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Corporation 2020

von
E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
296 Seiten
Deutsch
oekom verlagerschienen am30.09.2013
Bislang ist es für global agierende Unternehmen Usus, viele ihrer Kosten abzuwälzen: auf die Natur, auf die Menschen in den armen Ländern des Südens, auf die nachfolgenden Generationen. Die Konzerne und ihre Bosse kassieren - die Zeche zahlen andere. Doch damit soll jetzt Schluss sein. Pavan Sukhdev, ehemaliger Top-Manager der Deutschen Bank, fordert einen sofortigen, radikalen Umbau der Wirtschaft: Naturkapital darf nicht länger kostenlos sein, nicht Gewinne müssen versteuert werden, sondern der Verbrauch von Ressourcen. Die Zeit ist reif für eine neue Managergeneration, die sich der Gesellschaft verpflichtet fühlt, für kleinere Unternehmensstrukturen, eine Begrenzung des Fremdkapitals sowie für mehr Ehrlichkeit - auch in der Werbung. 'Diese neue Unternehmens-DNA muss spätestens 2020 in der Wirtschaft erkennbar sein, denn dann werden wir den Grenzen der Tragfähigkeit des Planeten schon gefährlich nahe sein', ist sich Sukhdev sicher und nennt seine Vision vom Unternehmen der Zukunft daher 'Corporation 2020'. In dieser Welt, in der Wirtschaft und Gesellschaft endlich dieselben Ziele verfolgen, ist eine neue Form des Kapitalismus vorherrschend - ein rücksichtsvoller Kapitalismus, der die Schaffung von Natur-, Sozial- und Humankapital anerkennt und belohnt.

Pavan Sukhdev nahm eine Auszeit von seiner Tätigkeit bei der Deutschen Bank, um sich voll und ganz gru¨nen Themen zu widmen. Er leitete die Green Economy Initiative der UN-Umweltorganisation UNEP und wurde als Kopf der TEEBStudie zur Erfassung des ökonomischen Werts von Natur und Ökosystemen weltbekannt. Auf dem Erdgipfel in Rio 2012 präsentierte Sukhdev seine Kampagne 'Corporation 2020', während seiner Dozententätigkeit an der Elite-Universität Yale entstand das gleichnamige Buch.
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Produkt

KlappentextBislang ist es für global agierende Unternehmen Usus, viele ihrer Kosten abzuwälzen: auf die Natur, auf die Menschen in den armen Ländern des Südens, auf die nachfolgenden Generationen. Die Konzerne und ihre Bosse kassieren - die Zeche zahlen andere. Doch damit soll jetzt Schluss sein. Pavan Sukhdev, ehemaliger Top-Manager der Deutschen Bank, fordert einen sofortigen, radikalen Umbau der Wirtschaft: Naturkapital darf nicht länger kostenlos sein, nicht Gewinne müssen versteuert werden, sondern der Verbrauch von Ressourcen. Die Zeit ist reif für eine neue Managergeneration, die sich der Gesellschaft verpflichtet fühlt, für kleinere Unternehmensstrukturen, eine Begrenzung des Fremdkapitals sowie für mehr Ehrlichkeit - auch in der Werbung. 'Diese neue Unternehmens-DNA muss spätestens 2020 in der Wirtschaft erkennbar sein, denn dann werden wir den Grenzen der Tragfähigkeit des Planeten schon gefährlich nahe sein', ist sich Sukhdev sicher und nennt seine Vision vom Unternehmen der Zukunft daher 'Corporation 2020'. In dieser Welt, in der Wirtschaft und Gesellschaft endlich dieselben Ziele verfolgen, ist eine neue Form des Kapitalismus vorherrschend - ein rücksichtsvoller Kapitalismus, der die Schaffung von Natur-, Sozial- und Humankapital anerkennt und belohnt.

Pavan Sukhdev nahm eine Auszeit von seiner Tätigkeit bei der Deutschen Bank, um sich voll und ganz gru¨nen Themen zu widmen. Er leitete die Green Economy Initiative der UN-Umweltorganisation UNEP und wurde als Kopf der TEEBStudie zur Erfassung des ökonomischen Werts von Natur und Ökosystemen weltbekannt. Auf dem Erdgipfel in Rio 2012 präsentierte Sukhdev seine Kampagne 'Corporation 2020', während seiner Dozententätigkeit an der Elite-Universität Yale entstand das gleichnamige Buch.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783865815613
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
FormatFormat mit automatischem Seitenumbruch (reflowable)
Erscheinungsjahr2013
Erscheinungsdatum30.09.2013
Seiten296 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.1309453
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Inhaltsverzeichnis
1;Corporation 2020;1
2;Inhaltsverzeichnis;5
3;Vorworte;7
4;Danksagung;15
5;EINFÜHRUNG;21
5.1;Ein Jahr später...;23
5.2;Der unsichtbare Fuß und sein sichtbarer Fußabdruck;24
5.3;Corporation 1920;26
5.4;Das künstlich gedüngte Feld;28
5.5;Corporation 2020;31
5.6;Dringend erforderlich: die neue Unternehmens-DNA;32
5.7;Die Welt der Corporation 2020;33
6;KAPITEL 1. Die Rechtsgeschichte des Unternehmens;37
6.1;Die ersten Jahrtausende;38
6.2;Vom Gemeinnutz zum Eigennutz;40
6.3;Privatwirtschaft und das Unternehmen;41
6.4;Der Sargnagel;44
6.5;Die Geburt der Corporation 1920;45
7;KAPITEL 2. Deregulierung und Innovation: 1945 bis 2000;47
7.1;Größe hat ihren Preis;48
7.2;Handelsderegulierung und der multinationale Konzern;51
7.3;Zwei Logistikrevolutionen;52
7.4;Die Deregulierung der Kapitalmärkte;56
7.5;Die Macht ausländischer Direktinvestitionen;57
7.6;Finanzinnovationen: die »schöne neue Welt« der Euromärkte, Steueroasen und Derivate;61
7.7;Deregulierung und Innovation: Ein Zusammenspiel mit Folgen;67
8;KAPITEL 3. Corporation 1920: die Repräsentantin der heutigen Wirtschaft;71
8.1;Big Is Beautiful;73
8.2;Der "1920er Ford";74
8.3;Die unbeschränkten Verbindlichkeiten der Gesellschaft mit beschränkter Haftung;75
8.4;Enron: mit Fremdkapital in den Abgrund;77
8.5;Aus Wünschen werden Bedürfnisse;77
8.6;Werbung gefährdet Ihre Gesundheit;79
8.7;Das Feld wird bestellt;80
8.8;Saubere Kohle - schmutzige Lobbyarbeit;81
8.9;Superprofite in Australien;82
8.10;Die Folgen der Corporation 1920;84
8.11;Die Geschichte des verbleiten Benzins: wie man alle immerzu zum Narren hält36;86
9;KAPITEL 4. Hinter den Spiegeln: die Parallelwelt der Externalitäten;89
9.1;"Weil dort das Geld ist";90
9.2;Externalisierte Kosten und die Natur;90
9.3;Externalitäten können auch positiv sein;92
9.4;Infosys: Humankapital als positive Externalität;93
9.5;Natura: soziales Kapital als positive Externalität;95
9.6;Externalisierte Kosten und die Nettowertschöpfung;97
9.7;Voodoo-Ökonomie und externalisierte Kosten;101
9.8;"Die Zeit ist reif", das Walroß sprach...;105
9.9;Der Stachel;109
10;KAPITEL 5. Externe Effekte einbeziehen;113
10.1;Gold am Ende des Regenbogens?;114
10.2;Einige sind Vorreiter...;115
10.3;...manchen wird die Vorreiterrolle aufgedrängt;116
10.4;Können Buchhalter die Welt retten?;118
10.5;Das Gebrüll der Raubkatze;120
10.6;Freiwillige Transparenz als Ziel;122
10.7;Welchen Beitrag können Versicherungen leisten?;124
10.8;Das Feld bereiten: Steuern, Subventionen...;125
10.9;...und die Bedeutung von Regulierungen;126
11;KAPITEL 6. Verantwortungsvoll werben;131
11.1;Das Rauchen und die Emanzipation der Frau;132
11.2;Mit Babys gute Geschäfte machen;136
11.3;Klein, aber schrill;138
11.4;Werbung: eine schwindende Macht?;140
11.5;Die Verantwortlichkeit der Werbung und die Corporation 2020;143
11.6;Die wachsende Verbrauchermacht;144
11.7;Richtlinien für einen beschleunigten Wandel;147
11.8;Wohin geht die Werbung?;149
12;KAPITEL 7. Fremdkapital begrenzen;153
12.1;Vorteile, Risiken und Kosten der Fremdkapitalisierung;155
12.2;Krisen und Fremdkapitalisierung sind ein häufiges Gespann;158
12.3;Fremdkapital kontrollieren;162
12.4;Regulierung von Unternehmen außerhalb des Finanzsektors;166
12.5;Ein neues Management-System für Fremdkapital;172
12.6;Falsche Subventionen eliminieren: steuerliche Absetzbarkeit von Zinsen;176
12.7;Das Erreichen des Too Big To Fail-Status erschweren;177
12.8;Über Märkte hinausgehen;184
13;KAPITEL 8. Ressourcen, nicht Gewinne besteuern;187
13.1;Falsche Subventionen und Ressourcenextraktion;191
13.2;Gute Gründe für eine Ressourcenbesteuerung;193
13.3;Welchen Preis haben öffentliche Güter?;194
13.4;Wie groß ist der Kuchen?;194
13.5;Ein neues Wirtschaftsmodell;197
13.6;USA: Die Kapitale des Konsums;198
13.7;Die Vorteile einer Besteuerung des Schlechten anstelle des Guten;201
13.8;Australien: Wer s findet, darf s behalten;202
13.9;Deutschland: Erhaltung, Recycling und Innovation;205
13.10;Wirtschaftliche und ökologische Effizienz in Einklang bringen;207
14;KAPITEL 9. Corporation 2020: die Unternehmens-DNA der Zukunft;209
14.1;Nichts ändert sich von allein;210
14.2;Es gibt keine eleganten Lösungen;211
14.3;Die Zeit drängt;213
14.4;Die neue Unternehmens-DNA;214
14.5;Henry Ford und die soziale Zielausrichtung;217
14.6;Die vier Stränge einer neuen DNA;219
14.7;Die soziale Ausrichtung der Ziele;219
14.8;Die Corporation 2020 produziert Kapital;220
14.9;Corporation 2020 ist eine Gemeinschaft;223
14.10;Corporation 2020 ist eine Ausbildungsstätte;225
14.11;Wege zur Corporation 2020;226
14.12;Alternative Besitzstrukturen;229
14.13;Die "Theorie des Wandels" der Corporation 2020;232
15;KAPITEL 10. Die Welt der Corporation 2020;235
15.1;Das Jahrzehnt der Auflösung;235
15.2;Eine neue Definition für wirtschaftlichen Erfolg;238
15.3;Rahmenbedingungen für die Welt der Corporation 2020;244
15.4;Makroökonomische Konsequenzen;254
15.5;Der Neun-Milliarden-Tonnen-Hamster und der Schmetterling;257
15.6;Kosten und Nutzen einer grünen Ökonomie;259
16;Anmerkungen;262
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Leseprobe

EINFÜHRUNG

Scheitern ist lediglich eine Gelegenheit,
von vorne anzufangen - allerdings intelligenter.

Henry Ford

Sucht man im Internet nach »I'd like my life back«, stößt man auf ein Video mit Tony Hayward, Ex-CEO von BP.1 Seine Worte, nicht gerade ein Paradebeispiel unternehmerischer Diplomatie, machten Schlagzeilen, als er am 30. Mai 2010, vier Wochen nach der Explosion auf der BP-Bohrplattform Deepwater Horizon im Golf von Mexiko, versuchte, die von der Ölpest betroffenen Einwohner von Venice, Louisiana, zu besänftigen.

Bemerkenswert an dem Video ist nicht nur Haywards Unfähigkeit zur Empathie, sondern auch die Vorgeschichte dieses Auftritts. Nur ein Jahr zuvor hatte Hayward in einem Interview betont, »Sorgfaltspflicht« sei der wesentlich Antrieb seines beruflichen Lebens.2 Zwar gab er unumwunden zu, dass BP zahlreiche Sicherheitsdesaster zu verantworten hatte, sei es in Texas, in der Prudhoe Bay in Alaska oder anderswo, behauptete aber dennoch, er habe sich seit seiner Ernennung zum CEO im Jahr 2006 bemüht, Sicherheit ganz oben auf die BP-Agenda zu setzen, wobei - natürlich - zu bedenken sei, dass der Hauptzweck des Unternehmens die Erfüllung der Aktionärserwartungen, nicht die Rettung der Welt sei. Ein knappes Jahr später musste er sich einem Sicherheitsdesaster epischen Ausmaßes stellen, der größten Ölpest der Geschichte.3 Nach der Katastrophe war der BP-Aktienkurs abgestürzt: In weniger als sechs Wochen wurde Aktionärsvermögen im Wert von 70 Milliarden USD vernichtet.4

Nach der Deepwater Horizon-Katastrophe stand plötzlich ein völlig anderer Punkt auf Haywards Agenda ganz oben: Schadensbegrenzung. Er focht die Ergebnisse von mindestens drei getrennten und unabhängigen Wissenschaftlerteams an, denen zufolge bis zu 35 km lange Ölschlieren unter der Meeresoberfläche schwammen. Eigene Untersuchungen von BP, so Hayward, hätten keinerlei Hinweise auf ein solches Phänomen gegeben.5 Er musste sich schließlich auch die Frage stellen lassen, warum sich die BP-Manager auf der Deepwater Horizon nur wenige Tage vor dem Blowout offensichtlich nicht für die sichersten Optionen entschieden hatten.6

Ist Hayward als CEO dafür verantwortlich zu machen, dass sein Unternehmen die von ihm selbst gesetzte oberste Priorität - die Betriebssicherheit - nicht einhielt? Oder dass deshalb der schlimmste Kurssturz in der Geschichte von BP in seine Amtszeit fiel? BP hatte gegen keine Gesetze verstoßen, das Unternehmen hatte noch nicht einmal, wie viele US-Firmen, eine Lockerung der Beschränkung von Ölbohrungen im Golf von Mexiko gefordert.7 Und doch war der »Fußabdruck«, den BP im Golf von Mexiko hinterließ, verheerend: Artenverlust, zerstörte Strände, die Austern- und Meeresfischerei wurde zeitweise zum Erliegen gebracht, naturnahe Freizeit- und Tourismusbereiche waren in Mitleidenschaft gezogen und lokale Einkommensquellen unterbrochen. Nach Berechnungen einer Gruppe von Wissenschaftlern beziffert sich der Gesamtschaden für die Umwelt auf einen Wert zwischen 34 und 670 Milliarden USD.8 Nach dem Zwischenfall richtete BP einen Fonds in Höhe von 20 Milliarden USD ein, aus dem die Schadensersatzansprüche gedeckt werden sollten.9 Das allein sind bereits Probleme gigantischen Ausmaßes, zu denen sich ein weiteres hinzugesellte: Aufgrund des öffentlichen Zorns über die Ölkatastrophe war die Zukunft des Unternehmens BP gefährdet. Daher tat Hayward am 30. Mai das, was jeder CEO tut, wenn sein Unternehmen ein gesellschaftliches Problem verursacht: Er versuchte, den Ruf des Ölgiganten zu retten, nicht zuletzt um sich damit die »gesellschaftliche Erlaubnis« zu sichern, das Unternehmen fortführen zu können. Aber nach dem Umweltdesaster folgte das Kommunikationsdesaster.

Die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP), die BP als Voraussetzung für die Gewährung von Bohrrechten im Golf von Mexiko durchführen musste, scheint schlampig aus früheren Berichten zusammengestückelt worden zu sein. So tauchte darin als eines der Ziele von BP der Schutz des Walrosses auf, eines Säugetiers, das ausschließlich in der Arktis vorkommt. Und als Fachmann, der im Notfall hinzugezogen wird, wurde Professor Peter Lutz genannt, ein renommierter Experte über die Auswirkungen von Ölkatastrophen auf Seeschildkröten - der allerdings bereits 2005 verstorben ist.

In Das Walross und der Zimmermann, Lewis Carrolls berühmten Versen aus Alice im Wunderland, führen die beiden Titelcharaktere eine Gruppe Austern auf einen unsinnigen Ausflug über einen Strand, bevor sie sie verspeisen. Die schlampige UVP, die BP eingereicht hat, präsentierte nicht nur zwei fiktive Charaktere, sie zerstörte Strände und Austernbänke im Golf von Mexiko und sie zeigte eine Unternehmenskultur, in der noch nicht einmal die vom eigenen CEO proklamierte Priorität eingehalten wird. Die UVP legte auch das Fundament für betriebliche Entscheidungen, die die Gesellschaft Milliarden und die Aktionäre rund 70 Milliarden USD kosteten. Ganz zu schweigen von einem CEO, der mit seinem PR-Fauxpas die Sache nur noch schlimmer machte. Und all das von einem Unternehmen, das gerade geschätzte 200 Millionen USD für eine Werbekampagne ausgegeben hatte, die die Zukunft von BP als »Beyond Petroleum« darstellte.10

BP führte eine zornige Öffentlichkeit auf eine wahre Phantasie- und Verschleierungsexpedition. Ist es das, was heute einen multinationalen Konzern kennzeichnet?
Ein Jahr später …

Ein Jahr später, Ende Mai 2011, sitzen zwanzig Nobelpreisträger in Stockholm zusammen, um ihr außergewöhnliches Denkvermögen den größten Problemen des Planeten zu widmen. Ihre Aufgabe ist es, ein Communiqué für Rio+20 auszuarbeiten - einen Umweltgipfel, der im darauf folgenden Jahr stattfinden soll.11

Zu Beginn der Diskussion halten die Wissenschaftler eine Art »Gerichtsprozess« ab. Die Beklagte: die Menschheit. Die Klägerin: die Erde. Die Klage lautet auf »Zufügung eines schweren Schadens« zum Nachteil der Klägerin. Stundenlang wird die Angeklagte ins Kreuzverhör genommen. Die Verteidiger bemühen sich redlich, ihre Mandantin zu entlasten. Doch ohne nennenswerten Erfolg. Die Nobelpreisträger, die in das Richtergremium gewählt worden waren, fällen ihr Urteil: Die Menschheit ist schuldig in fast allen Anklagepunkten. Sie schlagen verschiedene Strafmaße vor, unter anderem 1.000 Jahre Gemeinschaftsdienst! So unterhaltsam dieser »Prozess« als Auftakt der ernsthaften Arbeit auch war, er hinterließ einen bitteren Nachgeschmack. Ist die Menschheit wirklich in der Lage, sich zu ändern, und will sie das auch? Wenn nein, warum nicht? Liegt etwas »Krankhaftes« in dieser selbstmörderischen Verweigerung? Und ist es vielleicht schon zu spät, das Thema auch nur zu diskutieren?

Ich nahm an der Veranstaltung als Experte für eine »grüne Wirtschaft« und die unsichtbare »Ökonomie der Natur« teil. Mein einziger formaljuristischer Einwand gegen den Prozess: Ich hielt ihn für wenig aussagekräftig, denn der Anwalt der Klägerin hatte es versäumt, den unsichtbaren Mitangeklagten der Menschheit, das Unternehmen als Rechtskonstrukt, in den Zeugenstand zu rufen. Das Unternehmen ist in den rund 60 Jahren des mutmaßlichen Fehlverhaltens der Menschheit gegenüber der Erde immerhin der wichtigste wirtschaftliche Akteur der Angeklagten gewesen. Doch nur ein Jahr nach der gigantischen, von einem Unternehmen verursachten Ölkatastrophe im Golf von Mexiko (vielleicht der größten und in der Öffentlichkeit am meisten diskutierten Beschädigung des Planeten Erde in der jüngeren Vergangenheit), spielt das Unternehmen im »Prozess« der Nobelpreisträger nicht die geringste Rolle. Warum?
Der unsichtbare Fuß
und sein sichtbarer Fußabdruck

1759 fand der Moralphilosoph Adam Smith die Metapher von der »unsichtbaren Hand« des Marktes, die die Wirtschaft lenkt und so Wohlstand schafft - sozusagen aus einer Verbindung der Marktkräfte Eigennutz, Wettbewerb, Angebot und Nachfrage.12 Einer der wesentlichen Kritikpunkte an Smith' Hypothese der »unsichtbaren Hand«, die erklären soll, warum eigennütziges Marktverhalten gesellschaftlichen Nutzen hervorbringt, verweist auf die Tatsache, dass Smith die bedeutenden gesellschaftlichen Kosten ignoriert, die Unternehmen an die Gesellschaft weitergeben, die sogenannten negativen Externalitäten oder externalisierten Kosten.13 Sind die Marktkräfte wirklich die »unsichtbare Hand«, dann ist das Unternehmen (der Hauptakteur einer Wirtschaft und der Hauptakteur auf dem Markt) so etwas wie der »unsichtbare Fuß«. Denn welchen Einfluss hätten Smith' vier Marktkräfte, wenn es das Unternehmen nicht gäbe?

Ohne die Unternehmen, in erster Linie in Form von Kapitalgesellschaften, wie wir sie heute kennen, würden die meisten Waren nicht oder nur sehr ineffizient produziert werden. Ein Großteil der Nachfrage, die heute durch die von den Unternehmen in Auftrag gegebene Werbung erst geschaffen wird, würde schlichtweg nicht existieren. Wettbewerb wäre ohne seine aggressivsten Mitspieler - die Unternehmen - kaum erkennbar und der Eigennutz würde durch gesellschaftlichen Zweck gemildert werden. Fakt ist aber, dass das Unternehmen in all seiner gewinnsüchtigen und Externalitäten verschweigenden Art der Grundpfeiler der modernen Wirtschaft ist. Tatsächlich ist es das schiere Volumen der externen Kosten, die den »unsichtbaren Fuß« durch seinen sehr großen und überdeutlich sichtbaren »Fußabdruck« erkennbar machen.

Die externalisierten Kosten, also diejenigen Kosten, die...

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Pavan Sukhdev nahm eine Auszeit von seiner Tätigkeit bei der Deutschen Bank, um sich voll und ganz gru¿nen Themen zu widmen. Er leitete die Green Economy Initiative der UN-Umweltorganisation UNEP und wurde als Kopf der TEEBStudie zur Erfassung des ökonomischen Werts von Natur und Ökosystemen weltbekannt. Auf dem Erdgipfel in Rio 2012 präsentierte Sukhdev seine Kampagne »Corporation 2020«, während seiner Dozententätigkeit an der Elite-Universität Yale entstand das gleichnamige Buch.