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Die Schwestern vom Roten Haus

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
Deutsch
Rowohlt Verlag GmbHerschienen am05.10.20091. Auflage
Tanz mit dem Tod Hamburg, 1773. Unmittelbar nach dem Karnevalsball treibt eine tote Frau in der Alster, eine zweite stirbt, eine dritte entkommt knapp einem Anschlag - in Hamburg geht wieder ein Mörder um. Die Komödiantin Rosina hat die erste Tote entdeckt, Anlass genug, selbst nach dem Täter zu suchen. Doch wer hatte einen Grund, die Frauen zu töten? Was verband sie? Die Spuren führen ins Waisenhaus und ins Gängeviertel, zu den Flößern am Holzhafen, in das Haus eines Seidenhändlers, zu einer schießwütigen Gutsherrin nach Wandsbek. Rosina, Weddemeister Wagner und die Kaufmannsfamilie Herrmanns müssen sich beeilen, wenn sie dem nächsten Mord zuvorkommen wollen ... Rosinas neunter Fall

Petra Oelker arbeitete als Journalistin und Autorin von Sachbüchern und Biographien. Mit «Tod am Zollhaus» schrieb sie den ersten ihrer erfolgreichen historischen Kriminalromane um die Komödiantin Rosina, zehn weitere folgten. Zu ihren in der Gegenwart angesiedelten Romanen gehören «Der Klosterwald», «Die kleine Madonna» und «Tod auf dem Jakobsweg». Zuletzt begeisterte sie mit «Das klare Sommerlicht des Nordens», «Emmas Reise» sowie dem in Konstantinopel angesiedelten Roman «Die Brücke zwischen den Welten».
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR19,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR7,99

Produkt

KlappentextTanz mit dem Tod Hamburg, 1773. Unmittelbar nach dem Karnevalsball treibt eine tote Frau in der Alster, eine zweite stirbt, eine dritte entkommt knapp einem Anschlag - in Hamburg geht wieder ein Mörder um. Die Komödiantin Rosina hat die erste Tote entdeckt, Anlass genug, selbst nach dem Täter zu suchen. Doch wer hatte einen Grund, die Frauen zu töten? Was verband sie? Die Spuren führen ins Waisenhaus und ins Gängeviertel, zu den Flößern am Holzhafen, in das Haus eines Seidenhändlers, zu einer schießwütigen Gutsherrin nach Wandsbek. Rosina, Weddemeister Wagner und die Kaufmannsfamilie Herrmanns müssen sich beeilen, wenn sie dem nächsten Mord zuvorkommen wollen ... Rosinas neunter Fall

Petra Oelker arbeitete als Journalistin und Autorin von Sachbüchern und Biographien. Mit «Tod am Zollhaus» schrieb sie den ersten ihrer erfolgreichen historischen Kriminalromane um die Komödiantin Rosina, zehn weitere folgten. Zu ihren in der Gegenwart angesiedelten Romanen gehören «Der Klosterwald», «Die kleine Madonna» und «Tod auf dem Jakobsweg». Zuletzt begeisterte sie mit «Das klare Sommerlicht des Nordens», «Emmas Reise» sowie dem in Konstantinopel angesiedelten Roman «Die Brücke zwischen den Welten».
Details
Weitere ISBN/GTIN9783644407312
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2009
Erscheinungsdatum05.10.2009
Auflage1. Auflage
Reihen-Nr.9
SpracheDeutsch
Dateigrösse2646 Kbytes
Artikel-Nr.1433483
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe



Kapitel 1


Fastnacht, 23. Februar 1773

Dieser Winter war unberechenbar. Nachdem er noch zu Beginn des Advents eine solche Milde vortäuschte, dass an sonnigen Plätzen Veilchen blühten, ließ er zur Weihnachtszeit plötzlich Teiche und Bäche zufrieren, dann Bille und Alster, endlich verschwand sogar die Elbe unter einer Eisdecke. Bald lieferten sich Schlittschuhläufer und Pferdeschlitten Wettrennen, und die Spaziergänger wärmten sich an den eilig errichteten Buden mit Punsch, warmem Bier oder fetten Suppen. Ganz Hamburg war auf dem Eis unterwegs, ob in Geschäften oder zum Vergnügen. Die Elbe fror in vielen, sogar in den meisten Wintern zu, so dick und sicher wie in diesem war das Eis jedoch selten. Es trug auch große Schlitten und Wagen bis nach Harburg an der Süderelbe, wer dort Geschäfte hatte, beeilte sich, hinüberzukommen.

Wenn das Eis erst zu brechen begann, gab es für viele Tage, womöglich für Wochen kein Hinüberkommen, bis es völlig geschmolzen war und die Ewer wieder Segel setzen und ihren Weg durch die Windungen der verzweigten Flussarme suchen konnten. Bei schlechtem Wind oder mit einem unfähigen Schiffer dauerte die Reise viele Stunden. So war in diesen Winterwochen immer viel Betrieb auf der Elbe, in einigen, nämlich den mondhellen Nächten bis weit in die nachtschlafende Zeit. Von den südlichen Wällen oder Bastionen wirkten die sich rasch vorwärtsbewegenden und endlich im fernen Dunkel verlierenden Laternen, ohne die sich kein Schlitten auf das nächtliche Eis wagte, wie Irrlichter.

Im Februar, zur eigentlich kältesten Zeit des Jahres, wehte plötzlich ein trügerischer frühlingswarmer Wind aus Südwest und ließ das Eis brüchig werden. Wem sein Leben lieb war, blieb nun wieder an den sicheren Ufern. Nur die Milchbauern von den Strominseln kamen weiter mit ihren Lastschlitten nach Hamburg und riskierten alle Tage ihr Leben, um ihre schnell verderbliche Ware zu verkaufen. Dort, wo der Fluss sich unter dem Eis am stärksten bewegte, sei es schon mürbe, so berichteten sie; wer zu sehen verstehe, erkenne die Schollen, die bald aufbrechen würden.

Wenn sie unter sich waren, sprachen sie auch darüber, dass es nun bald geschehen werde. Dass einer unters Eis müsse. Mindestens einer. Wie in jedem Jahr. Es gab alte Geschichten von Neunmalklugen, die einen Hund oder eine Katze, einmal sogar ein zu früh geborenes halbtotes Kalb ins eisige Wasser gestoßen hatten. Gerade die hatte es getroffen. Der Winterfluss ließ sich nicht um den fälligen Tribut betrügen. Das wusste jeder, es hatte auch lange keiner mehr versucht. So blieb stets nur die Hoffnung, der Fluss sei noch satt vom letzten Jahr und werde sich milde zeigen. Denn er war nicht gierig. Das war er noch nie gewesen, auch das wusste jeder.

Unters Eis? Müsse? Ein junger Mann, der manchmal bei ihnen saß, wenn sie sich mit einem Krug heißen Bieres wärmten, bevor sie den langen Rückweg antraten, und diesmal unbemerkt herangetreten war, lachte spöttisch.

«Das ist doch Unsinn», rief er, «der Fluss ist ein Fluss, kein Gott oder Teufel.» Wer gut achtgebe und schnell sei, wer die Geräusche, die das Eis bei Tauwetter mache, zu deuten verstehe, seine Färbungen auch, gerate nicht unters Eis und saufe ab wie eine Ratte. «Es sei denn», fügte er dann doch hinzu, «er hat Pech. Verdammt viel Pech.»

Das Letzte klang, als spucke er es aus. Jedes Wort einzeln.

Die andern starrten schweigend in ihre Bierkrüge. Was sollte man dazu auch sagen? Der Junge wusste es eben nicht besser, er war keiner von den Inseln. Überhaupt nicht von hier. Nur ein Flößer, der im Herbst mit dem Holz aus dem Osten die Elbe heruntergekommen und für den Winter in der Vorstadt St. Georg hängen geblieben war. Sie wussten nicht genau, warum. Da war wohl irgendwas mit seinem Bein, das rechte zog er nach, nur leicht, aber ein Flößer brauchte zwei gesunde und starke Beine. Sonst gehörte er zu den Ersten, die der Fluss, egal welcher, sich holte. Wahrscheinlich war er zwischen die Stämme geraten, sie hatten nicht darüber nachgedacht, auch nicht gefragt. Jeder konnte sich zu ihnen setzen, sogar eine Kanne Bier spendieren, wenn aber so einer anfing, Reden zu führen oder seltsame Fragen zu stellen, dann mochten sie ihn nicht. Ob er nach dem Eis fragte, wie lange es noch halte oder ob es in jedem Winter so sei, oder wissen wollte, ob sich schon mal Fremde auf den Inseln angesiedelt hätten, er überlege das selbst - so einer bekam auch keine Antworten.

Der Flößer war ein Schwätzer. Mochte sein, der kannte sich mit fließendem, sogar reißendem Wasser aus - die Arbeit mit dem Holz war gefährlich -, von den besonderen Tücken der Wasserläufe zwischen den Elbinseln wusste er trotzdem nichts. Schon gar nichts bei Eisgang. Niemand hatte es ausgesprochen, alle hatten es gedacht: Wer so redet, während das Eis knackte, ächzte und flüsterte und erste Spalten und Pfützen bildete, beleidigte den Fluss. Womöglich erübrigte sich nun die Frage, wen sich die Elbe als Nächsten holte. Der Gedanke war nicht schlecht - besser ein Fremder blieb unterm Eis als ein Bruder oder Nachbar.

Ja, die Sache mit dem Eis war in diesem Jahr vertrackt. Mal deckte es den Fluss sicher und hart wie Granit, mal war es brüchig, das Wetter schlug alle Tage Kapriolen, und die Alten sagten, es sei fast wie früher, als sie jung und die Winter milder gewesen waren. Was nichts zu bedeuten hatte, von jeher gaukelt das Alter den Menschen vor, früher sei alles besser gewesen, selbst denen, die in ihrer Jugend nichts als Krieg und Pestilenz erlebt hatten.

In der Woche vor Fastnacht war das Eis überall dünn und brüchig, hatte hier und da, wo der Wind nicht so kalt darüberfegte, Löcher von schwarzem Wasser, in dem die Enten nach Würmern gründelten. Kaufleute und Reeder, Schiffer und Seeleute standen am Hafen zusammen, beobachteten, wie sich die eisige Umklammerung ihrer Schiffe löste, und nickten voller Zuversicht. Wenn es so weiterging, würde die Elbe schon bald wieder schiffbar sein. Doch es war erst Februar - am Tag des letzten Maskenballs zeigte der Winter noch einmal, was er vermochte.

Im Theatersaal am Gänsemarkt fanden zwischen Neujahr und Fastnacht fünf Maskenbälle statt, es waren die größten in der Stadt. Als sich das Theater in dieser Nacht nach dem letzten Ball endlich geleert hatte und selbst die auf der oberen Galerie weinselig schnarchenden Gäste geweckt und aus dem Haus gescheucht waren, öffnete sich das Portal endlich auch für die etwa zwei Dutzend Frauen und Männer, die in dieser Nacht bei der Bedienung der Gäste eine einträgliche Arbeit gehabt hatten.

Der Atem vor ihren Mündern gerann umgehend zu eisigen weißen Wölkchen, Schultertücher wurden schützend über die Köpfe gezogen, Mützen in die Stirn gedrückt, als die Gruppe sich in Grüppchen auflöste, die sich, jede von einem der wenigen Männer mit einer Laterne begleitet, in die verschiedenen Richtungen der Stadt auf den Heimweg machten. Die meisten verschwanden in Richtung Neustadt, eine kleine Gruppe in Richtung Dammtor, eine weitere eilte an Malthus´ Garten vorbei über den Jungfernstieg, wo ein schneidender Nordwind fast den Atem nahm, und teilte sich hinter der Brücke an seinem Ende für das letzte Stück des Weges. Niemand nahm sich Zeit, einen Blick auf die großen Räder der Wasserkunst zu werfen. Am Tag zuvor hatte Hoffnung bestanden, dass sie sich bald wieder drehten und Wasser in die Röhren pumpten. Das in dieser Nacht mit erschreckender Geschwindigkeit wieder gefrierende Eis sorgte dafür, dass sie auch während der nächsten Wochen stillstehen würden.

Es war fast Mitternacht, der während der letzten Stunden gefrorene Schneematsch knirschte unter den Holzpantinen, sonst war es still. Die ganze Stadt schien zu schlafen, selbst was sich gewöhnlich um diese Stunde noch herumtrieb, Trunkenbold, Spitzbube oder heimatloser Hund, hatte sich mit der plötzlichen Rückkehr der bitteren Kälte hinter schützenden Mauern verkrochen. Nur einige der letzten Gäste des Maskenballs waren noch unterwegs. Bei der Einmündung der Großen Bleichen waren zwei Paare kichernd und schwatzend vorbeigehuscht, kurz vor der Wasserkunst eine einzelne Person, alle in dicken Mänteln und noch mit Masken, die ihre Gesichter verbargen; aus einer der Gassen klang trunkenes Johlen, das abrupt verstummte, als die Schnarren der Nachtwächter antworteten. Eine Kutsche rollte mit schwankenden Laternen und geschlossenen Vorhängen vorüber, auf dem Bock der unter einer Pferdedecke zusammengekauerte Kutscher, auf den Rücktritten zwei frierende Lakaien. Manchmal klang es nach schleichenden Schritten, irgendwo auch nach Wispern, das war nur der Wind, der über den Alstersee heranfegte und kleine Wolken von Schnee vor sich hertrieb, staubfein wie gefrorener Nebel.

Eine der Frauen, die nun mit ihrem Begleiter am Werk- und Zuchthaus vorbei zu den Raboisen gingen, blieb plötzlich stehen und blickte zum Himmel hinauf. Die Nacht war schwarz, der Mond verbarg sich hinter einer Wolkendecke, doch die Reste von Schnee gaben ein wenig Licht, mehr als der nur glimmende Schein der Laternen an den Brücken und einigen Hausecken.

Tatsächlich, dort flogen Wildgänse über die Stadt, majestätische dunkle Schatten, lautlos wie Gespenster. Warum flogen sie mitten in dieser eiskalten Nacht? Wohin?

Sie spürte ein Lächeln in ihren von der Kälte steifen Wangen. Die Wildgänse waren frei, sie hielt nichts auf. Nicht die Festungsmauern mit den seit Sonnenuntergang geschlossenen Stadttoren, auch keine Pflicht. Sie breiteten einfach ihre Schwingen aus und flogen auf und davon. Als sie ein Kind gewesen war, ein pummeliges ängstliches Mädchen in kratzenden blauen Kleidern, und...

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Petra Oelker arbeitete als Journalistin und Autorin von Sachbüchern und Biographien. Mit «Tod am Zollhaus» schrieb sie den ersten ihrer erfolgreichen historischen Kriminalromane um die Komödiantin Rosina, zehn weitere folgten. Zu ihren in der Gegenwart angesiedelten Romanen gehören «Der Klosterwald», «Die kleine Madonna» und «Tod auf dem Jakobsweg». Zuletzt begeisterte sie mit «Das klare Sommerlicht des Nordens», «Emmas Reise» sowie dem in Konstantinopel angesiedelten Roman «Die Brücke zwischen den Welten».