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Der Sizilianer

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
Deutsch
Rowohlt Verlag GmbHerschienen am05.10.20091. Auflage
Im Fadenkreuz der Mafia Sizilien 1950: Die Zeit des Exils auf Sizilien neigt sich für Michael Corleone dem Ende zu. Sein Vater, der mächtige Don, hat ihn beauftragt, den jungen sizilianischen Mafioso Salvatore Giuliano nach Amerika zu begleiten. Für das sizilianische Volk ist Giuliano ein Held, doch mit seinem Kampf gegen die korrupte Regierung in Rom hat er sich einflussreiche Feinde geschaffen. Nicht nur die Polizei ist ihm auf den Fersen, sondern auch der mächtige Mafiaboss Don Croce. Wird es Michael gelingen, den Auftrag seines Vaters auszuführen?

Mario Puzo wurde 1920 als Sohn armer italienischer Einwanderer in New York geboren. Seine Mafiaromane machten ihn weltberühmt. Er starb 1999 auf Long Island.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR22,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextIm Fadenkreuz der Mafia Sizilien 1950: Die Zeit des Exils auf Sizilien neigt sich für Michael Corleone dem Ende zu. Sein Vater, der mächtige Don, hat ihn beauftragt, den jungen sizilianischen Mafioso Salvatore Giuliano nach Amerika zu begleiten. Für das sizilianische Volk ist Giuliano ein Held, doch mit seinem Kampf gegen die korrupte Regierung in Rom hat er sich einflussreiche Feinde geschaffen. Nicht nur die Polizei ist ihm auf den Fersen, sondern auch der mächtige Mafiaboss Don Croce. Wird es Michael gelingen, den Auftrag seines Vaters auszuführen?

Mario Puzo wurde 1920 als Sohn armer italienischer Einwanderer in New York geboren. Seine Mafiaromane machten ihn weltberühmt. Er starb 1999 auf Long Island.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783644403413
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2009
Erscheinungsdatum05.10.2009
Auflage1. Auflage
SpracheDeutsch
Dateigrösse2472 Kbytes
Artikel-Nr.1433496
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe



Zweites Kapitel


Im September 1943 war Hector Adonis Professor für Geschichte und Literatur an der Universität Palermo. Sein extrem kleiner Wuchs verführte seine Kollegen dazu, ihn mit weniger Respekt zu behandeln, als seine Begabung es verdiente. Doch im sizilianischen Kulturkreis, in dem die meisten Spitznamen brutal auf körperlichen Mängeln fußten, war das nicht anders zu erwarten. Der einzige Mensch, der den wahren Wert des Professors erkannte, war der Rektor seiner Universität.

In diesem September 1943 sollte sich Hector Adonis´ Leben verändern. Für Süditalien war der Krieg vorbei. Die Amerikaner hatten Sizilien erobert und waren aufs Festland weitergezogen. Der Faschismus war tot, Italien wiedergeboren; zum ersten Mal seit vierzehn Jahrhunderten hatte die Insel Sizilien keinen richtigen Herrn. Doch Hector Adonis, der die Ironie der Geschichte kannte, hegte keine großen Hoffnungen. Denn schon hatte die Mafia begonnen, die Rechtsherrschaft über Sizilien an sich zu reißen. Ihre krebsartig wuchernde Macht würde sich als ebenso tödlich erweisen wie die irgendeines Staates. Sein Bürofenster bot ihm den Blick auf das Gelände der Universität mit seinen wenigen Gebäuden.

Dormitorien waren unnötig, denn hier gab es kein Collegeleben wie in England und Amerika. Hier lernten die meisten Studenten zu Hause und konsultierten ihre Professoren in festgelegten Zeitabständen. Die Professoren hielten Vorlesungen, die die Studenten ungestraft schwänzen konnten. Sie brauchten nur ihr Examen abzulegen. Es war ein System, das Hector Adonis ganz allgemein für eine Schande und im Besonderen deshalb für töricht hielt, weil es sich um Sizilianer handelte, die, wie er meinte, eine noch strengere pädagogische Disziplin benötigten als die Studenten anderer Länder.

Von seinem bleiverglasten Fenster aus beobachtete er jedes Semester aufs Neue die Anreise der Mafiachefs aller sizilianischen Provinzen, die den Universitätsprofessoren ihre Lobby-Besuche abstatteten. Unter der Faschistenherrschaft waren die Mafiachefs vorsichtiger, bescheidener gewesen; jetzt, unter der segensreichen, durch die Amerikaner eingeführten Demokratie, waren sie wiederaufgetaucht wie Regenwürmer, die sich durch die aufgeweichte Erde emporarbeiten, und hatten ihren alten Stil angenommen. Keine Rede mehr von Bescheidenheit.

Die Mafiachefs, die «Freunde der Freunde», Führer der kleinen, lokalen Clans in den zahlreichen Dörfern Siziliens, kamen im Festtagsstaat, um sich für Studenten einzusetzen, die mit ihnen verwandt waren, oder für Söhne reicher Grundbesitzer oder für Söhne von Freunden, die in ihren Studienfächern an der Universität versagt hatten und keinen akademischen Grad erlangen würden, wenn niemand energisch eingriff. Diese akademischen Grade waren von größter Wichtigkeit. Wie sonst sollten die Familien die Söhne loswerden, die keinen Ehrgeiz besaßen, keinerlei Talent, keine Intelligenz? Die Eltern würden sie für den Rest ihres Lebens versorgen müssen. Mit einem akademischen Grad jedoch, einem Diplom der Universität, konnten dieselben Taugenichtse Lehrer, Ärzte, Parlamentsmitglieder oder im ungünstigsten Fall zumindest kleine staatliche Verwaltungsbeamte werden.

Hector Adonis zuckte mit den Achseln: Er fand Trost in der Historie. Seine heißgeliebten Briten hatten in der größten Zeit des Empire ihre Truppen ebenso inkompetenten Söhnen reicher Familien anvertraut, denen die Eltern Offizierspatente in der Armee oder das Kommando über ein großes Schiff kauften. Und dennoch hatte das Empire floriert. Gewiss, diese Befehlshaber hatten ihre Soldaten in überflüssige Massaker geschickt, doch immerhin musste man zugeben, dass sie mit ihren Männern gestorben waren, denn Tapferkeit war das erste Gebot ihrer Klasse. Und ihr Tod hatte wenigstens verhindert, dass diese inkompetenten, wertlosen Männer dem Staat zur Last fielen. Die Italiener waren nicht so eiskalt praktisch. Sie liebten ihre Kinder, schützten sie vor persönlichen Katastrophen und überließen den Staat seinem Schicksal.

Von seinem Fenster aus entdeckte Hector Adonis mindestens drei lokale Mafiachefs auf der Suche nach ihren Opfern. Sie trugen Mützen, Lederstiefel und über dem Arm schwere Samtjacken, denn es war noch immer relativ warm. Als Geschenke hatten sie mit Obst gefüllte Körbe oder bastumwickelte Flaschen mit selbstgekeltertem Wein mitgebracht. Keine Bestechung - nur ein kleines Trostpflaster für den Schrecken, der sich bei ihrem Anblick in der Brust der Professoren regen musste. Denn die meisten Professoren waren gebürtige Sizilianer und wussten, dass derartige Bitten nicht abgelehnt werden konnten.

Einer der Mafiachefs, so rustikal gekleidet, dass er direkt in der «Cavalleria Rusticana» hätte mitspielen können, betrat das Gebäude und kam die Treppe herauf. Mit ironischem Vergnügen stellte sich Hector Adonis darauf ein, die ihm bevorstehende altvertraute Komödie zu spielen.

Adonis kannte den Mann. Er hieß Buccilla und besaß in einem Dorf namens Partinico, unweit von Montelepre, einen Hof und Schafherden. Sie schüttelten einander die Hand, und Buccilla überreichte ihm den Korb, den er mitgebracht hatte.

«Wir haben so viel Obst, das vom Baum fällt und verfault, dass ich mir dachte, bring doch dem Professor etwas davon mit», erklärte Buccilla. Er war ein kleiner, breitgebauter Mann mit einem von lebenslanger schwerer körperlicher Arbeit gestählten Körper. Adonis wusste, dass er in dem Ruf stand, ehrlich zu sein, ein bescheidener Mann, obwohl er seine Macht hätte benutzen können, um reich zu werden. Er verkörperte die Rückkehr zum Erscheinungsbild der alten Mafiachefs, die nicht um Reichtum kämpften, sondern um Respekt und Ehre.

Lächelnd nahm Adonis den Obstkorb entgegen. Welcher sizilianische Bauer würde jemals etwas verfaulen lassen? Auf jede Olive, die vom Baum fiel, kamen einhundert Kinder, und diese Kinder waren wie Heuschrecken.

Buccilla seufzte. Er gab sich harmlos-freundlich, aber Adonis wusste, dass diese Harmlosigkeit innerhalb von Sekundenbruchteilen in gefährliche Wut umschlagen konnte. Also lächelte er mitfühlend, als Buccilla sagte: «Ach, das Leben ist eine Plage! Ich habe auf meinem eigenen Land zu tun, aber wenn ein Nachbar mich um eine Gefälligkeit bittet - wie kann ich sie ihm abschlagen? Mein Vater kannte schon seinen Vater, mein Großvater seinen Großvater. Und es liegt in meiner Natur, ist vielleicht sogar mein Unglück, dass ich stets alles tue, um was mich ein Freund bittet. Denn schließlich - sind wir nicht alle Christen?»

Geschickt antwortete Hector Adonis: «Wir Sizilianer sind alle gleich. Wir sind zu großzügig. Deswegen nutzen die oben im Norden, in Rom, uns auch so schamlos aus.»

Buccilla musterte ihn. Hier würde es keine Probleme geben. Und hatte er nicht irgendwo gehört, dass dieser Professor zu den Freunden gehörte? Verängstigt wirkte er jedenfalls nicht. Aber wenn er ein Freund der Freunde war, warum wusste er, Buccilla, dann nichts davon? Nun ja, es gab so viele verschiedene Ebenen bei den Freunden. Auf jeden Fall war dies ein Mann, der die Welt verstand, in der er lebte.

«Ich wollte Sie um einen Gefallen bitten», erklärte Buccilla. «Unter uns Sizilianern. Der Sohn meines Nachbarn ist in diesem Jahr durchgefallen. Sie selbst haben ihn durchfallen lassen, behauptet mein Nachbar. Aber als ich Ihren Namen hörte, antwortete ich ihm: Wie bitte? Signor Adonis? Der Mann hat doch ein Herz aus Gold! Der wäre niemals so unfreundlich gewesen, wenn er die Umstände gekannt hätte. Niemals! Und dann bat er mich mit Tränen in den Augen, Ihnen die ganze Geschichte zu erzählen und Sie demütig darum zu bitten, die Noten zu ändern, damit er in die Welt hinausgehen und seinen Lebensunterhalt verdienen kann.»

Hector Adonis ließ sich nicht täuschen durch Buccillas ausgesuchte Höflichkeit. Auch dies erinnerte ihn wieder an die Engländer, die er so sehr bewunderte, diese Menschen, die auf so subtile Art unverschämt sein konnten, dass man sich tagelang in ihren Beleidigungen sonnte, bevor einem klar wurde, dass man tödlich verletzt worden war. Tödlich verletzt - bei den Engländern nur eine Redensart, bei Signor Buccilla jedoch würde die Ablehnung seiner Bitte sofort mit dem Schuss aus einer lupara in einer dunklen Nacht quittiert werden. Höflich knabberte Hector Adonis an den Oliven und Beeren aus seinem Korb. «Aber nein, wir können einen jungen Mann in dieser schrecklichen Welt doch nicht einfach verhungern lassen!», erklärte er. «Wie heißt er denn?» Als Buccilla ihm den Namen genannt hatte, holte Adonis eine Mappe aus seinem Schreibtisch und blätterte darin, obwohl ihm der Name gut bekannt war.

Der durchgefallene Student war ein Dummkopf, ein Lümmel, ein Tölpel; primitiver als die Schafe auf Buccillas Hof. Er war ein Faulpelz, ein Schürzenjäger, ein unfähiger Aufschneider, ein hoffnungslos Ungebildeter, der nicht mal den Unterschied zwischen der Ilias und Verga kannte. Trotz allem jedoch lächelte Hector Adonis liebenswürdig und sagte im Brustton äußerster Überraschung: «Ah ja, er hatte ein paar kleine Schwierigkeiten in einem Examen. Aber das lässt sich leicht korrigieren. Sagen Sie ihm, er soll zu mir kommen; ich werde ihn persönlich hier in meinen Räumen vorbereiten und gesondert examinieren. Er wird kein zweites Mal durchfallen.»

Sie reichten einander die Hand, und Buccilla ging. Wieder einen Freund gewonnen, dachte Adonis. Was machte es schon, dass all diese jungen Taugenichtse akademische Grade bekamen, die sie nicht verdient hatten! Im Italien des Jahres 1943 konnten sie sich mit ihren Diplomen den verwöhnten Hintern wischen und in mittelmäßige Positionen absteigen.

Das Schrillen des...

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