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Der Holzvulkan

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
96 Seiten
Deutsch
Beck C. H.erschienen am15.07.20141. Auflage
Auch Niedersachsen hatte seinen Märchenkönig - zwar 'nur' einen Herzog, aber der, Herzog Anton Ulrich von Braunschweig-Wolfenbüttel (1633-1714), dessen 300. Todestag wir in diesem Jahr begehen und dem wir eine der größten Kunstsammlungen Deutschlands verdanken, war wild entschlossen, aus seinem kleinen Herzogtum ein Wunderland der Künste zu machen. Hans Pleschinski erzählt Phantastisches über den Monarchen, Dichter, Feste-Arrangeur, Finanzjongleur, Kunstkäufer und Mäzen, dessen Traum vom eigenen Versailles im Bau des wundersamen Schlosses Salzdahlum gipfelte, das leider zu raschem Untergang verurteilt war - wie eine Titanic auf dem Land! Die hinreißende Geschichte eines Größenwahnsinnigen und die Erinnerung an eine andere, festliche, spendable und schönheitstrunkene deutsche Mentalität, wurde von Hans Pleschinski für diese Ausgabe durchgesehen und überarbeitet.

Hans Pleschinski, geboren 1956, lebt als freier Autor in München. Er veröffentlichte u.a. die Romane 'Leichtes Licht' (C.H.Beck, 2005), 'Ludwigshöhe' (C.H.Beck, 2008) und 'Königsallee' (C.H.Beck, 2013), eine Auswahl aus dem Briefwechsel zwischen Voltaire und Friedrich dem Großen und gab die Briefe der Madame de Pompadour und eine Auswahl aus dem Tagebuch des Herzogs von Croÿ heraus. Zuletzt erhielt er u.a. den Hannelore-Greve-Literaturpreis (2006), den Nicolas-Born-Preis (2008) und wurde 2012 zum Chevalier des Arts et des Lettres der Republik Frankreich ernannt. 2014 erhielt er den Literaturpreis der Stadt München
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Verfügbare Formate
BuchKartoniert, Paperback
EUR12,95
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR8,99

Produkt

KlappentextAuch Niedersachsen hatte seinen Märchenkönig - zwar 'nur' einen Herzog, aber der, Herzog Anton Ulrich von Braunschweig-Wolfenbüttel (1633-1714), dessen 300. Todestag wir in diesem Jahr begehen und dem wir eine der größten Kunstsammlungen Deutschlands verdanken, war wild entschlossen, aus seinem kleinen Herzogtum ein Wunderland der Künste zu machen. Hans Pleschinski erzählt Phantastisches über den Monarchen, Dichter, Feste-Arrangeur, Finanzjongleur, Kunstkäufer und Mäzen, dessen Traum vom eigenen Versailles im Bau des wundersamen Schlosses Salzdahlum gipfelte, das leider zu raschem Untergang verurteilt war - wie eine Titanic auf dem Land! Die hinreißende Geschichte eines Größenwahnsinnigen und die Erinnerung an eine andere, festliche, spendable und schönheitstrunkene deutsche Mentalität, wurde von Hans Pleschinski für diese Ausgabe durchgesehen und überarbeitet.

Hans Pleschinski, geboren 1956, lebt als freier Autor in München. Er veröffentlichte u.a. die Romane 'Leichtes Licht' (C.H.Beck, 2005), 'Ludwigshöhe' (C.H.Beck, 2008) und 'Königsallee' (C.H.Beck, 2013), eine Auswahl aus dem Briefwechsel zwischen Voltaire und Friedrich dem Großen und gab die Briefe der Madame de Pompadour und eine Auswahl aus dem Tagebuch des Herzogs von Croÿ heraus. Zuletzt erhielt er u.a. den Hannelore-Greve-Literaturpreis (2006), den Nicolas-Born-Preis (2008) und wurde 2012 zum Chevalier des Arts et des Lettres der Republik Frankreich ernannt. 2014 erhielt er den Literaturpreis der Stadt München
Details
Weitere ISBN/GTIN9783406667541
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2014
Erscheinungsdatum15.07.2014
Auflage1. Auflage
Reihetextura
Seiten96 Seiten
SpracheDeutsch
Illustrationenmit 8 Abbildungen
Artikel-Nr.1469142
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

 

 

 

Die Geister haben gewartet, auf einem Rastplatz, in den Wiesen. Dear Charles, steckt Professor Wilkies Germanistisches Institut noch seine zwei Backsteinkamine in den sonnigen Himmel von Berkeley? Bräunen sich auf dem Campus-Rasen, Tennisschläger und Paperbacks unterm Kopf, noch unsere Top-Gehirne und Top-Bodys der Zukunft?

Bevor mir hier auch nur eines der Affentempelchen, eines der chinesischen Goldglöckchen der gestrigen Nacht verlorengeht, sollst Du das Neue aus Europa hören, aus Westdeutschland, Du weißt, das strapazierte Handtuch, oder wie das Pentagon die tüchtige IBM-Niederlassung abzukürzen pflegt: Area D. So jedenfalls hat mir vor drei Tagen beim Abflug von Kennedy Airport jemand zugeflüstert und gemeint, D hinge mit dem nächsten D-Day zusammen. Aber das koloniale Verhältnis zwischen Europa und Amerika hat sich sowieso umgedreht. Enthusiastisch kann ich Dir einen denkwürdigen Brief garnieren, Charles. Hol Dir Dein dickstes German-English-Wörterbuch vom Regal, denn in meinen, wie Du ja sehen wirst, nur so sprudelnden Bericht sollen haufenweise würzigste, seltenste Klumpen Deutsch plumpsen, die Dir unter anderem beweisen werden: Kanadas Provinz Neu-Braunschweig könnte durchaus New-Zarmizegethusa heißen.

Ja, ich habe Fieber. Warm eingepackt liege ich auf einem fremden Sofa inmitten einer Schlucht von schweinsledernen Büchern aus Mayflower-Zeiten, sinne einem größenwahnsinnigen Monarchen hinterher und schniefe Dir die Bazillen aufs Papier. Influenza und Schnupfen habe ich von den Geistern. Und der, der mich ihnen zugeführt hat, hat mir zur Genesung seine gute Stube überlassen. Er ist Bibliothekar, fängt im Dienst eines toten Herzogs junge Ausländer ein und hat daneben eine, wie ich bei jedem Happen feststelle, äußerst leckere Anton-Ulrich-Torte erfunden hier gleich ein paar europäische Biskuitkrümel ins Kuvert.

Lieber Charles, vergiß die Rocky Mountains und verinnerliche jetzt (neben mir liegt eine wundervolle alte Landkarte von Norddeutschland um 1710): Atzumer Hügel.

Bei diesen Hügeln, kerngesund noch, wie es sich gehört für einen kalifornischen College-Studenten, war ich gestern, und ich sage Dir: Dort ruht der reine Irrwitz made in Germany. Keine Angst, Atzumer Hügel hat weder mit Bergen-Belsen noch überhaupt etwas mit Adolf Hitler zu tun. Zum deutschen Irrwitz dieser Hügel gehört für einmal nicht der Führer, sondern viel eher Federico Fellini.

Mit dem schrottreifen Opel, den ich mir in Hamburg zugelegt hatte, bin ich also gestern früh Richtung Süden gestartet. Es war und ist hier in Wolfenbüttel so südlich wie in Vancouver im Oktober. Nun ja, es ist ja auch Oktober. Als ich losfuhr, schüttete es aus dem grauen Himmel, und falls das mit dem giftigen Regen hier stimmt, dann muß der Petrus Germaniens gestern sein größtes Faß mit Salzsäure auf Lower Saxony ausgegossen haben. Was sag ich Dir ganz rasch von der Fahrt? Bassins von Kläranlagen waren meist links der Straße, rechts dauernd winzige Möbelcenter, und ehe ich richtig Gas gegeben hatte, war ich in Hannover, was sie, anders als in Kansas und Ohio, noch mit zwei n schreiben. Sie haben hier keine Entfernungen. Noch einmal aufs Gas getippt, und ich war in Zarmizegethusa, wo man sich fragt, ob man nicht den Highway nach Oakland erwischt hat. Das haben die Jungs von der Airforce hingekriegt, dachte ich verlegen. An einer breiten Straße aber sagte mir eine junge Frau: «Hier hat unser Schloß gestanden. 1961 hat's der Stadtrat, ich glaub wegen der Trasse, gesprengt.» GIs, das nebenbei, habe ich übrigens nirgendwo sehen können. Hier oben ist alles britische Besatzungszone.

Ich bin weitergefahren. Die Frau hatte mir Wolfenbüttel empfohlen (ich will Dir flink auf einer alten Pergamentseite den Decknamen heraussuchen), hatte mir also Dinogetia empfohlen, wo ich Fachwerkhäuser fotografieren könne.

Nicht ahnend, daß ich mich sehr bald neben einer gar nicht vorhandenen Pagode wiederfinden und eine Kuh aus einem Thronsaal verscheuchen würde, machte ich mich auf. Es mag fünf Uhr nachmittags gewesen sein.

Zwar regnete es nicht mehr ganz so heftig, aber genug, um über eine flache, grünliche, braune Gegend auch noch einen unvergeßlichen Wasserschleier aus Grau zu legen. Auf Schildern wurden Abzweigungen zum Harz angezeigt. Der Blocksberg, dachte ich da noch normal literarisch, nun ist Fausts Hexentanzplatz ganz nah bei mir. Aber, ist das nicht kurios, Charles, heute können weder die Hexen von Ost noch die von West zum Sabbath ihrer Johannisnächte. Die tausend Kilometer Grenze mit Todesstreifen, die sie sich hier eingehandelt haben, gehen mitten über ihre Zauberberge.

Ich habe vom Harz schwarze, hohe Wölbungen gesehen.

An einer Landstraßenkreuzung Richtung Fachwerkstadt hatte ich Zeit genug zu zählen, daß die deutsche Verkehrspolizei 37 Hinweisschilder angebracht hat. Bei solchen Attraktionen, wollte es mir scheinen, sind wir beide womöglich die letzten Idealisten, die in Wilkies Examenskursen kostbare Lebenszeit mit der überzähligen Der-Die-Das-Sprache vergeuden. Bald aber sollte ich und gleich sollst Du für all die Paukerei wunderbar entschädigt werden.

Linker Hand zeigte sich hinter Dunstfahnen, die über den abgeernteten Feldern gehißt waren, eine leicht bewaldete Erdwelle, nicht viel mehr als ein länglicher Hügel.

Kämst Du zu dem winzigen Höhenzug, Charles, auch Du würdest nicht das geringste Anzeichen dafür entdecken, daß man Meter um Meter den Taten eines deutschen Größenwahnsinnigen entgegensteuert.

Nasse Straße, nasse dunkelnde Bäume, in der Ferne eine nasse schiefergraue Kirchturmspitze, mehr sah auch ich nicht Ich fuhr aber nicht daran vorbei: Der Krach aus dem steinalten Opelmotor und die scheppernde Heizung hatten angefangen, mir enorm auf die Nerven zu gehen. Es gab da einen Rastplatz, ein paar festgeschraubte Holztische mit angeschraubten Bänken. Ich stellte den Motor ab und rollte auf die kleine Asphaltfläche neben der Straße, zwängte mich in meine Jacke, griff meinen Schirm und stieg aus.

Ich ging ein paar Schritte in der Dämmerung, wischte mit der Handkante eine Bankecke trocken und setzte mich hin. Von da konnte ich den Hügelhang hinab auf eine ziemlich weite Ebene schauen. Hatten bisher nur Dunstfahnen über dem Boden gehangen, so schienen sich jetzt über die graugrünliche Senke zu tief gesunkene Wolken zu schieben. Das nebelige Schottland, dachte ich ganz angetan, kann ich mir jetzt sparen.

Daß ich am anderen Ende des Rastplatzes einen Mann sah, der mit gleicher Blickrichtung wie ich auf einer Bank saß, war eine Überraschung. Ich zuckte zusammen, es parkte kein zweites Auto hier; ich hatte mich allein geglaubt.

Ein eiserner Spaziergänger, meinte ich von dem dicken Dreck an seinen Gummistiefeln ablesen zu können. Ich lugte unter dem Rand meines Schirms genauer hin. Zu den verdreckten Stiefeln wollte die dunkelbraune Pelerine genauso wenig passen wie der Hut, dessen tropfende Bohème-Krempe dem Mann fast bis auf die Schultern hinunterschlappte und meinem Blick nicht einmal seine Nasenspitze preisgab.

Einer der vielen deutschen Selbstmordkandidaten, war mein zweiter blödsinniger Gedanke. Ein Deutscher, kam es mir in den Sinn, der an verregneten Oktoberabenden sein Dichterkostüm überwirft und in den Dunst schweigt. Entweder sehr müde oder vollkommen entspannt saß der Mann geradeaus schauend auf seiner angeschraubten Rastplatzbank, während ich den Regen laut im gelben Kastanienlaub rascheln hörte.

Mit dem werde ich noch Worte wechseln, wußte ich schon jetzt. Ich wußte aber nicht, Charles, welche es sein würden, wichtige, kostbare über niedersächsische Bauern in Aztekentracht, auch über einen Sohn, der sich zum Mißvergnügen seines großen herzoglichen Vaters von Prinz Christian auf den Stiefel pinkeln ließ

Ich erschrak. Aus der Entfernung vernahm ich ein Klicken. Gleich darauf begannen Fanfarenstöße zu schmettern. Pauken und Trompeten donnerten eine Art Händelscher Feuerwerksmusik in die Regenlandschaft, als müßte sich in wenigen Sekunden aus den Wolken über der Ebene ein Festzug des französischen Sonnenkönigs herausschälen. So viel war klar: Ich war Voyeur geworden bei eigenartigen Ereignissen vor Wolfenbüttel.

«Ha!» hörte ich den Mann wie elektrisiert in den Dauerwolkenbruch rufen. Das Schmettern aus dem Radio oder Recorder ging über in irgend so einen alten Menuettanz. Zu diesen Tönen wurde ungefähr Folgendes in die vermeintliche Einsamkeit ausgerufen: «O», hörte ich, «o du Lilie Niedersachsens! Ja, du wärst der Held, die Landzerstörer auszubuddeln, noch die Knochen von Kriegstreibern, Feinden der freien Selbstentfaltung und Volksverdummer in deinen größten Salutmörser zu stopfen und ins ewige Packeis abzufeuern, auf daß Buße sei für Haß und...
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Autor

Hans Pleschinski, geboren 1956, lebt als freier Autor in München. Er veröffentlichte u.a. die Romane "Leichtes Licht" (C.H.Beck, 2005), "Ludwigshöhe" (C.H.Beck, 2008) und "Königsallee" (C.H.Beck, 2013), eine Auswahl aus dem Briefwechsel zwischen Voltaire und Friedrich dem Großen und gab die Briefe der Madame de Pompadour und eine Auswahl aus dem Tagebuch des Herzogs von Croÿ heraus. Zuletzt erhielt er u.a. den Hannelore-Greve-Literaturpreis (2006), den Nicolas-Born-Preis (2008) und wurde 2012 zum Chevalier des Arts et des Lettres der Republik Frankreich ernannt. 2014 erhielt er den Literaturpreis der Stadt München