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Leidenschaft

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
128 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am25.09.2014
Vom Feuer der Liebe, die alle Regeln bricht
Ein kleiner Ort im Herzen der französischen Provinz in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg. Hier führen Colette und ihr um viele Jahre älterer Ehemann ein stilles, zurückgezogenes Leben. Für das große Glück und die Leidenschaft ist kein Platz. Das Miteinander in der dörflichen Gemeinschaft ist bestimmt vom Schweigen und von Anspielungen, von verdeckter Feindschaft und duldsamer Genügsamkeit. Und doch brodeln unter der Oberfläche ungeahnte Gefühle.

Irène Némirovsky wurde 1903 als Tochter eines reichen russischen Bankiers in Kiew geboren und kam während der Oktoberrevolution nach Paris. Dort studierte sie französische Literatur an der Sorbonne. Irène heiratete den weißrussischen Bankier Michel Epstein, bekam zwei Töchter und veröffentlichte ihren Roman 'David Golder', der sie schlagartig zum Star der Pariser Literaturszene machte. Viele weitere Veröffentlichungen folgten. Als der Zweite Weltkrieg ausbrach und die Deutschen auf Paris zumarschierten, floh sie mit ihrem Mann und den Töchtern in die Provinz. Während der deutschen Besetzung erhielt sie als Jüdin Veröffentlichungsverbot. In dieser Zeit arbeitete sie an einem großen Roman über die Okkupation. Am 13. Juli 1942 wurde Irène Némirovsky verhaftet und starb wenige Wochen später in Auschwitz. 2005 entzifferte Némirovskys Tochter Denise Epstein das Manuskript, das als 'Suite française' veröffentlicht und zur literarischen Sensation wurde.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR14,95
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR8,99
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR7,99

Produkt

KlappentextVom Feuer der Liebe, die alle Regeln bricht
Ein kleiner Ort im Herzen der französischen Provinz in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg. Hier führen Colette und ihr um viele Jahre älterer Ehemann ein stilles, zurückgezogenes Leben. Für das große Glück und die Leidenschaft ist kein Platz. Das Miteinander in der dörflichen Gemeinschaft ist bestimmt vom Schweigen und von Anspielungen, von verdeckter Feindschaft und duldsamer Genügsamkeit. Und doch brodeln unter der Oberfläche ungeahnte Gefühle.

Irène Némirovsky wurde 1903 als Tochter eines reichen russischen Bankiers in Kiew geboren und kam während der Oktoberrevolution nach Paris. Dort studierte sie französische Literatur an der Sorbonne. Irène heiratete den weißrussischen Bankier Michel Epstein, bekam zwei Töchter und veröffentlichte ihren Roman 'David Golder', der sie schlagartig zum Star der Pariser Literaturszene machte. Viele weitere Veröffentlichungen folgten. Als der Zweite Weltkrieg ausbrach und die Deutschen auf Paris zumarschierten, floh sie mit ihrem Mann und den Töchtern in die Provinz. Während der deutschen Besetzung erhielt sie als Jüdin Veröffentlichungsverbot. In dieser Zeit arbeitete sie an einem großen Roman über die Okkupation. Am 13. Juli 1942 wurde Irène Némirovsky verhaftet und starb wenige Wochen später in Auschwitz. 2005 entzifferte Némirovskys Tochter Denise Epstein das Manuskript, das als 'Suite française' veröffentlicht und zur literarischen Sensation wurde.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641147303
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2014
Erscheinungsdatum25.09.2014
Seiten128 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse397 Kbytes
Artikel-Nr.1467920
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe



Wir tranken einen leichten Punsch, wie er in meiner Jugend in Mode war. Wir saßen vor dem Feuer, meine Cousins Érard, die Kinder und ich. Es war ein Herbstabend, hochrot über den vom Regen durchweichten Sturzäckern; der flammende Sonnenuntergang verhieß für den nächsten Tag starken Wind; die Raben krächzten. In diesem großen eiskalten Haus drang überall Luft herein mitsamt dem herben, fruchtigen Geruch, den sie in dieser Jahreszeit hat. Meine Cousine Hélène und ihre Tochter, Colette, bibberten unter den Kaschmirschals meiner Mutter, die ich ihnen geliehen hatte. Wie immer, wenn sie mich besuchen, fragten sie, wie ich es bloß anstellte, in diesem Rattenloch zu leben, und Colette, die kurz vor ihrer Hochzeit stand, rühmte mir die Reize von Moulin-Neuf, wo sie demnächst wohnen wird und «wo ich Sie oft zu sehen hoffe, Vetter Silvio», sagte sie. Mitleidig sah sie mich an. Ich bin alt, arm, Junggeselle; ich vergrabe mich in einer Bruchbude tief im Wald. Alle wissen, daß ich viel gereist bin und mein Erbe verpraßt habe; als ich, der verlorene Sohn, in meine Heimat zurückgekehrt bin, war sogar das Mastkalb an Altersschwäche gestorben, nachdem es lange vergeblich auf mich gewartet hatte. Meine Cousins Érard, die in Gedanken ihr Los mit dem meinen verglichen, verziehen mir vermutlich das viele Geld, das ich mir von ihnen geliehen hatte, ohne es zurückzugeben, und wiederholten mit Colette:

«Sie leben hier wie ein Wilder, armer Freund. Sie sollten zu der Kleinen kommen, wenn sie sich eingerichtet hat, und die schöne Jahreszeit bei ihr verbringen.»

Dabei erlebe ich recht angenehme Momente, auch wenn sie nichts davon ahnen. Heute bin ich allein; der erste Schnee ist gefallen. Dieses Land, im Herzen Frankreichs, ist wild und reich zugleich. Jeder lebt für sich, auf seinem Gut, mißtraut dem Nachbarn, bringt seinen Weizen ein, zählt sein Geld und kümmert sich nicht um den Rest. Keine Schlösser, keine Besichtigungen. Hier herrscht eine Bourgeoisie, die dem Volk noch sehr nahe ist, gerade erst aus ihm hervorgegangen, mit feurigem Blut und allen Gütern der Welt zugetan. Meine Familie überzieht die Provinz mit einem ausgedehnten Netz an Érards, Chapelains, Benoîts, Montrifauts; es sind Großbauern, Notare, Beamte, Grundbesitzer. Ihre stattlichen Häuser liegen isoliert, weit vom Weiler entfernt, und werden von großen abweisenden, dreifach verriegelten Türen geschützt wie von Gefängnistüren, und davor von nüchternen Gärten, in denen fast keine Blumen wachsen: nur Gemüse und Spalierobstbäume, da diese mehr Früchte tragen. Die Wohnstuben sind mit Möbeln vollgestopft und immer geschlossen; man lebt in der Küche, um Brennholz zu sparen. Ich spreche natürlich nicht von François und Hélène Érard; ich kenne keine angenehmere, keine einladendere Wohnung, kein intimeres, fröhlicheres und wärmeres Heim. Trotzdem, für mich kommt nichts einem Abend wie diesem gleich: Es herrscht völlige Einsamkeit; meine Magd, die im Weiler schläft, hat gerade die Hühner eingesperrt und geht nach Hause. Ich höre das Klappern ihrer Holzschuhe auf dem Weg. Mir bleiben meine Pfeife, mein Hund zwischen den Beinen, das Rascheln der Mäuse auf dem Dachboden, das zischende Feuer, keine Zeitungen, keine Bücher, eine Flasche Juliénas, die sich am Kamin sanft erwärmt.

«Warum nennt man Sie Silvio, Vetter?» fragt Colette.

Ich antworte:

«Weil eine schöne Dame, die in mich verliebt war und die fand, daß ich einem Gondoliere ähnelte - denn damals, vor dreißig Jahren, hatte ich einen gezwirbelten Schnurrbart und schwarzes Haar -, meinen Vornamen Sylvester auf diese Art abgeändert hat.»

«Aber Sie ähneln doch eher einem Faun», sagte Colette, «mit Ihrer großen Stirn, Ihrer Himmelfahrtsnase, Ihren spitzen Ohren und Ihren lachenden Augen. Sylvester, der Waldmensch. Das paßt sehr gut zu Ihnen.»

Von Hélènes Kindern ist mir Colette die liebste. Sie ist nicht schön, hat aber etwas, was ich in meiner Jugend bei Frauen überaus schätzte: Feuer. Ihre Augen lachen, ebenso ihr großer Mund; ihr schwarzes Haar ist duftig und schlüpft in kleinen Locken unter ihrem Schal hervor, mit dem sie ihren Kopf bedeckt hat, da sie behauptet, Zugluft auf ihrem Nacken zu spüren. Man sagt, sie ähnele Hélène, als diese jung war. Aber ich erinnere mich nicht. Seit der Geburt ihres dritten Sohnes, des kleinen Loulou, der jetzt neun Jahre alt ist, hat Hélène stark zugenommen, und die achtundvierzigjährige Frau mit der weichen, welken Haut überdeckt in meiner Erinnerung die zwanzigjährige Hélène, die ich gekannt habe. Jetzt strahlt sie eine glückliche Gelassenheit aus, die beruhigt. Dieser Abend bei mir war ein offizieller Vorstellungsbesuch: Man machte mich mit Colettes Verlobtem bekannt. Es ist Jean Dorin, aus der Familie Dorin von Moulin-Neuf, Mühlenbesitzer vom Vater auf den Sohn. Ein schöner Fluß, grün und schaumbedeckt, fließt zu Füßen dieser Mühle. Als Dorins Vater noch lebte, ging ich dorthin, um Forellen zu angeln.

«Du wirst uns guten Fisch vorsetzen, Colette», sagte ich.

François lehnt meinen Punsch ab: er trinkt nur Wasser. Er hat einen dünnen grauen Spitzbart, den er sanft mit der Hand streichelt. Ich sagte:

«Sie werden die Gesellschaft nicht vermissen, wenn Sie sie verlassen haben, oder vielmehr wenn Sie von ihr verlassen worden sind, wie es bei mir der Fall war …»

Denn manchmal habe ich das Gefühl, als wäre ich vom Leben zurückgeworfen worden wie von einer zu hohen See. Ich bin an einem traurigen Ufer gestrandet, auf einem zwar noch soliden Boot, dessen Farben das Wasser jedoch ausgebleicht und das Salz zerfressen hat.

«… Sie werden nichts vermissen, da Sie ja weder den Wein noch die Jagd, noch die Frauen lieben.»

«Ich werde meine Frau vermissen», sagte er lächelnd.

Da setzte sich Colette neben ihre Mutter und fragte:

«Mama, erzähle mir von deiner Verlobung mit Papa. Nie hast du von deiner Hochzeit gesprochen. Warum? Ich weiß nur, daß es eine romantische Geschichte war, daß ihr euch seit langem geliebt habt … Davon hast du mir nie erzählt. Warum?»

«Weil du mich nie darum gebeten hast.»

«Aber jetzt bitte ich dich darum.»

Hélène wehrte lachend ab:

«Das geht dich nichts an», sagte sie.

«Du willst es nicht sagen, weil du dich genierst. An Vetter Silvio kann es doch nicht liegen: Bestimmt weiß er alles. Ist es wegen Jean? Aber morgen wird er dein Sohn sein, Mama, und er muß dich kennen, wie ich dich kenne. Ich möchte so gerne, daß wir so zusammenleben wie du mit Papa! Ich bin sicher, daß ihr euch nie gestritten habt.»

«Ich geniere mich nicht wegen Jean», sagte Hélène, «sondern wegen dieser großen Bengel», und sie deutete lächelnd auf ihre Söhne.

Sie saßen auf den Fliesen und warfen Tannenzapfen ins Feuer, von denen sie einen ganzen Vorrat in ihren Taschen hatten; mit einem lebhaften, hellen Knacken platzten sie in den Flammen. Georges und Henri, fünfzehn und dreizehn Jahre alt, antworteten:

«Wenn es unseretwegen ist, dann nur zu, genier dich nicht. Eure Liebesgeschichten interessieren uns nicht», sagte Georges, der im Stimmbruch war, verächtlich.

Und der kleine Loulou war eingeschlafen.

Aber Hélène schüttelte den Kopf und wollte nicht sprechen. Schüchtern schaltete Colettes Verlobter sich ein:

«Sie sind ein vorbildliches Ehepaar. Aber ich hoffe, daß auch wir eines Tages …»

Er stammelte. Er scheint ein braver Junge zu sein; er hat ein mageres, sanftes Gesicht, schöne, ängstliche Hasenaugen. Seltsam, daß sich Hélène und Colette, Mutter und Tochter, dieselbe Art von Ehemann ausgesucht haben: sensibel, zart, fast weiblich, leicht zu beherrschen, und gleichzeitig zurückhaltend, scheu, fast schamhaft. Großer Gott! Ich war nicht so! Ich betrachtete sie alle sieben. Ich saß ein wenig abseits. Wir hatten unsere Mahlzeit in der Stube eingenommen, neben der Küche dem einzigen bewohnbaren Raum meiner Behausung; ich schlief in einer Art Mansarde auf dem Dachboden. Diese Stube hier unten ist immer ein wenig dunkel, und am heutigen Novemberabend war sie so düster, daß man, sobald das Feuer abnahm, nur die an der Wand hängenden großen Kessel und alten Bettpfannen sah, deren Kupfer noch den geringsten Lichtschimmer auffängt. Wenn die Flammen wieder aufloderten, erhellten sie sanftmütige Gesichter, wohlwollendes Lächeln, Hélènes Hand mit ihrem goldenen Ring, die die Locken des kleinen Loulou streichelten. Hélène trug ein weißgepunktetes blaues Seidenkleid. Der gemusterte Kaschmirschal meiner Mutter bedeckte ihre Schultern. Neben ihr saß François, und beide betrachteten die Kinder zu ihren Füßen. Ich wollte meine Pfeife wieder anzünden und hob ein brennendes Holzstück hoch, das seinen Lichtschein auf mein Gesicht warf. Wahrscheinlich war ich nicht der einzige, der meine Umgebung beobachtete, und vermutlich hatte auch Colette gute Augen, denn mit einem Mal rief sie aus:

«Wie sarkastisch Sie doch aussehen, Vetter Silvio, das ist mir schon oft aufgefallen.»

Dann, sich an ihren Vater wendend:

«Ich warte noch immer auf die Erzählung eurer Liebe, Papa.»

«Dann will ich euch», sagte François, «meine erste Begegnung mit eurer Mama erzählen. Damals wohnte euer Großvater im Weiler. Wie ihr wißt, war er zweimal verheiratet. Eure Mutter war ein Kind aus seiner ersten Ehe, und auch ihre Stiefmutter hatte eine Tochter, ebenfalls aus einer ersten Ehe. Was ihr nicht wißt, ist, daß man mir dieses junge Mädchen (also die Halbschwester eurer Mutter) als Ehefrau zugedacht hatte.»

«Wie komisch», sagte...


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Autor

Irène Némirovsky wurde 1903 als Tochter eines reichen russischen Bankiers in Kiew geboren und kam während der Oktoberrevolution nach Paris. Dort studierte sie französische Literatur an der Sorbonne. Irène heiratete den weißrussischen Bankier Michel Epstein, bekam zwei Töchter und veröffentlichte ihren Roman "David Golder", der sie schlagartig zum Star der Pariser Literaturszene machte. Viele weitere Veröffentlichungen folgten. Als der Zweite Weltkrieg ausbrach und die Deutschen auf Paris zumarschierten, floh sie mit ihrem Mann und den Töchtern in die Provinz. Während der deutschen Besetzung erhielt sie als Jüdin Veröffentlichungsverbot. In dieser Zeit arbeitete sie an einem großen Roman über die Okkupation. Am 13. Juli 1942 wurde Irène Némirovsky verhaftet und starb wenige Wochen später in Auschwitz. 2005 entzifferte Némirovskys Tochter Denise Epstein das Manuskript, das als "Suite française" veröffentlicht und zur literarischen Sensation wurde.