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Gefangen im Packeis

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
Deutsch
Arena Verlag GmbHerschienen am10.06.2014
Oktober 1914. Der britische Forscher Shackleton bricht mit dem Expeditionsschiff Endurance zu einer Forschungsreise in die Antarktis auf. An Bord seines Schiffes befindet sich der 16-jährige Peter Blackborrow. Doch bevor die Expedition das antarktische Festland erreicht, wird das Schiff vom Eis eingeschlossen ...

Christa-Maria Zimmermann, geboren in Wels/Oberösterreich, studierte Kunstgeschichte und Geschichte in Wien und war Redakteurin bei einer Düsseldorfer Zeitung. Heute arbeitet sie als freie Autorin und wurde vor allem durch ihre historischen Kriminalromane für Erwachsene und ihre historischen Kinder- und Jugendbücher bekannt.
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Produkt

KlappentextOktober 1914. Der britische Forscher Shackleton bricht mit dem Expeditionsschiff Endurance zu einer Forschungsreise in die Antarktis auf. An Bord seines Schiffes befindet sich der 16-jährige Peter Blackborrow. Doch bevor die Expedition das antarktische Festland erreicht, wird das Schiff vom Eis eingeschlossen ...

Christa-Maria Zimmermann, geboren in Wels/Oberösterreich, studierte Kunstgeschichte und Geschichte in Wien und war Redakteurin bei einer Düsseldorfer Zeitung. Heute arbeitet sie als freie Autorin und wurde vor allem durch ihre historischen Kriminalromane für Erwachsene und ihre historischen Kinder- und Jugendbücher bekannt.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783401804149
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2014
Erscheinungsdatum10.06.2014
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.1454443
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Januar 1915

Samson grunzte zufrieden. Ich bürstete ihm mit gleichmäßigen Strichen den Rücken, und zwar so ausdauernd, als gäbe es keine anderen Hunde und keinen Koch und keine Arbeit in der Kombüse. Samson hielt ganz still und grunzte noch einmal. Er hatte nichts dagegen, wenn das Bürsten immer weiter ging. Die beiden Schweine, die wir in Grytviken an Bord genommen hatten, stellten die Ohren auf und quiekten leise. Ich saß neben den Zwingern auf dem Deck, in einer versteckten Ecke, und bewegte mechanisch den Arm hin und her, gebannt vom Anblick hinter der Reling.

Am 5. Dezember hatten wir Grytviken in Hagelschauer und Schneeregen verlassen und schon nach wenigen Tagen das erste Packeis gesichtet. Ich war heilfroh, dass ich nicht den ganzen Tag in der Kombüse hocken musste, sondern oft bei den Hunden auf Deck sein konnte. Ich hätte am liebsten unentwegt das Eis betrachtet. Es war ganz, ganz anders, als ich es mir vorgestellt hatte. Es war einfach überwältigend.

Alle paar Stunden wechselte das Bild. Wir fuhren an Eisbergen vorbei, die so groß waren wie Kirchen. Die Wellen klatschten gegen ihre Riffe und spritzten hoch wie die Gischt an Felsenklippen. Die ständige Brandung hatte tiefe Höhlen in die Eiswände gegraben. Sie schimmerten in einem geheimnisvollen Licht, blau und dunkelgrün und türkis. Das Echo des Tosens füllte die Höhlen, sodass sie dröhnten wie riesige Orgeln. Vor ein paar Stunden hatten wir gewaltige Schollen passiert, die wie die Teile eines Riesenpuzzles aussahen, dann einen breiten Streifen geschlossenen Eises, bestimmt einen Meter dick und viele Hundert Meter breit, ich konnte erst am Horizont das dunkle, eisfreie Wasser erkennen.

Die Endurance fuhr vorsichtig an dem Eissaum vorbei, denn mit einer geschlossenen Eisdecke konnte sie es nicht aufnehmen. Sie war zwar durchaus fähig, einzelne Schollen zu zertrümmern, sogar solche von beträchtlicher Größe, das hatte sie in den letzten Tagen oft bewiesen, aber nicht solides Packeis. Alle Segel waren gerefft, damit sie nicht zu schnell wurde und besser zu lenken war, nur die Maschinen liefen und der Schornstein rauchte.

Ich musste die Augen zusammenkneifen, weil das Glitzern der Sonne auf der blanken Oberfläche blendete. Auf dem Eis lagen mächtige Krabbenfresser und fette Weddellrobben, einige schliefen in der Sonne, andere watschelten umher. Kleine Adélie-Pinguine krächzten aufgeregt, als sie uns sahen, warfen sich auf den Bauch, stießen sich mit den Füßen ab und schlitterten neben uns her. Sie wirkten wie junge Hunde, die spielen wollten, und Samson zuckte mit den Pfoten. Er hatte Mühe, sich zu beherrschen und sie nicht kräftig anzubellen. Aber er wollte weiter gebürstet werden und deshalb schloss er die Augen und ignorierte die komischen kleinen Viecher und auch die großen, die nur den Kopf schief legten, als die Endurance vorbeifuhr. Die Königspinguine wirkten tatsächlich königlich, sie bewegten sich gemessen, in weitem Abstand von den anderen, und bewahrten ein würdevolles Schweigen. In der Luft schwebten Albatrosse und Eissturmvögel. Große Seeschwalben zogen ihre Kreise und schossen plötzlich in die offenen Wasserrinnen.

»Da kommen schon wieder neue Fans von Clark!«, rief der Zweite.

Mr Clark grinste nur. Er war Biologe und wollte nach der Expedition ein Buch über die Tierwelt der Antarktis schreiben. Die anderen zogen ihn ständig damit auf, dass die Adélie-Pinguine ihn beim Namen riefen, sobald sie ihn sahen. Sie schrien tatsächlich etwas, was wie Clark! Clark! klang und der Zweite behauptete, dass sie in Scharen erschienen, sobald Clark an Deck war.

Die Endurance fuhr scharf nach links, dann nach rechts, dann wieder nach links und dann ertönte ein splitterndes Krachen.

»Das ist fantastisch!«, schrie jemand. »Der Balken schwingt rauf und runter und von rechts nach links. Wir brechen durchs Eis und werfen es zur Seite und häufen es auf, als ob s bloß Zuckerguss wäre. Ich komme mir vor wie auf einem bockenden Pferd.«

Das war der Kapitän. Der kletterte immer auf den Klüverbaum am Bug, denn es war seine erste Fahrt im Packeis und er wollte alles aus nächster Nähe sehen. Billy und die anderen hatten sich längst daran gewöhnt, wie das Schiff mit den Schollen kämpfte, aber ich kriegte immer noch ein komisches Gefühl im Magen, wenn ich hörte, wie sie knirschten und ächzten, bevor sie zersplitterten, und wie die Endurance zitterte, bevor sie die nächste Scholle in Angriff nahm. Sie war schließlich nur ein Schiff, auch wenn sie gebaut war wie Fritjof Nansens Fram und die hatte zwei Jahre im Eis des Nordpols überstanden.

»Du Biest, du heimtückisches! Ich dreh dir den Hals um!«

Ich fuhr zusammen und ließ die Bürste sinken. Die Stimme erkannte ich sofort. Das war John Vincent, der einzige Mann der achtköpfigen Mannschaft, den der Boss besser nicht angeheuert hätte, darüber waren sich alle einig. Er sah aus wie der starke Mann vom Jahrmarkt. Seine Schultern waren so breit, dass er kaum in seine Koje passte, und seine Muskeln sprengten fast das Hemd. Wenn er mit seinem wiegenden Seemannsgang auf mich zukam, drückte ich mich an die Seite, denn ich hatte immer das Gefühl, er würde mich niederwalzen. Er trug einen goldenen Ring in einem Ohr und hatte schwarze Ringellocken, die er mit viel Öl zum Glänzen brachte. Weil er sich einbildete, dass der Boss ihn bald zum Obermaat befördern würde, kommandierte er die anderen ständig herum.

Ich linste mit einem Auge über den Rand des Zwingers. Vincent hatte Mrs Chippy mit einer Hand am Nackenfell gepackt, mit der anderen presste er ihm die Kiefer zusammen, sodass er nicht beißen konnte. Sein Kopf verschwand fast in seiner Pranke. Er hieb seine Krallen in Vincents Hand, aber das machte ihn nur noch wütender. Er schüttelte ihn hin und her.

»Du kratzt nicht mehr lange, du Stinktier! Gleich bist du Fischfutter.«

Er machte einen Schritt auf die Reling zu, aber da war ich schon auf den Beinen. Ich hatte gar keine Zeit, Angst zu kriegen oder auch nur nachzudenken. Ich sah, dass er Mrs Chippy über Bord werfen wollte, und rammte ihm meinen Kopf gegen die Rippen. Er war so überrascht, dass er zurücktaumelte. Aber ich hatte ihn nicht zu Fall gebracht und er hatte auch den Kater nicht losgelassen. Schnell wie ein Boxer fand er sein Gleichgewicht wieder und gab mir einen Tritt in den Bauch, dass ich zu Boden ging.

Ich krümmte mich zusammen. Der Schmerz fuhr wie eine Flamme durch meinen Körper und nahm mir den Atem. Ich schnappte nach Luft. Ich wusste, dass ich mich wegrollen und wenigstens meinen Kopf schützen musste. Wenn er mir mit seinen schweren Stiefeln ins Gesicht trampelte, würde er Hackfleisch aus mir machen. Aber ich konnte mich nicht rühren. Vincent war so wütend, dass er kein Wort herausbrachte. Er knurrte bloß, ein tiefes grollendes Knurren, das mir eine Gänsehaut über den Rücken jagte. Er stand über mir wie ein mächtiger Bär, der mich mit ein paar Prankenhieben zerfetzen würde.

Plötzlich flog eine zottige Gestalt über mich weg und sprang Vincent gegen die Brust. Samson hätte nie gewagt, einen Menschen anzugreifen, und er hatte wohl auch nicht begriffen, dass ich in Gefahr war. Ich weiß nicht einmal, ob er mir dann hätte helfen wollen, er war aufs Schlittenziehen trainiert und nicht auf Mann. Aber er sah seinen Erzfeind Mrs Chippy auf einmal in seiner Reichweite. Der Kater hatte ihn schon oft zur Raserei gebracht, indem er sich seelenruhig direkt vor seinem Zwinger putzte und so tat, als ob Samson nicht vorhanden wäre, obwohl der sich die Stimme heiser bellte und sich fast erwürgte, so zerrte er an seiner Leine. Aber jetzt war keine Leine da und auch keine Türe aus Maschendraht.

Samson machte einen Satz, und da er groß war wie ein Kalb und auch so schwer, brachte er Vincent erneut ins Schwanken. Diesmal ließ er den Kater los, denn jetzt war nicht ich es, der ihn angriff, sondern der größte und stärkste aller 69 Schlittenhunde. Mrs Chippy fiel, direkt an Samsons Maul vorbei, das er schon geöffnet hatte, um nach ihm zu schnappen, kam elegant auf alle viere und jagte davon, den nächsten Mastbaum hinauf, um sich in Sicherheit zu bringen. Samson stemmte Vincent seine Pfoten gegen die Brust, sodass der unter dem Anprall zurücktaumelte, sah Mrs Chippy fallen und übers Deck flitzen und setzte laut bellend hinterher.

Im Denken war Vincent nicht der Schnellste und es dauerte einige Augenblicke, bis er erfasst hatte, dass Samson nur an dem Kater interessiert war und nicht an ihm und dass er ihm entgangen war, und zwar allein durch meine Schuld. Diese Augenblicke waren meine Rettung. Ich stemmte mich hoch, obwohl mein Bauch dagegen protestierte, sah mit einem Blick, dass niemand in der Nähe war, der mir helfen konnte, und mit einem zweiten, dass Vincent sich in Bewegung setzte und dabei die Hände schon nach mir reckte, mit einem mörderischen Ausdruck im Gesicht.

Ich stürzte in die gleiche Richtung wie Mrs Chippy, sprang an die Reling, zog mich hoch und kletterte die schräge Eisenleiter empor, die zur Mitte des Mastes führte. Wieder hatte ich keine Zeit, nachzudenken oder Angst zu kriegen. Ich hatte noch nie auf einem Segelschiff angeheuert, also hatte ich auch noch nie einen Mast...
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Christa-Maria Zimmermann, geboren in Wels/Oberösterreich, studierte Kunstgeschichte und Geschichte in Wien und war Redakteurin bei einer Düsseldorfer Zeitung. Heute arbeitet sie als freie Autorin und wurde vor allem durch ihre historischen Kriminalromane für Erwachsene und ihre historischen Kinder- und Jugendbücher bekannt.
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Zimmermann, Christa-Maria