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Ein Tagwerk Leben

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
286 Seiten
Deutsch
Droemer Knaurerschienen am02.10.20091. Auflage
Ein Leben wie aus einer anderen Zeit: Als Magd erträgt Dora Prinz viel - harte Arbeit und die Willkür der Bauern prägen ihren Tag. Aber sie lässt sich nicht brechen, dafür ist sie zu stolz. Eine Geschichte von der Weisheit einer alten Frau, die trotz allem sagt: Schöner hätte es nicht sein können, das Leben. Ein Tagwerk Leben von Sabine Eichhorst, Dora Prinz: Biographien & Memoirs als eBook!

Dora Prinz, geboren 1919, wuchs als Älteste von fünf Geschwistern bei Leutkirch im Allgäu auf. Nach dem Besuch der Volksschule ging sie als Magd in Stellung, bis die Mutter starb und sie dem Vater den Haushalt führen musste. Doch ihre Schwester heiratete, übernahm den Hof, und Dora Prinz arbeitete bei wechselnden Bauern wieder als Magd. Heute genießt sie ihren Ruhestand.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR14,99
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextEin Leben wie aus einer anderen Zeit: Als Magd erträgt Dora Prinz viel - harte Arbeit und die Willkür der Bauern prägen ihren Tag. Aber sie lässt sich nicht brechen, dafür ist sie zu stolz. Eine Geschichte von der Weisheit einer alten Frau, die trotz allem sagt: Schöner hätte es nicht sein können, das Leben. Ein Tagwerk Leben von Sabine Eichhorst, Dora Prinz: Biographien & Memoirs als eBook!

Dora Prinz, geboren 1919, wuchs als Älteste von fünf Geschwistern bei Leutkirch im Allgäu auf. Nach dem Besuch der Volksschule ging sie als Magd in Stellung, bis die Mutter starb und sie dem Vater den Haushalt führen musste. Doch ihre Schwester heiratete, übernahm den Hof, und Dora Prinz arbeitete bei wechselnden Bauern wieder als Magd. Heute genießt sie ihren Ruhestand.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783426559437
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2009
Erscheinungsdatum02.10.2009
Auflage1. Auflage
Seiten286 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2336 Kbytes
Artikel-Nr.1433108
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


DIE HEBAMME


Im grauen Morgenlicht schwang der Bauer die Geißel und trieb die Gäule den schmalen Schotterweg entlang, der hinüber zum Stöckle-Hof führte. Neben ihm auf dem Fuhrwerk hockte die Hebamme, ihre Tasche fest gegen die Brust gepresst. Ich trat vom Fenster zurück. Zog eilig ein Hemd an, ein Kleid und eine Schürze, flocht das Haar zu einem Zopf. Dann weckte ich die Frida und die Monik und lief die Stiege hinunter in den Hausgang.

Draußen lag Nebel über den Wiesen, die Wolken hingen tief. Kalter Wind blies. Im Stall beim Vieh war es warm. An einem Balken über dem Gang hing eine Petroleumlampe, in ihrem schummrigen Licht drängten sich die Kühe aneinander, die Emma rieb ihren Kopf am Hals von der Rosa, die Rosa schlug nach Fliegen.

»Zur Nachbarin ist die Hebamme unterwegs.«

Die Mutter sah hinter der Rosa hervor. »So früh?« Sie schlug geschwind ein Kreuz, mit der anderen Hand wehrte sie den Schwanz der Rosa ab.

Ich nahm einen Melkschemel, strich der Emma über den Rücken und hockte mich ins Stroh. Die Emma ist schon immer meine Lieblingskuh gewesen, ein prächtiges Allgäuer Braunvieh mit kurzen, dicken Hörnern.

»Gestern hat die Stöckle-Bäuerin noch Holz gemacht«, seufzte die Mama und wandte den Kopf zur Seite, damit Rosas Schwanz sie nicht traf. Ihre Hände waren geschickt, mit gleichmäßigem Strahl lief die Milch in den Eimer. Auch Emmas Euter war prall. Ich wischte es sauber und strich mit den Daumen über die Zitzen, bis die Milch herausschoss. Die Emma bog den Kopf und schnupperte an meiner Schulter. Aus ihren Nüstern quollen weiße Dampfwolken, auf ihrer Nase tanzten Fliegen. »Bist ein feines Tier«, murmelte ich, »bist die Beste ...« Die Emma gab immer die meiste Milch und verlor nie die Ruh.

Die Mama stand auf, goss Rosas Milch in eine Kanne und hockte sich unter die nächste Kuh. Schweigend molken wir, beide in Gedanken bei der Nachbarin. Das Vieh schnaufte, hier und da ein Schmatzen, ein hungriges Muhen, das Klirren der Ketten. Wir füllten Heu in die Traufe und Wasser nach, gabelten altes Stroh in einen Schubkarren und breiteten frisches aus. Ich stellte Milch fürs Frühstück beiseite, zog eine Jacke an, verschloss die Kanne mit einem Deckel und schnallte sie mir mit zwei ledernen Riemen auf den Rücken.

Über den Hügeln lag fahles Licht, der Nebel löste sich nur langsam. Ich klappte den Kragen hoch. Der Weg, der an unserem Haus entlangführte, machte eine Kurve und führte zu einem Wäldchen, kahle Fichten, die sich bis zum Ufer des Hinterweihers hinunterzogen. Wind schlug mir ins Gesicht und bei jedem Schritt spürte ich, wie die Milch in der Kanne schwappte. Auf dem Schotter lagen vertrocknete Fichtennadeln und eine dünne Schicht Reif, die Tropfen glänzten auf den Steinen. Ein Vogel rief, ein anderer antwortete. Am Wegkreuz unter dem schäbigen Holzstand lagen frische Blumen. Hinterm Wald tauchte rechts in einer Senke die Mühle auf, der Knecht lud Säcke auf einen Wagen, ein Hund bellte. Ich winkte und lief weiter zur Dorfstraße und hinauf zur Käserei.

Wieder daheim, saßen die Frida und die Monik in der Stube. Im Ofen prasselte Feuer und die Katze schlief auf dem Kanapee. Hungrig setzte ich mich an den Tisch, trank einen Schluck Milch. »Wo ist der Sepp?«, fragte der Papa. »Der Bub verschläft den ganzen Tag.«

»Er ist noch klein.« Die Mama stellte eine Kanne Malzkaffee auf den Tisch.

»Helfen könnt er schon.« Der Papa tauchte seinen Löffel in die Mehlsuppe. Die Mama sagte nichts, goss nur Kaffee ein und brach drei Stück Brot für die Frida, die Monik und mich.

Später, als der Vater in den Wald und meine Schwestern nach Herlazhofen zur Schule aufgebrochen waren, ging die Mutter in die Speis. Mit Mehl, Eiern und Zwetschgen kehrte sie zurück.

 

Am Nachmittag, als die Hebamme heimfuhr, hatte die Stöckle-Bäuerin ihr zehntes Kind geboren.

Der Kuchen war noch warm, als die Mutter ihn in ein Tuch schlug. Die Frida und die Monik hatten ihre Schulkleider gegen Werktagskleider getauscht und saßen in der Stube über ihren Hausaufgaben. Der Vater öffnete die oberste Schublade der Kommode, nahm den Kamm heraus, spuckte darauf und fuhr sich durchs Haar. Er setzte seinen Hut auf, betrachtete sich in der Spiegelscherbe neben dem Ofen, zog die Hosenträger straff und seine Jacke an. »Gehen wir«, sagte er und nahm den Sepp bei der Hand.

Es war dunkel und es regnete, als wir zum Stöckle-Hof liefen.

In der Stube waren die Scheiben beschlagen. Es roch nach Pfeifentabak und Most. Verwandte und Nachbarn hatten Kuchen mitgebracht, manche Kleidung für das neue Baby. Kinder spielten Ringewerfen, ein paar kleine hockten barfuß und in Kitteln auf dem Dielenboden und schauten zu. Die Mama stieg mit der Frida, der Monik und mir die Stiege hinauf zu den Schlafkammern. Blass und müde lag die Kindbetterin zwischen den Kissen. Das Baby schlief in einer Wiege. Es hatte schmale Augen, eine winzige Nase und runzlige Wangen. Die Monik kniete nieder. »So ein süßes Butzele ...«

Die Frida hatte Tränen in den Augen und sprach ein Gebet. Die Hebamme, ein kräftiges Weib mit schwarzem Haar und groben Gesichtszügen, stopfte blutige Laken in einen Korb. Leise hörte ich sie zur Mama sagen: Schlechte Lage ... Füße zuerst ...

Später drängten sich alle in der Stube. Ein paar Weiber schnitten Zwetschgendatschi und Hefezopf auf, und ich half und wusch in der Küche Teller und Gläser. Die Hebamme stand am Herd und rührte in einem Kessel. Sie erzählte von einer Bäuerin in Ottmannshofen, die vor kurzem ihr zweites Kind bekommen hatte. »Ein Bub, gesund und kräftig. Aber den Pfarrer haben´s dagehabt, weil das erste Kind, ein Mädle, bald nach der Geburt gestorben ist.«

»Heiliger Vater ...«, seufzte die Bäuerin vom Geissler-Hof.

Ich stapelte Kuchenstücke auf einen Teller, und die Hebamme sah zu. Dampf umhüllte ihre groben Züge und ließ sie weicher wirken. Doch ihr Blick machte mich nervös. »Wie alt bist, Mädle?«

Ich strich meine Zöpfe glatt und streckte die Schultern. »Sechzehn.«

 

Schwarz ragten die Bäume in den Himmel, als wir aufbrachen. Eine Krähe schrie, und im Stall trat ein Ross gegen die hölzerne Wand. Der Regen hatte nachgelassen, doch der Wind blies scharf und der Vater zog den Hut tiefer ins Gesicht und rief: »April, der Spektakel macht, bringet Heu und Korn in Pracht.«

»Bringet Heu in Korn und Pracht ...«, plapperte der Sepp, der sich Mühe gab, mit dem Vater Schritt zu halten. Die Frida, die Monik, die Mama und ich lachten und hakten einander unter.

Daheim ging der Vater in den Stall und sah noch einmal nach dem Vieh. Er spritzte jeder Kuh und den beiden Gäulen ein wenig Weihwasser auf die Stirn und wünschte allen eine gute Nacht. Die Mama brachte den Sepp zu Bett. »Und ihr Mädle geht auch schlafen.«

Auf Socken hüpften wir die Stiege hinauf zur Schlafkammer, banden uns gegenseitig die Schürzen auf, zogen die Kleider aus und schlüpften in Unterwäsche unter die kalten Decken. Wir stritten um die Bettflasche, und grad hatte ich sie unter Fridas Füßen hervorgezogen, da rief der Vater meinen Namen. Ich zog eine Weste über und lief hinunter.

Am Tisch in der Stube saß die Hebamme.

»Ich will nicht lange herumreden, Dora. Der Bauer in Ottmannshofen sucht ein Mädle zum Helfen. Willst hingehen?« Im Ofen brannte Feuer und auf der Ofenstange hingen Socken, ein Hemd und Fridas blaue Schürze. Es roch nach Holz und auch ein wenig nach den Krautknödeln vom Nachtessen. Ich hockte mich auf die Ofenbank. »Er hat gesagt, ich soll mich umhören, weil ich in viele Häuser komm.« Die Hebamme sah mich an, wieder mit diesem prüfenden Blick. Eine Fliege landete auf meinem Kinn. Die Pendeluhr schlug; es war Viertel vor zehn.

Die Mutter ging in die Küche und kam kurz darauf mit einem Krug Most zurück. Sie schenkte dem Vater und der Hebamme ein, ihre Hand zitterte ein wenig. Die Hebamme strich ihren Kragen zurecht. Ihr Haar war zu einem dünnen Zopf geflochten, und ihr Gesicht leuchtete im Schein der Petroleumlampe. Sie griff nach einem Becher, hielt ihn mit beiden Händen und trank in kleinen Schlucken. Ich sah von ihr zum Vater und vom Vater zur Mutter.

»Musst selbst wissen, ob du gehen willst«, sagte der Papa.

»Wir schicken keins von euch Kindern fort«, sagte die Mama.

Ich schaute auf meine Füße, die in gestopften Socken steckten und kaum den Boden berührten.

 

In der Früh feuerte die Mutter den Ofen. »Geh schon vor, ich komm gleich.«

Ich zog meine Stallkleider an, nahm eine Lampe und ging zum Vieh. Die Emma leckte der Rosa den Hals und die Berta scharrte mit ihren Klauen im Stroh. Ich nahm einen Melkschemel. Kaum fuhr ich mit den Daumen über die Zitzen, kam auch schon die Milch. »Bist eine ganz feine Kuh.« Die Emma schmatzte und schüttelte ihren riesigen Kopf.

Es dämmerte, als alle Kühe gemolken und gefüttert waren. Der Vater lud die Milchkanne auf, um sie zur Käserei zu fahren, während die Mama und ich frühstückten und in unsere Sonntagskleider schlüpften, um nach Mariä Himmelfahrt in Gebrazhofen zu pilgern.

Es war der Schmerzhafte Freitag.

Die Luft war kühl und frisch. Morgensonne schien auf die Hügel, ließ das Gras leuchten. »So wie die Weiden daliegen, möcht man grad eine Kuh sein«, sagte die Mutter und stieg aufs Fahrrad. Ich raffte meinen Rock und hockte mich auf den Gepäckträger.

»Mir ist´s lieber, du bist keine«, lachte der Vater, lud die leere Milchkanne ab und schirrte die Gäule aus.

Im Wald schrie ein Eichelhäher, und nahe dem Wegkreuz hatten Wildschweine Löcher gegraben und sich in feuchter Erde gesuhlt....
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Dora Prinz, geboren 1919, wuchs als Älteste von fünf Geschwistern bei Leutkirch im Allgäu auf. Nach dem Besuch der Volksschule ging sie als Magd in Stellung, bis die Mutter starb und sie dem Vater den Haushalt führen musste. Doch ihre Schwester heiratete, übernahm den Hof, und Dora Prinz arbeitete bei wechselnden Bauern wieder als Magd. Heute genießt sie ihren Ruhestand.Sabine Eichhorst studierte Germanistik und Soziologie und arbeitete lange als Journalistin für verschiedene Radioprogramme der ARD. Für ihre Reportagen wurde sie 2002 mit dem CIVIS-Medienpreis und 2011 mit dem Herbert-Quandt-Medienpreis ausgezeichnet. Seit 1993 schreibt sie auch Bücher und hat bis heute über zwanzig Sachbücher und Memoirs veröffentlicht, darunter Ein Tagwerk Leben - Erinnerungen einer Magd, das zum Bestseller wurde. Die Liebe meines Vaters ist ihr Romandebüt.
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Prinz, Dora