das Einkaufszentrum beschränkt, so weiß sie doch genug vom Leben, um es dem Leser um die Ohren zu hauen: bitterböse, oft zynisch und manchmal schmerzhaft.Petra Hulová wurde mit ihrem ersten Roman »Kurzer Abriss meines Lebens in der mongolischen Steppe« einem größeren deutschen Publikum bekannt. Ihr neuer Roman, meisterhaft übersetzt von Doris Kouba, zeigt die sprachliche Wucht der jungen Schriftstellerin.Ein sprachmusikalischer und provozierender Hochgenuss.

Petra Hulová, 1979 in Prag geboren. Studium der Kulturwissenschaft und Mongolistik, gilt als wichtigste Autorin der jüngeren Generation. Zahlreiche Veröffentlichungen.
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Produkt

Klappentext»Für einen ganz und gar eigenen Mann hätte ich keine Zeit.« Eine halbwegs gebildete Prostituierte Anfang dreißig, die ihre Kunden in ihrem Prager Appartement empfängt, erzählt in einer überraschenden Mischung aus Vulgärjargon und poetischer Sprache atemlos von ihrem Denken und Sein.Religion, das Altern, die Männer und die Frauen, Sexualität, Konsum - über alles und jeden macht sich die Erzählerin atemlose Gedanken. Ihre ungeschminkten Weisheiten sind geprägt von fantasievollen Assoziationen, die den Leser nicht nur aufgrund der überraschenden Schlussfolgerungen, sondern auch wegen der Sprache von Anfang an fesseln. Selbst wenn sich der Lebensraum auf das Appartement und das Einkaufszentrum beschränkt, so weiß sie doch genug vom Leben, um es dem Leser um die Ohren zu hauen: bitterböse, oft zynisch und manchmal schmerzhaft.Petra Hulová wurde mit ihrem ersten Roman »Kurzer Abriss meines Lebens in der mongolischen Steppe« einem größeren deutschen Publikum bekannt. Ihr neuer Roman, meisterhaft übersetzt von Doris Kouba, zeigt die sprachliche Wucht der jungen Schriftstellerin.Ein sprachmusikalischer und provozierender Hochgenuss.

Petra Hulová, 1979 in Prag geboren. Studium der Kulturwissenschaft und Mongolistik, gilt als wichtigste Autorin der jüngeren Generation. Zahlreiche Veröffentlichungen.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783462306897
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2013
Erscheinungsdatum14.02.2013
Auflage1. Auflage
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.1250986
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis Der Kuckuck

Viele Männer, die zu mir kommen, finden das romantisch. Sie glauben, dass ich mir die Bezeichnung »Plastikdreizimmerwohnung« nur für diesen einen gemeinsamen Abend ausgedacht hab, und der gelbe Piepmatz klopft ihnen schon ganz ungeduldig in der Hose und ist entweder bereit wie eine Trillerpfeife, die ich dann in den Mund nehme, und sie ahnt das und freut sich und trillert schon im Voraus, oder wie ein Schlegel für ein Tamburin, auf dem wir dann gemeinsam rumtrommeln, oder manchmal auch nur wie ein ganz gewöhnlicher Kuckuck, der in seiner Uhr wartet und erst dann losschlägt, wenn das Uhrwerk im Forsthaus befohlen hat: »Also die ist auch gut und könnte sogar die Beste sein!«

Der Kuckuck ist wie ein flaumiges Junges, das ganz schnell wächst, ein hilfloses Kuckucksjunges, das im Nest vom gelben Piepmatzen ausschlüpft und wächst und wächst, und er wundert sich selbst, weil sich noch nichts Besonderes getan hat, noch nicht mal die Hand hab ich ihm draufgelegt, und noch ein Weilchen werden wir ganz normal über seinen Job in der Telekommunikationsbrangsche plaudern, und ganz genau jetzt interessiert mich das, weil mein Internet ständig ausfällt - in der Schaltzentrale pfeifen sie wohl auf mich -, und ich will ihm schon meine Telefonnummer geben, als mir einfällt, dass er die ja schon hat, und mitten im Satz brech ich ab. Ein Königreich wohlbedachter Schweigsamkeiten, so könnte man meinen Plastikzimmersatz an diesem Abend wohl nennen, und wir beide sind ein winziger Ken und eine zerbrechliche Barbie im rosa Plastikhäuschen; zur Genusssteigerung könnt ihr aus der Vogelperspektive auf uns runtergucken, und dank den Ausmaßen von unserem Liebesnest, das auf diese Weise nicht viel größer ist als ein Schuhkartong, liegt alles vor euch ausgebreitet wie bei einem Hubschrauberrundflug über eine sehenswerte Stadt, und ungefähr so viel würde euch ein Abend mit mir auch zu stehen kommen. Ihm steht er schon. Er gehört zu den größeren Kuckucken, die erst mal schüchtern sind, weil sie noch nicht so viel Erfahrung haben, außer dass ein paar Nesthäkchen aus dem Nest geworfen wurden, aber das war im Büro vom Telekommunikationsunternehmen, und das lässt sich mit meiner Amtsstube überhaupt nicht vergleichen.

 

Ich denke, wenn ich mir das Internet richten lasse - was über Bekannte wie alles andere am besten läuft -, dann mach ich das nicht telefonisch, sondern schnapp mir meinen Hut mit den Pfauenfedern und klingle unten wie eine stinknormale Kundin, die sich nach was erkundigen oder ihre Technikkenntnisse auffrischen will. Am Empfang werde ich direkt mit ihm sprechen wollen, mit diesem großen Kuckuck mit Kuckucksreibeisen, das ihm grad total lustlos runterhängt, weil die in Büros halt so hängen. Es belebt sich nur für den Moment, in dem sich die neue Kollegin vorbeugt und das Papier im Kopierer nachfüllt, und wie zu Fleiß geht der Papiereinschub nicht zu und springt auf wie ein kleiner Teufel. Sie ist völlig verschwitzt, und dabei ist sie noch nicht mal in den Wechseljahren. Man könnte meinen, dass die Schnackselei schon hier beginnt. Der Kuckuck hat die Staffel auch gleich übernommen und hilft der ratlosen Kollegin mit den lebensfrischen Titten und dem Jäckchen, das die Titten eng umspannt, damit sie nur verschämt wippen und sich umso mehr aneinanderreiben, mit dem Einschub gern beidhändig.

Mit dem Einrasten ist das Papier sofort hübsch im warmen Zimmerchen vom wimmernden Kopierer eingespannt, und der Kuckuck ist auch eingespannt, auch wenn er lieber höchstpersönlich einschieben würde, aber die Kollegin schenkt ihm nur ein flüchtiges Lächeln - zu flüchtig sogar für einen unverbindlichen Kaffee.

Am Automaten im Gang könnte man zwar ein paar Firmengeschichten austauschen, aber daran hat er zu spät gedacht, und das eingespannte Reibeisen, das sich wer weiß wie tolle Sachen vorgestellt hat, wie dass es zum Einschub kommen könnte, wird ganz traurig, weil´s immer so leicht entflammt, obwohl´s eigentlich um gar nix geht und alles von Anfang an verloren ist. Das passiert übrigens täglich, also warum lernt es nicht endlich draus und bleibt in der Zeit zwischen zwei Toilettenterminen beim Baumeln beziehungsweise im Bereitschaftsbetrieb?

Der Kuckuck, jetzt wieder allein mit dem Kopierer, der brummt, als wenn er das Brummen nur vortäuschen würde, denkt, dass die neue Kollegin bestimmt Cappuccino trinkt genau wie die letzten neuen Kolleginnen, die etwas vornehmer rüberkommen wollten und die das Schaumkrönchen obendrauf so gemocht haben. Und das Reibeisen überlegt, ob es ein ganz kleines bisschen aufhüpfen soll, als sich der Kuckuck vorstellt, wie sich die neue Kollegin den Cappuccinoschaum von den wonnevoll angeschwollenen Lippen schleckt, und vielleicht ist das schon gar kein Cappuccinoschaum mehr, sondern der freudige Ausfluss vom Reibeisen! Nur dass das Reibeisen sein Aufhüpfen schließlich doch sein lässt, es besinnt sich nämlich drauf, wie sinnlos das vor einer Weile gewesen ist, und so besorgt es dem Kuckuck auch kein leises Stöhnen, in das er sich gesehnt hat bei der Vorstellung von der neuen Kollegin mit dem vollgespritzten Gesicht; selbst würde sie sich das Ganze bestimmt nicht ablecken können. Stattdessen würde sie nur hilflos mit ihren großen Rehaugen kullern, und die Wimpern könnten nicht anders, als ein bisschen Tusche in der Milch aufzulösen, und würden überrascht plinkern, als wär´s das allererste Mal.

Wenn er zwanzig wär, ließe sich noch ein Kuckuck draus machen, aber mit vierzig wohl kaum mehr.

Am Ende ist´s statt einem geilen Stöhnen also nur ein leiser Seufzer, den sich der Kuckuck stibitzt, kurz bevor ich an seine Bürotür klopfe, die allerletzte im Gang. Es wär das zaghafte Klopfen von einem jungen Spechtweibchen, das sich erst umguckt und unsicher ist, ob es diesen Baum oder lieber den daneben nehmen soll.

Ob wir beim richtigen Büro anklopfen, können wir, falls wir noch nie da gewesen sind, nicht riechen, falls an den Türen keine Namensschilder oder Nummern sind und die Einzige, die uns die Tür beschrieben hat, die zwar reizende, aber gelangweilte Aushilfe am Empfang war, der egal ist, wie oft wir aus Versehen woanders klopfen, weil wir die richtige Tür am Ende sowieso finden, und auf dem Rückweg gehen wir dann in gespielter Eile an ihr vorbei, als wenn das Ganze unser Fehler gewesen ist und nicht der von ihr, dieser Tigerin, die ständig nur ihre Krallen lackiert und von Firmenetikette keinen blassen Schimmer hat.

Ich würde also unsicher klopfen, aber gleichzeitig auch etwas flehend, kennt ihr das? Wenn ihr auf wen wartet und das Klopfklopf ist hundertpro seins, wie schnell fängt dann euer Herz zu bumpern an? Auch der Kuckuck wär schon bereit. Aufgegeilt von der neuen Kollegin mit den lebensfrischen Titten, obwohl wieder vertieft in seine Papiere, würde ihn das Klopfklopf kitzeln, weil er denken würde, dass sie das ist, die zurückkommt, und wenn sie ihn nach Toner für den Drucker fragt, dann bestimmt deshalb, damit er ihr hilft, sie reinzudrücken, diese Tube voller Schwarz, und eine Einladung auf einen Cappuccino versteht sich dann von selbst. Was nämlich den Firmentratsch anbelangt, da ist der Kuckuck nach all den Jahren Experte, und dieses Klopfklopf gleich nach dem gemeinsamen, beidhändigen Zurückdrücken vom kleinen Teufel in sein Fach ist Firmentratsch wie aus dem Handbuch, und eigentlich könnte sich die neue Kollegin auch was Raffinierteres einfallen lassen, als ihn zu stören, wo er sich doch grad erst in die Bilanz vom letzten Jahr vertieft hat.

Jetzt aber aufgepasst, damit er nicht enttäuscht ist, wenn anstatt der kleinen Schnitte aus der Nachbarabteilung, an deren Gesicht er sich trotz allem schon ganz gut erinnern kann, ich dort stehe, was? Zuerst ist er garantiert etwas überrascht, das lässt sich nicht vermeiden, aber das Reibeisen hüpft immer nur dann so schnell auf, wenn davor keine Benachrichtigung eingegangen ist und sozusagen improvisationiert werden muss. Genau wie der Schreibtisch voller Papiere mit der Bilanz vom letzten Jahr, der in diesem Moment noch nicht ahnt, wofür er gleich benutzt wird, und das ist ihm am Ende, glaube ich, auch gar nicht so unrecht. Und auch der Stuhl hat sich unter dem immer selben Kuckuckshintern schon zu langweilen begonnen, obwohl dieser Mann, noch immer im Sakko und mit Krawatte abgewürgt, einen so erstklassigen Hintern hat, wie sie selten sind, wenn ständig auf ihnen gesessen wird. Sie schrägen flach ab, und das sogar auf den teuersten Bürorollstühlen mit Armlehnen und Positionierungsfunktion.

Wenn wir loslegen, wird er die Armlehnen brauchen, aber erst mal trete ich nur ungebeten ein und reiche ihm meinen Hut. Einen Hut mit Pfauenfedern hat der Kuckuck noch nie gesehen, und zwar noch nicht mal außerhalb der Bürozeit, und wie ich so ganz ohne Einladung reinkomme, überrascht ihn auch ein bisschen. Er ist also ziemlich verdutzt, ganz zu schweigen vom Reibeisen, weil sich da erst mal gar nix tut und die kleine Pumpe sich exakt so verhält, wie sich der Kuckuck vorgenommen hat, dass sie sich zwischen zwei Toilettenterminen idealerweise verhalten soll. Ich stelle mich vor und lege auch den Mantel ab, und schon passiert was bei uns da unten, genau wie bei einem Pantoffeltierchenaufguss, der sich nach einer Weile auf der Fensterbank über der Heizung abgestellt durch das Tummeln der Organismen belebt. Mit bloßem Auge kann man das nicht sehen, aber aus dem Glas wabern schon im Voraus Gerüche, die von der Geburt des neuen Lebens zeugen. Den Gummi nehme ich logischerweise erst kurz davor aus der Handtasche - und nebenbei bemerkt mache ich mit einem Mann, den ich...
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Autor

Petra Hulová, 1979 in Prag geboren. Studium der Kulturwissenschaft und Mongolistik, gilt als wichtigste Autorin der jüngeren Generation. Zahlreiche Veröffentlichungen.Doris Kouba, 1974 in Darmstadt geboren, arbeitet seit ihrem Studium in Hamburg als freiberufliche Übersetzerin aus dem Tschechischen, Slowa kischen und Englischen. Sie lebt in Hamburg und Prag.