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Einband grossmüllersches volksbad
ISBN/GTIN

müllersches volksbad

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
91 Seiten
Deutsch
neobookserschienen am18.04.2013
Es war viertel vor zehn am Sonntagabend, der Abspann des Tatort lief. Eben hatte ich das Rotweinglas umgestoßen, das neben dem Sofa auf dem Fußboden stand, als das Telefon klingelte. Ich kümmerte mich nicht darum, ging rasch in die Küche auf schwankenden Beinen, holte einen Schwamm und wischte den Wein damit auf. Das Glas war zerbrochen. Prompt schnitt ich mich an einer der Scherben. Mein Zeigefinger blutete. Jetzt musste ich also auch das Blut fortwischen. Ich war müde und etwas betrunken. Deshalb das umgeworfene Glas. Deshalb der Schnitt in den Finger. Sonst passierte mir so etwas nicht. In der Nacht zuvor hatte ich bis halb drei morgens im Internet recherchiert. Seit kurzem nämlich saß ich an einem größeren Artikel über einen amerikanischen Journalisten und Schriftsteller, dessen Name mir bislang völlig unbekannt gewesen war und der sich vor ein paar Jahren mittels Kopfschuss das Leben genommen hatte. Ich beabsichtigte, für die Tageszeitung, für die ich schrieb, eine längeren Beitrag zu verfassen. Damit wollte ich gewissermaßen meinen journalistischen Durchbruch einleiten. Allmählich wurde es Zeit, dass sich etwas tat in meiner Karriere. Es sollte ein langer, wichtiger Beitrag werden für die übernächste Wochenendausgabe. Ich musste also sauber recherchieren. Diesmal musste alles wasserdicht sein. Wasserdicht und vor allem geistreich. Je mehr ich über Hunter S. Thompson in Erfahrung brachte, desto mehr zog er mich in den Bann. Seine Methode der Vermengung von Tatsachen und Fantasie fand ich großartig. Sein Selbstmord hingegen war für mich eine einzige Überraschung und eigentlich kaum zu glauben. Es wollte mir einfach nicht in den Sinn, weshalb der Bursche sich selbst zur Strecke gebracht hatte. Und genau hier lag der Schlüssel zu meinem Artikel: Er sollte unter anderem eine Untersuchung des Zusammenhangs zwischen Künstlertum und Suizid darstellen. Denn natürlich war Thompson kein Einzelfall, was den Selbstmord unter Künstlern - Schriftstellern, Malern, Komponisten, Philosophen und so weiter - betraf. Immer schon hatte es eine Vielzahl von Selbstmördern unter ihnen gegeben. Eine befreundete Psychologin hatte ich bereits auf diese Verbindung angesprochen. In Kürze erwartete ich ihre Ergebnisse zu diesem Thema. Als Dank, so hatte ich es mir gedacht, würde ich sie zum Essen ins Restaurant einladen. Irgendwann, wenn ich wieder bei Kasse wäre. Oder ich kochte einfach selbst. Frauen mögen Männer, die kochen können, dachte ich. Ich konnte es nicht. Egal.
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Produkt

KlappentextEs war viertel vor zehn am Sonntagabend, der Abspann des Tatort lief. Eben hatte ich das Rotweinglas umgestoßen, das neben dem Sofa auf dem Fußboden stand, als das Telefon klingelte. Ich kümmerte mich nicht darum, ging rasch in die Küche auf schwankenden Beinen, holte einen Schwamm und wischte den Wein damit auf. Das Glas war zerbrochen. Prompt schnitt ich mich an einer der Scherben. Mein Zeigefinger blutete. Jetzt musste ich also auch das Blut fortwischen. Ich war müde und etwas betrunken. Deshalb das umgeworfene Glas. Deshalb der Schnitt in den Finger. Sonst passierte mir so etwas nicht. In der Nacht zuvor hatte ich bis halb drei morgens im Internet recherchiert. Seit kurzem nämlich saß ich an einem größeren Artikel über einen amerikanischen Journalisten und Schriftsteller, dessen Name mir bislang völlig unbekannt gewesen war und der sich vor ein paar Jahren mittels Kopfschuss das Leben genommen hatte. Ich beabsichtigte, für die Tageszeitung, für die ich schrieb, eine längeren Beitrag zu verfassen. Damit wollte ich gewissermaßen meinen journalistischen Durchbruch einleiten. Allmählich wurde es Zeit, dass sich etwas tat in meiner Karriere. Es sollte ein langer, wichtiger Beitrag werden für die übernächste Wochenendausgabe. Ich musste also sauber recherchieren. Diesmal musste alles wasserdicht sein. Wasserdicht und vor allem geistreich. Je mehr ich über Hunter S. Thompson in Erfahrung brachte, desto mehr zog er mich in den Bann. Seine Methode der Vermengung von Tatsachen und Fantasie fand ich großartig. Sein Selbstmord hingegen war für mich eine einzige Überraschung und eigentlich kaum zu glauben. Es wollte mir einfach nicht in den Sinn, weshalb der Bursche sich selbst zur Strecke gebracht hatte. Und genau hier lag der Schlüssel zu meinem Artikel: Er sollte unter anderem eine Untersuchung des Zusammenhangs zwischen Künstlertum und Suizid darstellen. Denn natürlich war Thompson kein Einzelfall, was den Selbstmord unter Künstlern - Schriftstellern, Malern, Komponisten, Philosophen und so weiter - betraf. Immer schon hatte es eine Vielzahl von Selbstmördern unter ihnen gegeben. Eine befreundete Psychologin hatte ich bereits auf diese Verbindung angesprochen. In Kürze erwartete ich ihre Ergebnisse zu diesem Thema. Als Dank, so hatte ich es mir gedacht, würde ich sie zum Essen ins Restaurant einladen. Irgendwann, wenn ich wieder bei Kasse wäre. Oder ich kochte einfach selbst. Frauen mögen Männer, die kochen können, dachte ich. Ich konnte es nicht. Egal.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783847632672
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Verlag
Erscheinungsjahr2013
Erscheinungsdatum18.04.2013
Seiten91 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1215 Kbytes
Artikel-Nr.1260690
Rubriken
Genre9201

Autor

Markus Seidel, Jahrgang 1969, studierte nach der Ausbildung zum Buchhändler Literatur und Philosophie in Hannover, Wien und Berlin; schrieb daneben Literaturkritiken und Beiträge für verschiedene Zeitungen (u.a. für Die Zeit, Frankfurter Rundschau, FAZ). "Umwege erhöhen die Ortskenntnis" und "Freischwimmer" sind zwei seiner Bücher. "Müllersches Volksbad" ist sein neuestes Buch.