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Stille Feindin

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
320 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am23.06.2014
Wenn Erinnerung quält, soll Rache erlösen
Farina und Tami (beide 17) haben eines gemeinsam: Ihre Kindheit würden sie am liebsten aus dem Gedächtnis streichen. Als sie Freundinnen werden, hat Tami das Gefühl, sie hätten auf wundersame Weise schon immer zusammengehört, obwohl sie sich erst seit kurzer Zeit kennen. Und tatsächlich hat sich ihr Weg in der Vergangenheit schon einmal gekreuzt: Da ist etwas, was sie beide gleichermaßen betrifft. Ein Abgrund, der Farina unberechenbar macht - sogar für sich selbst.

Alexandra Kui wurde 1973 in Buxtehude geboren. Sie studierte Soziologie in Hamburg und arbeitete für verschiedene Tageszeitungen, bevor sie anfing, Bücher zu schreiben. Nach den Krimis »Blaufeuer«, verfilmt fürs ZDF unter dem Titel »Der Tote im Watt«, und »Wiedergänger« veröffentlichte die Autorin, die auf der Geest bei Hamburg lebt, mehrere Jugendthriller sowie literarische Jugendromane bei cbj.
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Produkt

KlappentextWenn Erinnerung quält, soll Rache erlösen
Farina und Tami (beide 17) haben eines gemeinsam: Ihre Kindheit würden sie am liebsten aus dem Gedächtnis streichen. Als sie Freundinnen werden, hat Tami das Gefühl, sie hätten auf wundersame Weise schon immer zusammengehört, obwohl sie sich erst seit kurzer Zeit kennen. Und tatsächlich hat sich ihr Weg in der Vergangenheit schon einmal gekreuzt: Da ist etwas, was sie beide gleichermaßen betrifft. Ein Abgrund, der Farina unberechenbar macht - sogar für sich selbst.

Alexandra Kui wurde 1973 in Buxtehude geboren. Sie studierte Soziologie in Hamburg und arbeitete für verschiedene Tageszeitungen, bevor sie anfing, Bücher zu schreiben. Nach den Krimis »Blaufeuer«, verfilmt fürs ZDF unter dem Titel »Der Tote im Watt«, und »Wiedergänger« veröffentlichte die Autorin, die auf der Geest bei Hamburg lebt, mehrere Jugendthriller sowie literarische Jugendromane bei cbj.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641124762
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2014
Erscheinungsdatum23.06.2014
Seiten320 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1682 Kbytes
Artikel-Nr.1403846
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe



Prolog

Nichts ist wie früher. Obwohl sie seit Stunden so tun, als liefe alles geschmeidig. Obwohl sie genauso laut, genauso bekifft, genauso arg sind wie früher, obwohl sein Baby entgegen seiner Befürchtung das schwarze Haar noch genauso lang trägt, nämlich bis zu den Hüften, und mit ihm rummacht wie eine Profinutte, während er hinterm Steuer sitzt, eine Hand am Lenkrad, die andere an ihren immer noch lächerlich kleinen Brüsten, obwohl sie sich rekelt und schnurrt, als fände sie Gefallen daran - trotz allem, ist nichts wie früher. Es sieht bloß so aus, flüchtig betrachtet. Sie spulen ein Programm ab, nehmen ihre eingeübten Rollen wieder ein, weil sie nichts Besseres auf Lager haben. Früher gab es keine Rollen, kein So-tun-als-ob, früher waren sie echt, beide.

Ihr Kopf ruht an seiner Schulter, ihr alkoholisierter Atem kitzelt seinen Hals, steigt ihm in die Nase: Wodka Red Bull. Sie riecht gut und sie schmeckt sogar noch besser. Doch so richtig in Fahrt bringt ihn das heute nicht. Ihre Mähne fliegt im Wind. Seidenglänzend. Er schließt das Fenster ein Stück und dreht die Klimaanlage voll auf.

Um sich hochzupuschen, beginnt er, zur Musik zu nicken, merkt, dass er den Takt nicht ganz hält, kann aber nichts dagegen tun. Aus den Boxen dröhnt Rap, Westcoast oder Eastcoast, er hat keinen Schimmer, obwohl er gern den Experten gibt. Egal, Hauptsache nicht deutsch. Deutsche Rapper sind für ihn Abschaum.

Arg sein. Darum ging es damals. Die magische Formel hat sie geprägt, er weiß noch, dass ihm das Wort gefiel, weil er es irgendwie altmodisch fand, zeitlos. Er stellte sich vor, wie die Medien sie spätestens nach ihrem ersten Blutrausch zu Helden machen würden, so richtig Bonny-und-Clyde-mäßig. Ihm schwebte ein filmreifes Gemetzel nach Ami-Art vor. Schnellfeuerwaffen. Explosionen. Geschrei. Doch dazu kam es nie.

Was sich jetzt endlich ändern könnte.

Ändern wird!

Abknallen. Abstechen. Tottreten. Es sei denn, sein Baby verliert die Nerven und kneift, und genau das, befürchtet er, könnte passieren. Hinter ihrem nuttigen Getue, ihrem High-Sein und ihrem nervigen Gekreische, sobald die Tachonadel die Zweihundert passiert und zu zittern beginnt, verbirgt sich mehr als Angst. Ihre Angst kennt er, die ist nicht neu. Aber da ist noch etwas anderes. Die Kleine hat sich verändert, ist, nebenbei bemerkt, überhaupt keine Kleine mehr, sondern in die Höhe geschossen wie ein Wolkenkratzer in Dubai, sodass sie ihn deutlich überragt. Als Große ist sie eine Andere geworden, und dieses wolkenkratzerhohe, neue Baby hat - im Gegensatz zu ihm - etwas zu verlieren. Wie will die so ein Ding durchziehen?, fragt er sich. Seine Theorie lautet: Wer arg sein will, muss mit dem Rücken zur Wand stehen.

Plötzlich, ohne Entschuldigung, schüttelt sie seine Hand ab und geht auf Abstand, als hätte sie seine Gedanken mühelos mitverfolgt, was ihn nicht weiter verwundern würde. Sie ist und bleibt ein sensibles Ding.

»Was ist?«, fragt er.

»Nichts, wieso?«

»Mach weiter.«

Ausgerechnet jetzt, wo sie sich von ihm abwendet, tut sich was bei ihm in der Hose.

»Keinen Bock«, sagt sie kühl.

Zwischen ihnen die Mittelkonsole, ein übler Stimmungskiller. Haut will Haut spüren, keinen Becherhalter. Irgendwann organisiert er sich einen US-Schlitten mit durchgehender Sitzbank. Er kann alles organisieren. Waffen, Autos, Pitbulls. Sein Zukunftsplan sieht vor, sich ganz aufs Organisieren zu spezialisieren.

»Und worauf hast du Bock?«, fragt er.

»Keine Ahnung. Jedenfalls hab ich Hunger. Lass uns irgendwo was essen.«

Mit dem bewusstlosen Schulmädchen im Kofferraum erscheint ihm die Fahrt durch den Drive-in eines Burger-Schuppens wenig reizvoll. Was, wenn die Tussi im ungünstigsten Moment aufwacht und zu schreien beginnt?

»Muss das jetzt sein?«

»Ja. Ich komme um vor Hunger. Mir ist schon ganz schlecht. Oder willst du, dass ich dir das Auto vollkotze?«

Will er nicht. Bei Kotze ist er empfindlich. Zumal der Wagen - ein BMW 323i mit nur leicht beschädigter G-Power-Auspuffanlage und sage und schreibe zweihundertsechsundachtzig PS - der bisher überzeugendste Beweis seines Organisationstalents ist. Ja, er ist auch ein anderer Mensch als früher, er ist jetzt motorisiert, hat das Auto beim Roulette gewonnen, unfassbar. Pech in der Liebe, Glück im Spiel. Fehlt nur noch eine eigene Bude. Dann wäre er der vollendete Spießer. Wie seine Eltern, an die er sich kaum erinnert. Die Stimme seiner Mutter klang irgendwie kindlich, das weiß er noch, als wären ihre Stimmbänder zu kurz. Bei ihr hatte überhaupt alles einen Zug ins Kindliche, die Klamotten, die Art, wie sie das Reihenendhaus ausstattete - und ihn. Nicki-Pullover. Krümelmonster-Schlafanzug. Neben seinem Kinderbett rotierte nachts in einer schwach glimmenden Laterna Magica ein bunter Elefant. Wer so was produziert, muss auf Droge sein. Oder pervers.

Kein Wunder, dass sein Vater ständig durchdrehte, sobald er seinen Sohn auch nur ansah, der Lächerlichkeit preisgegeben von der eigenen Mutter. Er wollte eben kein Weichei großziehen. Das zumindest hat der alte Drecksack im Leben erreicht.

Im Kreisverkehr, wo die Autobahn endet, macht er diesmal nicht kehrt, sondern nimmt den Abzweig zu McDonalds. Spendiert sich und seinem Mädchen eine Runde Burger und Fritten. Anstatt Dankbarkeit zu zeigen, weil er ihretwegen ein Risiko eingeht, beschwert sie sich:

»Hättest mich ja mal fragen können, was ich will.«

»Ach ja? Seit wann das denn?«

»Seit heute. Vielleicht bin ich ja inzwischen Vegetarierin. Hast du dir das mal überlegt?«

Hat er tatsächlich. Mindestens genauso oft wie er sich gefragt hat, ob sie die Leute, bei denen sie jetzt lebt, bloß verarscht - was er hofft - oder ob sie sich einbildet, wirklich dazuzugehören. Falls ja: Den Zahn wird er ihr ziehen. Diese feiste Gemüsetrulla. Was will sie bei der?

Er hat sie vermisst, das wollte er ihr neulich schon sagen. In Gedanken redet er ununterbrochen mit ihr: Sagt ihr, dass er den Duft ihres Shampoos mag und das Spaghetti-Trägertop, das sie, anstelle der früher auch bei dreißig Grad obligatorischen dunklen Hoodies, heute trägt. Dass er nie erwartet hätte, sie jemals im Rock zu sehen, ein weißer knöchellanger Flatterrock, und dass ihre Haut ihn immer noch um den Verstand bringt. Aber er ist nicht der allergrößte Redner, und außerdem ist er stocksauer, weil sie ihn so runterputzt, ohne jeden Respekt. Vegetarierin - die hat sie doch nicht mehr alle. Sein Baby.

Die Fritten isst sie mit spitzen Fingern, furztrocken, den Ketchup rührt sie nicht an. Als sie den Hamburger auspackt und daran riecht wie an einem Haufen Hundescheiße - nur um ihn zu provozieren, glaubt er, denn normalerweise steht sie auf alles aus diesem Drecksladen - schlägt er ihr das matschige Fleischgebilde samt Packung aus den Händen. Es landet im Fußraum. Sie jault auf.

»Was soll das? Bist du verrückt geworden?«

»Schrei mich nicht an!«

»Ich schreie, wann ich will!«

Da sie sich hartnäckig weigert zu kapieren, dass er so nicht mit sich umspringen lässt, greift er blitzschnell nach ihrem Handgelenk und reißt ihren Arm in die Luft. Ohrfeigt sie mit ihrem eigenen Handrücken, bis es ihr gelingt, sich zu befreien, indem sie seinen kleinen Finger überraschend brutal nach hinten verbiegt. Immerhin, ein paar Schläge haben gesessen, beide Wangen sind hübsch verschrammt von den Silberringen, die sie jetzt trägt.

»Du Arsch«, schreit sie.

Womit sie den Bogen eindeutig überspannt. Mittlerweile brausen sie wieder über dieses lächerliche Stück Autobahn irgendwo im Alten Land. Vom Nirgendwo zum Arsch der Welt und zurück. Keine dreißig Kilometer, dann ist Schluss. Er schlingt sein Essen hinunter und beschließt, seinem Baby eine weitere Lektion zu erteilen. Ein teuflisches Grinsen im Gesicht - hoffentlich sieht sie es - tritt er das Gaspedal durch bis zum Anschlag.

»Entschuldige dich«, ruft er, während die Kraft der Beschleunigung sie in die Sitze drückt.

Der Tacho zeigt hundertachtzig, zweihundert, zweihundertzwanzig, bevor er dem Pedal ein wenig Spiel gibt. Auf der Strecke ist kaum Verkehr, und es gilt kein Tempolimit, aber er darf es nicht übertreiben, nicht zu sehr auffallen. Sie haben noch viel vor heute. Er zwingt sich, nicht rechts zu überholen. Träumt sich wie ein Idiot in das Cockpit eines Formel-1-Wagens.

»Entschuldige dich«, befiehlt er.

Als sie keinen Mucks von sich gibt, schließt er die Augen und beschleunigt erneut. Anders als erwartet, fängt sie nicht wieder an zu kreischen, sondern verhält sich mucksmäuschenstill, so beharrlich, bis er sich fragt, ob sie überhaupt noch da ist. Ob der Asphalt unter ihren Reifen noch da ist oder ob sie längst verunglückt sind und mausetot auf dem Weg in die nächste Dimension durch das All rasen. Er zählt bis zehn, spürt, wie seine Halsschlagader unermüdlich frisches Blut ins Hirn pumpt. Müssten sie nicht schon die leichte Rechtskurve erreicht haben? Müsste es nicht längst knallen? Wenn er jetzt die Augen aufschlägt, verliert er. Lässt er es bleiben, geht er drauf. Beides schmeckt ihm nicht.

Schließlich hält er es nicht mehr aus und reißt die Augen auf wie gegen einen Widerstand, und das war eine verdammt gute Entscheidung, denn die Kurve ist erreicht, sie sind drauf und dran, die Leitplanke zu durchbrechen. In letzter Sekunde bringt er den Wagen wieder auf Kurs,...


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Alexandra Kui wurde 1973 in Buxtehude geboren. Sie studierte Soziologie in Hamburg und arbeitete für verschiedene Tageszeitungen, bevor sie anfing, Bücher zu schreiben. Nach den Krimis »Blaufeuer«, verfilmt fürs ZDF unter dem Titel »Der Tote im Watt«, und »Wiedergänger« veröffentlichte die Autorin, die auf der Geest bei Hamburg lebt, mehrere Jugendthriller sowie literarische Jugendromane bei cbj.