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Die Insel der schwarzen Schmetterlinge

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
288 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am08.09.2014
Eine namenlose Insel in den Schären, irgendwo vor der Küste Finnlands: Hier ist nichts als das Erziehungsheim, in das der junge Juhani geschickt wird. Schnell bekommt er die strengen Regeln des Heimleiters zu spüren. Denn dieser will seinen Zöglingen zeigen, dass das Unmögliche möglich ist, und züchtet zu diesem Zweck und trotz des rauen, kalten Klimas in einem Treibhaus Seidenraupen. Doch dann geschieht ein Mord im Schmetterlingshaus, eine verhängnisvolle Affäre kommt ans Licht, und aus den Raupen schlüpfen keine weißen Falter, sondern schwarze ...

Leena Lander, geboren 1955, ist eine der international bekanntesten und erfolgreichsten Schriftstellerinnen der finnischen Gegenwartsliteratur. Ihre Bücher wurden in mehr als 20 Sprachen übersetzt und vielfach mit Preisen ausgezeichnet. Die Verfilmungen ihrer Romane »Die Insel der schwarzen Schmetterlinge« und »Die Unbeugsame« waren in Finnland große Erfolge. Leena Lander lebt mit ihrem Mann, dem Schriftsteller Hannu Raittila, im Südwesten von Finnland in der Nähe von Turku.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR9,99
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR8,99

Produkt

KlappentextEine namenlose Insel in den Schären, irgendwo vor der Küste Finnlands: Hier ist nichts als das Erziehungsheim, in das der junge Juhani geschickt wird. Schnell bekommt er die strengen Regeln des Heimleiters zu spüren. Denn dieser will seinen Zöglingen zeigen, dass das Unmögliche möglich ist, und züchtet zu diesem Zweck und trotz des rauen, kalten Klimas in einem Treibhaus Seidenraupen. Doch dann geschieht ein Mord im Schmetterlingshaus, eine verhängnisvolle Affäre kommt ans Licht, und aus den Raupen schlüpfen keine weißen Falter, sondern schwarze ...

Leena Lander, geboren 1955, ist eine der international bekanntesten und erfolgreichsten Schriftstellerinnen der finnischen Gegenwartsliteratur. Ihre Bücher wurden in mehr als 20 Sprachen übersetzt und vielfach mit Preisen ausgezeichnet. Die Verfilmungen ihrer Romane »Die Insel der schwarzen Schmetterlinge« und »Die Unbeugsame« waren in Finnland große Erfolge. Leena Lander lebt mit ihrem Mann, dem Schriftsteller Hannu Raittila, im Südwesten von Finnland in der Nähe von Turku.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641197841
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2014
Erscheinungsdatum08.09.2014
Seiten288 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse3310 Kbytes
Artikel-Nr.1455473
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe



2. Kapitel

Als Juhani Johansson das Meer zum ersten Mal sah, war es nicht so blau, wie er es sich vorgestellt hatte.

Seltsam, dass er jetzt daran denken muss, während er neben dem Geschäftsführer der Baugesellschaft steht und sein künftiges Arbeitszimmer in der obersten Etage in Augenschein nimmt.

Wie er da am Fenster steht, die Hände in den Taschen des Anzugs, den er in Brüssel gekauft hat, und auf das Meer hinausschaut, das da ebenso grau und melancholisch vor ihm wogt wie vor einem Vierteljahrhundert, erinnert er sich wieder an seine damalige Enttäuschung. Das Meer war nicht blau, und das schmerzte viel mehr als der Biss des in Panik geratenen Nerzes.

Auch an die Wut und die Angst erinnert er sich, an die Wut auf all die Menschen, die er traf, und an die Angst vor der halb im Nebel versunkenen Insel, aber die können ihm nicht mehr so wehtun wie die Enttäuschung, von der er jetzt, fünfundzwanzig Jahre später, weiß, dass sie umsonst war. Wenn er könnte, würde er seine Hand nach den mageren Schultern des Jungen ausstrecken, sie ermutigend drücken und sagen:

Du wirst noch sehen, wie es vor dir erglänzt, genauso atemberaubend blau, wie du es dir nur erträumen kannst! Hörst du, kleiner Bub, das Meer hat dich nicht betrogen!

Während Juhani Johansson die Havanna nimmt, die ihm der Geschäftsführer der Baugesellschaft anbietet, und sie routiniert befeuchtet, fällt ihm ein lächerliches Detail am Ärmel des Beamten wieder ein. Da war ein Fleck. Und der sah genauso aus wie Blut. Der Fleck befand sich versteckt an der Unterseite des blauen Ärmels seiner Uniformjacke und wurde erst sichtbar, als der Beamte die Arme hob, um die Tasche von der Gepäckablage herunterzunehmen.

Aber konnten Beamte denn richtiges Blut verströmen? Sie waren doch immer so leblos. Leblos und peinlich sauber.

Erst jetzt, ein Vierteljahrhundert danach, wird er wirklich wütend auf den Beamten, der sich entgegen aller Wahrscheinlichkeit schnitt und auf diese Weise versuchte, als Mensch durchzugehen, der aber dennoch seine Hand kein einziges Mal auf die mageren Schultern des Jungen legte, um sie ermutigend zu drücken. Warum macht er dem unausstehlichen, bösen kleinen Juhani Johansson nicht ein wenig Mut? Diesem Jungen, der vom Meer enttäuscht ist, weil es keine große blaue Fläche ist und sich keine Nixen mit rosig schimmernden Brüsten über glitzernden Schuppen darin tummeln? Das Meer, in das man vom hohen Felsen hinabtauchen könnte, hinunter zu den von Wasserlilien bewachsenen, am Grunde wartenden Schätzen.

Die Fantasien eines Neunjährigen! Etwas Zerbrechlicheres gibt es gar nicht.

Der Mann lehnt sich gegen das kleine Lüftungsgitter, bedauert, dass es so schmal ist. Wie herrlich wäre es doch, hinauszutreten und die Seeluft tief in die Lungen zu saugen. Schade, dass zu dem Zimmer kein Balkon gehört, so wie zum Zimmer des Geschäftsführers. Das emsige Getöse der Gabelstapler und Kräne ist allerdings trotzdem zu hören.

Ob der Beamte wohl noch lebt?

Und wenn er ihn ausfindig machen und ihm endlich alles mit barer Münze heimzahlen würde?

»Du bist doch … hm … Waise?«, fragt der Geschäftsführer der Baugesellschaft, als Juhani Johansson vom Fenster hinter den großen Schreibtisch tritt und sich in den Stuhl mit den Rollen setzt, der zu niedrig für ihn ist.

»Waise?«

Darauf ist er nicht vorbereitet, dass man ihm plötzlich seinen Schutzschild stiehlt.

War es der Verteidiger der »Bärenjungen«? Irgendwann in den Sechzigerjahren, als sie noch auf der Eisbahn unter freiem Himmel spielten. Der Wind schaukelt sich in den Lampen. Der Verteidiger der Gäste gleitet ohne Helm unaufhaltsam einem Schmetterschlag entgegen. Er bekommt den Puck mitten ins Gesicht verpasst, sodass es kracht.

»Wie du siehst, wissen wir mehr von dir, als du denkst«, lacht der Geschäftsführer.

»Offensichtlich«, sagt der Mann und greift in die Tasche.

Der Geschäftsführer gibt ihm Feuer - wo sie jetzt doch fast gleichberechtigt sind.

Auf dem Tisch steht ein chinesischer Drache, der aus seinem steinernen Schlund eigentlich Feuer speien sollte, aber er tut es nicht.

»Der funktioniert schon seit zwanzig Jahren nicht mehr. Ich konnte mich nur nicht dazu entschließen, ihn wegzuwerfen, weil er doch so verflixt hübsch ist«, sagt der Geschäftsführer und berührt den grüngestreiften Schwanz des Drachen.

Der Geschäftsführer ist ein kleiner, aber für sein Alter eleganter Mann, und die Frauen finden sicherlich, dass er gut aussieht. Doch seine Stimme knarrt schon leicht, und das verrät sein wahres Alter. Sein Leben lang war er mit derselben Frau verheiratet, die es nicht geschafft hat, ihm auch nur ein einziges Kind zu gebären. Eine Scheidung kam nicht infrage, denn die Baugesellschaft ist ein Erbe vom Vater der Frau. Und die hält immer noch die Mehrheit der Aktien.

»Wenn ich so ein Ding hätte, würde ich keine Ruhe geben, bis es wieder in Ordnung wäre«, sagt Juhani Johansson.

»Ich weiß, deshalb haben wir dich ja auch eingestellt«, lacht der Geschäftsführer und legt ihm den Drachen in die Hand.

»Offensichtlich«, sagt der Mann wieder und wendet das Feuerzeug hin und her.

Jetzt durchschaue ich dich. Du täuschst mich nicht mehr. Du schacherst. Das ist dein Stil. Zuerst verletzt du einen. Dann tust du so, als wäre nichts gewesen. Und dann startest du einen neuen Angriff.

Durch den Spalt der offenen Tür ist zu sehen, wie die hagere Putzfrau im Korridor hinter der surrenden Bohnermaschine herschlurft. In den Duft der Zigarre mischt sich der stechende Geruch von Bohnerwachs.

»Du nimmst es uns doch nicht übel, dass wir uns für deine Herkunft interessiert haben? Du selbst sagst darüber ja nicht viel.« Der Geschäftsführer lächelt, um Entschuldigung bittend.

»Du kennst mich doch. Du kennst mich seit Jahren. Mir wäre es gar nicht in den Sinn gekommen, dass meine Kindheit irgendetwas mit der Sache zu tun haben könnte.«

»Natürlich hat sie nichts damit zu tun«, versichert der Geschäftsführer eilig. »Was du als Minderjähriger gemacht hast, hat keinen Einfluss auf die Wahrnehmung dieser Aufgabe. Im Gegenteil: entsprechende Erfahrungen sind nur von Vorteil.«

Der kameradschaftliche Ton des Geschäftsführers kann Juhani Johansson nicht mehr täuschen.

»Nimm es mir nicht übel - aber ich spreche nicht gern darüber.«

Dabei scherst du dich doch einen Dreck um meine Gefühle. Wenn du nur für dein Geld einen ordentlichen Gegenwert kriegst.

Er mag das Lächeln des Geschäftsführers nicht: es ist ebenso echt wie die Zähne des Oberkiefers, die es entblößt.

»Natürlich war das alles ziemlich überraschend. Es hat in mir eine neue Art von Mitgefühl für dich geweckt«, bemerkt der Geschäftsführer.

»Mitgefühl?«

»Oder eher Bewunderung. Nicht viele würden darauf wetten, dass man mit deiner Vergangenheit in so eine Position aufsteigt.«

Draußen, auf dem Fenstersims des zum Meer gehenden Zimmers des stellvertretenden Geschäftsführers, haben sich zwei perlgraue Tauben niedergelassen. Sie schubsen sich gegenseitig, als gäbe es dort nicht Platz genug für beide.

»Ich bin nicht der Einzige.«

»Nein. Das ist wahr.«

Die Antwort kommt zu schnell. Und wieder dieses allzu breite Lächeln, wo es nichts zu lächeln gibt.

Nur Ruhe! Nichts übereilen.

Es geht jetzt nur darum, auf die Eröffnung des Spiels richtig zu reagieren; vorauszuahnen, von welcher Seite der Gegner den Puck ins Tor zu bugsieren versucht.

»Dies ist keine Anklage«, präzisiert der Geschäftsführer mühsam. »Es kann ja keiner was dafür, dass er hm … Waise wird.«

»Früher oder später geht es uns allen so«, entgegnet Johansson mit schiefem Lächeln.

»Wie meinst du das?«

»Wir Waisen sollten zusammenhalten«, antwortet er. »Deine Eltern leben doch auch nicht mehr?«

Verblüffte Stille.

Dann bricht der Geschäftsführer in dröhnendes Gelächter aus.

»So ist es richtig, ich liebe schlagfertige Männer, und ich finde es bombig, dass wir hier schon ganz vertraut wie Vater und Sohn miteinander debattieren.«

Doch unvermittelt wird er ernst, legt Johansson die Hand auf die Schulter und sieht ihn forschend an:

»Du willst diese Stellung und dieses Zimmer. Und ich will, dass du sie auch bekommst. Aber zuerst musst du mir etwas erzählen. Es ist keine große Sache, aber ich muss sie wissen.«

»Was denn?«

»Nehmen wir einen Kognak? Schenk du ein. Du bist ja hier bald der Hausherr. Da im Schrank, ganz rechts.«

Das gedämpfte Klacken der Tür.

»Wieso sitzt der so fest? Ich war überzeugt, dass dein Vorgänger ihn mehrmals täglich geöffnet hat«, sagt der Geschäftsführer.

Der Korken rührt sich nicht vom Fleck. Schon mal geöffnet, und doch voll. Sie hätten die Flasche gegen eine neue austauschen sollen.

Die Gläser klingen, auf den gemeinsamen Erfolg!

Außerdem war ich keine solche Waise, wie du denkst: Meine einfältige Mutter hat mich nicht gleich nach der Geburt in die verrostete Mülltonne hinten auf dem Hof geworfen. Man hat mich nicht zwischen Monatsbinden aufgefunden und mit Eierschalen hinter den Ohren …

»Also«, fragt Juhani Johansson, »was willst du wissen?«

Der Geschäftsführer räuspert sich. Das ist keine Verstellung. Ihm steigt das...


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Leena Lander, geboren 1955, ist eine der international bekanntesten und erfolgreichsten Schriftstellerinnen der finnischen Gegenwartsliteratur. Ihre Bücher wurden in mehr als 20 Sprachen übersetzt und vielfach mit Preisen ausgezeichnet. Die Verfilmungen ihrer Romane »Die Insel der schwarzen Schmetterlinge« und »Die Unbeugsame« waren in Finnland große Erfolge. Leena Lander lebt mit ihrem Mann, dem Schriftsteller Hannu Raittila, im Südwesten von Finnland in der Nähe von Turku.