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Weihnachtsgeschichten am Kamin 28

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
224 Seiten
Deutsch
Rowohlt Verlag GmbHerschienen am01.11.20131. Auflage
Das schönste Weihnachtsgeschenk: eine vorgelesene Geschichte Kinder spielen draußen im Schnee. Die Häuser sind geschmückt, und in der Luft hängt der Duft von frischen Plätzchen. Die Weihnachtszeit ist da! Nun beginnt das gemütliche Beisammensein. Alle warten gespannt auf das Christkind. Ob es das perfekte Geschenk dabeihat? Mit diesen herzerwärmenden, lustigen und nachdenklich stimmenden Weihnachtsgeschichten ganz bestimmt!

Für Barbara Mürmann ist als Herausgeberin der «Weihnachtsgeschichten am Kamin» das ganze Jahr Weihnachten. Zum Glück, denn sie liebt dieses besondere Fest. Seit vielen Jahren besorgt sie mit Hingabe und Sorgfalt die Auswahl für die erfolgreiche Anthologie. Barbara Mürmann, geboren in Goslar, lebt in Hamburg. Dort leitet sie den Arezzo Musikverlag.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR8,99
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR7,99

Produkt

KlappentextDas schönste Weihnachtsgeschenk: eine vorgelesene Geschichte Kinder spielen draußen im Schnee. Die Häuser sind geschmückt, und in der Luft hängt der Duft von frischen Plätzchen. Die Weihnachtszeit ist da! Nun beginnt das gemütliche Beisammensein. Alle warten gespannt auf das Christkind. Ob es das perfekte Geschenk dabeihat? Mit diesen herzerwärmenden, lustigen und nachdenklich stimmenden Weihnachtsgeschichten ganz bestimmt!

Für Barbara Mürmann ist als Herausgeberin der «Weihnachtsgeschichten am Kamin» das ganze Jahr Weihnachten. Zum Glück, denn sie liebt dieses besondere Fest. Seit vielen Jahren besorgt sie mit Hingabe und Sorgfalt die Auswahl für die erfolgreiche Anthologie. Barbara Mürmann, geboren in Goslar, lebt in Hamburg. Dort leitet sie den Arezzo Musikverlag.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783644504417
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2013
Erscheinungsdatum01.11.2013
Auflage1. Auflage
Reihen-Nr.28
Seiten224 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.1298938
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


[zur Inhaltsübersicht]

Ein schlechtes Gewissen

Andy Glandt


Trotz der einsetzenden Dämmerung und der verschmutzten Fenster konnten die Gäste des kleinen Cafés die Leute draußen vorbeihuschen sehen. Wie Silhouetten, Schatten ohne Gesichter, angestrahlt von den Straßenlaternen, glitten sie vorbei, manche hektisch, andere gemütlich, und hin und wieder hielt einer dieser Schatten vor dem Café, betrat es und bekam ein Gesicht. Noch einen Tag bis Heiligabend, Zeit zum Beeilen für diejenigen, die ihr Geschenkdepot noch füllen mussten.

Das Summen eines Elektromotors zeugte von einem Reinigungsauto, das kurz die Sicht verdeckte, als es am Café vorüberfuhr, um den Bürgersteig von den Resten des verschmutzten Schnees zu befreien. Wieder würde es keine weiße Weihnacht geben. Mit Temperaturen zwischen sieben und zwölf Grad war es einfach zu warm. Dem Fahrzeug folgte ein orangefarbener Overall, der die Papierkörbe aus ihren Halterungen nahm und den Inhalt auf den hinteren Teil der Kehrmaschine leerte.

Von all dem Treiben da draußen bekam Erich nichts mit. Er dachte an morgen, er dachte an Heiligabend und daran, wie er den Tag und insbesondere den Abend überstehen sollte. Natürlich fürchtete er sich auch vor den anderen Festtagen, aber am Heiligabend würde es mit Sicherheit am schlimmsten werden.

Jeden Nachmittag verbrachte Erich etwa eine Stunde in diesem Café, so wie er es seit Jahren nicht anders kannte. Bis vor einem guten Jahr waren sie zu zweit gekommen. Martha und er. Und das schon, seitdem sie beide Rentner waren.

Wie bei allen Stammkunden hatte Regina, die Chefin des Cafés, genau gewusst, was sie ihnen bringen musste: jedem eine Tasse Kaffee, Martha ein Stück Streuselkuchen und Erich ein Schweineohr, mit Schokoladenüberzug, halbbitter. Zum Abschluss ihres täglichen Rituals hatten beide mit einem Gläschen Pflaumenlikör angestoßen.

Dann kam der Tag, der alles veränderte. Es war der 18. November vor einem Jahr. Eigentlich war es nur eine Routineuntersuchung, doch die Diagnose ließ keinen Zweifel zu. Es war umso schlimmer, weil Martha nie über Schmerzen oder Beschwerden geklagt hatte. Heimtückisch und unbemerkt hatte die Krankheit sich ihres Körpers bemächtigt: Bauchspeicheldrüsenkrebs. In fortgeschrittenem Stadium. Metastasen hatten bereits mehrere ihrer Organe befallen. Es gab keine Möglichkeit, diesen Krebs zu heilen oder ihn wenigstens in seiner Ausbreitung zu stoppen. Sechs Monate gab Dr. Mehnert von der Uni-Klinik ihr noch, aber Martha hielt keine sechs Wochen mehr durch. Erich war voller Hoffnung, Weihnachten noch mit ihr verbringen zu können, auch wenn es das letzte Mal sein sollte. Er versuchte, alles besonders schön vorzubereiten, aber einen Tag vor Heiligabend, genau heute vor einem Jahr, schlief sie ein. Nach 57 Jahren Gemeinsamkeit, in denen es nur wenige Tage gegeben hatte, an denen sie getrennt gewesen waren, ging sie für immer von ihm.

Mit feuchten Augen blickte Erich auf die verschlungenen Hände eines Pärchens am Nebentisch. So hatte auch er mit seiner Martha oft dagesessen, ihr tief in die Augen geschaut und ihre Liebe zu ihm gesehen.

Nur Bruchstücke einer Erinnerung waren ihm vom letzten Weihnachtsfest geblieben. Es hatte Augenblicke des Verdrängens gegeben, in denen er wie in Trance durch die Wohnung gewandelt war, um seine Martha zu suchen. Die meiste Zeit aber hatte er in seinem Sessel gesessen und den Tränen freien Lauf gelassen. Robert, sein Sohn, war für einige Tage bei ihm eingezogen, und auch Elke, seine Ex-Schwiegertochter, hatte ihn mehrere Male besucht. Doreen, die neue Frau an Roberts Seite, war nur einmal kurz da gewesen. Als Ärztin hatte sie Bereitschaftsdienst gehabt.

Es war ein Schock für Erich und Martha gewesen, als Robert vor anderthalb Jahren Hals über Kopf zu Doreen gezogen war. Beide hatten Elke geliebt, und er tat es heute noch. Ein-, zweimal im Monat schaute sie immer noch bei ihm vorbei, oder sie gingen gemeinsam essen. Erich hatte sie auch schon in dieses Café eingeladen. Dann war es für ihn fast so wie damals mit Martha.

Über ihre Trennung redeten Robert und Elke nie, und sie mieden auch heute noch dieses Thema. Gerade mal acht Jahre hatte die Ehe zwischen den beiden gehalten. Acht Jahre, in denen Martha und er die Hoffnung auf ein Enkelkind nie aufgegeben hatten, doch leider vergeblich. Nun würde er nie Großvater werden. Doreen war eine Karrierefrau, in deren Leben es keinen Platz für Kinder gab.

Wie würde er dieses Jahr Weihnachten überstehen? Ganz allein. Nicht einmal sein Sohn wäre da. Seit einer Woche waren er und Doreen in Australien. Sie hatte das erste Mal seit vier Jahren keinen Dienst zwischen den Feiertagen, und so nutzten die beiden die Zeit, sich diesen lang gehegten Wunsch zu erfüllen. Zwar hatte Robert seinen Vater gefragt, ob es ein Problem wäre, wenn er Weihnachten nicht mit ihm feiere, aber dessen Zustimmung von vornherein vorausgesetzt. Wie sich später herausstellte, waren zu diesem Zeitpunkt die Flüge längst gebucht. Elke hätte ihn nie zu Weihnachten allein gelassen, schon gar nicht nach dem Tod seiner Frau.

Erich überlegte, wie Roberts Entscheidung ausgefallen wäre, hätte er ihn gebeten, Weihnachten mit ihm zu verbringen. Er wusste es nicht. Auf irgendeiner Ebene hätte es sicher Streit gegeben, entweder zwischen Robert und ihm oder Robert und Doreen. Doch Erich wollte nicht der Grund eines Streites sein. So schwer es ihm auch gefallen war, er hatte seine Enttäuschung hinuntergeschluckt und so getan, als würde es ihm nichts ausmachen, Weihnachten ohne seinen einzigen Sohn zu verbringen.

Nach Marthas Tod hatte er seine Gewohnheiten nicht geändert. Während seines Besuchs in diesem Café wechselte er nun täglich die Kuchensorten. An einem Tag aß er sein geliebtes Schweineohr und am nächsten einen Streuselkuchen für Martha. Sonntags unternahm er einen Spaziergang durch den Park unweit seiner Wohnung, nachdem es mittags einen Braten mit Klößen gegeben hatte. Er kochte meistens zu viel, was aber nicht schlimm war, da es somit die Woche über immer etwas Warmes zu essen gab. Hinzu kam, dass er nun dreimal wöchentlich auf den Friedhof ging, um Marthas Grab zu pflegen. Egal, wann man dort vorbeiging, es standen immer frische Blumen darauf.

Auch ein Weihnachtsbaum stand in seiner Wohnung, genau so aufgeputzt, wie es Martha all die Jahre getan hatte.

Sein Verhältnis zu den drei anderen Mietparteien im Haus war weiterhin gut, und wenn er ihnen begegnete, bemühte er sich, sich nichts von seiner Gemütsstimmung anmerken zu lassen. Er hatte mit ihnen im Juni das Hausfest gefeiert, war im August einmal mit den Grabows über ihm zu einem Picknickausflug gewesen und schon zweimal zu einem Videoabend bei den Gärtners schräg über ihm. Er wollte schon lange mal alle zu sich einladen, hatte aber bis jetzt keine Gelegenheit gefunden. Vielleicht lag es auch daran, dass er in seiner Trauer noch nicht bereit war, Gäste zu empfangen.

Wie immer hatte er den Grabow-Zwillingen Paul und Hannes eine Kleinigkeit zum Geburtstag geschenkt, und auch Weihnachten würden sie nicht leer ausgehen. Selbst an Lina, die dreijährige Tochter seiner neuen Nachbarin, hatte er gedacht und ihr eine kleine Puppe gekauft. Nur wusste er nicht, wann er seine Geschenke verteilen sollte. Er wollte die Familien am Heiligen Abend nicht stören.

Aus seiner Tasche kramte er einen Fünf-Euro-Schein hervor, legte ihn auf den Tisch und erhob sich. Er band sich seinen Schal um, schlüpfte in seinen dicken, rehbraunen Stoffmantel, knöpfte ihn mit langsamen Bewegungen zu und setzte seinen Hut auf. Er griff in die Seitentaschen, um die Handschuhe hervorzuholen, und bemerkte die aufgerissene Naht an der rechten Tasche. Schon dreimal hatte er versucht, sie zu flicken, aber das Nähen hatte immer Martha übernommen. Vielleicht sollte er Elke darum bitten, wenn sie ihn wieder einmal besuchte.

«Bis morgen, Regina.» Er winkte der Chefin zu, die gerade bei einem anderen Gast kassierte. Sie drehte sich zu ihm um und erwiderte wie immer: «Danke, und noch einen schönen Abend, Erich.» Nach einem Blick auf die Uhr fügte sie hinzu: «Und denk daran, morgen schließe ich Punkt fünf.»

«Ich weiß», antwortete Erich und verließ das Lokal.

 

Einen Tag später, es war kurz nach 17 Uhr, blieb Erich nach dem Verlassen des Cafés unschlüssig vor der Eingangstür stehen und überlegte, was er jetzt tun sollte. Zu Hause würde ihn die Erinnerung einholen. Davor hatte er Angst. Auch wollte er niemanden besuchen. Er war überzeugt, dass die meisten es an so einem Tag als Belästigung empfinden würden, von einem trauernden Greis besucht zu werden.

Die Linde, eine kleine gemütlichen Kneipe unweit seiner Wohnung, in der er hin und wieder mit ehemaligen Kollegen Skat spielte, war jeden Heiligabend ab neunzehn Uhr geöffnet. Ein paarmal war er nach der Bescherung mit Martha dort gewesen. Er plante, auch heute für ein oder zwei Gläschen dort einzukehren, aber dazu war es noch zu früh. Schweren Herzens entschloss er sich, doch erst mal nach Hause zu gehen, um etwas zu essen, obwohl er bezweifelte, dass er Appetit bekam.

Überall sah er Weihnachtdekorationen. In den Fenstern leuchteten Schwippbögen, Sterne oder einfach nur Kerzen. Ein Weihnachtsmann begegnete ihm und wünschte ihm ein frohes Fest. Auch er würde jetzt gern als Weihnachtsmann einige Kinder glücklich machen. Vielleicht sollte er sich nächstes Jahr beim Arbeitsamt dafür anbieten.

Als er vor seinem Haus ankam, wunderte er sich. Bei den Grabows leuchtete ein Schwippbogen - und bei ihm? Schwaches Licht schimmerte durch die Wohnzimmergardine. Hatte er vergessen, die Lichterkette am Weihnachtsbaum auszuschalten?...
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Für Barbara Mürmann ist als Herausgeberin der «Weihnachtsgeschichten am Kamin» das ganze Jahr Weihnachten. Zum Glück, denn sie liebt dieses besondere Fest. Seit vielen Jahren besorgt sie mit Hingabe und Sorgfalt die Auswahl für die erfolgreiche Anthologie. Barbara Mürmann, geboren in Goslar, lebt in Hamburg. Dort leitet sie den Arezzo Musikverlag.