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E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
351 Seiten
Deutsch
Carlsen Verlag GmbHerschienen am24.04.2014Auflage
Die Feiertage sind vorbei, das Jahr ist ganz neu. Für Fienchen, Zanker, Mono und Bowie fühlt es sich trotzdem schneematschdreckig und alt an. Daran ändern auch die guten Vorsätze wenig. Abends ziehen sie gemeinsam um die Häuser, gehen tanzen, sehen sich DVDs an, quatschen. Aber was wissen sie wirklich von den geheimen Wünschen ihrer Freunde? Und lässt sich irgendetwas in ihrem Leben ändern? Neun Tage haben sie noch, bis die Schule wieder anfängt. Neun Tage auf der Suche nach dem Anderen, dem Besonderen, der Liebe und dem Glück.

Tamara Bach, 1976 in Limburg an der Lahn geboren, studierte in Berlin Englisch und Deutsch für das Lehramt. Ihr erstes Buch, 'Marsmädchen', wurde als noch unveröffentlichtes Manuskript mit dem Oldenburger Kinder- und Jugendbuchpreis ausgezeichnet und erhielt außerdem den Deutschen Jugendliteraturpreis. Weitere Bücher und Auszeichnungen folgten, zuletzt der Katholische Kinder- und Jugendbuchpreis 2013 für 'Was vom Sommer übrig ist'. Heute lebt und schreibt Tamara Bach in Berlin.
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Produkt

KlappentextDie Feiertage sind vorbei, das Jahr ist ganz neu. Für Fienchen, Zanker, Mono und Bowie fühlt es sich trotzdem schneematschdreckig und alt an. Daran ändern auch die guten Vorsätze wenig. Abends ziehen sie gemeinsam um die Häuser, gehen tanzen, sehen sich DVDs an, quatschen. Aber was wissen sie wirklich von den geheimen Wünschen ihrer Freunde? Und lässt sich irgendetwas in ihrem Leben ändern? Neun Tage haben sie noch, bis die Schule wieder anfängt. Neun Tage auf der Suche nach dem Anderen, dem Besonderen, der Liebe und dem Glück.

Tamara Bach, 1976 in Limburg an der Lahn geboren, studierte in Berlin Englisch und Deutsch für das Lehramt. Ihr erstes Buch, 'Marsmädchen', wurde als noch unveröffentlichtes Manuskript mit dem Oldenburger Kinder- und Jugendbuchpreis ausgezeichnet und erhielt außerdem den Deutschen Jugendliteraturpreis. Weitere Bücher und Auszeichnungen folgten, zuletzt der Katholische Kinder- und Jugendbuchpreis 2013 für 'Was vom Sommer übrig ist'. Heute lebt und schreibt Tamara Bach in Berlin.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783646924848
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2014
Erscheinungsdatum24.04.2014
AuflageAuflage
Seiten351 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2420 Kbytes
Artikel-Nr.1396576
Rubriken
Genre9201
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Inhalt/Kritik

Leseprobe



Silvester (Samstag)

»Silvester ist auch nur ein Tag wie jeder andere«, hat Zanker in den letzten Wochen immer wieder gesagt.

»Was machst du denn an Silvester?«

»Ist doch egal«, hat Zanker geantwortet.

»Aber wieso denn, neues Jahr, fett feiern, hey!«

»Brauch ich nicht«, hat Zanker gesagt. »Nee. Durchaus nicht.« Und dann manchmal auch »mitnichten«, weil das das neue Wort des Monats war und Zanker sich fest vorgenommen hat, es in seinen aktiven Wortschatz mit aufzunehmen. Manchmal, nur so aus Spaß. »Vielleicht bleib ich auch einfach zu Hause und geh früh schlafen. Ist doch nett, stehst auf, und das alte Jahr ist vorbei.« Damit hat Zanker dann meistens das Gespräch beendet.

Um fünf heißt es eben Fred, Party, na gut. Bowie und Mono kommen auch, wenn schon, dann mit denen. Aber nicht so lange.

In der Wanne denkt sich Zanker einen Zanker, der nachts um zwölf vielleicht irgendwo allein steht, vielleicht auf einem Hügel. Kalt sollte es sein, so kalt, dass er seinen eigenen Atem sehen kann, in das Tal schauen, das dann da ist. Zanker allein mit einer Flasche irgendwas und vielleicht einer Zigarette. Und wenn im Tal um zwölf die Glocken läuten und die Feuerwerke losgehen, wird er auf sie trinken, die sich da unten umarmen. Zanker grinst breit. Dann taucht er unter.

»Wann gehst´n du da hin?«, fragt Mono über das Telefon.

»Weiß nicht, keine Ahnung, ist doch egal.« Zanker reizt es aus.

»Was glaubst´n du, wann man da losgeht, also, wann das da losgeht? Also.«

»Irgendwann. Wenn du da bist, bist du halt da.«

»Und wann du?«

»Wenn ich da bin. Mach dich mal locker.« Spricht´s und hört Mono schief lächeln, sagt »Seeya!« und legt auf. Jede Wette, dass Mono jetzt bei Bowie anruft.

Bowies Vater trägt den dunkelgrauen Anzug, dazu ein schwarzes Hemd. Er riecht nach Boss, er trägt Boss. Sieht auf seine Uhr, sammelt Schlüssel, Portemonnaie, Handy. Bowie sitzt vor dem Fernseher im Wohnzimmer. Durch die offene Tür sieht er den Vater hin und her laufen. Manchmal fällt es Bowie gar nicht auf, wie wenig sie reden, Vater und Sohn. Der Vater steht plötzlich neben der Couch, richtet sich den Schlips, starrt auf den Bildschirm.

»Ich geh jetzt«, sagt er plötzlich.

Bowie weiß nicht, was ihn reitet, als er nicht einfach nur nickt, sondern fragt: »Wohin?«

Vater zieht die Augenbrauen hoch, starrt Bowie an, bevor er bestimmt sagt: »Aus.« Fügt schließlich hinzu: »Ist ja Silvester.«

»Wohin?«, fragt Bowie wieder.

»Essen.«

»Mit wem?«, fragt Bowie sofort und denkt, vielleicht ein Arbeitskollege.

»Darüber reden wir ein andermal.«

Es gibt Sätze, da reicht eine Zeile, um dazwischen zu lesen.

»Eine Frau.« Bowie muss nicht mal fragen, stellt es nur fest. Eine Frau. Nur eine Frau, mit der Vater ausgeht, niemand sonst. Vater und eine Frau.

Der Vater schaut, nimmt den Schlüssel, sagt »Mach nicht so lang, Sohn«, geht. Mehr nicht.

Bowie hört noch, wie Vater den Mantel von der Garderobe nimmt, hört die Tür, leiser dann, wie das Auto startet und wegfährt.

Ein halbes Jahr, nur ein halbes Jahr und schon Anzug, Hemd, Parfüm. Ein halbes Jahr und schon eine Frau.

Immer wieder, den ganzen Tag lang, hat Bowie an letztes Silvester gedacht. Mama hatte kaum etwas runtergekriegt. Sie sind zu Hause geblieben, auch Bowie. »Geh nur«, hatte Mama gesagt. Und Bowie hätte gehen können. Aber irgendwann an diesem Tag war der Gedanke da gewesen, die Gewissheit: Das ist das letzte Silvester mit ihr. Keine Vermutung, kein »Das könnte«, er wusste es plötzlich. Dass Mama das neue Jahr nicht überleben würde. Er hat sich selbst dafür geohrfeigt, gehasst, dass da dieser Gedanke war, diese Gewissheit, das Wissen um ihren Tod, irgendwann in den nächsten 365 Tagen. 365 Tage waren plötzlich sehr wenig Zeit. Also blieb er.

160 Tage später saß er an ihrem Bett. 161 Tage später gab es sie schon nicht mehr. Jeden Tag seitdem hat er an sie gedacht, jeden Tag danach wusste er, dass es sie nicht mehr gab.

Es hört nicht auf.

Es ist etwas anderes gewesen, als das mit Sue auseinandergegangen ist. Das war vorbei. Aber was Ende, Schluss, aus bedeutet, das weiß Bowie erst seit 205 Tagen.

Auf dem Weg zu Fred wiederholen sich in Bowies Kopf zwei Worte, wie der Refrain eines Liedes, der festhängt, immer repeat bei »eine Frau«. Jeder Schritt »eine Frau«, jeder Atemzug »eine Frau«, jedes Blinzeln »eine Frau«, und der Weg ist lang.

»Meister Bowie«, sagt Fred, Bowies Hand hält plötzlich ein Bier, »gut, dass du kommst, Getränke da«, eine Frau, »Chill out«, eine, »neben«, Frau, »Klo«, eine Frau, »Gang runter«, eine Frau eine, »amüsier dich«.

Bowie sieht sich zum ersten Mal um, sieht, dass Fred nicht mehr da ist, sieht Menschen, hört Musik, fragt sich, warum seine Hand so kalt ist, bemerkt die Flasche Bier, sieht den Fernseher und einen Sessel. Er setzt sich. Nimmt die Fernbedienung.

Zu gehen ist kein Problem für Mono. Die Eltern bleiben zu Hause. Mono weiß, sie werden um zwölf anstoßen, zu zweit. Rick ist unterwegs und Ziska schläft bei Heilands. Die Eltern sind endlich mal für sich und werden den Teufel tun, Mono zu sagen, er solle doch verdammt noch mal hierbleiben, weil er zu jung sei.

Mono sagt beiden Gute Nacht, dass sie sich benehmen sollen, sie lächeln, der Sekt steht im Kühlschrank kalt. Die Mutter hat ihre Lieblings-CD eingelegt.

Mono zieht sich den Schal um den Hals, um den Mund, wickelt ein paarmal, dazu die Mütze und Handschuhe. Die Lederjacke ist eigentlich nichts bei diesen Temperaturen, daran wird auch die Trainingsjacke untendrunter nichts ändern. Nur die Harten kommen in den Garten. Mono schließt die Tür.

Zanker riecht gut, das Hemd ist schwarz, gut, Haare auch gut, also, auf geht´s!

Eltern in der Küche, kochen schon wieder. Jens vorm Fernseher. Zanker hebt kurz die Hand. Jens schaut nicht mal hoch. Comedy auf Sat. 1.

Zanker geht los, ist ja kein Weg, in den Ohren Little Barrie, Move on so easy ´til someone believes me, wird aber jetzt schon ein wenig frisch am Hals, hat den Schal vergessen, dumm das. What shalls, what else.

Dass sie ihm hinterherruft, kann er wegen der Musik nicht hören. Als sie ihn an der Schulter herumreißt, ist Zanker kurz davor, »Ey, geht´s noch?« zu rufen, dann sieht er Helena. Shit. Aus den Hörern, die jetzt an seiner Brust herumbaumeln, suppt noch die Musik, nur noch so ein barmherziges Genuschel.

»Du hättest ja mal ruhig sagen können, dass du da auch hingehst«, sagt Helena und schaut in Richtung von Freds Haus.

»Warum?« Zanker ist ganz Fragezeichen.

»Weil, Scheiße, frag doch nicht so blöd!« Helena zieht fest an ihrer Zigarette, die Zanker viel zu lang vorkommt. Sie schaut die Straße runter, als warte sie auf ein Auto oder so.

Zanker zuckt Schultern, ist kurz davor, sich wieder die Stöpsel in seine Ohren zu manövrieren, aber sie: »Ey, ich rede mit dir!«

»Was denn!?«, sagt er plötzlich lauter als gewollt.

»Ich dachte eigentlich, du würdest noch mal anrufen. Dass wir noch mal reden könnten.« Schaut auf den Boden.

Zanker denkt dran, dass er vor zwei Wochen nicht laut geworden wäre. Vor zwei Wochen war der Plan, mit Helena nach allen Regeln der Kunst abzustürzen, Advent, Feuerzangenbowle, Helena ganz weich und angelehnt - an ihn -, das hatte Weihnachten in sich und so eine friedliche Stimmung, dann noch ein bisschen was Körperliches. Aber Weihnachten ist seit knapp einer Woche vorbei. Helena hat das nicht begriffen. Zanker hat es ihr nicht erklärt. Nicht, als sie am nächsten Tag wieder vor seiner Tür stand, plötzlich auf Sonntag zu zweit gemacht hat. Dann das Anrufen jeden Tag, nur um ihm zu sagen, dass er schon wieder nicht angerufen hatte. Irgendwann mitten in der Nacht die Nachricht »Ich will dich nie wieder sehen, es ist aus«. 2. Weihnachtstag war das, und Zanker war´s nur recht.

»Ich geh jetzt auf diese Party«, sagt Zanker, setzt den Punkt deutlich, denn mehr gibt´s nicht zu sagen.

Zanker geht los, Helena folgt ihm. Vor der Haustür hält sie ihn dann doch wieder am Arm fest: »Ich kann das nicht. Ich kann nicht so tun, als ob nichts wäre. Als ob wir Freunde oder so sind.«

Zanker kommt das Wort »Freunde« sehr unwirklich vor. Weiß nicht, was Helena damit zu tun hat, »Freunde« und »Helena« passen in Zankers Grammatik nicht zusammen.

»Wieso Freunde?«, sagt er also.

»Warum bist du nur so?«, fragt Helena.

Irgendwas funktioniert hier nicht, denkt Zanker. Irgendwas läuft hier sehr falsch. Zanker schnauft, denkt, Worte reichen da nicht, weil anscheinend auch nicht gesunder Menschenverstand reicht, die Situation einzuschätzen und adäquat zu handeln. Zanker raucht jetzt erst mal eine. Er friert.

Helena wartet weiter.

Irgendwas stimmt hier nicht.

Mono läuft vorbei, »Hey, Zanker«, geht rein, ohne ihn mitzunehmen. Verdammt!

»Warum bist du nur so?«, fragt Helena schon wieder.

Heilige Scheiße. Warum bist du verdammt noch mal nur so?, denkt Zanker.

»Das ist dir alles total egal, oder?«, sagt sie.

Ganz schlechtes Kino. »Was?«, fragt er, als ob er irgendein Interesse an ihrer Antwort hätte.

Schweigt. Wieder mal der Blick nach woanders.

Verdammt, denkt sich Zanker, ich hätte einfach zu Hause bleiben sollen, das war doch eine gute Idee, aber nein, jetzt steh ich hier mitten in »Männer sind vom Mars und Frauen von der Venus«. Zanker, denk nach. Und dann fällt es ihm ein. Um den Abend zu überstehen, gibt es nur eine Lösung....


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Autor

Tamara Bach, 1976 in Limburg an der Lahn geboren, studierte in Berlin Englisch und Deutsch für das Lehramt. Ihr erstes Buch, "Marsmädchen", wurde als noch unveröffentlichtes Manuskript mit dem Oldenburger Kinder- und Jugendbuchpreis ausgezeichnet und erhielt außerdem den Deutschen Jugendliteraturpreis. Weitere Bücher und Auszeichnungen folgten, u.a. der Katholische Kinder- und Jugendbuchpreis 2013 für "Was vom Sommer übrig ist". 2014 stand "Marienbilder" auf der internationalen Auswahlliste White Ravens. Ihr Roman "Vierzehn" wurde gleich in zwei Kategorien für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert. Ihre Kinder- und Jugendbücher erscheinen im Carlsen-Verlag. Heute lebt und schreibt Tamara Bach in Berlin. 2021 wurde sie für ihr "beeindruckendes literarisches Werk" mit dem James Krüss Preis ausgezeichnet!