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Opa kriegt nichts mehr zu trinken!

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
304 Seiten
Deutsch
Rowohlt Verlag GmbHerschienen am24.10.20141. Auflage
Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR12,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

Details
Weitere ISBN/GTIN9783644534810
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2014
Erscheinungsdatum24.10.2014
Auflage1. Auflage
Reihen-Nr.3
Seiten304 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse691 Kbytes
Artikel-Nr.1485415
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


Es geht los: Kurzer Überblick über die bucklige Verwandtschaft


Weihnachten ist lustig. Deshalb lieben wir es. Und genießen jede Minute. Okay, vielleicht nicht jede einzelne Minute. Und wohl auch nicht jeden einzelnen Gast, der zu Besuch kommt. Genau genommen wäre das Fest schöner ohne diese eine Schwägerin und ohne den gewissen Onkel. Die beiden kommen trotzdem. Auf ein paar kreischige Kleine könnten wir ebenfalls verzichten. Aber sie sind dabei.

Bei manchen Gestalten wissen wir nicht mal, ob sie wirklich mit uns verwandt sind. Aber sie kommen. Je mehr Gäste eintreffen, einander Küsschen geben, schief lächeln, Witze machen, Kontaktlinsen verlieren, sich zerstreiten, fluchend aus dem Haus laufen, frierend zurückkehren und andere mitbringen - desto unklarer wird, wer zu unserem Patchwork gehört, wer nur so tut und wer sich in der Tür geirrt hat.

Wollen wir mal kurz sortieren? Da ist die Mutter, die die Kinder unter Schmerzen geboren, gestillt, gewickelt und gepäppelt hat, wenn sie auch nicht in jedem Fall mit der späteren Entwicklung einverstanden ist. Aus diesem oder jenem hätte mehr werden können. Doch sie hält Weihnachten für ein Fest des Verzeihens, der Wärme und des Beisammenseins. Und sie hat die eigentümliche Idee, dass Geschenke von Herzen kommen sollten. Vorsicht - sie ist schnell verstimmt und nutzt dann die vagen Schuldgefühle der anderen zur Herrschaft. Dann der Vater, offiziell Erzeuger einiger Kinder; bei einem wird er zunehmend unsicher. Er wollte ursprünglich gar keine Familie gründen, ist da mehr so reingerutscht, fühlt sich zu Weihnachten körperlich unwohl und versucht, wohlwollende Distanz zu halten. Er verteidigt einen Rest Souveränität, indem er sich kritisch über den Rummel äußert und das Fest als total kommerzialisiert bezeichnet, hat jedoch den Weihnachtsbaum besorgt und gibt sich in belastenden Momenten noch mal als echt strenger Erzieher.

Dann gibt es da so einen Sohn, der sich auf der Feier wie auf einem anderen Stern fühlt. Er will möglichst bald zur Anti-Feier, möchte aber vorher noch gründlich abkassieren. Er äußert angelesene politische Vorstellungen, singt nicht mit, hält sich für total überlegen und eignet sich deshalb großartig für Mobbingübungen. Seine Schwester ist tagelang durch die Shopping Malls gestreift, wollte cool bleiben, ist aber doch von Sehnsucht und Kuschelstimmung infiziert worden. Bei ausbleibender Wunscherfüllung provoziert sie eine tränenreiche Auseinandersetzung, behält aber durch die zerfließende Schminke hindurch ihren Facebook-Account im Auge und liest vor, was ihre Freundinnen gerade posten.

Der Großvater wundert sich seit vielen Jahren, dass er schon Großvater ist, und versucht immer noch zu verstehen, wie es so weit kommen konnte. Er wird es nie kapieren. Er ist zufrieden, wenn sich die Schenkerei finanziell regeln lässt, und will im Übrigen nur essen und nicht in Gespräche gezogen werden. Trägt dann leider selbst zum Tischgespräch bei, indem er seine Beschwerden im Urogenitalbereich beschreibt. Die liebe Großmutter sieht nach eigener Einschätzung erheblich jünger aus und wurde nach eigener Auskunft schon mehrmals für die Mutter ihrer Enkel gehalten. Ist in Wirklichkeit eindeutig die Alte im Abwärtstrend. Sie weiß recht präzise, wie man Kinder erziehen muss, hält sich aber zurück und gibt den Eltern lediglich diskrete Hinweise, das jedoch ununterbrochen.

Ein obskurer Onkel beginnt anfangs unbeobachtet, später unverhohlen mit dem Hinunterschütten betäubender Flüssigkeiten. Diese Schnäpse, erklärt er, förderten seine Gesundheit. Im fortgeschrittenen Stadium erkundigt er sich bei den jüngeren Anwesenden, ob sie ihren Organspendeausweis griffbereit hätten. Er möchte den ganzen Abend die Nichte auf dem Schoß halten. Die Tante hat Kinderfotos mitgebracht, weil das damals doch die schönste Zeit war. Motto: Hier, ratet mal, wer das ist! Und das? Da kommt ihr nicht drauf! Die Tante kennt das Weihnachtsoratorium, Teile 1 bis 3, und hat spirituelle Erlebnisse gehabt, über die sie nur mit Berufenen redet; zu später Stunde leider mit allen. Wer auf sie hört, wird im nächsten Leben auf einer höheren Stufe wiedergeboren, möglicherweise sogar an ihrer Seite.

Ein Cousin unklarer Herkunft brütet vor sich hin. Er gilt als traumatisiert, seit er im Kindergarten mit angeklebtem Bart den Joseph spielen musste. Jetzt kaut er Nägel und lässt durchblicken, dadurch lebe er die Schattenseiten seiner Eltern aus. Er wirkt latent schmuddelig, tendenziell verwahrlost und müsste vielleicht mal eine vernünftige Frau kennenlernen oder einfach irgendwann anfangen zu arbeiten. Die Cousine hat beim Friseur eine Zeitschrift gelesen, die sie sonst nie liest; im Horoskop stand, sie solle ihre eigenen Bedürfnisse artikulieren. Sie hegt verschwommene Herzenserwartungen und rekelt sich in der Sehnsucht nach Zuwendung. Sie hält ihre Magersucht für überwunden, hat aber noch Anspruch auf einen Therapieplatz.

Der Neffe will am Abend von der Patentante reiche Ernte einfahren und bietet als Gegenleistung streifige Computerausdrucke von zusammengeschusterten Collagen; zu erkennen sind Druiden, Drachen und Battle-Figuren des Onlinespiels, dem er seine Lebenszeit widmet. Er sitzt herum, nimmt Platz ein und atmet Luft weg, mit der andere mehr anfangen könnten. Die Nichte löst bei Onkeln und Cousins stille Phantasien aus. Ihretwegen hat sich die Zusammenkunft für manchen überraschend gelohnt, der jetzt so tut, als fotografiere er nur den Weihnachtsbaum. Sie hat angeblich weder die Lippen aufspritzen noch Implantate machen lassen. Sie wird aufgefordert, den Pullover auszuziehen, es sei doch so warm.

Der Schwager ist nur versehentlich angeheiratet. Er betrachtet sich als Opfer der Familie. Aus Rache bringt er Reizthemen auf den Tisch und erfreut sich am folgenden Streit. Er verbreitet unüberprüfbare Informationen über schädliche Rückstände in Weihnachtsbäumen und in Bienenwachskerzen sowie über Nahrungsmittelgifte in Spekulatius, Zimtsternen und Marzipan. Der am schwersten zu entsorgende Schadstoff ist er selbst. Die Schwägerin gibt bekannt, dass die Frauen jetzt die Regie übernehmen müssten, womit sie sich selbst meint. Live und vor aller Augen faltet sie eine Serviette zu etwas, das ein Schwan, eine Bischofsmütze, eine Lilie oder ein Osterhase sein könnte. Sie verschenkt Blumentöpfe, die sie mit Serviettentechnik verziert hat, und verweist auf eine Ausstellung ihrer Aquarelle in der Rats-Apotheke.

Die Enkelin ist eine sogenannte Süße. Sie kann sich darauf verlassen, dass alle ihr nachgeben. Schon in der Wiege hat sie eine lautstarke Anspruchshaltung entwickelt. Die Wartezeit aufs Christkind füllt sie mit Quengeleien in quälender Tonlage. Sie saugt am eigenen Zeh und knabbert an ihren Nägeln. Der Enkel gilt als zukünftiger Entdecker und Ingenieur. Forschend bedeckt er schon mal den neuen Plasmafernseher mit Abdrücken seiner Klebehändchen. Er gießt Kakao über die Fernbedienung, reinigt sie mit Kräutertee und bemalt mit Fingerfarben den Touchscreen des neuen Tablets. In die Schlitze der wichtigsten technischen Geräte hat er Legosteine und Mikadostäbchen gesteckt, sodass sich weder Musik noch Filme abspielen lassen.

Ach ja, da ist natürlich die Schwiegermutter, zu erkennen an der Frisur einer evangelischen Pfarrersfrau. Sie ist fest davon überzeugt, dass sie gar nicht so schlimm ist wie ihr Ruf. Erteilt dann aber doch Ratschläge zur Lebensführung und mahnt Tischmanieren an. Sie schwört auf Montessori oder anthroposophische Pädagogik und arbeitet selbst seit Jahren an der Vervollkommnung ihrer Persönlichkeit. Ihretwegen eilen Minderbegabte in die Küche und atmen im Bratendunst tief durch oder fliehen auf den Balkon und stürzen sich ein Stockwerk tiefer, wo prollig Bier getrunken wird. Der Schwiegervater ist derjenige mit dem elefantösen Oberbauch. Er hat sich fest vorgenommen, sich an diesem Abend nicht aus der Ruhe bringen zu lassen, ernsthaft und klar zu bleiben, notfalls zu erläutern, wo seine Grenzen sind. Sagt aber nichts. Schaufelt sich lieber schweigend zu, während seine Frau von gutem und bösem Cholesterin spricht. Als Einziger macht er nicht mit beim abendlichen Vergnügen «Wir messen jetzt mal alle unseren Blutdruck».

Die Patentante ist alleinstehend, mit keinem Anwesenden verwandt und darüber sichtlich erleichtert. Sie erkauft sich Zuneigung durch Großzügigkeit. Sie hegt eine Neigung zu veganer Ernährung und kennt die Unterschiede zwischen Tofu, Seitan und Lupinensteaks. Sie streut mitgebrachtes Fleur de Sel aus der Camargue übers Essen. Es gibt noch einen Halbbruder, eine Promenadenmischung unklarer Herkunft. Er wolle, solange er in der Stadt sei, möglichst viele Freunde und Bekannte treffen, behauptet er. Jeder weiß, dass er weder Freunde noch Bekannte hat. Er kann sich nicht erklären, warum er alle Jahre wieder Deos und Seifen bekommt. Die Stiefschwester ist diejenige mit dem Tattoo. Sie erklärt sich selbst für verhaltensauffällig und führt das auf die frühkindliche Wunde der Ungeliebtheit zurück. Sie befindet sich mitten im Selbstfindungsprozess und posaunt als Neuigkeit hinaus, dass sie sich durch die Zuweisung der Geschlechterrollen unzureichend beschrieben fühlt.

Der Schwippschwager weiß von Beginn an nicht, wo er hier ist, und gibt sich früh die Kante. Lallt die anderen an, sie sollten vom Fernseher weggehen, weil da Breaking News kämen. Er möchte, dass die Welt untergeht, damit er wenigstens in diesem einen Punkt recht gehabt hat. Von Beruf ist er unkündbarer Oberstudienrat mit reduzierter Stundenzahl. Hinter vorgehaltener Hand wird er als früher normal und freundlich bezeichnet. Die Schwippschwägerin gilt als gefährlich,...
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Autor

Dietmar Bittrich, Jahrgang 1958, lebt in Hamburg. Er gewann den Hamburger Satirerpreis und den Preis des Hamburger Senats. Im Rowohlt Taschenbuch Verlag erschienen von ihm u.a. der Bestseller "Alle Orte, die man knicken kann". Seit 2012 gibt er die erfolgreiche Weihnachtsanthologie mit Geschichten rund um die bucklige Verwandtschaft heraus.Mehr erfahren Sie unter: dietmar-bittrich.deAlexandros Stefanidis, Jahrgang 1975, schrieb als freier Autor für Die Zeit und den Stern. Seit 2005 arbeitet er für das Magazin der Süddeutschen Zeitung. 2010 erschien sein erstes Buch «Beim Griechen», das ein Bestseller war. 2006 wurde er zum «Journalist des Jahres» gewählt, 2007 erhielt er den CNN Journalist Award, 2013 den Deutschen Reporterpreis. Alexandros Stefanidis lebt mit seiner Familie in der Nähe von München.Nora Gantenbrink, geboren 1986, studierte in Münster und besuchte die Henri-Nannen-Journalistenschule in Hamburg. Sie arbeitete acht Jahre lang als Reporterin für den Stern mit Stationen in New York und Los Angeles. Ihre Reportagen wurden mehrfach ausgezeichnet. Für Ihren Debütroman Dad erhielt sie den Literatur-Förderpreis der Stadt Hamburg. Seit 2021 ist sie Kulturredakteurin beim SpiegelDirk Gieselmann wurde 1978 in Diepholz bei Bremen geboren. Er ist seit 2006 Redakteur beim Fußballmagazin 11FREUNDE und schreibt nebenbei für den «Tagesspiegel» und «Das Magazin». Gewinner des Deutschen Reporterpreises 2013.Renate Bergmann, geb. Strelemann, 82, lebt in Berlin-Spandau. Sie war Reichsbahnerin, kennt das Leben vor, während und nach der Berliner Mauer und hat vier Ehemänner überlebt. Renate Bergmann ist Haushalts-Profi und Online-Omi. Seit Anfang 2013 erobert sie »das Interweb« mit ihren absolut treffsicheren An- und Einsichten - und mit ihren Büchern die ganze analoge Welt.Torsten Rohde, Jahrgang 1974, hat in Brandenburg/Havel Betriebswirtschaft studiert und als Controller gearbeitet. Sein Social-Media-Account @RenateBergmann entwickelte sich zum Internet-Phänomen. «Ich bin nicht süß, ich hab bloß Zucker» unter dem Pseudonym Renate Bergmann war seine erste Buch-Veröffentlichung - und ein sensationeller Erfolg -, auf die zahlreiche weitere, nicht minder erfolgreiche Bände und ausverkaufte Tourneen folgten.Sören Sieg wurde geboren, wuchs auf, studierte, arbeitet und wohnt. Nähere Angaben müssen aus Rücksicht auf seine Familie leider unterbleiben. Seit 2012 schreibt er für die Rowohlt-Weihnachtsanthologie. Im August 2016 erschien sein elftes Buch «Die dünnen Jahre sind vorbei» bei Ullstein. (soerensieg.de)Judith Luig, Jahrgang 1974, begann ihre journalistische Karriere als Reporterin für Schützenkönigskrönungen, Karnevalsprinzessinnen und goldene Hochzeiten. Sie schrieb für die «taz» über Frauen, Männer und Paralleluniversen und unterrichtete Literaturwissenschaften an der Freien Universität und an der Humboldt-Universität Berlin. Für die «Welt am Sonntag» stieg sie auf in die Liga der Thronfolgerhochzeiten, Heavy Metal Festivals und Protestkulturen. Sie ist Redakteurin im Politik Ressort von «Zeit Online» mit dem Schwerpunkt Familie, Schule und Erziehung. Käthe Lachmann ist Komikerin und Buchautorin aus Hamburg. Mit ihren selbstgeschriebenen Comedyprogrammen war sie zwanzig Jahre lang bundesweit unterwegs. Parallel ist sie als Buchautorin tätig, sie hat bisher drei Romane veröffentlicht («Draußen nur Männchen, «Ich bin nur noch hier, weil du auf mir liegst» und «Wenn zwei sich streiten, freut sich Brigitte»), außerdem verschiedene Kurzgeschichten und Geschenkbücher. Weihnachten fände sie mit einer Katze noch schöner, Silvester täte ihr die aber leid.Vanessa Giese, geboren 1978 und sozialisiert im Sauerland, hat während des Studiums zunächst das Rheinland kennengelernt, im Anschluss aber ihr Herz an das Ruhrgebiet verloren. Erst wohnte sie sechs Jahre in Essen, 2010 ist sie nach Dortmund umgezogen.