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Das dunkle Netz der Lügen

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
Deutsch
Rowohlt Verlag GmbHerschienen am17.09.20101. Auflage
Dunkle Zeiten im Land von Stahl und Kohle Ruhrort 1861: Lina hat es geschafft: Wie viele hat sie die Aufbruchstimmung genutzt und sich selbständig gemacht. Ihr kleiner Modesalon ist in aller Munde. Doch dann werden plötzlich gleich zwei Morde verübt. Und während des traditionellen Maiballs plündert jemand die Villen reicher Bürger. Die Taten betreffen ausschließlich Linas Kunden. Misstrauen schlägt ihr entgegen. Gestern noch eine angesehene Bürgerin Ruhrorts, muss Lina nun ihre Ehre verteidigen. Doch nicht nur ihr Ruf steht auf dem Spiel ... «Mit angenehmer Leichtigkeit präsentiert Silvia Kaffke umfangreiches historisches Hintergrundwissen. Ihre Beschreibungen sind so plastisch, dass man sich unversehens mitten in den engen Gassen der Ruhrorter Altstadt wiederfindet. Die Mischung aus Atmosphäre, historischen Fakten und krimineller Handlung sorgt für vergnügliche Lesestunden.» (Krimi-Couch) «Dynamisch und ohne Pause treibt Silvia Kaffke den Roman zum Höhepunkt, die Auflösung kommt danach in kleinen Dosen.» (Observer)

Silvia Kaffke, geboren 1962 in Duisburg, studierte Publizistik und Germanistik. Im Jahre 2000 debütierte sie mit ihrem Kriminalroman «Messerscharf». Sie erhielt dafür den Kulturförderpreis für Literatur der Landeshauptstadt Düsseldorf. Silvia Kaffke lebt in Duisburg-Ruhrort.
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Produkt

KlappentextDunkle Zeiten im Land von Stahl und Kohle Ruhrort 1861: Lina hat es geschafft: Wie viele hat sie die Aufbruchstimmung genutzt und sich selbständig gemacht. Ihr kleiner Modesalon ist in aller Munde. Doch dann werden plötzlich gleich zwei Morde verübt. Und während des traditionellen Maiballs plündert jemand die Villen reicher Bürger. Die Taten betreffen ausschließlich Linas Kunden. Misstrauen schlägt ihr entgegen. Gestern noch eine angesehene Bürgerin Ruhrorts, muss Lina nun ihre Ehre verteidigen. Doch nicht nur ihr Ruf steht auf dem Spiel ... «Mit angenehmer Leichtigkeit präsentiert Silvia Kaffke umfangreiches historisches Hintergrundwissen. Ihre Beschreibungen sind so plastisch, dass man sich unversehens mitten in den engen Gassen der Ruhrorter Altstadt wiederfindet. Die Mischung aus Atmosphäre, historischen Fakten und krimineller Handlung sorgt für vergnügliche Lesestunden.» (Krimi-Couch) «Dynamisch und ohne Pause treibt Silvia Kaffke den Roman zum Höhepunkt, die Auflösung kommt danach in kleinen Dosen.» (Observer)

Silvia Kaffke, geboren 1962 in Duisburg, studierte Publizistik und Germanistik. Im Jahre 2000 debütierte sie mit ihrem Kriminalroman «Messerscharf». Sie erhielt dafür den Kulturförderpreis für Literatur der Landeshauptstadt Düsseldorf. Silvia Kaffke lebt in Duisburg-Ruhrort.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783644204713
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2010
Erscheinungsdatum17.09.2010
Auflage1. Auflage
SpracheDeutsch
Dateigrösse2629 Kbytes
Artikel-Nr.1414332
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe



2. Kapitel


Als Zita am anderen Morgen aufwachte, stellte sie erschreckt fest, dass es schon heller Tag war. Schnell zog sie sich an und lief die Treppe hinunter. Im ersten Stock war ein heftiger Streit im Gange, ein oder zwei Kinder weinten. Das waren wohl die beiden jüngeren Hausangestellten. «Was hast du mit dem Geld aus dem Milchtopf gemacht?», schrie die junge Frau. «Das war meines so gut wie deines. Ich hatte es gespart, die Kinder brauchen neue Schuhe nächsten Winter.»

«Ich schufte hier den ganzen Tag. Willst du mir verbieten, ins Wirtshaus zu gehen?», brüllte der Mann zurück. «Bild dir nicht ein, du könntest so mit mir umspringen, nur weil Herr Borghoff seiner Frau alles durchgehen lässt. Was ich mit meinem Geld tue, ist ganz allein meine Angelegenheit!»

Die arme Kleine, dachte Zita. Die Männer waren doch alle gleich. Selbst ihr Tomasz hatte ein Vermögen durchgebracht mit Saufen und Spielen. Trotzdem hatte sie ihn geliebt.

Sie fand die Küche wieder. Das Haus summte bereits vor Geschäftigkeit. Antonie werkelte genauso mürrisch wie gestern in der Küche herum. «Da ist Hafergrütze», sagte sie und deutete auf den Herd. «Nicht zu tief im Topf kratzen, sie ist etwas angebrannt. Frau Borghoff hat gesagt, Sie sollen sich Honig dazu nehmen. Und es ist auch noch etwas Kaffee da.»

Im Gegensatz zur Grütze schmeckte der Kaffee gut, selbst nach Wiener Maßstäben. Während Zita schweigend die Hafergrütze aß, kam plötzlich Lina Borghoff herein. «Ausgeschlafen?», fragte sie fröhlich.

Zita wurde rot. «Entschuldigen Sie ...»

«Nein, nicht doch», sagte Lina. «Sie haben sicher lange nicht mehr ausschlafen können. Sie sind doch unser Gast. Schauen Sie mal.» Sie zog ein Stück grauen, sehr dicken Wollstoff hervor. «Besonders schön ist er nicht, aber sehr warm. Und da der Frühling in diesem Jahr einfach nicht kommen will, dachte ich, Sie könnten ihn gebrauchen. Sie können ihn nachher in der Werkstatt säumen, das gibt ein schönes warmes Umschlagtuch.» Und dann legte sie eine kleine Winterbluse aus festem, warmem Wollstoff dazu - Konfektionsware, die sie im Stoffladen verkaufte. «Damit nicht immer gleich alle denken, Sie wären ... na, Sie wissen schon.» Die Bluse war hochgeschlossen. «Hier ist ein kleiner Riss, den Sie sicher leicht flicken können.»

Zita traten die Tränen in die Augen. Es war lange her, dass jemand so gut zu ihr war. «Vielen Dank, Frau Borghoff, vielen Dank!»

«Gern geschehen. Wenn Sie mit allem fertig sind, können Sie aufs Rathaus zu meinem Mann gehen. Vielleicht hat er dann Ihren Freund schon gefunden.»

 

Mit Bedauern hatte Zita das gastliche Haus der Borghoffs verlassen. Den Rest des Morgens hatte sie noch in der Nähwerkstatt mit den anderen Frauen verbracht, sorgfältig das schwere Wolltuch gesäumt und die Bluse geflickt. Jetzt trug sie sie über der alten weißen Bluse und hatte den neuen Schal umgelegt. Es war immer noch sehr kalt draußen, aber zum ersten Mal, seit sie ihre Reise angetreten hatte, fror sie nicht mehr - zumindest auf dem kurzen Weg von der Harmoniestraße zum Rathaus.

Als sie den Dienstraum betrat, stieß sie auf Inspektor Ebel.

«Ah, ich habe mich schon gefragt, wo du geblieben bist ...»

«Frau Fredowsky hat in meinem Haus übernachtet, Ebel - zwangsläufig, weil Sie die Frau so lange festgehalten haben, dass kein Nachtquartier mehr zu finden war.» Der Commissar war hinter seinem Schreibtisch hervorgekommen und bedeutete Zita, sich auf einen der Stühle davor zu setzen.

«Sie war doch gut aufgehoben im Gewahrsam», protestierte Ebel leise. Seit man ihn zum Inspektor befördert hatte, war er Kritik noch weniger zugänglich als zuvor. Aber inzwischen konnte er Borghoff gegenüber nicht mehr die Karte des Ruhrort-Erfahrenen ausspielen. Nach fast sieben Jahren kannte der Polizeichef nicht nur jeden Winkel der Stadt, sondern auch die ehrbaren Bürger und das Altstadtgesindel mindestens ebenso gut wie sein am Ort geborener Inspektor. Bis heute konnte Ebel sich nicht erklären, warum der Bürgermeister und die Honoratioren so große Stücke auf einen Mann hielten, der in seinen Augen viel zu lasch mit Lumpenpack, Schiffern und Arbeitern umging. So wie jetzt mit dieser Zigeunerdirne. Ein Polizeidiener hatte heute Morgen sogar mehrere Stunden lang die Registrierungslisten durchsehen müssen nach einem Mann, den diese Frau wahrscheinlich erfunden hatte.

Robert Borghoff kümmerte sich nicht weiter um den verstimmten Ebel, setzte sich wieder hinter den Schreibtisch und zog ein Blatt hervor. «Hermann Demuth, Hüttenarbeiter», las er vor.

«Hüttenarbeiter?», fragte Zita erstaunt. Sie erinnerte sich an Hermanns gepflegte Hände, mit denen er in Wien seine Patienten versorgt hatte. Aus Erzählungen wusste sie, wie hart die Arbeit in den Hütten war.

«Nun, so steht es hier. Die Adresse ist Milchstraße 3, allerdings ist der Eintrag schon zwei Jahre alt, vielleicht wohnt er schon nicht mehr dort. Aber vielleicht haben Sie auch Glück.»

Ein wenig Glück habe ich nach den letzten Monaten wirklich verdient, dachte Zita und bedankte sich herzlich für alles, was der Commissar für sie getan hatte. Dann bat sie ihn darum, ihr den Weg zu erklären, doch stattdessen wurde dem Polizeidiener, der ohnehin Streifendienst in der Altstadt hatte, aufgetragen, sie hinzubringen.

Als sie aus der Neustadt mit ihren geraden Straßen und gepflegten kleinen Häusern in die Altstadt kamen, war sie Borghoff sehr dankbar, dass er ihr diese Begleitung mitgegeben hatte. Nie und nimmer hätte sie sich in diesem Labyrinth von Gassen und Gässchen zurechtgefunden, durch die kein größerer Karren geschweige denn eine Kutsche passte.

Uralte Fachwerkhäuser wuchsen über manchen Gassen so zusammen, dass kaum noch ein Lichtstrahl hineinfiel. Und überall wimmelte es von Menschen. Schiffer- und Arbeiterfrauen machten Besorgungen, die kleineren Kinder auf dem Arm. Zwischendrin sah man auch das eine oder andere Hausmädchen wohlhabender Herrschaften. Bereits um diese Uhrzeit herrschte reger Betrieb in den zahllosen kleinen Kneipen und Gasthäusern. Auf dem einzigen größeren Platz standen junge Männer in Gruppen herum und schwatzten, meist Schiffer, die ein paar Tage Zeit hatten, bis sie ihre nächste Fracht oder einen Platz im Schleppverband bekamen, und es sich jetzt gutgehen ließen.

Und Huren gab es hier - viele Huren. Sie erkannten einander, Zita und die Huren. Viele abschätzende Blicke streiften die hübsche Fremde - war sie eine Konkurrenz? Wilderte sie in fremdem Revier? Und warum war sie mit einem Polizisten unterwegs?

Schließlich bogen sie in die Milchstraße ein und fanden das Haus Nummer 3. Der Polizeidiener wünschte ihr Glück und verabschiedete sich dann. Zita blickte an der grauen Fassade hinauf. Die meisten Fenster waren mit dunklen Lumpen verhängt. Vorsichtig klopfte sie an die Tür.

Als sich drinnen nichts tat, klopfte sie erneut, diesmal fester. Nach dem dritten Mal öffnete eine alte Frau und starrte sie entgeistert an. «Ja?», fragte sie so laut, dass Zita sofort begriff, dass sie schwerhörig war.

«Wohnt Hermann Demuth hier?», fragte sie.

«Häh?»

«Demuth. Hermann Demuth.» Zita schrie fast.

«Ah, Herr Demuth!», rief die Alte. «Ja, der wohnt hier. Oben unterm Dach.»

«Ist er zu Hause?»

Die Alte nickte. «Ja, aber er schläft. Hat Nachtschicht.»

«Bitte, ich muss ihn sprechen. Ich bin eine alte Freundin von ihm.»

Die Alte zögerte einen Moment, aber dann sagte sie: «Komm rein, Kind. Ich werde ihn wecken.»

Zita folgte ihr und stand direkt in einer verdreckten Küche, die noch eine Feuerstelle statt eines Herdes hatte. In einem Topf über dem Feuer brodelte etwas, das zwar nach Eintopf aussah, aber widerlich roch.

«Da geht es rauf», sagte die Alte und schlurfte voran. Sie trug ein graues verschlissenes Winterkleid und darüber eine Strickjacke. Trotzdem schien sie zu frieren, was kein Wunder war, denn außerhalb der Küche war es im Haus eisig kalt.

Über dem zweiten Stock ging es hinauf in die Mansarde, alles war klein und eng. Oben unter dem Dach gab es vier Türen, an die erste links klopfte die Alte. «Herr Demuth! Wachen Sie auf! Hier ist Besuch für Sie.»

Es dauerte eine Weile, aber dann öffnete sich die Tür, und ein verschlafenes Gesicht mit verstrubbelten Haaren sah heraus. Die Alte blieb neugierig bei ihnen stehen.

«Hermann?», fragte Zita. Sie hätte ihn fast nicht wiedererkannt, so dünn und abgearbeitet sah er aus. Kaum zu glauben, dass er in Wien der große Weiberheld gewesen war. Den «schönen Hermann» hatten sie ihn oft genannt. Ein fast zu hübsches Gesicht für einen Mann, charmante Umgangsformen, eine betörende Stimme und die Anmut eines Tänzers - jede Frau, die Zita kannte, hatte sich in ihn verguckt. Davon war wenig übrig geblieben.

Er sah sie an, als hätte er ein Gespenst vor sich.

«Ich bin es, Zita. Tomasz´ Frau.»

«Ja, sicher, Zita. Wie hast du mich gefunden?» Er schien immer noch verwirrt.

Sie zog den Brief ihres Mannes aus der Tasche. Hermann rieb sich die verschlafenen Augen, bevor er las. «Ist er tot?», fragte er, als er ihr den Brief zurückgab.

Sie nickte.

«Was willst du von mir?»

«Du hast den Brief doch gelesen.»

«Ja, schon. Aber ich kann dich nicht beschützen. Ich könnte nicht einmal mich selber beschützen. Ist der Greifer hier?»

Sie schüttelte den Kopf. «Wir haben Wien vor gut einem halben Jahr verlassen, aber der Greifer hat uns ein paar Leute hinterhergeschickt. In der Nähe von Straßburg haben sie uns erwischt und Tomasz -...

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