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Die Geheimnisse Italiens

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
272 Seiten
Deutsch
Beck C. H.erschienen am12.02.20141. Auflage
Zahllose Genies, noch mehr Gauner und ein korrupter Staat: Um die rätselhafte Mentalität der Italiener zu ergründen, begibt sich Corrado Augias ebenso charmant wie kurzweilig auf geheime Nebenwege der italienischen Geschichte. 'Wir sind alt, sehr alt. Es sind zum mindesten fünfundzwanzig Jahrhunderte, die wir auf den Schultern das Gewicht hervorragender, ganz verschiedenartiger Kulturen tragen', sagt der 'Gattopardo' in Lampedusas berühmtem Roman. Die alten Traditionen sind bis heute wirksam, meist aber nur unbewusst. In einer höchst spannenden historischen Spurensuche legt Corrado Augias diese Geheimnisse Italiens frei und erklärt, warum sich viele Italiener, zumal im Mezzogiorno, bis heute mit der Demokratie und der Freiheit so schwer tun. Er beschreibt scharfsichtig die Macht der Familien, das tiefe Misstrauen gegenüber dem Staat und die träge Schicksalsgläubigkeit vieler Italiener - den Nährboden, auf dem die Mafia und korrupte Politiker prächtig gedeihen. Auf seinem Weg vom Mittelalter bis heute und von Palermo bis Venedig versteht er es meisterhaft, von verschütteten historischen Episoden und vergessenen literarischen Monumenten aus die verborgenen Triebkräfte der italienischen Geschichte verständlich zu machen. 'Corrado Augias ... erzählt dem Leser die tiefe Wahrheit über Italien, die sich hinter dem Selbstverständlichen verbirgt. Seine 'Geheimnisse' eben.' Dario Fertilio, Corriere della Sera 'Ein Chronist von beneidenswertem Format und ein scharfsinniger Erforscher der italienischen Seele.' Nello Ajello, La Repubblica

Corrado Augias, geb. 1935 in Rom, ist einer der bedeutendsten politischen und Kulturjournalisten in Italien, wo er außerdem als Fernsehmoderator, Kriminalschriftsteller und Theaterautor bekannt ist. Bei C.H.Beck erschien von ihm bereits 'Die Geheimnisse des Vatikan' (2011, BsR 2012).
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Produkt

KlappentextZahllose Genies, noch mehr Gauner und ein korrupter Staat: Um die rätselhafte Mentalität der Italiener zu ergründen, begibt sich Corrado Augias ebenso charmant wie kurzweilig auf geheime Nebenwege der italienischen Geschichte. 'Wir sind alt, sehr alt. Es sind zum mindesten fünfundzwanzig Jahrhunderte, die wir auf den Schultern das Gewicht hervorragender, ganz verschiedenartiger Kulturen tragen', sagt der 'Gattopardo' in Lampedusas berühmtem Roman. Die alten Traditionen sind bis heute wirksam, meist aber nur unbewusst. In einer höchst spannenden historischen Spurensuche legt Corrado Augias diese Geheimnisse Italiens frei und erklärt, warum sich viele Italiener, zumal im Mezzogiorno, bis heute mit der Demokratie und der Freiheit so schwer tun. Er beschreibt scharfsichtig die Macht der Familien, das tiefe Misstrauen gegenüber dem Staat und die träge Schicksalsgläubigkeit vieler Italiener - den Nährboden, auf dem die Mafia und korrupte Politiker prächtig gedeihen. Auf seinem Weg vom Mittelalter bis heute und von Palermo bis Venedig versteht er es meisterhaft, von verschütteten historischen Episoden und vergessenen literarischen Monumenten aus die verborgenen Triebkräfte der italienischen Geschichte verständlich zu machen. 'Corrado Augias ... erzählt dem Leser die tiefe Wahrheit über Italien, die sich hinter dem Selbstverständlichen verbirgt. Seine 'Geheimnisse' eben.' Dario Fertilio, Corriere della Sera 'Ein Chronist von beneidenswertem Format und ein scharfsinniger Erforscher der italienischen Seele.' Nello Ajello, La Repubblica

Corrado Augias, geb. 1935 in Rom, ist einer der bedeutendsten politischen und Kulturjournalisten in Italien, wo er außerdem als Fernsehmoderator, Kriminalschriftsteller und Theaterautor bekannt ist. Bei C.H.Beck erschien von ihm bereits 'Die Geheimnisse des Vatikan' (2011, BsR 2012).
Details
Weitere ISBN/GTIN9783406658990
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2014
Erscheinungsdatum12.02.2014
Auflage1. Auflage
Seiten272 Seiten
SpracheDeutsch
Illustrationenmit 16 Abbildungen
Artikel-Nr.1381666
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe
DIE ITALIENER, GIBT ES SIE ÜBERHAUPT?
Eine Art Vorwort

Ich möchte mit einem Ereignis beginnen, das einen tiefen Eindruck bei mir hinterlassen hat und seine Bedeutung bis heute bewahrt. Eine entfernte Erinnerung, die sich in meinem Gedächtnis aber mit einer Klarheit eingeprägt hat, wie es nur Erlebnissen aus frühester Jugend vorbehalten ist, insbesondere dann, wenn sie sich in einem historischen Moment zugetragen haben. Die Villa Celimontana[1] in Rom ist zwar ein wunderschöner Ort, aber nicht gerade eine Touristenattraktion. Die Anlage mit dem Palazzo Mattei ist zu Unrecht viel weniger berühmt als die Villa Borghese oder der Gianicolo, denn der Park mit den von römischen Ruinen gesäumten Wegen, den Wäldchen, dem kleinen versteckten Obelisken, der Renaissance-Palazzina, in der heute die Italienische Geografische Gesellschaft ihren Sitz hat, mit der Fassade direkt gegenüber den gewaltigen Ruinen der Caracalla-Thermen all dies macht die Villa Celimontana zu einem der zauberhaftesten Ensembles, die die Stadt jedem zu bieten hat, der sie aufzuspüren weiß. Es ist einer der in Rom gar nicht so seltenen Orte, an denen neoklassische und romantische Stilelemente ineinander übergehen und kaum noch zu unterscheiden sind.

Die Villa erhebt sich, wie schon der Name sagt, auf dem Gipfel des Caelius, einem der sieben Hügel Roms. Einst von Weingütern bedeckt, verwandelte ihn die Familie Mattei im 16. Jahrhundert in eine Oase aus Gärten und ländlicher Idylle. Der Haupteingang grenzt an die Basilika Santa Maria in Domnica (auch: Santa Maria alla Navicella), eine der alten frühchristlichen Basiliken, die so viel schöner sind als die barocken Prachtkirchen, die später das Stadtbild dominieren sollten. Ich kann einen Besuch dort nur empfehlen.

Im Juni 1944 hatten die Amerikaner die Villa Celimontana besetzt und dort eines ihrer Lager aufgeschlagen. Sie thront am oberen Ende der abschüssigen Via Navicella und ist von einer robusten Backsteinmauer umgeben, die das Straßenbild bestimmt. Dass sie zum Quartier der Truppe auserkoren wurde, lag also nahe: Hinter der Mauer befanden sich Zelte, Baracken, die unvermeidliche Fahnenstange mit dem Stars-and-Stripes-Banner, Trompetensignale und alles, was zu einem Militärlager gehört. Diese Flagge war übrigens die erste, die ich auf Halbmast wehen sah. Meine Mutter erklärte mir, warum: «Der amerikanische Präsident ist gestorben», sagte sie. Es muss also im April 1945 gewesen sein. Am 12. des Monats war Franklin Delano Roosevelt gestorben, der Mann, der sein Land durch den endlosen Krieg geführt hatte.

Das Ereignis aber, dessen Erinnerung ich heraufbeschwören möchte, liegt noch weiter zurück und ist von ganz anderer Art. Es war an einem weder besonders kalten noch besonders warmen Sonntag, vermutlich im Herbst 1944, als die Stadt nach dem Ende der deutschen Besetzung wieder zu leben versuchte. An der Hand meiner Mutter ging ich nach dem Besuch bei einer Freundin nach Hause. Über die Mauer der Villa Celimontana gelehnt sah ich eine Gruppe amerikanischer Soldaten in Feierlaune, in ihren schönen Uniformen mit den scharfen Falten, die das Bügeleisen auf den Hemden hinterlassen hatte. Ich war an den Anblick unserer Infanteristen gewöhnt, mit ihren ausgebeulten Hosen, deren Bügelfalten meist plattgedrückt waren, mit ihren Uniformen aus unnötig schwerem, grobem Tuch. Diese frisch gebügelten Hemden, die chicen Gürtel aus solidem Khaki-Geflecht, der Duft von Seife, Tabak, Brillantine, das alles kam mir vor wie der Gipfel der Eleganz, ja: echten Reichtums. Wie sie von da oben auf uns herabsahen, schienen sich diese Soldaten köstlich zu amüsieren. Sie warfen Zigaretten auf die Straße, die sie einzeln aus der Packung zogen. Eine Zigarette, noch eine Zigarette, ohne Hast, zwischen einem Zug und dem nächsten. Zu Füßen der Mauer eine dichtes Knäuel italienischer Jugendlicher, die bei jedem Wurf laut aufschrien und sich, die anderen beiseite stoßend, genau dahin stürzten, wo die Zigarette am Boden landen musste. Ein bisschen Spiel, ein bisschen Wettstreit, ein bisschen Gerangel, Tumult. Meine Mutter zerrte mich weg und beeilte sich, auf die andere Straßenseite zu kommen, und wahrscheinlich blickte ich mich um, weil ich das Spektakel sehen wollte um es dann in einem Schlupfwinkel der Erinnerung lange Zeit zu vergessen.

Viele Jahre später, wieder an einem Sonntag, ging ich mit meiner Tochter in den Zoo. Vor einem der Käfige warfen die Besucher, auch sie in sehr ausgelassener Stimmung, mit Nüssen nach den Affen. Die Analogie der Bewegungen ließ die weit zurückliegende Erinnerung wieder hochkommen. Nicht dass ich die armen jugendlichen Römer von 1944 auch nur im Entferntesten mit den Affen vergleichen will. Die Erinnerung kam hoch, weil den Verhaltensweisen eine ähnliche Rollenverteilung zugrunde lag: eine Mischung aus Spaß und Komplizenschaft, Spiel und Wettstreit, auf der einen wie der anderen Seite.

Wiederum viele Jahre später, als ich über die Geschichte Roms arbeitete, bin ich über Vergils hinreißende Verse aus dem 6. Buch der Aeneis gestolpert. Aeneas hat den Schatten seines Vaters getroffen und vergeblich versucht, ihn zu umarmen. Anchises erklärt ihm die Theorie der Zyklen, auf der das Universum beruht, und prophezeit die großen Männer, die von ihm abstammen werden. Er fügt hinzu, dass andere Völker durch Künste und Wissenschaften Ruhm erlangen, die Römer dagegen die Welt dank der Weisheit der Gesetze regieren werden: «Tu regere imperio populos, Romane, memento (hae tibi erunt artes) pacique imponere morem, parcere subiectis et debellare superbos» «Du aber, Römer, bedenke, dass du mit deiner Macht die Völker lenken sollst! Darin wird deine Kunstfertigkeit bestehen. Und in den Frieden sollst du Gesittung pflanzen, schonen die Unterlegenen und die Anmaßenden mit Krieg überziehen.»[2]

Natürlich haben die Amerikaner uns geschont nach dem unsinnigen Krieg, der ihnen durch Mussolini im Dezember 1941 in einem Moment von Leichtsinn und geistiger Umnachtung erklärt worden war. In meiner Erinnerung aber hatten diese unbekümmerten Soldaten, die sich langweilten, weil sie den Sonntag im Lager verbringen mussten statt in ihren frisch gebügelten Hemden auf der Jagd nach schönen Mädchen durch die Stadt zu ziehen, eine wohl unbewusste Art gefunden, mit ein paar Zigaretten klarzumachen, wer hier den Krieg gewonnen und wer ihn verloren hatte trotz der uneindeutigen Position als «Alliierte» der letzten Stunde.

Parcere subiectis, die Unterlegenen schonen, gewiss, aber mit den subiecti kann man ruhig auch ein bisschen Spaß haben.

«Geheimnis» ist ein großes Wort, noch dazu, wenn es sich um die «Geheimnisse Italiens» handelt, mit allem, was sich über die Jahrhunderte in diesem Land ereignet hat. Eine Bibliothek würde nicht ausreichen, sie alle zu erzählen, wenn man bedenkt, dass allein von den hundert Rätseln des 20. Jahrhunderts fast alle ungelöst geblieben sind. In unserem Falle muss das Wort «Geheimnis» jedoch eines Teils seiner Emphase entledigt und in seiner Dimension reduziert werden. Aus den unzähligen Geheimnissen der Geschichte Italiens aber kann man sich eines aussuchen, das Geheimnis aller Geheimnisse, und das lässt sich schlicht so zusammenfassen: Warum sind die Dinge so gelaufen, wie sie gelaufen sind? Warum gibt es in der Geschichte dieser Halbinsel eine so ungewöhnliche Häufung von Irrungen und Wirrungen, Leidenschaften, Katastrophen und verpassten Gelegenheiten? Und warum hat gleichzeitig ausgerechnet dieser schmale Landstreifen, der wie hingeworfen ins Mittelmeer hineinragt und eine gefährliche, problematische Nahtstelle zwischen Balkan, Nordafrika und Europa bildet, eine so große Zahl an Genies hervorgebracht? Was ist so besonders an Italien, dass es, so lange man denken kann, in einem außergewöhnlichen Maße das Interesse der Ausländer auf sich zog, mal schwärmerisch, mal feindselig, mal verächtlich? Mit anderen Worten, aus welchem Grund ist dieser «Roman einer Nation» so abenteuerlich und kontrovers? In der internationalen Wertschätzung ist der Kurswert Italiens ähnlichen Schwankungen unterworfen wie die Börsenkurse in schwierigen Zeiten: Er kann sehr hoch steigen, aber auch sehr tief fallen.

Für diese Schwankungen sind an allererster Stelle die Italiener selbst verantwortlich, die sich über ihre Rolle nicht ganz im Klaren sind. Wer sind die Italiener? Die Emigranten, die in fernen Ländern mit einem Sack voller Lumpen auf dem Buckel an Land gingen? Die armen Schlucker, die sich für ein paar Groschen zu den niedrigsten und gefährlichsten Arbeiten verdingten? Oder die brillanten Architekten, die großen Stilisten, die überragenden Künstler, denen die Bewunderung der ganzen Welt zuteil wurde? Es gibt zumindest in Europa kein zweites Volk, das sich in solchen Extremen bewegt hat. Das ist unser eigentliches Geheimnis, das (fast) alle übrigen Geheimnisse einschließt. Gibt es eine Methode, mit der man zumindest versuchen kann, ihm auf den Grund zu gehen?

Italien ist ein Land, das aus Städten besteht. Großen und kleinen, ruhmreichen und berüchtigten, die aber alle unsere Aufmerksamkeit verdienen, vor allem wegen der geballten...
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Autor

Corrado Augias, geb. 1935 in Rom, ist einer der bedeutendsten politischen und Kulturjournalisten in Italien, wo er außerdem als Fernsehmoderator, Kriminalschriftsteller und Theaterautor bekannt ist. Bei C.H.Beck erschien von ihm bereits "Die Geheimnisse des Vatikan" (2011, BsR 2012).