Hugendubel.info - Die B2B Online-Buchhandlung 

Merkliste
Die Merkliste ist leer.
Bitte warten - die Druckansicht der Seite wird vorbereitet.
Der Druckdialog öffnet sich, sobald die Seite vollständig geladen wurde.
Sollte die Druckvorschau unvollständig sein, bitte schliessen und "Erneut drucken" wählen.

Vaterjahre

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
512 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am18.08.2014
Ein zeitgenössisches Sittenbild und ein deutsches Jahrhundertpanorama
Ein Mann, seine Frau(en), seine Kinder, seine Familie, seine Arbeit, seine Freunde. Seine Stadt. Seine Zeit. Karlmann Renn ist ein moderner Jedermann zwischen Lächerlichkeit und Triumph, und sein Alltag, der Weltalltag unserer Epoche.
Der Roman erzählt von der Liebe und Sorge eines Vaters, von Selbstbehauptung im Beruf, von der Konfrontation mit Kindheit und Familie, den Abgründen der Freundschaft, den Verlockungen des Ausbruchs und vom Einbruch des Todes. es ist die Geschichte des mühevollen Reifeprozesses und der Bewährungsproben Karlmann Renns, der sein Leben ohne die Tröstungen der Religion, der Kunst und der Philosophie meistern muss.
Michael Kleeberg gestaltet seine Welt mit vielfältigen Stimmen, Klängen und Rhythmen, durch die multiplen Perspektiven seines Erzählens. Komik und Tragik, Lakonie und Zärtlichkeit - die sprachschöpferische Lust dieses Romans ist so groß wie seine Präzision unerbittlich.

Michael Kleeberg, 1959 in Stuttgart geboren, studierte Politische Wissenschaften und Geschichte. Nach Aufenthalten in Rom und Amsterdam lebte er von 1986 bis 1999 in Paris. Heute arbeitet er als freier Schriftsteller und Übersetzer in Berlin. Für sein literarisches Werk wurde er vielfach ausgezeichnet, u.a. 2008 als Mainzer Stadtschreiber. Zu seinen wichtigsten Büchern zählen: 'Ein Garten im Norden' (1998), 'Der König von Korsika' (2001) und 'Karlmann' (2007). 2010 erschien der Roman 'Das amerikanische Hospital', der für den Deutschen Buchpreis nominiert wurde und für den Michael Kleeberg 2011 den Evangelischen Buchpreis erhielt. Sein Roman 'Vaterjahre' wurde u.a. mit dem Friedrich-Hölderlin-Preis der Stadt Bad Homburg ausgezeichnet. 2016 erhielt Michael Kleeberg für sein Gesamtwerk den Literaturpreis der Konrad-Adenauer-Stiftung.
mehr
Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR24,99
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR12,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextEin zeitgenössisches Sittenbild und ein deutsches Jahrhundertpanorama
Ein Mann, seine Frau(en), seine Kinder, seine Familie, seine Arbeit, seine Freunde. Seine Stadt. Seine Zeit. Karlmann Renn ist ein moderner Jedermann zwischen Lächerlichkeit und Triumph, und sein Alltag, der Weltalltag unserer Epoche.
Der Roman erzählt von der Liebe und Sorge eines Vaters, von Selbstbehauptung im Beruf, von der Konfrontation mit Kindheit und Familie, den Abgründen der Freundschaft, den Verlockungen des Ausbruchs und vom Einbruch des Todes. es ist die Geschichte des mühevollen Reifeprozesses und der Bewährungsproben Karlmann Renns, der sein Leben ohne die Tröstungen der Religion, der Kunst und der Philosophie meistern muss.
Michael Kleeberg gestaltet seine Welt mit vielfältigen Stimmen, Klängen und Rhythmen, durch die multiplen Perspektiven seines Erzählens. Komik und Tragik, Lakonie und Zärtlichkeit - die sprachschöpferische Lust dieses Romans ist so groß wie seine Präzision unerbittlich.

Michael Kleeberg, 1959 in Stuttgart geboren, studierte Politische Wissenschaften und Geschichte. Nach Aufenthalten in Rom und Amsterdam lebte er von 1986 bis 1999 in Paris. Heute arbeitet er als freier Schriftsteller und Übersetzer in Berlin. Für sein literarisches Werk wurde er vielfach ausgezeichnet, u.a. 2008 als Mainzer Stadtschreiber. Zu seinen wichtigsten Büchern zählen: 'Ein Garten im Norden' (1998), 'Der König von Korsika' (2001) und 'Karlmann' (2007). 2010 erschien der Roman 'Das amerikanische Hospital', der für den Deutschen Buchpreis nominiert wurde und für den Michael Kleeberg 2011 den Evangelischen Buchpreis erhielt. Sein Roman 'Vaterjahre' wurde u.a. mit dem Friedrich-Hölderlin-Preis der Stadt Bad Homburg ausgezeichnet. 2016 erhielt Michael Kleeberg für sein Gesamtwerk den Literaturpreis der Konrad-Adenauer-Stiftung.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641139643
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2014
Erscheinungsdatum18.08.2014
Seiten512 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse3640 Kbytes
Artikel-Nr.1444891
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe



Kapitel 1
PRIVATLEBEN

Scheiße, wo hast du all die Schönheit hergenommen, du Lutschbonbon - du Liebesapfel! Lichterlohe Lulu! - Lukullische Louie im Fuchs- und Luchspelz! - Du gurrende, turtelnde Blue-Note - du süßeste Sure meines Qur'ans - du lütte Huri, schlummernd auf meinem Lustlager als Soulfood im Elysium, du - du - …

Hilflos zuckend schlägt das Zungenblatt gegen Zähne und Zahndamm: Charly Renn fehlen die Worte.

Leihen wir ihm also, während er verzweifelt' von wegen hier: >Herz voll, Mund über!B&O-Bildschirms. Aus der offenstehenden Badezimmertür schwebt der südseeische Duft eines Duschgels.

Weil sie das Leben hat, muss alles sterben. Du (in einer Weile), die beiden Thujen, die schon braun sind und die man von hier oben im letzten Tageslicht durch die Fenster, die die Giebelform nachzeichnen, am Jägerzaun sehen kann, der den kleinen, gepflegten, den weiblich grünen Daumen verratenden Garten hin zu Frau Gebhardt begrenzt, die seit zwei Wochen im künstlichen Koma liegt, weshalb ihr Mann auch den Rasen nicht gemäht hat.

Weil sie die Kraft hat, ist die Welt kein Hort. Und genau deshalb wirst du dich jetzt als alter (42) Inkubus an sie schmiegen und Liebe gegen Jugend tauschen. Weil sie die Jugend hat, wird alles alt. Doch gegen Schönheit und Jugend hilft nur - ebenso wie gegen unbestreitbare Überlegenheit, das hast du gelernt - die weiße Fahne der Liebe. Sie weht nun über deinem Dach. Nebenan in Hübners Vorgarten stattdessen die rot-weiß-blaue von Schleswig-Holstein. 45-Grad-Satteldächer und rote Backsteinverklinkerungen. Das ist Bauvorschrift. Ansonsten konnten die Doppelhaushälften frei gestaltet werden hier am Eilberg.

Das mattschwarze Gehäuse des Weckers auf dem Nachttisch absorbiert einen letzten Lichtstrahl des Spätsommerabends. Die abgestreifte Nomos-Glashütte daneben, mit der du dich vor zwei Jahren zum Vierzigsten beschenkt hast, schimmert metallisch wie deine Seele, der du dich einen Moment lang entledigt hättest, um ihr mahnendes Ticken nicht zu spüren.

Weil sie vollkommen ist, ist die Welt ein Scherben.

Der Mohn des Schlafs auf dem Lid, diesem Schmetterling, der sich auf ihrem Auge niederlässt und, die Flügel breitend, die Welt ausblendet mit seiner feinst geschuppten und geäderten Traumhaut. Eine einzige Träne, perfekt geformte Perle, wie aus Silikon, ist im Bogen der Wimper hängen geblieben, eine kleine Trophäe, aufgespießt auf der Lanze des Schlafs und im Zeugenstand festgehalten.

Weil sie der Himmel ist, gibt's keinen dort. Ja, nickt Charly, ich bin zweiundvierzig Jahre alt, und sie ist die einzige Religion, die ich habe, die einzige Ideologie, an die ich glaube.

Er horcht. Unten im Haus rumort es. Kann er es wagen? Er legt die Hand auf den Haaransatz an der Schläfe, seine Lippen berühren den blonden Wangenflaum, aber nicht die Haut. Nicht schwerer lasten auf ihr als eine Schneeflocke, das ist die Kunst. Sie seufzt im Schlaf. Wohlig? Wer das wüsste.

Das alte Leid der Liebenden: Nicht unter die Haut der Geliebten gelangen zu können (nur zwischen ihre Schleimhäute), nicht mit ihren Gehirnströmen, Synapsenschaltungen, mit ihren Erinnerungen und Gefühlen vernetzt zu sein, sie nicht von innen nach außen liebkosen zu können, sie nicht in sich zu haben als unverlierbaren Schatz (so wie man früher Götter essen konnte oder wie in der angeblich mystischen Verschmelzung der Seelen und Kräfte zwischen Mörder und Opfer beim Stierkampf).

Will er die Augen offen lassen, um jedes Detail ihres Gesichts mit ihnen zu inhalieren wie einen Duft, so als stehe ein Abschied bevor, er habe nur noch diesen einen Blick frei und die Seele verlange nach dem Brandzeichen unvergänglicher Bilder? Oder soll er sie schließen und die Medulla oblongata via Trigeminus direkt mit den Empfindungen der Lippen beglücken?

Was ist intensiver? Was währt länger?

Er öffnet den Krawattenknoten und wirft die Seidenkrawatte über das Bett auf eine Stuhllehne, bereit, die Schlafende mit all seinen Tentakeln zu umfangen wie die träumende Perlentaucherin, in achtarmiger Sehnsucht sich mit den Saugnäpfen seiner Sterblichkeit an sie zu heften, da wird die Tür aufgerissen, und Charly schreckt aus seinem Liebestraum hoch.

Liegt sie doch wieder hier? Und du dabei! Bist du so lieb, Charly, und trägst Luisa hinüber in ihr Bett?

Die simultane Trias aus Missbilligung, Nachsicht und Pragmatismus ist, sofern nicht Heikes norddeutsche Trikolore, die aller Mütterlichkeit, die zuzeiten mit beiläufiger Selbstverständlichkeit von den Kindern auf den Ehemann übergreift, der dieses Gefühl, von einer höheren Instanz an seine lässlichen Sünden und Schwächen gemahnt und zugleich durch einen familiären Aufsichtsrat von ihnen entlastet zu werden, durchaus genießt.

Eine Ahnung von dieser manchmal schnippischen, manchmal warmherzigen Souveränität, dieser sachlichen Kompetenz und unerschütterlichen Gewissheit musst du schon damals im Zimmer des Krankenhauses gehabt haben, als du ihr zum ersten Mal gegenüberstandest und, obwohl nun weiß Gott mit den Herzrhythmusstörungen des Alten genug anderes in deinem Kopf vorging, dir gesagt hast, während ihr euch unterhieltet - oder die Vision hattest: Das ist die Mutter meiner Kinder.

Du hast gar nicht aufgeblickt, als sie in der Tür stand, aber da sie die Treppe lautlos heraufgekommen ist, muss sie Laufschuhe und Socken unten im Windfang ausgezogen haben, aber noch immer die schwarze Stretchhose und das Tanktop tragen. Einmal pro Tag läuft sie, wenn morgens keine Zeit ist, dann abends, mit pendelndem, dunklem Pferdeschwanz und Kopfhörer über den Ohren - und einmal die Woche fährt sie ins Frauengym nach Ahrensburg.

Charly bewundert die heroische Disziplin, mit der Heike nach zwei Geburten wie alle diese fast Vierzigjährigen ihres Kreises die Figur ihrer Mädchenjahre, ihrer Studienzeit bewahrt in einem täglichen, wortlos geführten, unkommentierten Kampf gegen die Zeit, der sie so anrührend wie begehrenswert macht. Mütter, Herrinnen des Überblicks, kompetente Managerinnen der Familie, noch immer oder wieder Berufstätige, Akademikerinnen, gelassene und souverän fordernde und gebende Erotikerinnen - so erscheinen sie uns, so wollen wir sie, ihrer eigenen Inszenierung glaubend, wahrnehmen, wenn sie in ihren Vans oder schwarzen Kombis mit getönten Scheiben vorfahren, in Jeans und Chucks, die erste Generation von Frauen, die auf zwanzig Schritt wie die Schwestern ihrer halbwüchsigen Töchter aussehen und, stehst du dann vor ihnen, sie verblassen lassen werden mit ihrer dringlicheren Präsenz. Nutzend ihre Zeit und eingedenk ihrer Endlichkeit, wie es irgendwo heißt.

Was ruft sie jetzt auf halbem Weg die Treppe hinunter? Dass du Luisa, wenn sie beim Transport in ihr eigenes Bett aufwacht, vorlesen sollst. Und bevor du dich noch lautlos von ihr zu lösen vermagst, öffnet sich zuerst ein glasiges Kaninchenauge des Kindes, noch stehst du nicht, da öffnet sich das zweite, und bevor du an der Tür bist, platzt die Seifenblasenvagheit des Blicks, er fokussiert sich, und schon spricht sie: Papa, bleib da! Und du sitzt in der Falle.

Die Liebe deines Lebens, und ist sie wach, ist sie dir lästig. Das schönste je erblickte Gesicht, und doch ist seine Kontemplation nicht abendfüllend.

Was willst du nur lieber? Was ist dir nur wichtiger?

Lieber willst du jetzt das schlafende Gesicht küssen und zufrieden abhaken und dich mit einem Glas Wein vor den Fernseher setzen und entspannen, das heißt den Fluss kappen, der ständig alles mit allem verbindet, das sicher in der Ablage des Lebens verstaute Geschehene mit dem unbekannten Bevorstehenden, und der verhindert, dass der Augenblick je schön werden könnte, indem er verweilt. Nimm dir ein Beispiel an deinem kleinen Bruder. Der schläft. Der lässt uns wenigstens abends in Ruhe. Nichts mehr hören von dem Hund und von Leben und Tod und nicht mehr sich einlassen müssen auf ein Gespräch.

Aber warum? Weil Liebe und Interesse nicht miteinander verbunden sind, denn die Liebe steckt ausschließlich im Liebenden und nährt sich, im Gegensatz zum Interesse, nicht in erster Linie vom Austausch mit dem Geliebten. Deshalb ist es auch kein...


mehr

Autor

Michael Kleeberg, 1959 in Stuttgart geboren, studierte Politische Wissenschaften und Geschichte. Nach Aufenthalten in Rom und Amsterdam lebte er von 1986 bis 1999 in Paris. Heute arbeitet er als freier Schriftsteller und Übersetzer in Berlin. Für sein literarisches Werk wurde er vielfach ausgezeichnet, u.a. 2008 als Mainzer Stadtschreiber. Zu seinen wichtigsten Büchern zählen: "Ein Garten im Norden" (1998), "Der König von Korsika" (2001) und "Karlmann" (2007). 2010 erschien der Roman "Das amerikanische Hospital", der für den Deutschen Buchpreis nominiert wurde und für den Michael Kleeberg 2011 den Evangelischen Buchpreis erhielt. Sein Roman "Vaterjahre" wurde u.a. mit dem Friedrich-Hölderlin-Preis der Stadt Bad Homburg ausgezeichnet. 2016 erhielt Michael Kleeberg für sein Gesamtwerk den Literaturpreis der Konrad-Adenauer-Stiftung.