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Rubas Geheimnis

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
Deutsch
Rowohlt Verlag GmbHerschienen am29.01.20101. Auflage
Libanon, achtziger Jahre: Die achtjährige Ruba denkt, die alte Frau, die im Dorf als Hexe verschrien ist, muss ihren Vater mit einem Fluch belegt haben. Warum sonst sitzt er seit vielen Wochen in seinem Sessel und starrt vor sich hin? Eines Tages findet Ruba im Wald ein Glasauge und ist nun ganz sicher, was den Fluch anlangt. Sie beschließt, mit der Hexe zu sprechen und ihren Vater zu retten, damit es in der Familie wieder so lebendig und lustig zugeht wie früher. Aber es ist Krieg, die Familie wird von neuen Schicksalsschlägen getroffen; Rubas Bruder, der mit seinen Freunden nach Splittern und Patronen gesucht hat, wird schwer verwundet, die hellsichtige Großmutter träumt vom Tod. Der Krieg rückt näher und näher. Im Angesicht von Not und Gefahr, so zeigt sich, verlieren alle bedrückenden Geheimnisse ihre Kraft über die Menschen. Und in einer besonders schweren und traurigen Stunde macht die alte Frau, vor der Ruba solche Angst hat, dem Mädchen schließlich ein wunderbares Geschenk ... Ein berührender, poetischer Roman über Kindheit und den Verlust der Unschuld auf der Schwelle zum Erwachsenwerden.

Nathalie Abi-Ezzi, 1972 im Libanon geboren, lebt seit 1983 in Großbritannien. Sie hat bereits Kurzgeschichten veröffentlicht; «Rubas Geheimnis», ihr erster Roman, fand ein großes Presseecho und wurde für den Author's Club Best First Novel Award nominiert.
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Produkt

KlappentextLibanon, achtziger Jahre: Die achtjährige Ruba denkt, die alte Frau, die im Dorf als Hexe verschrien ist, muss ihren Vater mit einem Fluch belegt haben. Warum sonst sitzt er seit vielen Wochen in seinem Sessel und starrt vor sich hin? Eines Tages findet Ruba im Wald ein Glasauge und ist nun ganz sicher, was den Fluch anlangt. Sie beschließt, mit der Hexe zu sprechen und ihren Vater zu retten, damit es in der Familie wieder so lebendig und lustig zugeht wie früher. Aber es ist Krieg, die Familie wird von neuen Schicksalsschlägen getroffen; Rubas Bruder, der mit seinen Freunden nach Splittern und Patronen gesucht hat, wird schwer verwundet, die hellsichtige Großmutter träumt vom Tod. Der Krieg rückt näher und näher. Im Angesicht von Not und Gefahr, so zeigt sich, verlieren alle bedrückenden Geheimnisse ihre Kraft über die Menschen. Und in einer besonders schweren und traurigen Stunde macht die alte Frau, vor der Ruba solche Angst hat, dem Mädchen schließlich ein wunderbares Geschenk ... Ein berührender, poetischer Roman über Kindheit und den Verlust der Unschuld auf der Schwelle zum Erwachsenwerden.

Nathalie Abi-Ezzi, 1972 im Libanon geboren, lebt seit 1983 in Großbritannien. Sie hat bereits Kurzgeschichten veröffentlicht; «Rubas Geheimnis», ihr erster Roman, fand ein großes Presseecho und wurde für den Author's Club Best First Novel Award nominiert.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783644104211
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2010
Erscheinungsdatum29.01.2010
Auflage1. Auflage
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.1435184
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe



Erstes Kapitel


«Dass du heute nicht umgekommen bist, hast du der Adra zu verdanken.» Teta bekreuzigte sich und bewegte ihre Lippen in stillem Gebet, während wir auf ihrem Bett saßen und Kleidungsstücke zusammenlegten, die die Sonne zu seltsamen steifen Formen verkrümmt hatte.

Das Zimmer mit den alten Möbeln und den müden Vorhängen, die sich am liebsten loshaken und zur Ruhe legen wollten, wirkte dunkler und schwerer als gewöhnlich. Jenseits des Fensters zogen sich die Pinienwipfel bis zum Tal hinunter, wo weiße Gebäude aus Stein zwischen ihnen aufragten wie riesige Finger, und weiter bis nach Beirut, das am Meer hingestreckt dalag. Der hitzeflirrende Himmel hatte sich selbst gebleicht, und die Zikaden summten hin und her und hin und her, wie Baumsägen. Teta hatte einmal gesagt, dass immer dann, wenn sie mit ihrem pulsierenden Gezirpe innehielten, ein Mensch gestorben sei, aber sie hielten nicht oft inne: Sie begannen früh am Morgen, wenn das Licht über den Berg kam, und hörten nicht auf, bis es wieder verschwand.

«Ich bin von ganz oben von der Felskante gefallen. Die Erde kam ins Rutschen, und es ging ganz tief runter, es war höher als die Decke.»

«Bist du denn verrückt, Ruba, im Wald so nah an einem so steilen Abhang zu spielen? Bist du das, Mädchen?» Sie strich mir über die Wange. «Jedenfalls hat sie dich gerettet.»

«Die Jungfrau?» Ich starrte die gelbhaarige Plastikfrau im blauen Kleid an, die auf der Frisierkommode stand. Eigentlich war sie eine Flasche, gefüllt mit Weihwasser. Man konnte es sehen, wenn man ihre Krone abschraubte. Ich wusste nicht, wie sie mir am Morgen geholfen haben sollte.

Teta nickte. «Du hättest bis in die Hölle selbst fallen können und wärst trotzdem nicht dabei ums Leben gekommen. Die Heilige Jungfrau hätte dich nicht sterben lassen.»

«Ist das ihre Aufgabe? Ist es das, was sie tut?»

«Tut?» Teta warf mir einen Blick zu. «Sie ist doch keine Bauchtänzerin, Kind, sie ist die Mutter Jesu Christi.»

Ich wollte nicht wirklich etwas über die Jungfrau Maria hören, es sei denn, Teta verpackte sie in einer Geschichte und ließ sie aufregende Dinge tun wie aufs Meer hinausschwimmen oder Verstecken spielen mit Gott oder einen Tunnel ganz bis nach Beirut graben und darin wohnen.

Die riesige weißgraue Unterhose, die ich zusammenzulegen versuchte, wollte sich einfach nicht kleiner machen lassen. Es waren Großmutterhosen; niemand außer einer Großmutter würde je so etwas tragen.

«Aber sie kann mich nicht gerettet haben, sie war ja gar nicht da.»

Teta lächelte. «Doch, das war sie.»

Vielleicht hatte Teta recht. Vielleicht hatte die Jungfrau gewollt, dass ich fiel. Sie hatte mich fallen lassen, damit ich das Glasauge fand.

«Wenn sie nur auch deinem Vater helfen würde», murmelte Teta.

Ich sah von der Hose auf, aber sie sprach nicht weiter, sondern glättete, schüttelte und faltete. Eine dünne grüne Bluse glitt von dem Stapel, wurde ausgebreitet und glattgestrichen: Tetas Hände waren langsam und schwer, und die Dinge gehorchten ihnen.

«Sieht sie wirklich so aus?» Ich zeigte auf die Plastikflasche voll Weihwasser. «Oder wie Teta Fadia? Teta Fadia sieht wie ein Engel aus.» Am Spiegel der Frisierkommode steckte ein Bild von Tetas Mutter, es zeigte eine über einen Spazierstock gebeugte Frau, die älter war als irgendjemand, den ich je gesehen hatte. Ihr weißes Haar war in der Mitte gescheitelt und nach hinten gebunden, und sie trug eine schwarze Hornbrille, aber das Gesicht dahinter blickte freundlich und sanft.

«Sie war ein Engel», sagte Teta. «Habe ich dir erzählt, dass ich nur ihretwegen Lesen gelernt habe? Warum sollten meine Söhne zur Schule gehen und meine Tochter nicht? , sagte sie immer. Bin ich nicht auch eine Tochter? Meine Brüder und ich wechselten uns in der Schule und beim Ziegenhüten ab.»

Teta sah nicht wie ihre Mutter aus. Ihr Haar war noch von viel Schwarz durchzogen, sie war kräftig und hatte ausladende Hüften, und ihr Gesicht war weder sanft noch schön, nur rund, faltig und wunderbar.

Während ich sie im Spiegel betrachtete - ihr Lächeln und ihre Bewegungen beim Zusammen- und Aufeinanderlegen -, spielte ich mit dem Glasauge in meiner Tasche. Es war hart und fest, und ich hatte niemandem davon erzählt.

«Naji müsste inzwischen zurück sein. Ich werde mal nachsehen.» Als der frühe Nachmittag in den Spätnachmittag übergegangen war und die Geschäfte wieder geöffnet hatten, war Mutter mit Naji ausgegangen, um Essen und ein paar Haushaltsdinge zu kaufen. Nur Vater war zu Hause.

Tetas schwere Hände schüttelten ein Handtuch aus. «Ja. Geh nur zu deinem Bruder.»

Meine Schuhe quietschten über den Fliesenboden des Korridors. Durch die Türen, die auf den großen Balkon hinauszeigten, drang Licht herein, aber im Inneren der Wohnung war es still und gedämpft wie unter Wasser. Die Glühbirne über dem Waschbecken im Gang brannte, und im Schatten hockte wie ein kleiner Schwarzbär die Nähmaschine mit der Aufschrift Singer . Ich reckte die Nase in die Luft, als ich an dem getrockneten Lavendelstrauß vorbeikam, der an einem Nagel an der Wand hing: Er roch nach Schlaf und weiten Räumen.

Über der hölzernen Doppeltür blutete der Kopf Jesu auf einem großen Stickbild und sandte Lichtstrahlen aus, während seine Augen zum Rand hinaufstarrten, so dass das Weiße zu sehen war. Im Esszimmer gab es noch ein Bild von ihm, aber da aß er zusammen mit vielen anderen Männern. Teta sagte, das sei sein letztes Mahl, wollte aber nicht sagen, was es zu essen gab und wo die Frauen hin waren, die es zubereitet hatten.

Die Tür fiel stotternd zu, und ich ging die Stufen hinauf ins weiße Sonnenlicht.

Die Augustsonne strahlte wie Jesus, und auf der anderen Straßenseite schwirrten lästige dicke schwarze Fliegen um die mageren Hunde und Katzen herum, die durch den Abfall tappten oder auf die Mülltonnen sprangen. Mittags zogen schwitzende Ladenbesitzer ihre Jalousien herunter und gingen nach Hause, um zu essen und auszuruhen. Dann setzte die Nachmittagsstarre ein. Menschen und Pflanzen ließen die Köpfe hängen; nur die Pinien standen weiter soldatisch aufrecht in der Hitze. Staub wirbelte hoch und legte sich wieder, sobald ein Auto langsam den Berg hinaufschnaufte, Katzen und junge Frauen gähnten, und die Stadt wartete darauf, dass die Schatten länger wurden.

Ich wollte nicht mit Vater allein im Haus sein, deshalb blieb ich auf der Veranda, die sich um drei Viertel des Gebäudes zog. Ich ließ mich zu Boden gleiten und lehnte mich mit dem Rücken gegen die Wand.

Mutter sagte immer, die Zeit gehe schnell vorbei, und vielleicht tat sie das anderswo ja auch - in Beirut oder am Strand oder in den römischen Tempeln von Baalbek in unseren Schulbüchern oder ganz oben auf dem verschneitesten Berg -, aber hier in Ein Douwra schlich sie dahin. Ganz am Ende der Veranda stieg der Rosenmann die Treppe hinunter, lächelte dabei seinen Rosen zu und ging dann weiter den Berg hinauf, das Gewicht von einem Fuß auf den anderen verlagernd, er hob den Stock und setzte ihn wieder ab, mit einer kurzen Pause nach jedem fünften oder sechsten Schritt, um sich auszuruhen und ein wenig umzusehen. Er war langsam, und die Zeit bewegte sich sogar noch langsamer als er. Es hatte ewig gebraucht, bis 1981 war, und es würde noch einmal ewig dauern, bis ich meinen achten Geburtstag hatte.

Schließlich hörte ich Kies knirschen, und Mutter erschien, schwitzend und rotgesichtig und mit Einkaufstaschen beladen. Hinter ihr ging Naji, der auch zwei Tüten trug und mit den Füßen im Takt zu einem Lied stampfte, das er sang. Er folgte Mutter ins Haus und kam eine Minute später wieder heraus. «Was ist mit dir passiert?», fragte er und betrachtete meine Schürfwunden.

Ich drehte mich erst zur einen, dann zur anderen Seite, um Naji die besten davon zu zeigen.

«Was ist passiert?»

«Ich bin den Abhang im Wald runtergefallen. Den ganz steilen.» Ich zeigte dorthin, wo die Bäume sangen, wo sich ihr Zirpen zusammenfügte zu einem nahtlosen Geflecht. Der Wald mit seinen grünen Piniennadeln und dem Gras, den braunen Felsen und Baumstämmen, den leuchtenden Blumen, glänzenden Insekten, Dornenbüschen und der trockenen roten Erde auf seinen schmalen Wegen, er war der beste Ort überhaupt. «Die Haut ist abgeschürft, als ich gerutscht bin. Schau mal, es sind immer noch kleine Steinchen drin.» Ich pulte an den schwarzen Punkten auf meinem Knie herum.

Naji zog die Augenbrauen hoch, als wollte er mir nicht glauben.

«Es war wirklich so! Ich hab versucht, mich an ein paar Wurzeln festzuhalten, aber es ging nicht.»

«Wenn du tatsächlich gefallen bist: Was lag unten?»

«Alles Mögliche - Zweige, eine rostige Dose und Pinienzapfen.» Meine Finger rochen immer noch nach den jungen Zapfen, die hart und grün gewesen waren, mit einem silbernen Diamanten auf jeder Schuppe. «Und dann fand ich ...»

Seine Augen leuchteten auf: «Was?»

«Nichts. Du und Mama seid nicht da gewesen, also bin ich zu Teta gelaufen, und sie hat mich von oben bis unten abgetastet, ob noch alles dran war. Das hat gekitzelt! Und ich hatte Blut auf dem Hemd von dem Schnitt an meiner Schulter. Es sah aus wie eine Blume - es wurde immer größer ... wie eine Rose! -, und dann hat Teta Alkohol auf meine Kratzer gemacht, das hat noch mehr wehgetan als das Hinfallen.»

Aber Naji war zwei Jahre älter als ich und an solchen Sachen nicht interessiert. Er ging hinein. Als er wieder herauskam, hatte er ein Matchbox-Auto dabei, seinen Beutel mit Murmeln und die...

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Nathalie Abi-Ezzi, 1972 im Libanon geboren, lebt seit 1983 in Großbritannien. Sie hat bereits Kurzgeschichten veröffentlicht; «Rubas Geheimnis», ihr erster Roman, fand ein großes Presseecho und wurde für den Author's Club Best First Novel Award nominiert.