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Lorettas letzter Vorhang

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
Deutsch
Rowohlt Verlag GmbHerschienen am05.10.20091. Auflage
Hamburg im stürmischen Oktober 1767: Komödiantin Rosina, erst wenige Wochen am neuen Nationaltheater am Gänsemarkt, sehnt sich zu ihrer Wandergruppe zurück. Eifersucht im Ensemble, Krach um Kunst und Geld in der Direktion, Streit um den Kritiker G. E. Lessing vergiften die Tage. Und eines Abends während der Vorstellung liegt die schöne Loretta, zweite Besetzung der Heldin, tot in den Kulissen ... Zum drittenmal geht Rosina gemeinsam mit Großkaufmann Herrmanns auf Mörderjagd zwischen Theater und Börse, Kaffeehaus, Hafen und Bürgersalons.

Petra Oelker arbeitete als Journalistin und Autorin von Sachbüchern und Biographien. Mit «Tod am Zollhaus» schrieb sie den ersten ihrer erfolgreichen historischen Kriminalromane um die Komödiantin Rosina, zehn weitere folgten. Zu ihren in der Gegenwart angesiedelten Romanen gehören «Der Klosterwald», «Die kleine Madonna» und «Tod auf dem Jakobsweg». Zuletzt begeisterte sie mit «Das klare Sommerlicht des Nordens», «Emmas Reise» sowie dem in Konstantinopel angesiedelten Roman «Die Brücke zwischen den Welten».
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR9,99
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR7,99

Produkt

KlappentextHamburg im stürmischen Oktober 1767: Komödiantin Rosina, erst wenige Wochen am neuen Nationaltheater am Gänsemarkt, sehnt sich zu ihrer Wandergruppe zurück. Eifersucht im Ensemble, Krach um Kunst und Geld in der Direktion, Streit um den Kritiker G. E. Lessing vergiften die Tage. Und eines Abends während der Vorstellung liegt die schöne Loretta, zweite Besetzung der Heldin, tot in den Kulissen ... Zum drittenmal geht Rosina gemeinsam mit Großkaufmann Herrmanns auf Mörderjagd zwischen Theater und Börse, Kaffeehaus, Hafen und Bürgersalons.

Petra Oelker arbeitete als Journalistin und Autorin von Sachbüchern und Biographien. Mit «Tod am Zollhaus» schrieb sie den ersten ihrer erfolgreichen historischen Kriminalromane um die Komödiantin Rosina, zehn weitere folgten. Zu ihren in der Gegenwart angesiedelten Romanen gehören «Der Klosterwald», «Die kleine Madonna» und «Tod auf dem Jakobsweg». Zuletzt begeisterte sie mit «Das klare Sommerlicht des Nordens», «Emmas Reise» sowie dem in Konstantinopel angesiedelten Roman «Die Brücke zwischen den Welten».
Details
Weitere ISBN/GTIN9783644406810
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2009
Erscheinungsdatum05.10.2009
Auflage1. Auflage
Reihen-Nr.3
SpracheDeutsch
Dateigrösse2391 Kbytes
Artikel-Nr.1433480
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe



VORSPIEL


FREITAG, 30. MAI 1766

Die Nacht duftete süß. Der Frühling war warm gewesen, und der Wind, der von Clifton herunterwehte, verriet, daß Jasmin und Geißblatt in voller Blüte standen. Im Llandoger Trow nahe dem Bristoler Hafen war davon allerdings nichts zu merken. In der Schenke roch es nach Bier, saurem Wein und scharfem Tabak. Zwei betrunkene Seeleute aus Liverpool ließen sich von einem Korkschneider beim Würfeln betrügen, ein Tuchmachergeselle stritt tapfer mit drei Kattundruckern, ob Leinen nicht doch der Baumwolle vorzuziehen sei, zwei Kutscher lamentierten über die rapide kürzer werdende Lebensdauer ihrer Pferde, seit die verbesserten Straßen das Reisen immer schneller machten, und in einer Ecke beim Kamin fütterten Liz und Betty ihr schwarzweißes Hündchen mit einem fettigen Fetzen Hammelfleisch und warteten auf Kundschaft.

Es war ein ganz gewöhnlicher Abend im Llandoger Trow, und Elsi, das Schankmädchen, begann sich zu langweilen. Doch dann, als die Schenke sich schon leerte, wurde es in der Ecke neben der Tür zur Küche plötzlich laut. Der Fremde, ein wirklich schöner, wenn auch ein wenig dunkler Herr aus London, hatte lange allein an einem kleinen Tisch gesessen, vom teuersten Port getrunken, und obwohl sein Blick immer wieder träge durch den spärlich beleuchteten Raum glitt, schien es, als würde er nichts von dem wahrnehmen, was in der Schenke vor sich ging. Nicht einmal Elsi, der doch sonst alle Gäste nachsahen. Sie hatte ihn schließlich nicht mehr beachtet. Der Wirt, immer neugierig auf Nachrichten, hatte sich zu dem Fremden gesetzt, sie hatten eine Weile leise miteinander gesprochen, und nun wurden sie plötzlich laut.

Der Mann widersprach dem Wirt entschieden. Es stimme einfach nicht, sagte er, und es klang bei aller Schärfe äußerst herablassend, daß Mr. Defoe jenen Matrosen, nach dessen Erlebnissen er seinen berühmten Roman «Das Leben und die seltsamen überraschenden Abenteuer des Robinson Crusoe» schrieb, in dieser Schenke getroffen habe. Sein Vater sei mit Mr. Defoe in London gut bekannt gewesen, weshalb er getrost sein Stadthaus am Cavendish Square darauf wetten wolle, daß Mr. Defoe die Geschichte nicht hier, sondern im Wild Indian nahe der Seefahrer-Kirche St. Mary Redcliffe gehört habe.

Schade, dachte Elsi, die auf echte Neuigkeiten gehofft hatte, nur wieder die alte Geschichte, und begann lustlos, die Dielen unter dem ewig tropfenden Bierfaß zu wischen. Aber Joe Kelly, der Wirt des Llandoger Trow, war erbost. Seine Stirnadern schwollen gefährlich an.

«Eine infame Lüge!» brüllte er. Ganz gewiß bezahle Plummer, diese Ratte von Wirt des Wild Indian, gut für diese Schurkerei. Ganz gewiß!

So ging es hin und her, obwohl Joe tatsächlich nicht ganz sicher wußte, ob die Sache mit Mr. Defoe doch nur der geschäftstüchtigen Phantasie seines Vaters entsprungen war, aber das gab er nicht einmal vor sich selbst zu. Die Legende von Mr. Defoes Besuchen im Llandoger Trow lebte nun schon seit vier Jahrzehnten, allein deshalb war sie so gut wie die Wahrheit. Auf alle Fälle war sie gut fürs Geschäft. Und die Mär, er selbst, Joe, habe als achtjähriger Knirps dem berühmten Schriftsteller Ale und Lammkeule serviert, brachte ihm viele vornehme, des Lesens und Schreibens kundige Gäste in seine ziemlich düstere Schenke. Dumm, wie reiche Leute nun mal waren, zahlten sie willig den doppelten Preis für alle Speisen und Getränke, wenn sie ihnen nur von Joe persönlich auf den klebrigen Holztisch gestellt wurden. Nie hatte jemand die Geschichte angezweifelt. Und das Bild an der Wand hinter dem Schanktisch, von Kaminruß und Schenkendunst geschwärzt, wurde ehrfürchtig als das Porträt jenes Alexander Selkirk bewundert, der viele Jahre ganz allein auf einer einsamen Insel Hunderte von Meilen vor der peruanischen Küste verschollen gewesen war. Es war schon so lange her, seit Joe das dilettantische Werk einem hungrigen Seemann gegen einen Teller Suppe und einen Becher Branntwein getauscht hatte, daß er es beinahe selbst glaubte. Und nun kam dieser feine Besserwisser und verbreitete Unsinn.

«Lügen», rief er wieder, «ganz gewiß ...»

Elsi konnte nicht mehr hören und sehen, was dann geschah, denn just in dem Moment steckte Kate, Joes Frau, den Kopf aus der Küchentür.

«Steh nicht rum und gaff die Männer an, Mädchen, mach dich an die Arbeit», rief sie so dröhnend, daß selbst die beiden Streithähne für einen Moment innehielten. «Schnell, du wirst im Theater gebraucht», und schon war sie wieder in der Küche verschwunden.

Das Theater. Die silberne Haarspange, ihr einziges Stück von einigem Wert, hätte Elsi dafür gegeben, heute abend dort sein zu dürfen. Aber der Eröffnungsabend des neuen Theaters war nicht für Schankmädchen, und Kate hatte ihr nicht einmal erlaubt, auch nur für ein paar Minuten hinüberzulaufen, um wenigstens zuzuschauen, wie die Kutschen und Sänften sich vor dem Theater drängten, wie all die Herren und Damen, die Glücklichen, die ein Billett ergattert hatten, in ihren schönsten Kleidern das nagelneue Haus betraten. «Gaffen kannst du, wenn du alt bist», hatte Kate geknurrt, «jetzt wird gearbeitet.»

Nicht mehr lange, hatte Elsi trotzig gedacht, und sie konnte sich so viele Theaterbilletts kaufen, wie sie mochte. Und ein Kleid aus feinstem indischem Kattun voller Goldfäden, Schuhe aus Seide, Federn und Spitze für das Haar, gut genug für die beste Loge. Aber das wußte niemand.

Als sie vor ein paar Wochen, fremd in der Stadt und ohne einen Penny in der Tasche, an die Tür klopfte, hatten Joe und Kate sie, ohne viel zu fragen, aufgenommen. Sie beherrschte kaum ihre Sprache, aber die beiden gaben ihr einen Strohsack unter dem Dach und zwei, manchmal drei Mahlzeiten täglich und ab und zu ein freundliches Wort. Dafür mußte sie vom frühen Morgen bis in die Nacht im Haus und in der Schenke arbeiten. Das störte Elsi nicht, sie war keine, die sich auf der faulen Haut wohl fühlte, und wenn die Kerle nicht gerade gar zu unverschämt waren, machte ihr die Arbeit in der Schenke Vergnügen. Doch Elsi hatte Pläne. Für die lernte sie, wann immer sich eine Gelegenheit ergab, die Sprache dieses Landes, und sie lernte schnell. Aber für ihre Pläne brauchte sie auch Geld, mehr, als sie als Schankmagd jemals bekommen konnte. Sie vertraute auf ihr Glück, und dann, vor sieben Tagen, war es ihr begegnet. Bald würde sie genug haben, um fortzugehen. Nach London. Oder doch noch wie die anderen, die mit ihr in diese Stadt gekommen und auf dem nächsten Schiff weitergereist waren, nach den amerikanischen Kolonien. Aber ganz sicher nicht zurück ...

Kates laute Stimme riß sie aus ihren Gedanken. «Wo bleibst du? Vorhin wolltest du doch unbedingt zum Theater rennen. Nun darfst du sogar hinter die Bühne.»

Das hagere Gesicht der Wirtin verzog sich zu einem wohlwollenden Grinsen. Sie mochte das Mädchen, die Kleine war sauber und fleißig, ihre gute Laune steckte alle an, und sie verstand es, mit den Gästen freundlich zu sein, ohne sich ihnen, wie Liz und Betty, anzubieten. Elsi, da war Kate sicher, würde nicht wie sie selbst in einer Schenke hängenbleiben.

Sie zeigte auf einen großen, mit einem Leintuch bedeckten Korb auf dem Küchentisch. «Die Aufführung ist zu Ende, die Leute sind fort, nur einige der Damen und Herren Schauspieler und Musikanten sind noch da und haben Hunger. Hätten ja bei uns dinieren können, aber wenn sie lieber auf ihrer staubigen Bühne essen ... Daß du mir ja schnell wiederkommst. Da ist viel lockeres Volk dabei, auch wenn sie alle noch so sehr wie vornehme Leute aus London tun.»

Eilig griff Elsi den Korb. Er war schwer, der Geruch von warmem Brot, gekochtem Schinken, Pudding und fetter Rindswurst stieg ihr süß in die Nase. Unterwegs würde Zeit genug sein, ein kleines Stück vom Schinken abzuzupfen.

«Geh zum hinteren Eingang», rief Kate ihr noch nach, «der Bote hat gesagt, der vordere sei schon versperrt. Und paß auf, daß du dem Nachtwächter nicht über den Weg läufst.»

Es ging schon auf Mitternacht. Der Mond verbarg sich hinter dichten Wolken, die Straße lag dunkel und verlassen. In der Tür zögerte Elsi einen Moment - sie hatte die Dunkelheit schon immer mehr gefürchtet als andere -, doch dann trat sie entschlossen auf die Straße. Furcht hatte in ihren Plänen keinen Platz, und es war ja nicht weit bis zum Theater, nur die King Street hinunter und durch den Gang bei Clarksons Lederhandlung zum Hintertor.

«Elsi.»

Der Mann, dem die leise Stimme gehörte, trat aus einer Hofeinfahrt neben der Schenke und versperrte dem Mädchen den Weg.

Vor Schreck hätte sie fast den Korb fallen lassen, aber dann erkannte sie ihn. «Joseph», flüsterte sie ärgerlich, «was machst du hier?»

Er sah sie an und schwieg. Es war klar, was er hier machte. Er wartete auf Elsi, wie schon oft in den letzten Wochen. Den ganzen Abend hatte er gewartet, gehofft, sie würde aus der Schenke treten, einen Korb mit Abendbrot unter dem Arm, auf dem Weg zu einem der nahen Etablissements, in denen reiche Herren und hübsch geputzte, stets etwas zu stark geschminkte Damen sich bei heiterer Musik und allerlei Spielen vergnügten. Aber heute hatte niemand nach einem Abendbrot geschickt. Alle waren im neuen Theater gewesen.

«Geh nach Hause», flüsterte Elsi und zog schnell die Tür hinter sich zu, «ich bin in Eile. Und sieh mich nicht so an. Ich werd meine Meinung nicht ändern.»

Er nickte bedächtig. Elsi spürte Ungeduld, wie immer, wenn sie dem jungen Glasbläser...

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Petra Oelker arbeitete als Journalistin und Autorin von Sachbüchern und Biographien. Mit «Tod am Zollhaus» schrieb sie den ersten ihrer erfolgreichen historischen Kriminalromane um die Komödiantin Rosina, zehn weitere folgten. Zu ihren in der Gegenwart angesiedelten Romanen gehören «Der Klosterwald», «Die kleine Madonna» und «Tod auf dem Jakobsweg». Zuletzt begeisterte sie mit «Das klare Sommerlicht des Nordens», «Emmas Reise» sowie dem in Konstantinopel angesiedelten Roman «Die Brücke zwischen den Welten».