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Das Gleismeer

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
400 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am12.01.2015
Willkommen an Bord
Sham lebt in einer Welt, in der das freie Land zwischen den Städten eine gefährliche Wildnis ist. Nur die Züge verkehren auf einem dynamischen und sich ständig verändernden Schienennetz zwischen den Siedlungen. Als Sham auf einem der Züge, dem Medes, anheuert, beginnt das Abenteuer seines Lebens. Denn die Medes-Crew hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Wesen zu jagen, die die Natur zu einer tödlichen Gefahr machen: Nager und Kleintiere von monsterartiger Größe. Sham ahnt nicht, auf was er sich einlässt ...

China Miéville hat mit seinen phantastischen Romanen bereits zahlreiche Preise gewonnen, unter anderem den Arthur C. Clarke Award, den World Fantasy Award und den British Fantasy Award, und begeistert mit seiner Phantastik Kritiker und Leser gleichermaßen. China Miéville lebt in London.
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Produkt

KlappentextWillkommen an Bord
Sham lebt in einer Welt, in der das freie Land zwischen den Städten eine gefährliche Wildnis ist. Nur die Züge verkehren auf einem dynamischen und sich ständig verändernden Schienennetz zwischen den Siedlungen. Als Sham auf einem der Züge, dem Medes, anheuert, beginnt das Abenteuer seines Lebens. Denn die Medes-Crew hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Wesen zu jagen, die die Natur zu einer tödlichen Gefahr machen: Nager und Kleintiere von monsterartiger Größe. Sham ahnt nicht, auf was er sich einlässt ...

China Miéville hat mit seinen phantastischen Romanen bereits zahlreiche Preise gewonnen, unter anderem den Arthur C. Clarke Award, den World Fantasy Award und den British Fantasy Award, und begeistert mit seiner Phantastik Kritiker und Leser gleichermaßen. China Miéville lebt in London.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641144067
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2015
Erscheinungsdatum12.01.2015
Seiten400 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1874 Kbytes
Artikel-Nr.1409686
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


1

Eine Fleischinsel!

Nein. Zurück, zurück, stopp.

Ein Kadaverberg?

Noch ein bisschen zurück.

Bingo. Wochen früher, als es noch kälter war. Die letzten paar Tage ein ereignisloses Zuckeln durch Bergeinschnitte & den blauen Schatten von Klippen aus Eis, am Spätnachmittag unter einem feuersteingrauen Himmel. Der Junge, noch nicht in Blut gebadet, beobachtete Pinguine. Er sah kleine Felseilande bis zum letzten Zentimeter besetzt von den gedrungenen Vögeln, die ihre glänzenden Federn aufplusterten & sich Wärme & Geborgenheit suchend zusammendrängten. Seit Stunden galt ihnen seine ungeteilte Aufmerksamkeit. Als endlich die Lautsprecher über ihm zum Leben erwachten, zuckte er zusammen. Es war das Signal, auf das er & die gesamte übrige Besatzung der Medes gewartet hatten. Ein krächzender Sirenenton. Dann über das Intercom der Ruf: »Da wühlt er!«

Augenblicklich setzte hektische Geschäftigkeit ein. Scheuerlappen flogen zur Seite, Schraubenschlüssel wurden fallen gelassen, angefangene Briefe & Schnitzereien verschwanden in Taschen, ungeachtet der noch feuchten Tinte, der sägestaubigen Unfertigkeit. Zu den Fenstern, an die Reling. Alle reckten sich in den peitschenden Wind.

Die Mannschaft, im holpernden Abteil, auf schwankendem Dachdeck, spähte aus zusammengekniffenen Augen durch die eisigen Böen, an mächtigen Schieferzähnen vorbei. Vögel sammelten sich hoffnungsfroh über dem Zug, aber jetzt warf niemand ihnen Futterbrocken zu.

Weit voraus, wo - ein Trick der Perspektive - die Doppelreihe der Schienen in spitzem Winkel zusammenlief, brodelte die Erde. Steine rollten. Unsichtbare Gewalten brachen den Boden um. Aus der Tiefe ertönte dumpfes Geheul.

Vor einer Kulisse absonderlicher Geländeformen & archaischer Plastikstummel türmte sich schwarzes Erdreich zu einem steilen Kegel, & etwas drängte ans Licht. Welch ein gewaltiges & dunkles Geschöpf! In einer Schollenfontäne schnellte es aus seinem Bau. Ein Ungeheuer. Es brüllte, es stieg hoch, höher in die Luft. Einen unwirklichen Augenblick hing es still auf dem Scheitelpunkt des Bogens. Als wollte es Umschau halten. Als wollte es die Aufmerksamkeit - seht her! - auf seine gewaltige Größe lenken. Stürzte wieder hinab in sein unterirdisches Reich.

Der Moldywarp war gesprungen.

Von allen gebannt dreinschauenden Zuschauern auf der Medes schaute keiner gebannter als Sham. Shamus Yes ap Soorap. Großer, vierschrötiger junger Kerl. Untersetzt, nicht immer der Geschickteste, das braune Haar kurz gehalten & dadurch des störrischen Eigensinns beraubt. Die Finger um den Rand des Bullauges gekrallt, die Pinguine vergessen, hatte er das Gesicht einer lichthungrigen Sonnenblume gleich aus dem Abteil gereckt. In der Ferne wühlte sich der Maulwurf in atemberaubender Geschwindigkeit durch die seichte Humusschicht, einen Meter unter der Oberfläche. Sham verfolgte den Buckel in der Tundra, sein Herz ratterte wie Räder auf Schienen.

Nein, dies war nicht der erste Moldywarp, den er gesehen hatte. Schulen, wie man ihre verspielten Rudel nannte, bestehend aus hundegroßen Exemplaren, gruben ständig in der Streggeye Bay. Die Erde zwischen den Schwellen & Schienen im Hafen war gespickt mit ihren Haufen & Rücken. Er hatte auch die Welpen größerer Arten gesehen, elend in Terrarien vegetierend - von Jägern zum Fest der Steingesichter mitgebracht: junge Flaschenhalsmulle & Mondpanthermulle & lebhafte Teerfußmulle. Aber die großen, richtig großen, die größten Tiere kannte Sham ap Soorap nur von Bildern im Rahmen der Jagdausbildung.

Er hatte eine epische Liste der anderen Namen des Moldywarps auswendig lernen müssen - Unterhöhler, Talpa, Muldvarp, Maulwurf -, hatte unscharfe Flachografien & Stiche der imposantesten Arten studiert. Strichmännchen waren maßstabsgerecht neben die Bestie gezeichnet, den Stern-, den Kammmull, & auf einem letzten, sehr abgegriffenen Blatt, leporelloartig ausfaltbar, um eine Vorstellung von der Größe zu geben, war ein Leviathan abgebildet, gegen den die zum Vergleich dienende Menschenfigur zwergenhaft erschien. Der Große Südliche Moldywarp, Talpa ferox rex. Das nämliche Geschöpf, das vor ihnen durch das Erdreich pflügte. Sham überlief eine Gänsehaut.

Boden & Schienen waren grau wie der Himmel. Unweit des Horizonts durchbrach eine Nase, die größer war als er, die Erdoberfläche. Sie warf ihren Maulwurfshügel neben etwas auf, das Sham im ersten Moment für einen abgestorbenen Baum hielt, doch bei genauerem Hinsehen erkannte er, dass es sich um eine rostige Metallstrebe handelte. Vor undenklichen Zeiten umgestürzt, ragte sie jetzt in den Himmel wie das Bein eines toten Käfergottes. Sogar in dieser menschenleeren Eisöde fand sich Epave.

Bahner hingen aus dem Betriebswagen der Medes, schwankten auf Trittbrettern zwischen Waggons & auf Aussichtsplattformen, ihr Geschrei vermischte sich mit dem Trommeln der eiligen Schritte über Shams Kopf. »Ja ja ja, Käpt´n ...« Die Stimme von Sunder Nabby, Ausguck, plärrte aus den Lautsprechern. Die Kapitänin musste über das Walkie-Talkie eine Frage gestellt haben, & Nabby hatte vergessen, auf »intern« zu schalten. Er sendete seine Antwort an den ganzen Zug, durch klappernde Zähne mit einem breiten Pittman-Akzent. »Großer Bock, Käpt´n. Jede Menge Fleisch, Fett, Fell. Sehen Sie nur, was er für ein Tempo draufhat ...« Die Medes legte sich in eine Kurve, der Wind bescherte Sham einen Schwall Dieselqualm. Er spuckte aus, in Gleisrandgestrüpp. »Wie? Tja ... er ist schwarz, Käpt´n«, erwiderte Nabby auf eine ungehörte Frage. »Was sonst? Gutes, sattes Moldywarp-Schwarz.«

Eine Pause. Der ganze Zug wirkte peinlich berührt. Dann: »Gut, gut.« Eine neue Stimme - Käpt´n Abacat Naphi hatte sich zugeschaltet. »Warschau! Moldywarp. Ihr habt ihn gesehen. Bremser, Manöverer: auf Station. Harpuniere: an die Waffen. Bereit an den Jollen. Volle Kraft voraus!«

Die Medes nahm Fahrt auf. Sham bemühte sich, mit den Füßen zu horchen, wie man es ihn gelehrt hatte. Ein Wechsel, befand er, von schrasch-schaa zu drag´ndragan. Allmählich lernte er die Ratternamen.

»Wie geht´s mit der Operation voran?«

Sham fuhr herum. Dr. Lish Fremlo musterte ihn von der Schwelle des Abteils her. Hager, nicht mehr jung, aber voller Energie, zerfurcht wie die verwitterten Felsen neben den Gleisen, beäugte der Chirurgus Sham unter einem Schopf gewehrstahlgrauer Haare hervor. Oha, Steingesichter, seid mir gnädig, dachte Sham, wie lange stehst du schon da? Fremlos Blick wanderte zu einem Sortiment von Holz- & Stofforganen, die Sham der Leibeshöhle einer lebensechten Puppe entnommen & noch nicht, wie ihm aufgetragen, säuberlich etikettiert an Ort & Stelle zurückgelegt hatte.

»Ich bin dabei«, beeilte Sham sich zu versichern. »Ich wurde ... da gab es ...« Er raffte die künstlichen Organe zusammen.

»Oh.« Beim Anblick der frischen Schnitte, die Shams Taschenmesser in der Lederhaut der Puppe verursacht hatte, verzog Fremlo schmerzlich das Gesicht. »Was hast du dem armen Ding angetan, Sham ap Soorap? Ich sollte wohl ein Machtwort sprechen.« Der Doktor hob einen mahnenden Zeigefinger & setzte - nicht unfreundlich - mit der ihm eigenen sonoren Dozentenstimme zu einem kleinen Vortrag an: »Das Studentenleben ist kein schillerndes, ich weiß. Zwei Dinge solltest du lernen. Erstens ...«, Fremlo bewegte sacht die Hand von oben nach unten, »... Ruhe bewahren & zweitens, was kann ich mir erlauben, ohne Fremlos Furor fürchten zu müssen. Dies ist der erste Große Südliche auf dieser Reise & das heißt, dein erster überhaupt. Keinen, mich eingeschlossen, interessiert es einen grünen Vogelschiss, ob du ausgerechnet jetzt anatomische Studien betreibst.«

Shams Herz schlug schneller.

»Lauf zu«, sagte der Doktor. »Nur steh den Leuten, die arbeiten müssen, nicht im Weg herum.«

Die Kälte verschlug Sham den Atem. Die meisten Besatzungsmitglieder waren in Pelze gehüllt. Sogar Rye Shossunder, der ihn im Vorbeigehen mit einem herablassenden Blick streifte, besaß eine ordentliche Kaninchenfelljoppe. Rye war jünger & rangierte als Moses theoretisch noch weiter unten auf der Stufenleiter der Medes als Sham, doch er war schon einmal Relingsmann gewesen, was ihm in der schlichten Meritokratie des Maulwurfsfängers einen Vorteil verschaffte. Sham wickelte sich fester in seine billige Wombatjacke.

Bahner & Bahnerinnen waren auf Stegen & sämtlichen Waggondachdecks zugange, drehten Spille, schärften Klingen, ölten die Räder der Jollen. Hoch darüber schwebte Nabby in seinem Korb unter dem Krähennestballon.

Boyza Go Mbenday, Erster Offizier, stand auf der Warschaubühne auf dem hintersten Waggondach. Er war mager & dunkelhäutig, hatte ein quecksilbriges Temperament & rotes Haar, vom Fahrtwind flach an den Schädel gedrückt. Während er den Weg des Zuges auf der Karte verfolgte, unterhielt er sich halblaut mit der Frau an seiner Seite....

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Autor

China Miéville hat mit seinen phantastischen Romanen bereits zahlreiche Preise gewonnen, unter anderem den Arthur C. Clarke Award, den World Fantasy Award und den British Fantasy Award, und begeistert mit seiner Phantastik Kritiker und Leser gleichermaßen. China Miéville lebt in London.