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Strawberry Fields Berlin

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
224 Seiten
Deutsch
Rowohlt Verlag GmbHerschienen am01.09.20141. Auflage
Zwei junge Männer, zwei Geschichten: Schüttler, ein Berliner Boulevardjournalist, durchlebt sadomasochistische Arbeits­tage, muss grenzdebile Artikel und Promi-­Storys schreiben. In der Freizeit treibt er sich mit einer Bande herum, die auf behorn­brillte Hipster schießt - mit Sektkorken. Doch trotz aller Abgebrühtheit träumt Schüttler von einem anderen Leben ... Ein Leben, das Robert gefunden zu haben glaubt. Robert ist ausgestiegen aus dem deutschen Mief und reist nun, bis über beide Ohren verliebt, der schönen Luca durch Indien hinterher. Er findet sie in einem Hippie-Camp auf den Andamanen, feiert, lebt und liebt. Doch die Romanze wie die endlosen Partys werden Robert bald fremd und fremder. Julian Heun lässt Robert und Schüttler überraschend zusammentreffen - und lotet das Lebensgefühl der Twentysomethings zwischen Anpassung und Exzess, Vernunft und Freiheit aus. Die «unerhört poetische Kraft» (NZZ) des Slam-Dichters Julian Heun spürt man auch in seinem Romandebüt: Kühn konstruiert, frisch, originell und kraftvoll erzählt, ist «Strawberry Fields Berlin» ein pointiertes, oft ironisches Zeitbild - und dabei durchdrungen von einer wunderbaren Sehnsucht nach dem wahren Leben.

Julian Heun, geboren 1989 in Berlin, ist einer der bekanntesten Poetry-Slammer Deutschlands. Er studiert Literaturwissenschaft an der FU Berlin, schreibt für Bühnen, Literaturzeitschriften und Zeitungen. Als Slam-Poet war er bereits auf 3sat, ZDFkultur, SWR, WDR, NDR und Sat.1 Comedy zu sehen. 2007 wurde Julian Heun deutschsprachiger Meister im Poetry Slam (U20), 2008 deutschsprachiger Vizemeister und 2009 Vierter bei der Poetry-Slam-Weltmeisterschaft in Paris.
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Produkt

KlappentextZwei junge Männer, zwei Geschichten: Schüttler, ein Berliner Boulevardjournalist, durchlebt sadomasochistische Arbeits­tage, muss grenzdebile Artikel und Promi-­Storys schreiben. In der Freizeit treibt er sich mit einer Bande herum, die auf behorn­brillte Hipster schießt - mit Sektkorken. Doch trotz aller Abgebrühtheit träumt Schüttler von einem anderen Leben ... Ein Leben, das Robert gefunden zu haben glaubt. Robert ist ausgestiegen aus dem deutschen Mief und reist nun, bis über beide Ohren verliebt, der schönen Luca durch Indien hinterher. Er findet sie in einem Hippie-Camp auf den Andamanen, feiert, lebt und liebt. Doch die Romanze wie die endlosen Partys werden Robert bald fremd und fremder. Julian Heun lässt Robert und Schüttler überraschend zusammentreffen - und lotet das Lebensgefühl der Twentysomethings zwischen Anpassung und Exzess, Vernunft und Freiheit aus. Die «unerhört poetische Kraft» (NZZ) des Slam-Dichters Julian Heun spürt man auch in seinem Romandebüt: Kühn konstruiert, frisch, originell und kraftvoll erzählt, ist «Strawberry Fields Berlin» ein pointiertes, oft ironisches Zeitbild - und dabei durchdrungen von einer wunderbaren Sehnsucht nach dem wahren Leben.

Julian Heun, geboren 1989 in Berlin, ist einer der bekanntesten Poetry-Slammer Deutschlands. Er studiert Literaturwissenschaft an der FU Berlin, schreibt für Bühnen, Literaturzeitschriften und Zeitungen. Als Slam-Poet war er bereits auf 3sat, ZDFkultur, SWR, WDR, NDR und Sat.1 Comedy zu sehen. 2007 wurde Julian Heun deutschsprachiger Meister im Poetry Slam (U20), 2008 deutschsprachiger Vizemeister und 2009 Vierter bei der Poetry-Slam-Weltmeisterschaft in Paris.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783644119413
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2014
Erscheinungsdatum01.09.2014
Auflage1. Auflage
Seiten224 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2214 Kbytes
Artikel-Nr.1470019
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe



SCHÜTTLER. BERLIN. «Ich denke, das ist deine Nummer. Du wunderst dich sicher.»

Eine flatternde Stimme, wie zitterndes Glas. Ich hätte es wegdrücken sollen.

«Ich musste dich anrufen.»

Dann ein Kinderschrei aus einem anderen Raum. Ich winke die Putzfrau rein, sie hat gerade den Feger in der Hand und gleich was zu tun, weil ich meine Wasserflasche an die Wand geschlagen habe.

 

ROBERT. HAVELOCK ISLAND. Als meine Zehen zum ersten Mal in den Sand gleiten, fühlt es sich unwirklich geschmeidig an. In diesem wunderlichen Sand.

 

SCHÜTTLER. BERLIN. «Es interessiert mich nicht, es interessiert mich einfach nicht. Was soll das? Ich will es nicht hören.»

 

ROBERT. HAVELOCK ISLAND. Als meine Zehen das erste Mal in den Sand gleiten, fühlt es sich unwirklich geschmeidig an. In diesem wunderlichen Sand, feine Körner irgendwo zwischen Marmor und Champagner. Ich könnte ihn trinken oder essen, würde ihn mir sogar spritzen. Dass ich hier malen kann, bezweifle ich jedoch, denn sobald ich meinen Blick vom Sand hebe und über die Landschaft gleiten lasse, wird mir klar: Hier wird jeder Maler zum Grundschultuscher degradiert. Hier war ein Größerer am Werk. Diese Farben muss man erst einmal anmischen und dann auch den Mut besitzen, sie so zu kombinieren. Eine der Glanztaten, für die ich Gott bewundere, ist, wie ihm solche Farben und Bilder gelingen, die man nicht reproduzieren kann, ohne kitschig zu werden. Das Original ist ergreifend, jede Kopie amateurhaft und beschämend unmöglich. Auch das Wechselspiel: die schwarzen Augen des knochigen Rikschabengels und der krustige Haschischbatzen in seiner Hand. Wässriges Schimmern und ein Fächer Wimpern darüber, er knüllt den Brocken in ein Karoblatt, auf dem er vermutlich einmal seine Hausaufgaben gemacht hat, ein Dutzend hingekrakelter Gleichungen, Mathe in der 9. Klasse. Ungefähr. Affenkreischen. Böen rütteln in Palmenwipfel, Kokosnüsse fallen. Eine Katze spielt grobtatzig mit Orchideenfetzen, ohne aufzublicken oder zu zucken, als wir vorbeifahren.

 

SCHÜTTLER. BERLIN. «Es interessiert mich nicht, es interessiert mich einfach nicht. Was soll das? Wer will das hören? Niemand. Schreiben Sie das in Ihr Tagebuch, aber nicht in unsere Zeitung. Weiter! Lisa?»

«Lisa, bitte!»

«Ja, Moment.»

Wieland, die fitte Bestie. Wir haben Redaktionskonferenz am langen, fünfeckigen Tisch, es ist Mittwoch, und es ist eigentlich alles egal. Wieland spielt sich selber mit erstaunlicher Sicherheit. Was ein Vieh. Man könnte denken, er müsste so sein. Man könnte denken, die Hierarchie in Zeitungen entspräche auch verschiedenen Stufen der Ekelhaftigkeit, Borniertheit und Klischeetreue, nach oben hin immer schlimmer. Aber unser Vorstandsvorsitzender, der Rainger, also Wielands Chef, ist ein Lamm von Mensch. Er gleitet durch die Gänge mit einem in Milde erstarrten Mund und Augen voller liebevollem Hellblau. Er schreit nicht, trinkt nicht, flucht nicht und schämt sich auch kein bisschen dafür, dass er auf der Toilette wie eigentlich überall Hundemagazine liest, mit größter Vorliebe Schäferhundmagazine. Wir haben Redaktionskonferenz, und alles riecht nach Kaffee.

«Lisa?»

«Also, die Ministerstory, das Gleiche wie gestern. Heute in seinem Garten in Dahlem. Soll protzig sein - Wasserspielchen, Statuen und so. Vielleicht finden wir eine kranke Leidenschaft für schwarze Gartenzwerge oder so.»

Wieland schnalzt und übernimmt wieder:

«Gut, gut, nehmen Sie einen Fotografen mit, große Posen! Weiter! Dörsam?»

«Nichts.»

«Nichts?»

«Nichts.»

«Das bin ich nicht gewöhnt von Ihnen, Dörsam. Nächstes Mal. Haben Sie wenigstens die siamesischen Vierlinge?»

«Herr Wieland, es tut mir leid. Die haben wir auch nicht. Es ist, weil -»

«Wir haben die siamesischen Vierlinge nicht? Wie kann, wie in aller Welt kann so etwas passieren?»

«Unser Fotograf, er hatte eine Motorradpanne.»

«Motorradpanne? Ist der mit ´ner verdammten Ducati hingefahren oder was? Was ist das denn schon wieder für ein Spiegelwichser? Motorradpanne. Kein Wunder, dass er jede zweite Geschichte versaut. Sogar die Integrationsoma. Ich krieg zu viel mit solchen Leuten. Weiter! Nun zu Ihnen, Freund Schermin?»

Meine Gefühlsparameter schwanken während der Redaktionskonferenz lediglich auf der Skala zwischen freudiger Abscheu, widerlicher Abscheu und einer Art Mitleid. Es fällt mir schwer zu entscheiden, was ich für Stiefel-Schermin empfinden soll. Wie er zittert vor Aufregung, seine Bürostuhllehne vor- und zurückschnellen lässt, weil er gleich sein Thema vortragen wird, und ich weiß natürlich, wie er Wieland dann gleich anblicken wird, nämlich wie immer mit der übersteuerten Erwartung einer Pornodarstellerin vor dem Cumshot. Stiefel-Schermin bringt nur ganz selten etwas anderes als Mist, das weiß er, und alle wissen das. Weil Stiefel-Schermin heute wieder unerträglich aussieht, entscheide ich mich für das, was sich wie Mitleid anfühlt.

Stiefel-Schermin hat sich seinen Namen redlich verdient. Seit einer Woche trägt er Cowboystiefel. An sich ist das nur stillos, aber nicht weiter erwähnenswert. Schermin, dieser bleichbackige Wicht, übernimmt die Geschichten, die keiner will, übernimmt sie ohne jede Gegenwehr, während er die schwefelgelben Augen demütig senkt. Jede seiner Bewegungen badet in Unsicherheit, man sagt, seine Frau sei erfunden und er lasse sich von einer männlichen Domina mittelgroße Küchengeräte einführen. Aber man sagt viel hier. Schermin wirkt, als ließe er das Leben am großen Kickertisch immer absichtlich gewinnen, damit es ja nett zu ihm sei. Ist es aber nicht, nie. Deshalb hat er sich die Cowboystiefel gekauft, das wohl unpassendste Kleidungsstück für ihn überhaupt. Damit schleicht er nun wie ein kleiner Gangstergehilfe aus einem schmierigen Western um seinen Tisch im Großraumbüro, jederzeit darauf gefasst, dass man ihn erschießen könnte. An gestern Abend erinnere ich mich kaum, aber dafür bin ich so knallwach, dass es im Nacken kribbelt, und ausgesprochen fies gelaunt. Perfekte Journalistenstimmung.

Beim Rausgehen winkt mich Wieland mit einer kleinen Drehung in sein Büro. Er hat dort ein Aquarium und verfüttert an seine blöden Fische ein halbes Monatsgehalt. Nun legt er seine Lieblingsmiene auf. Falsche Besorgtheit und waschechte Verhetztheit.

«Schüttler, was soll ich sagen? Die Nacktmalerin war ja wirklich ein feines Stück. Würd ich mir an die Wand hängen.»

An die Wand hängen, an die Wand hängen. Da klingt sie noch durch, Wielands abgebrochene Künstlerlaufbahn. In der Redaktion ist sie mehr so ein Gerücht, zu dem immer wieder ein, zwei neue Details hinzugefügt werden, und am Ende hat keiner mehr eine Ahnung, was überhaupt stimmt. Es kursieren verschiedene Geschichten: dass Wieland früher Straßenzeichner gewesen sei, dass er eine Ballettschule besucht habe, dass er aufstrebender Konzertpianist gewesen sei. Irgendeine kreative Richtung soll er eingeschlagen und dann abgebrochen haben. Aber bei ihm nachzufragen trauen wir uns nicht. Der Wutausbruch über so eine Distanzlosigkeit wäre vorprogrammiert.

«Danke.»

«Auch textlich. Aber sonst. Ich habe mir noch mal einen Blick auf die letzten Tage gegönnt. Gestern kam nichts Anständiges rein. Nur viel krudes Zeug, so Nischengeschichtchen, ein paar kleine Fetische, aber keine großen Storys, kein Glamourama, nur mal ein kleines Glitzern hier und da. Konnte man fast nichts davon reinnehmen.»

«Nun, Herr Wieland, die Marbellastory ...»

«Ach, Wieland, blabla, Wieland. Lassen Sie das! Marbella war eine Sache. Eine. Wir beide wissen, wie es aussieht. Keinen Scheiß mehr, ich will dauerhaft fette, runde Geschichten. Zacki-di-zack. Schönen Tag, Schüttler!»

Schönen Tag, Schüttler. Schönen Tag, Schüttler. Wieland ist ein Heißluftballon von Mensch, unnütz und gefährlich, aufgeblasen und immer kurz vor dem Abbrennen. Er schwebt über allem, und wir müssen huldigend zu ihm hochschauen: Seht nur, seht,...

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Autor

Julian Heun, geboren 1989 in Berlin, ist einer der bekanntesten Poetry-Slammer Deutschlands. Er studiert Literaturwissenschaft an der FU Berlin, schreibt für Bühnen, Literaturzeitschriften und Zeitungen. Als Slam-Poet war er bereits auf 3sat, ZDFkultur, SWR, WDR, NDR und Sat.1 Comedy zu sehen. 2007 wurde Julian Heun deutschsprachiger Meister im Poetry Slam (U20), 2008 deutschsprachiger Vizemeister und 2009 Vierter bei der Poetry-Slam-Weltmeisterschaft in Paris.