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Dolch und Münze (03)

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
608 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am21.07.2014
Der Tyrann Geder Palliako hat seine Nation in den Krieg geführt, doch jeder Sieg hat nur einen weiteren Konfliktherd entzündet. Nun will er den Frieden bringen, und es ist ihm egal, wie viele Menschen er dafür töten muss. Währenddessen spürt Hauptmann Marcus Wester in den Schatten der Welt einem uralten Geheimnis nach, das den Verlauf des Krieges in einer Weise verändern wird, die nicht einmal er absehen kann.mehr

Produkt

KlappentextDer Tyrann Geder Palliako hat seine Nation in den Krieg geführt, doch jeder Sieg hat nur einen weiteren Konfliktherd entzündet. Nun will er den Frieden bringen, und es ist ihm egal, wie viele Menschen er dafür töten muss. Währenddessen spürt Hauptmann Marcus Wester in den Schatten der Welt einem uralten Geheimnis nach, das den Verlauf des Krieges in einer Weise verändern wird, die nicht einmal er absehen kann.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641124137
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2014
Erscheinungsdatum21.07.2014
Seiten608 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1289 Kbytes
Artikel-Nr.1366116
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe



Prolog

Milo vom Murro-Orden

Milo glitt in der Finsternis aus und fiel auf ein Knie. Er schürfte sich die Haut auf dem steinigen Strand auf, und das Blut färbte seine wollenen Beinkleider dunkel. Der alte Fischer - Kirot hieß er - hielt an und blickte zu ihm zurück, wobei er seine Laterne und eine weiße Braue fragend hob. Kommst du nun, oder bleibst du hier? Im Norden knisterte Eis auf den Wellen. Im Süden wartete das Dorf in tiefer Dunkelheit auf ihre Rückkehr. Milo zwang sich dazu aufzustehen. Was machte schon ein wenig Blut mehr? Er hatte bei Gott bereits genug verloren. Kirot nickte und nahm seinen langsamen Trott an der Küste entlang wieder auf.

Der Rhythmus ihrer Schritte setzte sich von den Wellen ab wie das komplizierte Muster eines Hochzeitstanzes. Milo konnte sich beinahe das Trillern der Geigen und das Pochen der Muscheltrommeln vorstellen. Ihm war zu Ohren gekommen, dass von allen dreizehn Rassen der Menschheit die Haavirisch das beste Musikgefühl hatten. Allerdings musste er zugeben, dass er dergleichen lediglich von anderen Haavirisch gehört hatte. Eine Frauenstimme erhob sich inmitten der Musik, ein Heulen, das sich auf sinnliche Weise mit den Streichinstrumenten vereinte, und Milo bemerkte, dass er Halluzinationen hatte. Sein Vater nannte es die Stimme des Wassers. Er hatte sie schon früher manchmal gehört, wenn er im trüben Licht vor der Dämmerung draußen gewesen war oder bei der Rückkehr zur Küste nach einem langen Tag auf den kalten Wassern des Nordens. Manchmal war es Musik, manchmal war es wie Stimmen, die sich unterhielten oder stritten. Einige unter den Ältesten und den Jüngsten behaupteten, dass diese Geräusche real waren, dass sie von den Versunkenen stammten, die nach ihrer Geschwister-Rasse riefen. Für Milos Vater war diese Erklärung nur Moder und Pisse. Es wäre lediglich der Verstand, der sich selbst etwas vorgaukelte, und das Brüllen von Eis und Wogen, das ihm den Anlass lieferte, um sich auszutoben. Und daher entsprach das auch dem, was Milo glaubte.

Die Küste war dort, wo sie seinem Dorf am nächsten war, zerklüftet: Klippen und steiniger Strand, fette grüne Krabben und Möwen weiß wie Schnee. In manchen Nächten tanzte grün-goldenes Polarlicht über den Himmel, aber heute hing eine tiefe, dunkle Wolkendecke über dem Land, und es roch, als würde es bald schneien. Der Mond kämpfte sich hin und wieder ins Freie, um einen Blick auf die beiden Männer zu erhaschen und sich dann scheu abzuwenden. Nein, es waren keine zwei Männer. Noch nicht. Ein Mann, und einer, der kurz davor stand. Heute Morgen war Milo als Junge aufgewacht, und er würde ein Mann sein, bevor er sich niederlegte, aber noch hielt er sich an jenem gefährlichen Ort dazwischen auf, war weder das eine noch das andere. Deshalb war er hier.

Er wusste, dass es am besten war, nicht unmittelbar in das Leuchten von Kirots Laterne zu blicken. Das winzige Licht würde ihn blenden. Es war besser, in die Schatten zu starren und dafür zu sorgen, dass seine Augen an die Dunkelheit angepasst blieben. Aber unwillentlich wanderte sein Blick zu der Flamme, und er besaß nicht mehr genug Willenskraft, um ihn erneut abzuwenden. Jedes der unzähligen kleinen Fischerdörfer an der Küste von Hallskar hatte seinen Orden, sein Ritual, seine Geheimnisse, Symbole und Rätsel. Einige von ihnen hatten sich über Generationen hinweg blutige Kämpfe wegen Zerwürfnissen geliefert, deren Ursprünge in den dunklen Wassern der Geschichte verschollen waren. Der Wodmann-Orden, bei dem sie sich das Gesicht blau und rot tätowierten, hatte die Schiffe des grüngesichtigen Lûs-Ordens versenkt, und der Lûs-Orden hatte die Wodmann-Pökelhäuser niedergebrannt, bis der Klan der Ältesten aus Rukkyupal gekommen war, um eine Versöhnung zu erzwingen. In manchen Orden musste man, um ein Mann zu werden, eine monatelange Reise in einem selbst gebauten Boot auf sich nehmen. In anderen fasteten die Jungen, bis die großen Wülste aus Haavirisch-Fett nur noch dünne Hautfalten waren. Für Milo und die Jungen des Murro-Ordens gab es die Initiation. Eine Nacht der Gesänge und der Verwöhnung, ein letztes Mal in den Unterkünften der Frauen schlafen und dann von der Morgen- bis zur Abenddämmerung eine Reihe von rituellen Kämpfen und Züchtigungen, die Milo einen wunden Rücken und schwache, zitternde Knie beschert hatten.

Und nach dem letzten dieser Kämpfe kam die geheime Initiation, über die kein Junge etwas wusste und über die kein Mann jemals sprach. Selbst jetzt war alles, was Milo sicher darüber sagen konnte, dass man bei Ebbe in der längsten Nacht des Jahres an der Küste entlangging.

Kirot knurrte und machte einen Schritt nach links. Milos umnebelter Verstand konnte keinen Grund dafür erkennen, bis er in die überfrorene Pfütze zwischen den Steinen trat. Stechende Kälte umfing seine Zehen. Jede andere Rasse - Erstgeborene, Tralgu, Yemmu und sogar die Kurtadam mit ihrem öligen Pelz - hätte sich mit einem nassen Fuß in einer Nacht wie dieser in tödliche Gefahr gebracht. Die Drachen hatten die Haavirisch geschaffen, um in der Kälte zu überleben, und Milo empfand die Nässe lediglich als eine weitere Beleidigung seiner Würde, nachdem bereits der ganze Tag davon erfüllt gewesen war.

Kirot seufzte laut auf, hielt an und nahm eine Knochenpfeife von seiner Mütze. Er stopfte Tabak in den Kopf, nahm den Holm zwischen seine dunkel angefaulten Zähne und beugte sich dicht zu der Laterne, um an der Pfeife zu saugen wie ein Säugling an der Brust. Sein Gesicht war ein Irrgarten aus Farben und Falten. Als er Milo anblickte, lag ein feierlicher Ausdruck darauf, der verriet, dass sie das Ziel, zu dem sie unterwegs waren, erreicht hatten. Der alte Fischer hielt ihm die Pfeife hin. Milo fragte sich, ob er so tun sollte, als würde ihn der Rauch zum Husten bringen. Es war den Jungen nicht gestattet, Tabak zu benutzen, wobei die meisten jedoch Gelegenheiten fanden, hier und da eine Prise von ihren Vätern oder älteren Brüdern zu stibitzen. Der knöcherne Pfeifenkopf war warm, und Milo atmete tief ein, wodurch die Glut hell aufleuchtete wie das Auge eines Dartinae. Er musste es richtig gemacht haben, denn Kirot lächelte.

»Hör mir zu«, sagte Kirot, und Milo erschrak, als er eine Stimme vernahm, die nicht aus den Tiefen seines Verstandes herauftrieb. »Von allen Orden aller Dörfer der Haavirisch kennt allein unserer das große Geheimnis der Welt. Hörst du zu? Es gibt Dinge, die nur wir wissen.«

»Ich verstehe«, erwiderte Milo.

»Josen, Sohn des Kol. Erinnerst du dich an ihn?«

Milo nickte.

»Er ist nicht in einem beschädigten Netz zu Tode gekommen«, sagte Kirot. »Er hat außerhalb des Kreises der Männer über das gesprochen, was du gleich erfahren wirst. Sein eigener Vater hat ihn getötet. Auch deiner wird dich töten, wenn du unsere Geheimnisse preisgibst. Was du hier erfährst, wird niemals jemand wissen, nur wir. Hast du das verstanden?«

Milo nickte.

»Sag es«, beharrte Kirot. »Dies ist nicht die Zeit für Unklarheiten.«

Die Wärme des Rauchs klärte Milos Geist und linderte die Schmerzen seines Körpers. Er nahm noch einen Zug und atmete durch die Nase aus. Eine besonders große Welle krachte an die steinerne Küste und ließ Speere und Dolche aus Eis hinter sich, während sie sich in die tintenschwarze See zurückzog.

»Wenn ich über das spreche, was ich heute Nacht hier erfahre, werde ich es mit dem Leben bezahlen.«

»Und es wird nicht einmal jemand den Grund dafür erfahren«, erklärte Kirot. »Deine Mutter nicht. Deine Frauen nicht, falls du einmal welche hast. Jeder wird meinen, dir wäre ein trauriges Unglück widerfahren. Mehr nicht.«

»Ich verstehe«, sagte Milo.

Kirot streckte seine breiten Schultern, und die Rückenwirbel knackten wie brechende Zweige. »Du weißt doch, wie es ist, wenn man aus einem wohligen Schlaf erwacht?«, fragte er. »Du befindest dich gerade in einem warmen, kleinen Traum, wo du mit deiner verstorbenen Tante Ziegenmilch trinkst oder dergleichen Unsinn, und dann kommst du zu dir, und es verblasst alles. Vielleicht hast du einfach nicht gut geschlafen, oder ein Hundekläffen hat dich in der Nacht geweckt, auf jeden Fall bist du zugleich hier und dort. Das spielt aber keine Rolle, denn der Traum, der vollkommen zuverlässig und echt wirkte, hört einfach auf und verschwindet aus deinen Gedanken. Dann ist es an der Zeit, sich zur täglichen Ausfahrt aufzumachen, und du kannst nicht einmal mehr sagen, wovon du eigentlich geträumt hast.«

Milo nahm einen weiteren Zug von der Pfeife. Inzwischen zitterten ihm die Knie weniger, und seine Rückenschmerzen waren stärker geworden. Er atmete ein weiteres Mal ein, bis ihm Kirots leicht verärgerter Blick auffiel. Milo schüttelte den Kopf.

»Ich frage dich noch einmal, und pass diesmal auf. Du weißt doch, wie es ist, wenn man aus einem wohligen Schlaf erwacht?«

»Ja.«

»Also gut. Dieser Traum, der verblasst? Das ist die ganze Welt. Du, ich. Das Meer, der Himmel. Jedes verdammte Ding, das es gibt. Es ist alles ein Traum, den die Drachen träumen, und wenn der letzte Drache jemals erwacht, sind wir im Arsch. Alles, was hier geschehen ist, wird ungeschehen gemacht und verdampft zu nichts.«

Er sprach mit der nüchternen Stimme, die zu Unterhaltungen über das Wetter und die Aussichten auf einen guten Fang gehörte. Milo wartete auf das restliche Gleichnis. Eine weitere Welle warf Stein und Eis auf. Im trüben Licht der Laterne wirkte Kirot verlegen.

»Also gut«, sagte der alte Mann und wandte dem Meer den Rücken zu. »Es hat keinen Sinn, hier zu warten. Komm...


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