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Plötzlich war ich im Schatten

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
176 Seiten
Deutsch
Arena Verlag GmbHerschienen am28.04.2014
Als Ela mit zwölf Jahren aus der Türkei in das unbekannte Deutschland flieht, stehen ihrer Familie als 'Illegale', d.h. ohne Aufenthaltsgenehmigung, viele Jahre der Ungewissheit bevor. Es gibt kein Zurück, denn in der Türkei droht ihrem kurdischen Vater Gefängnis. Nur schwer findet sich Ela in der fremden Sprache und Kultur zurecht. Erst Jahre später wird Deutschland zu Elas zweiter Heimat.

Ela Aslan (Name von der Redaktion geändert) verlässt mit zwölf Jahren ihre Heimat, die Türkei. In Deutschland angekommmen, beginnt für das kurdische Mädchen und ihre Familie eine unsichere Zukunft. Immer wieder droht ihnen die Abschiebung, immer wieder müssen sie sich verstecken, denn in der Türkei würde ihr Vater als Kurde im Gefängnis landen. Erst nach fünf Jahren der Ungewissheit erhält ihre Familie eine vorübergehende Duldung. Mittlerweile arbeitet Ela Aslan als Pflegehelferin in einer deutschen Großstadt und beginnt bald ihre Ausbildung zur Krankenschwester.
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Produkt

KlappentextAls Ela mit zwölf Jahren aus der Türkei in das unbekannte Deutschland flieht, stehen ihrer Familie als 'Illegale', d.h. ohne Aufenthaltsgenehmigung, viele Jahre der Ungewissheit bevor. Es gibt kein Zurück, denn in der Türkei droht ihrem kurdischen Vater Gefängnis. Nur schwer findet sich Ela in der fremden Sprache und Kultur zurecht. Erst Jahre später wird Deutschland zu Elas zweiter Heimat.

Ela Aslan (Name von der Redaktion geändert) verlässt mit zwölf Jahren ihre Heimat, die Türkei. In Deutschland angekommmen, beginnt für das kurdische Mädchen und ihre Familie eine unsichere Zukunft. Immer wieder droht ihnen die Abschiebung, immer wieder müssen sie sich verstecken, denn in der Türkei würde ihr Vater als Kurde im Gefängnis landen. Erst nach fünf Jahren der Ungewissheit erhält ihre Familie eine vorübergehende Duldung. Mittlerweile arbeitet Ela Aslan als Pflegehelferin in einer deutschen Großstadt und beginnt bald ihre Ausbildung zur Krankenschwester.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783401801506
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2014
Erscheinungsdatum28.04.2014
Seiten176 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.1407670
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe

 

Prolog

Gleich kommen sie. Ich sitze neben meinem Onkel Ardar auf der Parkbank, meine Hand ganz fest in seiner. Seine Hände sind groß und innen schwielig von der Arbeit. Sie sind warm und trocken. Ich kenne sie mein Leben lang. Sie fühlen sich nach zu Hause an.

Es ist heiß hier, obwohl wir unter mächtigen, alten Bäumen sitzen. Von der Straße wabert der Lärm der Autos und der Straßenhändler zu uns herüber. Mit einem tiefen Grollen fliegt ein Passagierflugzeug im Landeanflug über unsere Köpfe hinweg. Mit offenem Mund starre ich ihm hinterher. Das ist das größte Flugzeug, das ich jemals gesehen habe. Ich bin tatsächlich in Istanbul!, denke ich voll freudiger Aufregung. Meine Traumstadt! Hier will ich später leben und studieren, das habe ich mir schon genau ausgemalt.

Als wir gestern Nachmittag endlich die Vororte der Stadt erreichten, habe ich mir die Nase an der Busscheibe platt gedrückt. Noch nie habe ich so viele Menschen und Autos und so viel Gewimmel auf einmal gesehen. Für einen Moment war alles andere vergessen, das ganze Chaos der letzten Wochen und Monate. Wie toll und aufregend muss es sein, hier zu leben!

Die Hand meines Onkels umschließt meine Finger ganz fest, während er konzentriert zum Parkeingang hinüberschaut. Mein neuer Koffer steht neben der Bank und ich fühle den Stoff meines weichen grünen Minirocks an den Beinen.

Er hat sie gesehen. Ich folge seinem Blick. Dort, in der Nähe des Eingangs, biegen zwei Männer um die Ecke und kommen auf uns zu. Hilfe suchend sehe ich meinen Onkel an. Was passiert jetzt? Seine Augen sind fast schwarz, als er meinen Blick erwidert. Da ist etwas in ihnen, was ich nicht deuten kann. Er versucht zu lächeln.

»Ela, du musst jetzt groß und tapfer sein! Ich weiß, dass du das schaffst. Jetzt darfst du endlich einmal selbst in einem echten Flugzeug sitzen, das hast du dir doch immer so gewünscht!«

Aufmunternd zwinkert er mir zu. Ich verstehe nicht.

»Aber du kommst doch mit?« Meine Stimme klingt dünn, nicht wie die einer Zwölfjährigen. Die beiden Männer sind schon fast auf unserer Höhe. Noch um den Brunnen herum, dann haben sie uns erreicht. Mein Blick flitzt zwischen ihnen und meinem Onkel hin und her. Mein Onkel holt tief Luft und versucht, mich zu beruhigen.

»Ela, glaub mir, wir würden dich doch niemals irgendwelchen bösen Männern mitgeben! Die beiden bringen dich zu deinen Eltern. Endlich darfst du zu deinem Papa und deiner Mama!«

Seit fast einem Jahr wache ich jeden Morgen in meinem Bett im Haus meiner Großeltern auf und wünsche mir genau das. Dass ich endlich meine Eltern und Geschwister wiedersehe. Dass alles wieder so wird wie früher. Wie oft habe ich mir vorgestellt, wie sie plötzlich vor der Tür stehen und wie ich mich in die Arme meiner Mama werfe und tief ihren Geruch einsauge.

Aber das hier, das will ich nicht. Mein Leben ist doch hier, wo ich zu Hause bin. Mein Bauch zieht sich vor Angst zusammen.

Ich will hier nicht weg! Ich will morgen früh wieder zur Schule gehen und nachmittags mit meiner Freundin Ümran Musik hören. Oder mit den Ponys ein Wettrennen über die große Wiese hinterm Garten machen. Ich will auf dem Rücken liegen und die Sprühflugzeuge beobachten, die über mich hinwegfliegen. Von mir aus auch den Gemüsegarten von Oma und Opa wässern. Ich will mit meinem Onkel auf seinem Trecker über das Feld fahren und dabei so heftig hin und her geschüttelt werden, dass wir beide lachen müssen. Ich will meine Lieblingsserie im Fernsehen anschauen und Meral Nachhilfeunterricht in Mathe geben. Bei der nächsten Klassenarbeit schafft sie bestimmt eine Zwei und das müssen wir doch feiern.

Ich will einfach nur, dass alles wieder gut wird. Dass ich wieder mit Mama und Papa und Selin und Deniz in unserem Haus neben Oma und Opa wohne. Seitdem sie weg sind, bin ich nicht mehr vollständig. Es fühlt sich an, als ob mir jemand einen Arm oder ein Bein abgehackt oder etwas aus meinem Inneren herausgerissen und mitgenommen hat.

Mein Onkel steht ruckartig von der Parkbank auf. Dabei lässt er meine Hand nicht los, sodass er mich mit sich hochzieht. Mit seiner freien Hand streicht er sich seine Hose glatt. Er ist groß und stark - und mein Lieblingsonkel. Und er sieht aus wie mein Papa, nur etwas jünger.

Die beiden Männer sind jetzt nur noch ein paar Meter von uns entfernt. Der eine nickt meinem Onkel zu, gibt ihm zu verstehen, dass er uns erkannt hat. Wie betäubt klammere ich mich an die Hand meines Onkels und starre ängstlich auf meine Schuhspitzen. Bitte, bitte, lass mich jetzt aufwachen aus diesem schlimmen Traum.

Und dann stehen sie vor uns. Der eine hat einen Schnauzer und unter seinen dichten Augenbrauen huschen flinke dunkle Augen hin und her. Der andere hat eine große Nase, obwohl er sonst eher klein und schmächtig ist. Sie begrüßen meinen Onkel wie einen alten Bekannten, den man zufällig im Park trifft. Der mit dem Schnauzer streicht mir über den Kopf, dann nimmt er meinen Koffer und wir gehen alle nebeneinander durch den Park und hinaus auf die Straße.

Den Blick auf meine Füße geheftet sehe ich, wie sie einen Schritt vor den anderen machen, vollkommen automatisch. Die Panik schnürt mir die Luft ab. Ich versuche, mich nur noch auf die warme Hand meines Onkels zu konzentrieren, die noch immer ganz fest meine Finger umschließt. Am liebsten würde ich mich ganz in der Wölbung seiner Hand verkriechen und mich darin einrollen. Von weit weg höre ich die drei Männer miteinander sprechen, dazwischen das Klacken unserer Absätze auf dem Asphalt.

Ich weiß nicht, wie lange wir so gehen. Wir passieren eine Reihe von Taxis. Die Fahrer stehen in Grüppchen zusammen, jemand lacht. Niemand scheint uns zu beachten.

Dann betreten wir ein großes Gebäude. »Flughafen Istanbul Atatürk« steht über dem Eingangsportal. Wir durchqueren lange Gänge und große Hallen, bis wir vor einem Schalter stehen bleiben. Der Mann mit dem Schnauzer zieht drei Flugtickets aus seiner Jacketttasche und reicht sie der Frau hinter dem Schalter. Dann hebt er meinen neuen Koffer auf das Rollband. Während sie einen Aufkleber um den Griff bindet, unterhalten sie sich über die Hitze in diesem September. Lachend schaltet sie das Rollband ein und der Koffer ruckelt davon, immer weiter von mir weg, bis er zwischen grauen Plastikstreifen verschwindet.

Nur ein paar Meter neben den Schaltern ist ein Durchgang, der von zwei Polizisten bewacht wird. Sofort schrillt in meinem Kopf eine Alarmglocke - Polizei! Beruhigend drückt mein Onkel meine Finger, aber ich kann fühlen, dass auch seine Hand vor Nervosität feucht geworden ist.

Mein Onkel zieht mich in eine Ecke, außer Sichtweite der Polizisten. Die beiden Männer bleiben abwartend ein paar Meter entfernt an einem Zeitungsstand stehen und blättern scheinbar interessiert in Zeitschriften.

Mein Onkel geht in die Hocke, sodass wir uns in die Augen sehen können. Er versucht, mich aufmunternd anzulächeln, und will etwas sagen. Aber dann atmet er laut aus, als hätte er beschlossen, es doch lieber zu lassen. Ich bemerke, wie sich seine dunklen Augen mit Tränen füllen und seine Mundwinkel zucken. Ganz fest nimmt er mich in seine Arme. Da ist er wieder, dieser seltsame Blick. Und auf einmal begreife ich. Abschied, in seinen Augen steht Abschied.

Für einen kurzen Moment öffnet sich in meinem Kopf eine Tür.

Ich verlasse meine Heimat. Ich fliege in ein Land, das ich noch nie gesehen habe. Vielleicht komme ich nie mehr wieder.

Dann schließt sich diese Tür wieder.

Das ist einfach zu viel, das kann nicht sein.

Ich atme tief ein, als müsste ich gleich eine lange Strecke unter Wasser tauchen. Dabei rieche ich den vertrauten Geruch seiner Jacke.

»Ela, denk jetzt nur noch an Mama und Papa, hörst du?«

Die Stimme von meinem Onkel ist ganz rau. Ich grabe mein Gesicht in seine Schulter, schluchze leise und nicke.

Dann steht er auf und schaut zu den beiden Männern hinüber. Sofort sind sie an meiner Seite. Jetzt ist es der Schmächtige mit der großen Nase, der nach meiner Hand greift. Sie fühlt sich fremd an, kalt und glatt. Er sieht mich freundlich an. »Du brauchst keine Angst zu haben! Wir bringen dich zu deinem Papa, der freut sich so auf dich! Und deine Mama hat schon ein Festessen gekocht!«

Die beiden nehmen mich in ihre Mitte und wir gehen auf die Tür mit den Polizisten zu. Heimlich blinzle ich eine Träne weg.

Mein Onkel bleibt in der Halle stehen. Ich solle mich nicht umdrehen und nichts sagen, flüstert mir der Schnauzbart mit den flinken Augen zu. Dann stehen wir vor den Polizisten, die unsere Tickets kontrollieren.

Einer von ihnen schaut auf mich herab: »Na, dein erster Flug? Du brauchst keine Angst zu haben, runter kommt man immer!« Die beiden Männer und der andere Polizist lachen, dann passieren wir die Kontrolle.

Ich versuche tapfer zu sein und beiße mir auf die Lippen, bis sich ein metallener Geschmack in meinem Mund ausbreitet. In meinem ganzen Leben habe ich mich noch nie so allein und schutzlos gefühlt.

Jetzt werfe ich doch einen schnellen Blick zurück. Ich kann einfach nicht anders. Durch die große...
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Ela Aslan (Name von der Redaktion geändert) verlässt mit zwölf Jahren ihre Heimat, die Türkei. In Deutschland angekommmen, beginnt für das kurdische Mädchen und ihre Familie eine unsichere Zukunft. Immer wieder droht ihnen die Abschiebung, immer wieder müssen sie sich verstecken, denn in der Türkei würde ihr Vater als Kurde im Gefängnis landen. Erst nach fünf Jahren der Ungewissheit erhält ihre Familie eine vorübergehende Duldung. Mittlerweile arbeitet Ela Aslan als Pflegehelferin in einer deutschen Großstadt und beginnt bald ihre Ausbildung zur Krankenschwester.
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Vattrodt, Veronika