Hugendubel.info - Die B2B Online-Buchhandlung 

Merkliste
Die Merkliste ist leer.
Bitte warten - die Druckansicht der Seite wird vorbereitet.
Der Druckdialog öffnet sich, sobald die Seite vollständig geladen wurde.
Sollte die Druckvorschau unvollständig sein, bitte schliessen und "Erneut drucken" wählen.

Simulieren geht über Studieren

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
192 Seiten
Deutsch
Rowohlt Verlag GmbHerschienen am01.03.20141. Auflage
An jeder Uni-Ecke stolpern Studenten über klug klingende, aber inhaltlich leere Formulierungen. Was verbirgt sich hinter den hochtrabenden Phrasen von Dozenten und Kommilitonen? Lena Greiner und Friederike Ott entschlüsseln den Hochschul-Code: Sie zeigen, dass Wissenschaftssprache unnötig kompliziert ist, und knöpfen sich u.a. die Doktorarbeiten des emeritierten Papstes Joseph Ratzinger und von Kanzlerin Angela Merkel vor. Gleichzeitig erklären sie, wie man in Notsituationen eine Hausarbeit sprachlich aufbrezeln kann. Außerdem übersetzen die Autorinnen mit Hilfe bekannter Comedians wissenschaftliche Passagen in verständliches Deutsch. Mit verblüffendem - und oft amüsantem - Ergebnis: «Aus forschungspragmatischen Gründen erfolgt eine Eingrenzung der Datenmenge; bestimmte Indikatoren sind für die hier entwickelte Fragestellung vernachlässigbar.» Heißt übersetzt: «Die Zahlen, die ich zusammengegoogelt habe, stützen meine These eigentlich nicht. Ich benutze deshalb nur, was passt.»

Lena Greiner, Jahrgang 1981, studierte Politikwissenschaft in Hamburg und machte ihren Master im Studienfach Internationale Beziehungen in Berlin und Washington, DC. Davor hospitierte sie im Auswärtigen Amt und beim SPIEGEL. Ab 2010 arbeitete sie als freie Journalistin. Seit Juni 2013 ist Lena Greiner Redakteurin bei SPIEGEL ONLINE.
mehr

Produkt

KlappentextAn jeder Uni-Ecke stolpern Studenten über klug klingende, aber inhaltlich leere Formulierungen. Was verbirgt sich hinter den hochtrabenden Phrasen von Dozenten und Kommilitonen? Lena Greiner und Friederike Ott entschlüsseln den Hochschul-Code: Sie zeigen, dass Wissenschaftssprache unnötig kompliziert ist, und knöpfen sich u.a. die Doktorarbeiten des emeritierten Papstes Joseph Ratzinger und von Kanzlerin Angela Merkel vor. Gleichzeitig erklären sie, wie man in Notsituationen eine Hausarbeit sprachlich aufbrezeln kann. Außerdem übersetzen die Autorinnen mit Hilfe bekannter Comedians wissenschaftliche Passagen in verständliches Deutsch. Mit verblüffendem - und oft amüsantem - Ergebnis: «Aus forschungspragmatischen Gründen erfolgt eine Eingrenzung der Datenmenge; bestimmte Indikatoren sind für die hier entwickelte Fragestellung vernachlässigbar.» Heißt übersetzt: «Die Zahlen, die ich zusammengegoogelt habe, stützen meine These eigentlich nicht. Ich benutze deshalb nur, was passt.»

Lena Greiner, Jahrgang 1981, studierte Politikwissenschaft in Hamburg und machte ihren Master im Studienfach Internationale Beziehungen in Berlin und Washington, DC. Davor hospitierte sie im Auswärtigen Amt und beim SPIEGEL. Ab 2010 arbeitete sie als freie Journalistin. Seit Juni 2013 ist Lena Greiner Redakteurin bei SPIEGEL ONLINE.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783644497610
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2014
Erscheinungsdatum01.03.2014
Auflage1. Auflage
Seiten192 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1923 Kbytes
Artikel-Nr.1375606
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


Warum Wissenschaftler ihre Sprache aufblähen


Warum liefern sich Professoren und Dozenten einen derartigen Unverständlichkeitswettbewerb? Wie konnten sich die angelsächsische und die deutsche Wissenschaftssprache so unterschiedlich entwickeln? Zum einen liegt es daran, dass die deutsche Sprachstruktur fast schon zur Verkomplizierung einlädt. So gibt es unzählige Möglichkeiten, lange Komposita zu bilden, das sind diese Bandwurmwörter, für die wir im Ausland so berühmt sind: Donaudampfschifffahrtsgesellschaft zum Beispiel oder Fußbodenschleifmaschinenverleih. Im Englischen sind solche Wortungetüme gar nicht möglich. Auch umständlich erweiterte Adjektivattribute («der von seiner Frau verlassene Mann» oder «der von Hegel im 19. Jahrhundert geprägte Begriff») sind in der englischen Sprache unüblich.

Ein weiterer Grund: Die Lehre spielt an angelsächsischen Hochschulen eine größere Rolle als an deutschen. Wer Studenten etwas vermitteln möchte, muss sich verständlich ausdrücken. In Deutschland erhalten Forscher ihre Reputation nicht nur durch Lehrleistung, sondern vor allem durch wissenschaftliche Leistung, bei der sie mit anderen Experten kommunizieren.

Und: Die Angelsachsen haben eine lange Tradition der Empirie. Schon der englische Naturwissenschaftler Isaac Newton setzte bei seinen Forschungen im 17. Jahrhundert auf Experimente. Am Anfang stand ein Problem, und dafür suchte man eine Lösung. Diese Herangehensweise gilt bis heute. Das zeigt sich auch in der Struktur der Texte: Während deutsche Publikationen häufig mit theoretischen Einführungen beginnen, fangen englische Texte oft mit einem konkreten Beispiel, einem Problem, an. Die Theorie kommt erst später. Der Angelsachse fragt sich: Was bringt es mir, wenn ich forsche? Welchen Nutzen, welchen Gewinn habe ich? Ganz anders die deutsche Hochschulkultur: Hier wird Wissenschaft der Wissenschaft wegen betrieben. Deshalb ist bei uns auch vieles sehr theoretisch, die Philosophie zum Beispiel.

Aber warum rümpfen hiesige Wissenschaftler pikiert ihre Nasen über Kollegen, die ihre Erkenntnisse verständlich beschreiben, so wie die erwähnte Geschlechterforscherin? Sie könnten sich doch freuen, wenn ein anderer die deutsche Sprache erfolgreich bändigt. «Stilistische Brillanz und rhetorische Gestaltung stehen im Verdacht, unseriös zu sein», sagt Ludwig Eichinger, Präsident des Instituts für Deutsche Sprache in Mannheim. Der schlimmste Vorwurf, den man einem deutschen Wissenschaftler machen könne, sei der Satz: «Sie schreiben ja schön.»

Zwar hat sich die sprachliche Situation in den vergangenen Jahren durch einen zunehmenden angelsächsischen Einfluss etwas verbessert, seit der Umstellung auf Bachelor und Master sind auch die Studiengänge in Deutschland internationaler, praxisorientierter und stärker auf den Arbeitsmarkt ausgerichtet. Immer mehr Fächer werden auf Englisch angeboten, gleichzeitig nähert sich die deutsche Wissenschaftssprache in manchen Bereichen der englischen an. Allerdings spielt Deutsch als Forschungssprache international ohnehin kaum noch eine Rolle. Während im 19. Jahrhundert Deutsch noch vor Englisch und Französisch als die wichtigste Sprache der Naturwissenschaften galt, wird in naturwissenschaftlichen Fächern, der Mathematik, in den Wirtschaftswissenschaften und selbst in der Philosophie heute fast alles gleich auf Englisch publiziert.

Dennoch: In der deutschen Wissenschaftssprache verzichtet man noch immer auf Unterhaltungseffekte, um bloß seriös zu wirken. Wissenschaftler und Sprachexperten nennen vor allem drei Gründe für dieses Gebaren. Sie lassen sich zu folgenden Thesen zusammenfassen:


Fachsprache darf nicht simpel sein, weil sie sonst zu banal wirken könnte.


Fachsprache ist ein akademisches Muskelspiel, das der Anerkennung im eigenen kleinen Kreis dient.


Mit der Fachsprache will sich der Wissenschaftler vom Rest der Gesellschaft abgrenzen. Sie ist ein Teil des akademischen Habitus.




Angst vor Banalität


Populärwissenschaftliche Veröffentlichungen sind in Deutschland verpönt. Ein Buch, das qualitativ hochwertig ist und sich auch noch gut verkauft, ist vielen Wissenschaftlern suspekt. Einen Text in kleiner Auflage zu veröffentlichen, den nur eine Handvoll erlesener Leute verstehen, scheint den meisten lieber zu sein, als ihr Buch in der Auslage einer großen Buchhandlung zu sehen. L´art pour l´art - die Kunst für die Kunst oder eben: die Wissenschaft für die Wissenschaft.

Deshalb nehmen viele Philosophie-Professoren etwa den erfolgreichen Buchautor und Philosophen Richard David Precht nicht für voll, obgleich Precht mit seinen anschaulich geschriebenen Büchern und leichtverständlichen philosophischen Erklärungen eine Lücke füllt, die Hochschulwissenschaftler nicht besetzen. «Wenn man sich gerade etabliert, eine Karriere aufbauen und wissenschaftlich ernst genommen werden will, sollte man tunlichst nicht populärwissenschaftlich schreiben», sagt Schreibtrainer Markus Reiter. Höchstens wenn man ein altgedienter Professor sei, dann dürfe man das vielleicht irgendwann.

«Natürlich schreibe ich für das Fachpublikum anders, als ich es für die breite Öffentlichkeit tun würde», berichtet ein Professor für Politikwissenschaft. Für die Allgemeinheit würde er unterhaltsamer und einfacher formulieren, meint er, müsste dann aber auf Feinheiten verzichten.

Es gibt nur wenige Wissenschaftler, die glauben, dass es möglich ist, allgemeinverständlich zu schreiben, ohne auf Differenzierungen und Zwischentöne zu verzichten. Heinrich August Winkler zum Beispiel, einer der bekanntesten deutschen Historiker, bläute seinen Studenten ein, so zu formulieren, dass sie auch von Laien verstanden werden. Sie müssten eines scheuen wie der Teufel das Weihwasser, und das sei der Fachjargon, sagte er. Denn: Keineswegs könnten komplexe Dinge nur kompliziert ausgedrückt werden. «Im Gegenteil», so Winkler, «ich glaube, dass die Verständlichkeit der Darstellung eher dafür spricht, dass ein Autor versucht hat, ein Problem zu Ende zu denken.»

Diese Einstellung teilen jedoch nicht viele Wissenschaftler. Demnach zu urteilen, was in Bibliotheken zu finden ist, eint sie eher die Angst, Lesbarkeit würde den intellektuellen Tiefgang ihres Textes gefährden.



Akademische Muskelspiele


Warum ist es für deutsche Wissenschaftler wichtiger, im kleinen Kreis anerkannt zu werden, als Studenten oder der Öffentlichkeit ihre Erkenntnisse nahezubringen? Wolf Wagner hat eine historische Erklärung für dieses Phänomen: Im 19. Jahrhundert setzte der Gelehrte Wilhelm von Humboldt die radikalen preußischen Bildungsreformen um. Professoren wurden staatliche Beamte auf Lebenszeit, unkündbar und mit einem guten Gehalt. Doch: Nach einer Professur ging es nicht mehr weiter, weder im Status noch im Gehalt.

Stillstand verträgt sich aber nicht mit den Kämpfernaturen, die Wissenschaftler oft sein müssen, wenn sie sich gegen die Konkurrenz im Hochschulbetrieb durchsetzen wollen. Schon Humboldt bezeichnete die «Fachgelehrten» als «die unbändigste und am schwersten zu befriedigende Menschenklasse - mit ihren sich ewig durchkreuzenden Interessen, ihrer Eifersucht, ihrem Neid [...]».

Da es keine Aufstiegsmöglichkeiten mehr gab, konzentrierten sich die deutschen Professoren nun auf den symbolischen Aufstieg, nämlich das Ansehen, das ein Wissenschaftler in Fachkreisen hat. Forschung und Lehre wurden immer abgehobener und schwerer nachvollziehbar, was wiederum, so Wagner, perfekt zu «den Aufstiegsbedürfnissen einer neuen bürgerlichen Akademikerschicht» passte, die «der Arroganz des preußischen Adels ihr akademisches und kulturelles Niveau entgegensetzte». Seither gehe es in der Wissenschaft vor allem um Karriere, Prestige und Exklusivität.

Noch heute ist es so: Wer Professor werden will, braucht Unterstützung von Koryphäen und Vorgesetzten. Und die achten darauf, wie viel ein Nachwuchsforscher in einschlägigen Fachjournalen veröffentlicht; die Anzahl der Publikationen ist die Währung der Wissenschaft. Also schreibt der Wissenschaftler möglichst viel und möglichst kompliziert, um mit seinen Texten, Forschungsanträgen und Vorträgen die Fachkollegen zu beeindrucken - und nicht, um Studenten oder gar der Öffentlichkeit etwas mitzuteilen.

Sprache wird damit ein Mittel zum Zweck. Wer als intellektuell gelten will, macht es kompliziert. Dabei sollte doch gerade jemand, der ein wissenschaftliches Problem lösen will, Wert auf Verständlichkeit legen und sich klar ausdrücken.

Eine weitere mögliche Erklärung für die sprachlichen Eskapaden vor allem in den Geistes- und Sozialwissenschaften: Fächer wie Pädagogik und Politikwissenschaft wurden von anderen Fachbereichen lange nicht ernst genommen. Um sich Ansehen und Respekt zu verschaffen, etablierten die Vertreter dieser Fächer eine eigene «Sprache» mit eigenen Begriffen. Diese sollten hochwissenschaftlich klingen, waren aber leider vor allem abstrakt und aufgeblasen. Das Gleiche passierte in vergleichsweise jungen Fächern wie Betriebswirtschaft, Marketing und Public Relations. Sie litten offenbar ebenfalls unter einem Minderwertigkeitskomplex und versuchten, sich mit Anglizismen hervorzutun. Oder wie kann man sonst abgehobene Begriffe wie «Unique Selling Proposition», «Affiliate-Marketing» oder «Keyvisual» erklären?

Erziehungswissenschaftlerin Astrid Kaiser, die jene öffentliche Demontage der jungen Geschlechterforscherin beobachtete, hat noch eine andere Erklärung. Das Phänomen der entrückten Wissenschaftssprache hat aus ihrer Sicht einen...

mehr

Autor

Lena Greiner, Jahrgang 1981, studierte Politikwissenschaft in Hamburg und machte ihren Master im Studienfach Internationale Beziehungen in Berlin und Washington, DC. Davor hospitierte sie im Auswärtigen Amt und beim SPIEGEL. Ab 2010 arbeitete sie als freie Journalistin. Seit Juni 2013 ist Lena Greiner Redakteurin bei SPIEGEL ONLINE.Friederike Ott, Jahrgang 1977, studierte Internationales Management in Hamburg. Nach dem Besuch der Axel-Springer-Akademie arbeitete sie als Berlin-Korrespondentin für die damalige Axel Springer Financial Media GmbH. Anschließend Wirtschaftsredakteurin bei SPIEGEL ONLINE, seit 2010 freie Journalistin, u.a. für ARD-aktuell, die SPIEGEL-Gruppe und den Stern. 2012 war sie für den Deutschen Reporterpreis und den Ernst-Schneider-Preis nominiert. Mehr zur Autorin unter friederike-ott.com.Dorthe Landschulz hat an der Hamburger Fachhochschule für Gestaltung Illustration studiert und 2006 ihr Diplom im Bereich «Kinderbuch» erlangt. Danach arbeitete sie als Deutschlehrerin, Barbesitzerin und Buchhalterin, bis sie Cartoonzeichnerin wurde. Dorthe Landschulz lebt als freie Illustratorin und Grafikerin in Frankreich. Mit ihrer Facebookseite «Ein Tag - Ein Tier» hat sie viele Fans gewonnen.